Philosophie in Woody Allens Filmen -  Pascal Debra

Philosophie in Woody Allens Filmen (eBook)

Vom Existentialismus zum Dekonstruktivismus

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
138 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-8715-3 (ISBN)
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Philosophie und Psychologie in Woody Allens Filmen? Dieses Buch behandelt die fruchtbare Schaffensperiode des Filmemachers Woody Allen zwischen 2005 und 2011 in der vor allem die europäischen preisgekrönten Filme gedreht wurden. Von VickyCristinaBarcelona, Matchpoint bis hin zu Whatever works und Midnight in Paris: Die gewundenen Wege durch die Gassen des Existentialismus, die Pfade der Geschichtsnostalgie bis hin zu den hellen Passagen des hedonistisch zelebrierten Libertinismus: Woody ging sie alle! In allen Filmen lauern philosophische Grundfragen und psychologisch-komplexe Themen und werden somit zu Fundgruben menschlicher Handlungen und Bedeutungen.

PASCAL DEBRA, 1978 in Luxemburg geboren, studierte Philosophie (speziell wissenschaftstheoretische Ansätze), Literaturwissenschaften und Linguistik an der Universität Trier und erwarb dort den Magister Artium Abschluss in diesen Bereichen. Beschäftigt sich mit der Vielfalt von Weltanschauungen und philosophischen Konzepten und ist leidenschaftlicher Musikalbensammler. War Lehrer für Philosophie und Ethik, unterrichtet aktuell in einer Privatschule.

Matchpoint (2005) – Von Obsession,
Ethik und Zufälligkeiten


Ebenso wie VickyCristinaBarcelona, verschlägt es den geneigten Zuschauer aus dem fast heimisch gewordenen New York ins alte Europa. Darüber wurde bereits ausführlich in den Gazetten und in der Allen-Literatur geschrieben. In diesem Film aber ist England, genauer, London Schauplatz des Geschehens.

Philosophisch genug, wenn auch eher cineastisch gedacht, in Slowmotion aufbereitet, und dennoch durchaus Wert einen weiteren Blick auf die Anfangsszene zu werfen, ist das Thema des Zufalls, der fast deutlicher als je zuvor von Woody Allen herausgearbeitet wird. Der Zuschauer blickt gebannt auf den Tennisball, der langsam und damit als Eyecatcher dienend, eine Flugbahn vollzieht, die am Ende genau die Netzkante berührt und man sich die Frage stellt: Wird der Ball noch auf die andere Seite gelangen oder wird dieser zurückspringen?

Olaf-Axel Burow schreibt über diese Szene:

“In welches Feld würde er fallen? Die existentielle Dramatik dieser Situation stand im Raum: Von frühester Jugend an haben wir trainiert, unzählige Herausforderungen bestanden, Entbehrungen auf uns genommen, gehofft und gezagt, sind kurz bis zum ersehnten Ziel vorgedrungen und dann entscheidet ein alberner Zufall über alles oder nichts: Match-Point.”22

Wahrscheinlich kommen hier Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alte Ideen und Konzepte zum Tragen, die sich einzig der Frage widmen, ob das was passiert, was uns passiert im Alltagsleben und im Großenganzen, nur etwas ihr zufällig Zukommendes ist, oder ob es qua Schicksal einem gewissen Plan folgt.

Warum aber ist diese initiale Frage von so derart substanzieller Wichtigkeit? Signifikant ist vor allem ihre Grundlagen-funktion, denn darauf aufbauend finden sich nun die philosophischen Fragen ein: Gibt es ein ethisches Verhalten per se? Eine übermoralische Instanz, der wir uns unterordnen müssen oder sollten? Fragen der Vorbestimmheit des Lebens an sich, und damit die Frage nach der Selbstbestimmung: Ist unser Handeln frei?

Ist unser Denken frei?

Können wir die Wirklichkeit durchdringen? Was gibt es zu verstehen, und wieviel können wir überhaupt verstehen?

