Marcel Duchamp (eBook)

The Great Hidden Inspirer
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2020 | 1. Auflage
264 Seiten
Hatje Cantz Verlag
978-3-7757-4848-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Marcel Duchamp -  Michael R. Taylor
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Mit The Great Hidden Inspirer, dem vierten Band der Poiesis-Reihe, widmet sich der renommierte Duchamp-Forscher Michael R. Taylor der Rolle Marcel Duchamps als heimlichem Drahtzieher in entscheidenden Momenten der Kunstgeschichte. In dem titelgebenden Aufsatz deckt Taylor auf, dass es Duchamp war, der dem Surrealismus in seinem New Yorker Exil zwischen 1942 und 1947 aus der Krise half und der Bewegung eine neue Richtung gab. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums von Duchamps wohl provokantestem Geniestreich Fountain erscheint ein weiterer Essay von Taylor in diesem Band. »Blind Man's Bluff« beschreibt die Hintergründe des Ereignisses, bei dem ein Pissoir die Kunstwelt erschütterte. Die damaligen Versuche, dieses provokante Objekt einzuordnen, zeugen von den Schwierigkeiten seiner Kritiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sich von tradierten ästhetischen Vorstellungen zu lösen. MARCEL DUCHAMP, eigentlich Henri-Robert-Marcel Duchamp (1887-1968), zählt zu den Wegbereitern des Dadaismus und Surrealismus. Seine Ansichten stellen den gängigen Kunstbegriff radikal in Frage und führten das Readymade in die Kunstwelt ein.

Cover
Title
Colophon
Inhalt
Table of Contents
Der Begriff Der Freiheit in Der Kunst Von Marcel Duchamp
Dank
Blind Man's Bluff:
»Der Heimliche Impulsgeber«
Zum Autor
The Concept of Freedom in the Art of Marcel Duchamp
Acknowledgments
Blind Man's Bluff:
"The Great Hidden Inspirer"
About the Author
Abbildungen/Figures

DER BEGRIFF DER FREIHEIT IN DER KUNST VON MARCEL DUCHAMP


GERHARD GRAULICH UND KORNELIA RÖDER

Die Auseinandersetzung mit Marcel Duchamps Werk verblüfft immer wieder, denn in der Forschung erfährt das, was als bekannt gilt, mitunter eine neue Deutung, nämlich dann, wenn die Fakten unter einem Anderen Gesichtspunkt studiert werden. Zuweilen sind es Details, die in einzelnen Werken übersehen wurden, Quellen, die nicht bekannt waren oder nicht zur Kenntnis genommen wurden, zuweilen sind es aber auch wegweisende Beiträge Duchamps zum Kunstgeschehen, die bisher nicht in angemessener Weise gewürdigt wurden.

Dieser Ambivalenz des Bekannten widmet sich der in England geborene Amerikanische Kunsthistoriker und Kurator Michael R. Taylor in den beiden brillanten Essays von Poiesis IV. Zum einen handelt es sich um den Aufsatz »Blind Man’s Bluff: Duchamp, Stieglitz und der Fountain-Skandal neu betrachtet«, in dem Taylor die Fakten zu dem wohl bekanntesten Readymade Fountain akribisch ausbreitet und neu zusammenführt. Zum Anderen ist der Aufsatz »›Der heimliche Impulsgeber‹. Marcel Duchamp und der Surrealismus im Exil, 1942–1947« in den Poiesis-Band aufgenommen worden, da hier zentrale Erkenntnisse zum New Yorker Surrealismus vorgestellt werden. Die Essays verdeutlichen Duchamps Weitsicht, schildern seine künstlerischen Strategien und vor allem seine Unbestechlichkeit bezüglich der Freiheit der Kunst. Von größter Bedeutung war für Duchamp, so Michael R. Taylor, stets der Respekt vor den Ideen und der individuellen Leistung des kreativ Schaffenden. Sicherlich sah Duchamp, dass Kunst immer auch einen Rahmen oder eine präsentationsform benötigt, wie sie etwa die 1916 gegründete Society of Independent Artists bot, in Deren Vorstand er tätig war. Gleichwohl akzeptierte er nicht, dass Funktionäre, Administratoren oder ideologische Anführer entscheiden, was aus moralischen, ästhetischen oder politischen Gründen gezeigt wird oder nicht. Die Conditio der Sozialstaates von 1917 war: »no jury, no prizes«, und diesen Grundsatz nahm Duchamp sehr Ernst: Wer ein Werk eingereicht hat, soll es auch präsentieren können.

