Kirchen-Musikalisches -  Eberhard Cherdron

Kirchen-Musikalisches (eBook)

Studien I
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2020 | 1. Auflage
292 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-5592-6 (ISBN)
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Im hier vorliegenden Band sind sechs Studien zur Kirchenmusik aus den Jahren 2015-2020 vereint. Die ersten drei Studien befassen sich mit frühen reformierten Gesangbüchern: Die Fürstenlieder in den kurpfälzischen reformierten Gesangbüchern Das Berliner reformierte Gesangbuch von 1657/58 Die Abendmahlslieder in reformierten Berliner Gesangbuch von 1657/58 In den folgenden beiden Aufsätzen wird die protestantische deutsche Rezeption zweier großer Kirchenmusiken dargestellt, Händels Anthem for the Funeral of Queen Caroline und Pergolesis Stabat mater: Empfindungen am Grabe Jesu Protestantische Parodien von Pergolesis Stabat mater Die letzte Studie ist Schleiermacher gewidmet: Schleiermacher und die Musik

Der Autor Eberhard Cherdron, Jahrgang 1943, war zuletzt Kirchenpräsident in der Evangelischen Kirche der Pfalz und lebt im Ruhestand in Speyer

Das Berliner reformierte Gesangbuch von 1657/58 - ein hymnologischer Meilenstein reformierter Irenik


Von der großen Kirchenmusik fast ganz unbemerkt, sind in dem kleinen pfälzischen Städtchen Germersheim drei ansehnliche Bände zur Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts erschienen, die einen ganz neuen tiefen Einblick in die auch kirchenpolitisch interessante Kirchenmusik im Berlin des 17. Jahrhunderts ermöglichen. Es handelt sich um die umfassende Ausgabe der von Johann Crüger komponierten Choräle mit instrumentalen Oberstimmen.82 Diese Publikation müsste eigentlich einige neue Akzente in der Bewertung der evangelischen Kirchenmusik „im Spannungsfeld der Konfessionen“83 möglich machen. Immer noch ist eine solche Bewertung durch das Übergewicht, und damit auch etwas durch die Blindheit lutherischer Kirchenmusiker getrübt.

So kann ein so erfahrener und hochgeschätzter Hymnologe wie Christian Bunners in seinem Beitrag zur politischen und religiösen Situation in dem oben genannten Band der (ökumenischen) Geschichte der Kirchenmusik schreiben:

„In der von Johannes Calvin (1509-1564) herkommenden Reformierten Kirche wurde für den Gottesdienst damals eine figurale Kirchenmusik abgelehnt und nur der Gesang von Psalmliedern – seit dem 18. Jahrhundert zunehmend auch andere Lieder – als biblisch begründet angesehen.“84

Es ist sehr bedauerlich, dass in diesem nun ja als Standardwerk geltenden Werk zur Kirchenmusik eine solche falsche Sicht des reformierten gottesdienstlichen Singens in Deutschland im 17. Jahrhundert gegeben wird. Eigentlich müsste es spätestens seit der Untersuchung von Walter Hollweg aus dem Jahre 1922 zum allgemeinen hymnologischen Wissen gehören, dass die Gesangbücher der deutschen reformierten Territorien von Anfang an fast durchgängig über den Psalmenteil hinaus eine reichhaltige weitere, auch lutherische Liedtradition aufgenommen haben.85

Das war schon so im ersten reformierten kurpfälzischen Gesangbuch von 1567/1573.86 Und dies setzte sich fort im Neustadter Gesangbuch, das die wesentliche Vorlage für das Herborner Gesangbuch war. Dieses war dann für das 17. Jahrhundert das prägende reformierte Gesangbuch und wurde in den meisten reformierten Territorien im 17. Jahrhundert übernommen. Mit Ausnahme von Berlin.87

Dabei hätte für den lutherischen Kirchenmusiker auch ein Blick in Nelles Geschichte des deutschen evangelischen Kirchenliedes genügt, wo zwar tendenziös, aber immerhin eingeräumt wird:

