Kerasukan - eine musikalische Reise in Sulawesi -  Ingo Stoevesandt

Kerasukan - eine musikalische Reise in Sulawesi (eBook)

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2020 | 1. Auflage
134 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-0738-5 (ISBN)
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Eigentlich wollte der Musikethnologe Ingo Stoevesandt die Musikinstrumente und Traditionen in Sulawesi erforschen, doch schon bald fand er sich in einer anderen Welt wieder: Eine Welt der Geister, Piraten und lebenden Toten. Abseits der Torusitenpfade entdecken wir neben den außergewöhnlichen Musikinstrumenten eine Kultur, die sich seit Jahrhunderten kaum verändert hat. In diesem Reisebericht erfährt man, wie es ist, wenn man einen Monat lang als Musikforscher in Sulawesi bei den Künstlern lebt und mit ihnen arbeitet.

Ingo Stoevesandt erforscht als Musikethnologe die Musiktraditionen und Instrumente Südostasiens. Von seinen bisherigen Forschungsreisen konnte er mehr als 300 Musikinstrumente mit nach Deutschland bringen. Diese stellt er in Konzerten und Vorträgen vor. Außerdem publiziert er Fachartikel, betreut eine monatliche Radiosendung zum Thema und organisiert Auftritte für Künstler aus Südostasien: www.musikausasien.de



Kerasukan


Eine musikalische Reise in Sulawesi





von

Ingo Stoevesandt







©  2018 www.musikausasien.de







VORWORT



Kerasukan“ ist ein Begriff der in Sulawesi benutzt wird, um den Zustand zu beschreiben, den ein Musiker erreichen muss, um sein Instrument zu spielen. Wörtlich übersetzen kann man es mit „besessen sein“, und hiermit ist nicht immer die „Besessenheit“ durch einen Geist gemeint, sondern oft auch eine spezielle Form der Hingabe. Der Musiker gerät in eine Art kontrollierte Trance und vergisst alles um sich herum und konzentriert sich nur auf die Musik. Diese Hingabe habe ich nicht nur musikalisch auf meiner Reise erlebt:


Trotz guter Kontaktmöglichkeiten über das Internet erfordert es viel Vorbereitung, eine Forschungsreise auf die Beine zu stellen und durchzuführen. In Sulawesi bin ich dabei auf eine überraschend offene und selbstlose Hingabe gestoßen. Ich bin dabei durch viele Menschen auf unerwartete Weise unterstützt worden. Musiker haben keine Mühe gescheut, auch gegen die größten Widerstände ein Treffen oder einen Kontakt zu ermöglichen. Meine Leidenschaft für ihre Musik traf immer auf große Freude und Verständnis, manche haben sogar hunderte Kilometer auf eigene Kosten zurück gelegt, nur um den verrückten Deutschen zu treffen, der sich für ihre Musiktradition interessiert. Sie haben ihre Tradition und ihr Wissen mit großem Enthusiasmus, mit viel Stolz und voller Liebe und Hingabe präsentiert und dabei oft großen Aufwand betrieben um mir behilflich zu sein. Auch diese Hingabe an mich und meine Neugier ist „kerasukan“.


Keine Sorge, dies ist kein akademischer Fachartikel. Es ist eher ein Reisebericht, in dem ich versuchen möchte, von meinen Erlebnissen mit den wunderbaren Menschen in Sulawesi, ihren Musiktraditionen und außergewöhnlichen Musikinstrumenten zu erzählen.


„Warum ausgerechnet Sulawesi? Wo ist das überhaupt?“


So die häufigsten Fragen wenn ich Bekannten von meiner Forschungsreise erzählt habe.


Nach einigen Forschungsreisen auf dem asiatischen Festland stand Indonesien schon lange auf meiner Wunschliste. Die vielzähligen Inseln mit ihren unterschiedlichen Völkern und Musiktraditionen sind für einen Forscher besonders reizvoll. Im Zentrum der Musik der meisten Inseln (Java, Sumatra, Bali) steht das berühmte Gamelan Orchester. Dessen Musik und Instrumente sind inzwischen weltweit berühmt und verbreitet, die dahinter stehenden Traditionen inzwischen sehr gut erforscht. Wo gibt es also noch unerforschte Musiktraditionen in Indonesien?