Fountain war Duchamps probe aufs Exempel, die er in unglaublich kluger Weise mit seinem provokativen Objekt und seinem Bluff machte. Die Geschichte glauben wir zu kennen, doch war sie, wie Michael R. Taylor darlegt, viel komplexer, was zum einen die Diskussionen in der Society of Independent Artists, zum Anderen die Inszenierung des Stieglitz-Fotos offenbart. Und die Deutung von Fountain endet damit noch nicht, denkt man an die politische Bedeutung des 1913 entstandenen, in der Fotografie als Hintergrund verwendeten Gemäldes The Warriors von Marsden Hartley oder an die Konnotation einer öffentlichen Herrentoilette, die im damaligen New York als Treffpunkt galt, an dem gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr stattfand, was damals verboten war. Ob hier darüber hinaus ein erstes auftreten von Rrose Sélavy, Duchamps geschlechtlich ambivalenter Kunstfigur, avant la lettre zu sehen ist, darf durchaus zur Diskussion gestellt werden.

Der zweite Essay »Der Heimliche Impulsgeber« setzt sich mit der Emigration und der Exilsituation der surrealistischen Künstler in Amerika zu Beginn der 1940er-Jahre auseinander. Taylor gibt prononcierte Antworten auf die Fragen: Welche Rolle kommt Duchamp in jenen Jahren zu? Warum wurde er zum Impulsgeber der Surrealisten, und warum verlor André Breton zur gleichen Zeit an Bedeutung? Sicherlich spielte Duchamps Weltläufigkeit, sein Esprit, seine künstlerische Radikalität eine Rolle, die man im Kreis der Surrealisten bewunderte. Demgegenüber weigerte sich Breton fast ängstlich, sich der Amerikanischen Lebensweise zu öffnen und englisch zu lernen. Breton erstarrte in seinem Anspruch, die Werte der europäischen Kultur, insbesondere die französische Sprache, zu verteidigen. Sein Ziel war es, an die Zwischenkriegszeit in Paris anzuknüpfen. Jedoch wurde ihm sehr schnell klar: New York ist anders, größer, andere Spielregeln sind hier gültig. Man musste sich verabreden, um sich zu treffen. Und, was wesentlich ist, Breton konnte nicht mehr kontrollieren und die surrealistische Ausrichtung vorgeben.

Entscheidend in jenen Jahren war, dass Marcel Duchamp die Gruppe in New York für jedermann öffnete und den Surrealismus aus dem elitären seiner fast privaten Ästhetik befreite. Vor allem durch Veröffentlichungen in den Magazinen View und VVV fand eine Verbindung von Surrealismus und populärer Kultur statt, die in der Duchamp Ausgabe von View 1945 gipfelte, an der André Breton, Gabrielle Buffet, Nicolas Calas, Joseph Cornell, Charles Henri Ford, Julien Levy, Roberto Matta, Man Ray und Ettie Stettheimer beteiligt waren. Duchamps großes Verdienst jener Jahre war, die surrealistische Bewegung zu einen, wobei es ihm nicht um Autorität, sondern um Integrität ging. Damit untergrub er ganz offensichtlich André Bretons Position wie auch dessen Vorstellung des Surrealismus, die dort an ihre Grenzen stieß, wo Sexualität offen und freizügig gelebt wurde. Charles Henri Ford und Marcel Duchamp lehnten Zensur, insbesondere die durch Breton formulierte Diskriminierung von Schwulen und Lesben ab, denn der Surrealismus war für beide letztlich ein Ausdruck von Freiheit.

