Alfred Partikel -  Rainer Gerckens

Alfred Partikel (eBook)

Leben und Werk
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2022 | 1. Auflage
220 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6231-1 (ISBN)
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Wer war der Maler, der in den Wirren der Nachkriegstage im Ostseedorf Ahrenshoop spurlos verschwand? Wer war der Hochschullehrer, den die Nazis 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" präsentierten und gleichzeitig in die Preußische Akademie der Künste beriefen? Wer war der Künstler, der Richard Scheibe und Gerhard Marcks zu seinen engsten künstlerischen Freunden zählte? Dieses Buch gibt Antworten und beschreibt den Lebensweg und das Werk des Malers Alfred Partikel, der meisterhafte Landschaftsbilder von poetischer Stille schuf.

Prof. Dr. Rainer Gerckens, M. A. ist promovierter Kunsthistoriker , Kultur- und Sozialwissenschaftler. Er promovierte 1990 bei Prof. Dr. Martin Warnke und Prof. Dr. Horst Bredekamp an der Universität Hamburg. Seit Studienzeiten war Rainer Gerckens u.a. an der Hamburger Kunsthalle, dem Museum für Hamburgische Geschichte, dem Fayencemuseum in Kellinghusen und der Stiftung Nordseemuseum Helgoland beschäftigt. Darüber hinaus war er viele Jahre in Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen tätig. Zudem hat er Lehraufträge an Hochschulen in Hamburg, Bremen und Kiel wahrgenommen. Zahlreiche Publikationen zu kulturwissenschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und gesundheitswissenschaftlichen Fragestellungen liegen von ihm in Fachzeitschriften und Einzelpublikationen vor. Von 2008 bis 2021 war er als Professor für Pflegemanagement an der Hamburger Fern-Hochschule tätig. Professor Dr. Gerckens ist Mitglied im Verband Deutscher Kunsthistoriker.

Herkunft und Ausbildung

Alfred Partikels Leben und Werk ist von unterschiedlichen Einflüssen geprägt. In erster Linie entwickelt es sich jedoch im Spannungsfeld von gegensätzlichen Lebenswelten: hier die gesellige Metropole, dort die ländliche Einsamkeit, hier die städtische Geschäftigkeit, dort die dörfliche Idylle. Die stärksten Impulse für sein künstlerisches Schaffen erhielt er in den Zentren der Kunstentwicklung, insbesondere in Berlin. Seine Malweise prägte sich hingegen jenseits der Großstädte, in ländlicher Abgeschiedenheit am intensivsten aus.

Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung liegt in Partikels Herkunft. Fern von jeglichem Ort künstlerischer Inspiration, an der östlichen Grenze Ostpreußens wuchs Partikel auf. Industrie und Technik blieben dieser Region bis zur Jahrhundertwende fremd.9) Auch die Landwirtschaft wurde noch lange mit traditionellem Arbeitsgerät verrichtet. Die Mechanisierung setzte hier, im Gegensatz zum übrigen Deutschen Reich, erst spät ein. Eisenbahn und Telegrafenleitungen waren die neuesten sichtbaren technischen Errungenschaften. Im Landschaftsbild Ostpreußens herrschten noch immer die weiten Flächen von Feldern, Seen, Wäldern und Heide vor. In diese Landschaft zog es den Maler im Laufe seines Lebens immer wieder zurück. Sie prägten einen erheblichen Teil seines künstlerischen Werkes: die Landschaftsmalerei.

Abb. 3: Karte von Ostpreußen mit Lebensstationen Partikels

Der Vater, Adolf Partikel, stammte aus Westpreußen.10) Dort wurde er am 12.9.1857 in Wenzkau, Kreis Berent geboren. Er war ein Zugereister, der in Goldap, einer kleinen ostpreußischen Kreisstadt am Rande der Rominter Heide, Sekretär im Amtsgericht wurde. Anlässlich auswärtiger Gerichtstage kam Adolf Partikel nach Szittkehmen, jenseits der Rominter Heide, unmittelbar an der russischen Grenze gelegen (Abb. 3). Dort lernte er die Gastwirtstochter Anna Auguste Kausch (*23.09.1858) kennen. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Der erstgeborene Sohn Hans (*1885) studierte Jura und wurde später ein einflussreicher Mann im ostpreußischen Raiffeisenwesen. Auf die Schwester Käthe (*1887) folgte am 7.10.1888 Ernst Fritz Adolf Alfred Partikel (Abb. 4).