Woody Allen besteht seit Jahrzehnten auf seine Position, die ihm scheinbar nur erlaubt von Zufall zu sprechen. Für ihn liegt eben in diesem Punkt die ganze Dramatik des an sich vielleicht unnützen Lebens, wenn man ihm nicht selbst einen Nutzen verleiht: Der Zufall spielt dem Menschen übel mit und manchmal durch das geringfügige Glück des Zufalls wird dem Gerechten genommen, dem Ungerechten gegeben. Ähnlich dem Ball, verhält sich die Sicht Sartres auf den Würfel, der ein Analogon dazu ist:

“Der Würfelwurf wird den Zufall niemals aufheben, denn er enthält den Zufall in seinem praktischen Wesen (...) der Spieler (...) wirft seine Würfel in einer ganz bestimmten Art, er reagiert auf die eine oder andere Weise auf die geworfenen Zahlen und versucht dann, sein Glück oder Pech zu benutzen.”23

Aus dieser spitz formulierten Thematik aber baut Allen nun den Plot seines Films, der, was philosophische Inhalte anbelangt, einer langen und tiefen Analyse durchaus standhält. Er ist eindrucksvoll auf künstlerischem Niveau mit Ideen und Themen gespickt, die auch diesen Film reizvoll gestalten, ganz abgesehen von der gleichsam reizvollen Scarlett Johansson in der Rolle der Nola. In seiner 36. Regiearbeit sammelt Woody Allen erneut hochkarätige, fähige Schauspieler zusammen, wobei Scarlett in dieser Zeit ohnehin als neue Muse nicht mehr wegzudenken war. Erst bei Whatever works ist Johansson nicht mehr anwesend. Jonathan Rhys-Meyers, bekannt durch die Serie Die Tudors, mimt in dieser Klassengesellschaftskritik einen zur oben genannten Thematik passenden Tennislehrer. Ihm gelingt es, durch Beziehung und Einfluß, wenn auch nicht durch Fleiß, die Treppe der Sozialgesellschaft hinaufzusteigen, ohne tatsächlich dafür Wissen, Arbeit oder Ähnliches aufzuweisen, es sei denn Ehrgeiz, Anbiederung oder das Versprechen einer Familiengründung mit der Tochter des Familienoberhauptes würden diese unheilvolle Liaison nähren.

Dazu Woody Allen selbst:

"Ich wollte etwas machen über die Rolle, die das Glück im Leben spielt und dass wir alle eine Mordsangst haben, dem ins Auge zu sehen. Sehen Sie, jeder hätte doch gern, dass er die Kontrolle über sein Leben hat, oder zumindest ein bisschen Kontrolle. Jeder denkt doch, sagen wir mal, wenn ich regelmäßig Sport treibe und vernünftig esse und nicht rauche, dann werde ich ... Aber so läuft das nicht. Und keine noch so große Planerei kann der großen Rolle gerecht werden, die das Glück eben spielt. Ich wollte also eine Geschichte schreiben, die das zeigen sollte."

Aber fangen wir vorne an.

Eine große Veränderung, anderen Filmen gegenüber, ist jene der stark im Vordergrund stehenden Musik, die diesmal gänzlich klassisch gehalten wird. Wir hören bereits am Anfang Klassik und nicht wie üblich Jazz. Im Laufe des Films begegnen uns Verdi, Donizetti, Rossi, Bizet und sogar Andrew Lloyd Webber.

Wie lässt sich dies einordnen? Auf den ersten Blick lässt es sich auf die Tragik der Geschichte fixieren, die, einer Oper gleich, eine Liebesgeschichte samt Betrug, Sex, Opferumg und letztendlich mit Tod und Verderben endet. Das immanent vorhandene Elend, der tiefe Schmerz, die Schwäche innerhalb der Selbstprüfung (und das daraus resultierende Fiasko) und der Niederlage persönlicher Integrität enden dennoch auf eine woodyeske Art, nämlich eben so, wie eine Oper nicht endet und damit den bitteren Beigeschmack eines doppelten Gefühls im Zuschauer erweckt: Der Albtraum ist glücklicherweise beendet, aber mit welchen Kosten musste er aufgewogen werden?