Der nunmehr vierte Band der Poiesis-Reihe erscheint zum 100- jährigen Jubiläum von Fountain, dem wohl provokantesten und damit erfolgreichsten Readymade von Duchamp. Auch dieser Band setzt den lebendigen Diskurs um das vielschichtige Werk von Duchamp fort. Fragt der erste Poiesis-Band Where do we go from here? noch nach der zukünftigen Ausrichtung der Duchamp-Forschung am Staatlichen Museum Schwerin / Ludwigslust / Güstrow, so setzt der zweite Band mit dem Titel The Indefinite Duchamp – Duchamp für alle – von Thomas Girst ein Statement in Bezug auf das Selbstverständnis des Schweriner Forschungszentrums. Dessen anliegen besteht nicht nur in der Vermittlung von Duchamps komplexer Ideenwelt an unterschiedliche Interessengruppen, sondern auch darin, den Betrachter dazu anzuregen, das Kunstwerk selbst zu vollenden – ganz im Sinne Duchamps. Dieser offene Zugang lässt sich nur mit innovativen und auf die Reflexionsfähigkeit des Betrachters vertrauenden Vermittlungsformaten umsetzen, die in Zusammenarbeit mit Künstlern und Wissenschaftlern aus Geistes, aber auch naturwissenschaftlichen und Anderen Disziplinen entwickelt werden. Mit dem dritten Band von Thomas Zaunschirm zum letzten Readymade Duchamps wurde eine Methodendiskussion eröffnet, die verschiedene Betrachtungsweisen ermöglicht. In Faux Vagin werden grundlegende Kriterien verhandelt, die einen alltagsgegenstand zum Readymade werden lassen.

An diese Fragen knüpft Michael R. Taylor mit seinem Essay »Blind Man’s Bluff« an, indem er den Diskurs um die Kategorie der Freiheit erweitert. Michael R. Taylors Aufsatz »Der heimliche Impulsgeber« lässt die Zeit, als die europäischen Künstler im New Yorker Exil lebten, wieder lebendig werden. Im Kontext einer heutigen globalisierten Kunstszene erscheinen die von Taylor feinsinnig und differenziert herausgearbeiteten unterschiedlichen ReAktionen der Exilkünstler auf das neue Umfeld in einem völlig neuen licht. Der Surrealismus in New York stellt sich als ein Phänomen dar, bei dem europäische Wertvorstellungen mit einer bisher fremden Lebensweise konfrontiert wurden.

Dieser wichtige Aspekt wurde im Zusammenhang mit der Etablierung des Surrealismus in den USA bisher nicht in der Weise beleuchtetet, wie es in Michael R. Taylors kenntnisreichen Essay geschieht. Mit seiner über einen reinen Kunstdiskurs hinausgehenden Betrachtungsweise werden brisante und bis heute aktuelle Fragen tangiert, leben doch gegenwärtig zahlreiche Künstler aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihren Heimländern. Zumeist kommen auch sie – wie Anfang der 1940er-Jahre die Surrealisten – aus einem Anderen Kulturkreis. Wie inspirierend stellt sich das neue Umfeld dar? Duchamp fungierte als vermittelndes Bindeglied, als Scharnier, zwischen den beiden Zentren der Avantgarde. Ihm schien die Synthese von Paris und New York sowohl in seinem leben als auch in seinem Werk mühelos gelungen zu sein, und sie wirkte sich offenbar inspirierend auf sein leben und seine Kunst aus. Jenseits von Nationalismus und einer ablehnenden Haltung gegenüber allem Fremden, lässt sich die im Essay dargelegte Position von Marcel Duchamp als Plädoyer für Freiheit und Weltoffenheit in der Kunst verstehen.

Zudem zeugt der vierte Band von Poiesis eindrucksvoll von Michael R. Taylors Fähigkeit zur humorvollen und inspirierenden Reflexionen über das Werk Marcel Duchamps und dessen künstlerisches Umfeld. Er hat wie kaum ein anderer Kunsthistoriker mit seinen Ausstellungen, Publikationen und Vorträgen den internationalen Duchamp-Diskurs maßgeblich geprägt. Derzeit ist Taylor als chefkurator und stellvertretender Direktor des Virginia Museum of Fine Arts in Richmond (USA) tätig. Er hat zuvor lange als Kurator für die Kunst der Moderne am Philadelphia Museum of Art gearbeitet und 2009 mit Marcel Duchamp. Étant donnés ein wissenschaftliches Standardwerk zu Duchamps später Installation vorgelegt, für die ihm im selben Jahr der George Wittenborn Memorial Book Award 2009 verliehen wurde. Seit 2009 bietet Schwerin ein Forum zu...

Erscheint lt. Verlag 21.10.2020
Reihe/Serie Hatje Cantz Text
Poiesis
Poiesis
Poiesis. Schriftenreihe des Duchamp-Forschungszentrums
Mitarbeit Designer: Johannes Sternstein
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte Dadaismus • Klassische Moderne • Kunsttheorie • Surrealismus
ISBN-10 3-7757-4848-2 / 3775748482
ISBN-13 978-3-7757-4848-3 / 9783775748483
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