Auf Sulawesi gibt es keine Gamelan Orchester (im Norden nennen sie die Musik auf Xylofonen so, doch das hat mit der wirklichen Gamelan Musik nicht viel gemeinsam). Sulawesi hat dafür eine ganz eigene Musiktradition, die sonst nirgendwo in Indonesien zu finden ist, und sich auf bestimmte Musikinstrumente spezialisiert hat:

Im Süden dominiert die Bootslaute „kecapi“ oder „kacaping“, eine Laute die sich stark von ähnlichen Lauten auf Sumatra oder den Philippinen unterscheidet. Mindestens genau so interessant sind die diversen Bambusflöten „Suling“, die weit mehr sind als nur eine Flöte – später mehr dazu. Besonders reizvoll ist vor allem daß sich in Sulawesi viele Volksgruppen finden, die schon seit Jahrhunderten jede ihre eigene Sprache, Kleidung, Feste und Musiktraditionen kennen. Ein Traum für jeden Forscher!


Der letzte europäische Forscher in Sulawesi war der schwedische Ethnograph Walter Kaudern, der 1927 fast ganz Sulawesi bereist hat. Seine Zeichnungen und katalogischen Auflistungen einiger Musikinstrumente sind bis heute hilfreich für einen ersten Überblick. Da er jedoch kein Musikfachmann war, ist vieles lückenhaft geblieben, so hat er den Instrumenten keine Namen zugeordnet und auch den Fundort oft nicht angegeben. Seine Angaben zur Herkunft oder Spielweise der Instrumente ist oft ungenau und manchmal sogar spekulativ. (1)


Das aktuellste Buch zur Musik in Sulawesi stammt aus dem Jahr 2002, es hat den Titel „Recalling the spirit“ und ist vom amerikanischen Forscher R. Anderson-Sutton, ein Fachbuch, in dem einzelne Musiker und ihre Musiktraditionen vorgestellt werden. (2)


Ansonsten ist es ziemlich schwierig, Bücher über die Musiktraditionen in Sulawesi zu finden. Weit verstreut finden sich einzelne Fachartikel. Zum Beispiel bei der Französin Dana Rappoport  (3), die sich auf die Musik der Toraja konzentriert, doch das ist schon sehr spezifisch, und eine gute Übersicht der aktuellen Musiktraditionen in Sulawesi sucht man im deutschen oder englischen Büchermarkt vergeblich.


Wenn man also wissen möchte, welche Musiktraditionen bis heute in Sulawesi aktiv gelebt werden, dann muss man sich vor Ort begeben. Nach über einem Jahr Recherche und Kontaktversuchen über das Internet war es im Juli 2018 endlich soweit, meine lang ersehnte Forschungsreise konnte beginnen.


Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr meine Erwartungen übertroffen werden sollten:



1.0   MAKASSAR



Jeder „bule“ („Bleichgesicht“ = Ausländer) kommt entweder zuerst in Manado oder in Makassar an, denn hier sind die beiden internationalen Flughäfen. In Manado im Norden tummeln sich die Aktivurlauber, vor allem bei Tauchern ist die Region sehr beliebt. Makassar wiederum ist das Portal zum Süden mit seinen schönen Stränden, zum gebirgigen Zentralmassiv und zum wenig bewohnten Südosten. Wer zum ersten Mal in Makassar (oder „Ujung Padang“) ankommt, wird schnell mit zwei Besonderheiten Sulawesis konfrontiert:


Makassar ist eine alte Hafenstadt. Der große Industriehafen beherrscht die Küste und ist einer der wichtigsten Häfen Südostasiens. Doch gleich daneben findet man die kleinen Fischmärkte, die man unbedingt besuchen sollte! Denn hier wird noch ganz traditionell gefischt, wie schon vor hunderten von Jahren.

