Ikonen der Kunst (eBook)

und wie sie zu dem wurden, was sie heute sind

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
224 Seiten
Prestel (Verlag)
978-3-641-27720-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ikonen der Kunst -  Katja Lembke
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Wie Objekte zu den gefeiertsten Ikonen der Kunstgeschichte wurden
Von der Venus de Milo, über Leonardo da Vincis Mona Lisa bis hin zu Edvard Munchs Gemälde Der Schrei - der Kunsttourismus boomt, wie die hohen Besucherzahlen in Museen weltweit zeigen. Was aber macht diese Kunstwerke für uns so attraktiv?

Dieses Buch widmet sich 25 Ikonen der Kunst, deren populärer Ruhm bis heute prägend ist für Literatur, Musik, Film und die Kunstwelt allgemein. Die Autorin erklärt anschaulich, welche Faktoren dazu beitrugen, dass ein Kunstwerk zur Ikone wurde, welchen Einfluss diese Werke auf Generationen von Betrachtern bis heute genommen haben und wie sie Teil unseres kulturellen Gedächtnisses wurden.

Prof. Dr. Katja Lembke ist Klassische Archäologin sowie Ägyptologin und leitet seit 2011 als Direktorin das Niedersächsische Landesmuseum Hannover.

Einleitung

 »Die meisten Besucher betreten ein Museum, um etwas zu sehen, von dem sie glauben, es zu kennen. Sie schauen sich das Original eines berühmten Bildes nicht an, sondern prüfen lediglich, ob es auch wirklich vor ihnen an der Wand hängt. Dann halten sie ihren Selfiestick in die Höhe und machen ein Foto, denn was sie nicht in der Cloud haben, existiert für sie nicht.«

JULIAN SCHNABEL

1000 Places to See Before You Die und A History of the World in 100 Objects sind nur zwei der zahlreichen erfolgreichen Buchtitel der vergangenen Jahre, die sich mit einzigartigen Kunstwerken beschäftigen. Gleichzeitig boomt der Tourismus zu den Ikonen der Kunst: Zunehmend ist das Bedürfnis zu erkennen, sich mit einem Selfie vor der Mona Lisa oder der Nofretete abzulichten, was sich unmittelbar in den Besucherzahlen der Museen ablesen lässt.

Aber was macht diese Kunstwerke eigentlich so einzigartig, dass sie als Ikonen gelten? Ist es ihre einzigartige Schönheit? Oder der geniale Künstler? Die überragende Qualität? Tatsächlich könnte man bei Mona Lisa oder Nofretete ihre zeit- und kulturübergreifende Schönheit als Grund annehmen, aber wie passt dazu der verstörende Schrei von Edvard Munch, dessen eine Fassung 2012 bei einer Auktion in New York für 119,9 Millionen Dollar (91,3 Millionen Euro) verkauft wurde? Damit war das Pastellbild damals das teuerste je bei einer Auktion verkaufte Kunstwerk der Welt.

Es geht nicht allein um die absolute Perfektion, denn selbst einem genormten Bild nach den Regeln gemorphter Schönheit wäre kaum ein Platz unter den 100 beliebtesten Kunstwerken sicher. An der Künstlerpersönlichkeit allein kann es auch nicht liegen, denn warum verblassen neben der Mona Lisa selbst Werke wie Leonardos Felsgrottenmadonna? Eine Ikone kann man nicht erschaffen, sie entsteht durch Zuweisung. Aber welches sind die Bedingungen, unter denen Kunstwerke ikonisiert werden?