„Und die reformierte Kirche? Zu ihrer Ehre muß es gesagt werden, daß sie sich nicht mit den Lobwasserschen Psalmen begnügte, sondern dieser Sammlung überall Anhänge gab, in denen der Liederschatz lutherischer und reformierter Dichtung des 16. Jahrhunderts in guter, wenn auch beschränkter Auswahl enthalten war.“88

Nelle fügt dann allerdings kritisch hinzu, dass die Reformierten an den lutherischen Liedern Veränderungen vorgenommen haben, aus „Sorge um die reine Lehre“.89

Nach dieser eher allgemeinen Feststellung über die reformierten Gesangbücher im 17. Jahrhundert, soll nun das Berliner reformierte Gesangbuch von 1658 näher betrachtet werden.

Zur Vorgeschichte des reformierten Berliner Gesangbuches von 1658

Dass der Übertritt des brandenburgischen Kurfürsten Sigismund zur reformierten Konfession im Jahre 1613 in der Folgezeit auch Auswirkungen auf die Kirchenmusik hatte, ist vor allem aus dem Konflikt mit Paul Gerhardt bekannt. Wenig bekannt und durch die große Wirkung der „Praxis Pietatis Melica“ überdeckt, ist das reformierte Gesangbuch von 1657/58 in Berlin, das unter dem Titel „Psalmodia Sacra“ erschien90.

Zur Vorgeschichte dieses Gesangbuches hat Ilsabe Seibt91 in der neuesten Darstellung der reformierten Gesangbücher in Berlin sich vor allem auf Bachmann berufen. Dieser hatte schon darauf hingewiesen, dass das älteste in Berlin gedruckte Gesangbuch eine Ausgabe des „Lobwassers“ aus dem Jahre 1623 ist92. Dem Psalmenteil ist noch ein Anhang mit 15 weiteren Liedern angehängt, die Bachmann im Einzelnen aufführt93. Das Gesangbuch ist ausdrücklich für den Gebrauch in der Dom-Kirche bestimmt, wie aus der Vorrede zu erkennen ist. Ilsabe Seibt weist darauf hin, dass in der Vorrede der Drucker Guth betont, dass neben den Psalmen auch „Hrn. D. Lutheri version auffm Rande beygesatzt“ ist. Sie meint dazu: „Fast scheint es, als wolle Guth sich mit der Beigabe des Luthertextes gegen Anwürfe absichern“.94

Die kurze Bemerkung zeigt, dass es offensichtlich schon mit der Herausgabe eines Gesangbuches in der angespannten konfessionspolitischen Situation zum Streit kommen konnte. Positiv könnte man sagen, dass das Gesangbuch von 1623 mit der Aufnahme der lutherischen Auslegung der Psalmen einen irenischen Akzent setzen wollte.

Weder Seibt noch Bachmann erwähnen allerdings die beiden Drucke des „Herborner Gesangbuches“, die Hollweg95 nennt: 1620 in Frankfurt a. O. und 1623 in Berlin. Ob Hollweg sich hier täuschte und es diese Drucke gar nicht gab, sondern tatsächlich das Gesangbuch von Guth aus dem Jahre 1623 aus zwei Teilen bestand, von denen der zweite Teil in Frankfurt/Oder schon 1620 gedruckt wurde? Hier müsste noch in den vorhandenen Exemplaren, wie sie die Gesangbuch- Bibliographie auflistet, geforscht werden, die für das Gesangbuch von 1623 schon einen zweiten Teil unter dem Titel angibt mit dem Erscheinungsort Frankfurt/Oder: „Ffo 1620“.