Wen auch immer man in Sulawesi trifft, fast alle Volksgruppen auf Sulawesi sind erfahrene Seeleute, manche von ihnen bis heute noch gefährliche Piraten! Doch dazu später mehr. Scuba oder Padi Taucher im Norden können bestätigen: Die Fischgründe rund um Sulawesi sind bis heute kaum durch industriellen Fischfang in Bedrängnis geraten, da auf Sulawesi nur traditionell gefischt wird. Keine Schleppnetze, kein Explosivfischen, keine großindustriellen Fangflotten. Dadurch sind die Fischbestände rund um Sulawesi mitunter die „gesündesten“ Bestände der Welt, und die Tauchregionen im Norden gehören zu den schönsten Unterwasserregionen der Welt.

Die Volksgruppen die Sulawesi besiedeln sind also erfahrene Seeleute. Die Bajo sind berühmt für ihre Fähigkeit, bis zu 15 Minuten die Luft anzuhalten, wenn sie zum Beispiel nach Muscheln und Perlen tauchen. In der nördlichen Region verbringen Fischer zum Teil Wochen auf mitten im Ozean schwimmenden kleinen Hausbooten, um den berühmten Gelbflossen Thunfisch zu angeln. Und fast alle Völker auf Sulawesi sind begnadete Bootsbauer.

Abends trifft man sich in Makassar am „Pantai Losari“, einem zentralen Platz der trotz seines Namens nichts mit einem Strand gemeinsam hat. Hier findet man nicht nur geschätzte tausend Bananenküchen und andere Fressbuden, sondern vor allem viele junge Leute die gemütlich abhängen und Musik machen. Außerdem befinden sich auf dem Platz Statuen und aufgestellte Schriftzüge, die voller Stolz auf die wichtigsten vier Volksgruppen Sulawesis verweisen: Mandar, Bugis, Makassar und Toraja.


Letztere bauen bunt bemalte Häuser, die wie umgedrehte Schiffe aussehen, die Mandar sind hoch angesehene Farmer und Fischer, und von den berüchtigten Bugis Piraten stammt das englische Sprichwort „Who is afraid of the Boogie (Bugi!) Man?“, während die Makassar Jahrhunderte lang mit dem Königreich Gowa die Insel beherrschten und mit ihren Segelbooten bis nach Afrika segelten. Der Platz zeigt also voller Stolz: Ja, hier ist Sulawesi, die Insel der Seeleute und Piraten!


Und gleichzeitig mischt sich diese Kultur auch immer mit äußeren Einflüssen. Im 15. Jahrhundert wurde der Islam zur Hauptreligion, wodurch arabische Musik und ihre Instrumente nach Sulawesi kamen. Verschleierte Frauen sind also genau so selten wie große Moscheen und der Ruf des Imam zum Gebet. 1525 kamen schließlich goldgierige Portugiesen von den Molukken nach Sulawesi, gefolgt von den Holländern 1605, die gemeinsam mit den Bugis das berüchtigte Königreich Gowa 1669 besiegten. Sie beherrschten Sulawesi als Kolonie bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, der auch kurz japanische Truppen nach Sulawesi brachte. Schließlich wurde Sulawesi 1950 offiziell Teil der großen Republik Indonesien, doch auch heute noch ist Jakarta weit entfernt und man backt lieber seine eigenen politischen Brötchen. Dieser Jahrhunderte lange Einfluss von außen hat natürlich auch die Musiktraditionen beeinflusst, wie wir bald sehen werden.


In Makassar befindet sich heute noch das „Fort Rotterdam“, eine alte Festung die von den Holländern errichtet wurde. Dort findet man nicht nur zwei kleine Museen, es ist auch ein beliebter Ort für kulturelle...

Erscheint lt. Verlag 6.4.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
ISBN-10 3-7519-0738-6 / 3751907386
ISBN-13 978-3-7519-0738-5 / 9783751907385
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