Und der Stachel der Bürde bleibt: Das Gewissen errichtet ein auf Missbilligung basierendes Gefühl der Ungerechtigkeit. Die Rückhand des Lebens wurde zum Rückschlag persönlicher Rechtschaffenheit. Die Ordnung ist bis in den Abspann hinein zerbrochen, doch unanfechtbar verlässt der Film den zum Nicht-Eingreifen-Können verdammten Zuschauer.

Willkür, Subjektivität, Diktatur des Egos und der Auswuchs der Rechtswidrigkeit triumphieren.

Nichtsdestotrotz bleibt am Ende ein Gefühl der Erleichterung, wider jedes bessere Wissen und Gewissen. Man sprach von etwas Stendhaleskem in Matchpoint, und es ist wohl nicht aus der Luft gegriffen, denn tatsächlich sind alle Elemente der Oper vorhanden: Sex, Lust, Mord, Verrat...

Bereits bei einem der ersten Opernkomponisten, bei Monteverdi (1567-1643) finden wir in Die Krönung der Poppea Themen des Ehebruchs, der Untreue und des Mords! Ebenso unersättlich, was niedere Lust anbelangt, ist Chris Wilton (Jonathan Rhys-Meyers) und damit gleichzusetzen mit Mozarts Don Giovanni. Auf den zweiten Blick aber erscheint gerade die antagonistische Wirkung von Musik und Dargestelltem eine belebende und kuriose Spannung durch den Film zu tragen, wobei auf die Ernsthaftigkeit der tatsächlichen Geschehnisse hingearbeitet wird.

Wohin aber mit der Moral?

Ähnlich wie in Crimes and Misdemeanors von 1989 versucht die Titelfigur den Mord einzig und alleine damit zu rechtfertigen, dass ihr äußerlicher Status des Geldes willen erhalten bleiben muss – eine Schmach, ihr Gesicht zu verlieren, scheint sich diese Person nicht leisten zu wollen. Allenfalls ist sogar ein Mord dafür notwendig. Das familiäre Leben muss erhalten bleiben, koste es, was es wolle.

Eine Änderung aber gegenüber Crimes and Misdemeanors gibt es trotzdem, und diese scheint sogar gravierend: Wird beim letztgenannten Film noch ein Mörder angeheuert, vollstreckt ihn Chris Wilton in Matchpoint wenigstens selbst.

Die moralische Zerrissenheit entkoppelt sich demnach komplett von einer von Gott durchdrungenen Welt. Ein Nihilismus sondergleichen bleibt übrig, entwertend, unethisch und vor allem: ungerecht.

Moral und Ethik werden verschüttet, werden gar in diesem Falle utilitaristisch eingeübt. Eine Übung zielgerichteter Gründe zergliedern den Film über die ganze Länge und obwohl die Setzung von Macht und Geld an oberster Stelle zweckdienlich ist und dem Unterton des gesamten Films entspricht, entdecken wir in der nihilistischen Haltung eine deutliche Anlehnung an Nietzsche. Gott ist tot. Damit setzen wir einen moralischen Ausverkauf in Gang, der in den Handlungen von Matchpoint, Cassandras Traum aber auch in frühen Werken wie Manhattan und Der Stadtneurotiker schon deutlich hervorstachen.

Wenn keine göttliche Kraft ein übergeordnetes Recht regiert, dann müssen es zufällige Gegebenheiten sein. Aber gerade hier setzt Woody Allen nun die ironische Wendung ein, die das gesamte Konzept noch hätte drehen können. Die doppelte, ironische Wende zeigt sich darin, dass Chris Wilton, am Ufer stehend, den Ring in den Fluss werfen möchte, dieser aber genau in dieser fast unmöglichen Zufälligkeit der Allens Plot eigen ist, vom Geländer zurückspringt und auf dem Asphalt liegen bleibt. Die Parallele zur Anfangsszene mit...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Film / TV
ISBN-10 3-7543-8715-4 / 3754387154
ISBN-13 978-3-7543-8715-3 / 9783754387153
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