Mit Recht hat aber Bachmann festgestellt: „Von tiefer greifendem Einflusse scheint dies Gesangbuch jedoch auch bei den Reformierten nicht gewesen zu sein, da bei der Herausgabe des Rungeschen Gesangbuches v. J. 1653 desselben gar keine Erwähnung geschieht.“96

Das Jahr 1653 ist für die Berliner Gesangbuchgeschichte von besonderer Bedeutung. In diesem Jahr erschien die 5. Auflage der „Praxis Pietatis Melica“ im Verlag von Christoph Runge. Das einzige erhaltene Exemplar befindet sich in München. Die Vorrede dieses Gesangbuches ist bei Christian Bunners abgedruckt.97 Bachmann kannte diese Ausgabe nicht.

Im gleichen Jahr erschienen aber bei Christoph Runge noch zwei weitere Gesangbücher:

Eine Ausgabe des „Lobwassers“98 und ein Gesangbuch mit dem Titel:

„D.M. Luthers/Und anderer vornehmen geistreichen und/ gelehrten Männer/ Geistliche Lieder/ und Psalmen./ Auff sonderbarem/ Ihrer Churfürstl. Durchlaucht./ zu Brandenburg,/ Meiner gnädigsten Churfürstin und Frauen/ Gnädigstem Befehl,/ Zu Erweckung mehrer Andacht/ bey frommen Hertzen/ zusammen getragen./ Darin die fremde und zum Theil annoch/ unbekandte Lieder, mit ihren nothwendigen/ Melodien versehen.// Zu Berlin, / Gedruckt und verleget von Christoff Runge,/ Im 1653 Jahre.“99

Bachmann hat dieses Gesangbuch von Christoph Runge (welchen Anteil direkt oder indirekt Crüger an diesem Gesangbuch hatte, ist nicht auszumachen) sehr ausführlich beschrieben. Es ist seinem Resümee zuzustimmen, dass es sich hier um ein reformiertes Gesangbuch handelt. Das wird auch ganz klar ersichtlich aus dem Widmungstext, den Bachmann vollständig zitiert.100

Dort wird auch erwähnt, dass der eigentliche Wunsch der reformierten Kurfürstin war, eine Gesangbuch-Ausgabe zu haben, in der sowohl die Psalmen, wie auch „die schönen Lutherischen Gesänge“ und der (Heidelberger) Katechismus und Gebete enthalten sind. Warum dieses noch nicht umgesetzt wurde, wird von Christoph Runge aber nicht erwähnt. Jedenfalls ist aber mit dieser Ausgabe und der Ausgabe des „Lobwassers“ im gleichen Jahr der Grundstock für ein reformiertes Gesangbuch in Berlin gelegt.

Leider hat auch die Gesangbuch-Bibliographie in der konfessionellen Einordnung des Runge-Gesangbuches, trotz Bachmanns klarer Beweisführung, dieses Gesangbuch als „ev.-lutherisch“ bezeichnet.101 Auch dies ist sicher ein kleiner Hinweis darauf, wie schnell die reformierte musikalische Tradition zum Verschwinden gebracht wird. Bachmann selbst hat ja dazu auch etwas beigetragen, wenn er in seinem Resümee festhält: „So erhielt denn unsere Stadt hiermit ihr erstes reformirtes, oder wohl richtiger unirtes Gesangbuch.“102 Warum er es für nötig hält, den Begriff des „reformirten“ durch den Begriff des „unirten“ zu ersetzen, ist wirklich nicht einsichtig. So geht von ihm der Gedanke eines unierten Berliner Doppel-gesangbuches aus, der verdrängt, dass es sich hier um ein reformiertes Gesangbuch handelt, das vor allem natürlich für den Hof in Berlin bestimmt war.

Ilsabe Seibt hat dieses Gesangbuch selbstverständlich zu den reformierten Gesangbüchern in Berlin gezählt. Für sie ist wichtig, dass dieses Gesangbuch auf den besonderen Wunsch der Kurfürstin entstanden ist, während sie hinter dem Gesangbuch von 1657/58 den Kurfürsten selbst als treibende Kraft sah.103

Man...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
ISBN-10 3-7526-5592-5 / 3752655925
ISBN-13 978-3-7526-5592-6 / 9783752655926
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