Stoffe, Stile und Stars

Unter den weltweit bekanntesten Werken sind auffällig viele Porträts von Frauen. Dabei geht es kaum um berühmte Persönlichkeiten, sieht man von der Büste der Nofretete ab. Auch Landschaften erfreuen sich als gefälliges Thema großer Beliebtheit. Bei der Zusammenstellung fällt zudem auf, dass manche Kunststile überproportional vertreten sind. Die meisten Ikonen stammen aus vier Epochen: der Amarna-Zeit in Ägypten, dem griechischen Hellenismus, der italienischen Renaissance und der Klassischen Moderne. Diese ›Sattelzeiten‹ kennzeichnen eine Abkehr vom Alten und einen Aufbruch zu Neuem. Auch wenn uns das Revolutionäre dieser Kunst heute kaum mehr bewusst ist, sprechen gerade ihre Themen, Farbintensitäten und Stilrichtungen den heutigen Betrachter offenbar besonders an. Abgesehen von wenigen Dystopien wie Munchs Schrei oder dem Antikriegsbild Guernica von Pablo Picasso sind es meist Werke, die den Betrachter erfreuen, nicht verstören wollen. Und schließlich konzentrieren sich die ›Highlights‹ auf einige wenige Künstlerpersönlichkeiten, denen es oft schon zu Lebzeiten gelungen ist, sich auf die eine oder andere Weise zu inszenieren.

Kunstwerk mit Eigenschaften

Darüber hinaus kommt man bei einer Spurensuche auf Eigenschaften, die weniger mit dem Künstler und der Qualität als mit einer besonderen Geschichte des Kunstwerks zu tun haben. Sogar negative Gründe können es mehr als andere bekannt machen: Dazu gehört die partielle Exklusion, also die vorübergehende Entfernung, etwa beim Diebstahl der Mona Lisa 1911, der den Hype um sie erst anfachte. Selbst die Zerstörung eines Werks kann zur Ikonisierung führen, wie wir erst vor wenigen Jahren bei der Sprengung der Buddha-Statuen von Bamiyan erfahren konnten. Eine ›neue globale Ikone‹ wurde auch mit dem teilgeschredderten Bild Love Is in the Bin des Street-Art-Künstlers Banksy erzeugt – jedenfalls nach Meinung des Museums Frieder Burda, wo das Bild erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Ursprünglich hieß die bemalte Leinwand Girl with Balloon, doch bei seiner Versteigerung im Oktober 2018 wurde auf Veranlassung des Künstlers per Fernbedienung ein Mechanismus ausgelöst, der das Bild teilweise zerstörte. Ob sich diese Konzeptkunst allerdings langfristig als ikonisch bewährt, ist heute kaum zu entscheiden, weshalb generell Werke, die jünger sind als 80 Jahre, in diesem Buch nicht behandelt werden.

Vielfältiger sind aber die positiven Aspekte, die aus Kunstwerken Ikonen machen: Die Laokoon-Gruppe wurde ›zufällig‹ von Michelangelo mitentdeckt, Plinius der Ältere überlieferte zudem noch die Namen der Künstler. Anders als fast alle Skulpturen der Antike ist der Laokoon daher ein ›Werk mit Autor‹. Auch die Inszenierung eines Kunstwerks spielt eine Rolle, wie par excellence die oberhalb einer Prachttreppe im Louvre präsentierte Nike von Samothrake verdeutlicht. Ein weiterer Aspekt ist die Mythisierung, etwa der Nachtwache von Rembrandt, einem Künstler, der während der bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts eine republikanische Identifikationsfigur, ja ein Nationalheld wurde. Schließlich trägt auch die Medialisierung erheblich zur Ikonenbildung bei. Waren es früher Kupferstiche und Radierungen, die selbst unbewegliche Werke wie Leonardos Abendmahl bekannt gemacht haben, kam im 19. Jahrhundert die Fotografie hinzu, die erheblichen Anteil daran hatte, Howard Carters Entdeckung des Tutanchamun-Grabes in die Öffentlichkeit zu tragen. Heute ermöglicht das Internet eine Entgrenzung der Zugänglichkeit. So wurde etwa das Musikvideo »Apeshit«, das Beyoncé und Jay-Z vor der Mona Lisa, der Nike von Samothrake und der Venus von Milo gedreht haben, über 200 Millionen Mal aufgerufen, der erklärende Clip »Hidden Meanings Behind ›Apeshit‹« immerhin gut 1,6 Millionen Mal. Auf diese Weise brachte der Song dem Louvre 2018 nicht nur einen Besucherrekord von 10,2 Millionen Menschen, sondern auch einen beneidenswerten Altersdurchschnitt, denn die Hälfte der Besucher war jünger als dreißig Jahre. Sicher ist dem Kunsthistoriker Frank Zöllner zuzustimmen, der 2015 konstatierte: »Kanonisierung und Dekanonisierung von Kunstwerken dürften also in Zukunft noch stärker als früher von den Möglichkeiten und auch von den Zufällen ihrer medialen Inszenierung abhängen.«