Abb. 4: Alfred Partikel (li.) mit Schwester Gertrud, 1892

Bis 1894 bekam er noch drei Schwestern. Die Eltern blieben zunächst noch in Goldap, bis der Vater in den neunziger Jahren den Gasthof seines Schwiegervaters in Szittkehmen übernahm. Hier wurde er zum Gemeindeund Amtsvorsteher umliegender Bezirke ernannt. In dieser preußischprotestantischen Amtsatmosphäre wuchs Alfred Partikel auf. Hier ging er zur Schule, bis die Familie in die nördlich gelegene Kreisstadt Pillkallen zog, wo der Vater das Amt des Bürgermeisters übernahm, das er bis 1919 innehatte. Künstlerische Einflüsse konnten frühestens in dieser Zeit auf Alfred Partikels Entwicklung Einfluss genommen haben. Pillkallen hatte in dieser Hinsicht allerdings ebenso wenig zu bieten wie das fünfzig Kilometer entfernt liegende Insterburg, wo Alfred zusammen mit seinem Bruder Hans das Gymnasium besuchte.

Eine Fotografie aus der Zeit um 1904 zeigt die Familie Partikel um einen Kaffeetisch gruppiert (Abb. 5). Neben die Eltern durften sich die Söhne platzieren, während die Schwestern, bis auf die kleine Marie, stehen mussten. Der Bruder Hans postiert sich mit übergeschlagenen Beinen, grimmigem Blick, einem keck zur Seite geschobenem Hut selbstbewusst und in merklicher Distanz neben dem Vater.

Abb. 5: Familie Partikel, Alfred links, um 1904

Alfred hingegen, in der Statur seinem Bruder überlegen, trägt weichere Züge. Über seinen unsicher verhakten Beinen scheint er gerade aus einer wichtigen Arbeit aufzuschauen. Allerdings sollte er sich in dieser Zeit aus der Familie lösen. 1905 verließ er das Gymnasium in Insterburg mit dem „Einjährigen“. Ihn zog es in die Stadt, nach Königsberg, um Maler zu werden.

Mit siebzehn Jahren besuchte Alfred Partikel in Königsberg die traditionsreiche Kunst- und Gewerkschule, die seit 1790 bestand.11) Dieses Institut hatte nach der späteren Gründung der Königsberger Kunstakademie seinen Schwerpunkt in der kunsthandwerklichen Ausbildung. Es bestanden Tagesklassen für Maler, Bildhauer, Tischler, Maschinenbauer und Schlosser sowie eine Vorklasse für allgemeinen Zeichenunterricht.12) Als Kunstmaler wirkten hier Max Rodemeister und Eduard Anderson. Rodemeister (*1858) wurde nach einem Studium an der Königsberger Akademie 1890 Lehrer an der Kunst- und Gewerkschule.13) Anderson (1873-1947) war ebenfalls als Landschaftsmaler aus der Königsberger Akademie hervorgegangen.14) Um 1905 gab es an der Kunst- und Gewerkschule 47 Vollschüler. Hinzu kamen noch zahlreiche Nachmittags- und Abendschüler, so dass die Zahl der Auszubildenden insgesamt nahezu 400 betrug.15) Welchen Status Alfred Partikel an dieser Schule hatte, ist nicht bekannt. Sein Talent hinterließ jedoch soviel Eindruck auf die Lehrerschaft, dass er noch im selben Jahr auf die Königliche Kunstakademie zu Königsberg überwechseln durfte (Abb. 6).

Abb. 6: Königliche Kunstakademie Königsberg, Kupferstich, um 1841

Die Königliche Kunstakademie wurde 1842 gegründet.16) Ihr erster Direktor war Ludwig Rosenfelder (1831-1881), der als Historienmaler in Berlin Ansehen erlangt hatte. Rosenfelder stand der in den folgenden Jahren einsetzenden Mode der Freiluftmalerei offen gegenüber. August Behrendsen (1819-1886) und Maximilian Schmidt (1818-1901) führten die Landschaftsklasse bis zur Jahrhundertwende. Nach Rosenfelders Ausscheiden aus dem Lehrkörper übernahm, nach einem kurzen Interregnum Schmidts, 1880 Carl Steffeck (1818-1890) bis zu seinem Tod die Leitung der Akademie. Steffeck galt als Bildnis- und Landschafts-, aber insbesondere als Tiermaler, der in Berlin noch von Franz Krüger (1797-1857) geprägt worden war. Eine schulmäßige Ausstrahlung hatte die Königsberger Akademie bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlangen können. Die etwas abseits liegende Anstalt erreichte lediglich regionale Bedeutung. Es fehlte an entsprechenden Künstlerpersönlichkeiten. Dies wollte man mit der Berufung des Berliner Akademieprofessors Ludwig Dettmann (1865-1944) ändern. Dettmann gehörte zu den Malern, die den Impressionismus in Deutschland mit zur Geltung gebracht hatten. 1898 war er an der Gründung der Berliner Secession beteiligt, in deren Vorstand er in den ersten Jahren vertreten war.

Vorrangiges Ziel Dettmanns war es, den Lehrkörper zu erneuern. So berief er u. a. den Düsseldorfer Maler Olof Jernberg (1875-1935) zur Leitung der Landschaftsklasse und den Grafiker Heinrich Wolff (1875-1940), der nun die Elementar- und Kupferstichklasse betreute.

Dettmann, Jernberg und Wolff waren die drei Lehrer, von denen Partikel am meisten profitierte. Dettmann versuchte, seine offene, impressionistisch anmutende Malweise der achtziger Jahre in den späteren Historienmalereien anzuwenden. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wurde er von der Stilkunst Hodlers beeinflusst.17) Jernberg war aus der Düsseldorfer Malerschule hervorgegangen und hatte sich einer pleinairistischen Malweise zugewandt. Sein Pariser Aufenthalt in den 80er Jahren hatte eine Begeisterung für die Schule von Barbizon geweckt.18)

Diese neuen Lehrer verlangten nun von ihren Schülern „vor der Natur“ zu malen. Die Freiluftmalerei, anderenorts schon seit Jahrzehnten gepflegt, kam mit den impressionistischen Stileinflüssen nun auch an der Königsberger Akademie zum Durchbruch.19) Dettmann selbst war ein engagierter Verfechter der Freiluftmalerei. So schrieb er: „Ist nicht die Natur draußen, die ganze reiche Welt das Forum, da der Landschaftsmaler arbeiten und leben kann! Was soll er in den Akademieräumen?“ 20) Auch Heinrich Wolff ging mit seinen Schülern „vor die Natur“, seitdem Exkursionen selbstverständliche Bestandteile der Unterrichtsgestaltung geworden waren.21) Heinrich Wolff bekam für Partikel eine wichtige Bedeutung. Seine technische Versiertheit in der Druckgrafik hatte Partikel mit großem Interesse aufgenommen. Insbesondere die Verfahren der Ätzdrucktechniken lassen in Partikels frühen druckgrafischen Blättern Wolffs Einfluss erkennen.

Abb. 7: Bildnis Marie Partikel, 1907, Öl auf Leinwand, WVZ G1

Aus der Königsberger Akademiezeit stammt das älteste erhaltene Werk Alfred Partikels. Der junge Akademieschüler war gerade 19 Jahre alt, als er seine jüngste Schwester Marie porträtierte (Abb. 7). Das Brustbild zeigt ein junges Mädchen auf einem Biedermeiersofa sitzend. Mit breitem Duktus ist das Bild in warme Braun- und Ockertöne gefasst. Der pyramidale Aufbau sowie der melancholische Gestus ist klassischen Brustbildnissen angelehnt. Trotzdem wirkt die Darstellung nicht stereotyp, denn Partikel konzentriert alle malerischen Mittel auf das Gesicht der Dargestellten. Die Hände, nur...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-7562-6231-6 / 3756262316
ISBN-13 978-3-7562-6231-1 / 9783756262311
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