Das Kunstwerk und die Aura

Schon in den 1930er-Jahren hat Walter Benjamin in seinem Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« auf die Veränderung des Kunstbegriffs durch die Möglichkeiten der Vervielfältigung hingewiesen. Darin beklagte er vor allem den Verlust der Aura, der mit der Wiederholung einhergehe. Andererseits sah er auch die positiven Aspekte der »Befreiung des Objekts von der Aura«, derer sich Dadaisten, Surrealisten oder später Andy Warhol in ihren Adaptionen der Mona Lisa bedienten. Heute werden Benjamins Thesen kritisch betrachtet, denn weder haben die zahlreichen Reproduktionen der Mona Lisa die Autorität des Originals beschädigt, noch hat es sich »von seinem parasitären Dasein am Ritual emanzipiert« (Benjamin). Vielmehr ist durch die Vervielfältigung des Bildes ein neuer Kult entstanden, der sich an den Schlangen zeigt, die sich vor dem Louvre bilden, wie bei einer neuen Form von Wallfahrt. Zudem führt das Selfie mit der Mona Lisa zu einer bedeutsamen Aufladung der eigenen Person, ähnlich wie im Christentum vor bedeutenden Reliquien oder bei den Muslimen auf der Hadsch.

Ikonen als Spiegel ihrer Zeit

Eine offizielle Liste der berühmtesten Kunstwerke gibt es nicht. Die hier aufgeführten Werke einigt aber eins: Sie werden millionenfach reproduziert auf T-Shirts, Tassen oder Tüchern, Musikstücke wurden auf sie komponiert, Filme über sie gedreht, Literatur wurde durch sie inspiriert. Sucht man im Internet nach den berühmtesten Kunstwerken der Welt, sind nur Werke seit der Renaissance vertreten. In diesem Buch wird der Blick erweitert, denn herausragende und heute noch beliebte Kunstwerke wurden bereits in der Antike erschaffen. Ihre Ikonisierung erfolgte allerdings sehr viel später, etwa bei der Reiterstatue Marc Aurels in der Renaissance, im Fall der Nofretete sogar erst im 20. Jahrhundert.

Auffällig bleiben dennoch die Lücken. So fehlen bei den ›Best-of‹ – mit Ausnahme amerikanischer Künstler – außereuropäische Kunstwerke. Dass es sich dabei nicht um eine generelle Ablehnung dieser Kulturen handelt, zeigen Machu Picchu oder Ankor Wat, die jährlich Millionen von Besuchern anziehen. Bei den Ethnologica liegen die Gründe einerseits in ihrer kontextuellen Bedeutung, denn sie sind weniger Kunstwerke sui generis als rituelle Gegenstände. Zum anderen ist es den Werken außereuropäischer Kulturen bislang nicht gelungen, zeit- und kulturübergreifend Akzeptanz zu finden. Japaner und Chinesen lernen etwa schon als Kinder die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven kennen und reisen als Erwachsene nach Amerika oder Europa, aber die Faszination der Bewohner der westlichen Hemisphäre für den Fernen Osten ist weitaus geringer. Wenn das Nationalmuseum in Peking heute mit 8 Millionen Besuchern eines der beliebtesten Museen der Welt ist, ist dies vor allem auf einheimische Besucher zurückzuführen. Anders das Ägyptische Museum in Kairo, das bis zum sogenannten Arabischen Frühling fast nur ausländische Gäste verzeichnete, die die...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte bekannte Kunstwerke • das letzte abendmahl • Der Schrei • Der vitruvianische Mensch • Die Geburt der Venus • eBooks • Einführung Kunstgeschichte • europäische Kunstgeschichte • Hokusai • Kunst • Kunstgeschichte • Leonardo da Vinci • Louvre • Meisterwerke • Mona Lisa • Monet • Museum • Nofretete • Populärkultur • Rembrandt • Van Gogh • Venus de Milo
ISBN-10 3-641-27720-5 / 3641277205
ISBN-13 978-3-641-27720-8 / 9783641277208
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