Wie Bienen und Menschen zueinanderfanden (eBook)

Ein Streifzug durch Jahrhunderte und Jahreszeiten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
224 Seiten
btb Verlag
978-3-641-25768-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie Bienen und Menschen zueinanderfanden - Lotte Möller
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Dominante Königinnen, streitbare Benediktinermönche, Pu der Bär und Honig-Sommeliers: Lotte Möller schildert, weshalb Bienen die Menschen seit jeher faszinieren; und weshalb sie für uns weit wichtiger und wertvoller sind, als wir gemeinhin annehmen. Die schwedische Journalistin und Hobbyimkerin nimmt uns mit auf eine Reise durch die Jahreszeiten und Jahrhunderte. Ein hinreißender Band mit mehr als 200 Abbildungen, der ein Streifzug durch die Natur und durch die Kulturgeschichte ist - aber auch eine Liebeserklärung an eine vor dem Aussterben bedrohte Tierart.

Die schwedische Journalistin und Buchautorin Lotte Möller hat mehrere Bücher zum Thema Natur und Garten verfasst. Sie wurde u. a. mit dem Linné-Preis und mit der Verdienstmedaille der Königlichen Patriotischen Gesellschaft ausgezeichnet. Inspiriert wurde sie diesem Buch durch die Bienenstöcke in ihrem Garten im südschwedischen Lund.

EINLEITUNG


Der Sinn der Bienen sind die Bienen.
Wie das Leben. Dessen Sinn ist das Leben.

aus Bi-dur von Carl Magnus von Seth

DER RÖMER PLINIUS MEINTE, die Honigbienen seien die einzigen Insekten, die für den Menschen geschaffen worden seien, eine Ansicht, die lange Bestand hatte und auf die man gelegentlich heute noch stößt. Die Bienen gäben uns nicht nur Honig und Wachs, darüber hinaus seien sie ein Vorbild, was Fleiß, Selbstlosigkeit und effektiven Staatenbau betreffe. »Die beflügelten Äolsharfen können uns in müßigen Stunden eine vergnügliche Gesellschaft sein, führen sie uns doch zu edler Gemütsstimmung und nützlichen Betrachtungen«, schrieb der Propst Fredrik Thorelius Mitte des 19. Jahrhunderts ganz im Geiste seiner Zeit. Ebenso typisch, allerdings für eine spätere Epoche, sind die Ausführungen des Schriftstellers Jørgen Steen Nielsen aus dem Jahr 2016:

Wir bilden uns ein, dass wir die intelligentesten Wesen seien. Aber Intelligenz besteht aus vielen verschiedenen Faktoren, unter anderem der Fähigkeit, das Überleben und die Stabilität einer Gesellschaft zu sichern, indem man zuhört, zusammenarbeitet und das gemeinsame Wohl in den Mittelpunkt stellt. Wenn wir nicht in der Lage sind, in dieser Hinsicht von den Bienen zu lernen, die darin so viel mehr Erfahrung haben, verlieren wir zuerst die Bienen und dann uns selbst.

IMKEREI AUF DEM LAND
Die Imkerei war früher ein natürlicher Teil der Selbstversorgung auf dem Land. Karl-Bertil und Anna Lovisa Johansson in Södra Vi bedeckten traditionsgemäß ihre Stroh-Bienenkörbe mit Hauben aus Kiefernrinde, um sie vor Regen und Unwetter zu schützen.

Die Bienen sind ebenso wenig für den Menschen erschaffen worden wie alles andere in der Natur. Allerdings haben wir uns von ihnen abhängig gemacht. Ohne ihre Produkte kommen wir notfalls aus, aber der Großteil unserer Nahrung wird aus Feldfrüchten hergestellt, die von Insekten bestäubt werden, unter anderem von Honigbienen. Trotzdem haben wir es geschafft, sie an den Rand des Aussterbens zu bringen. Wie ist es dazu gekommen?

Früher war der Landbau vielfältig und die Natur artenreich, und wohnte man auf dem Land, gehörte die Imkerei schlicht zum Alltag. Aber je mehr Heideflächen, Weiden, Ansammlungen von Preiselbeersträuchern und Siedlungen durch Fichtenplantagen ersetzt wurden, je mehr blütenreiche Wiesen unter den Pflug genommen wurden oder verbuschten, desto weiter gingen auch reiche Nektar- und Pollenquellen zurück. Das Land wurde entvölkert, die Zahl der Imker sank.

Die derzeit gängigen Monokulturen, insbesondere der Rapsanbau, geben während weniger Wochen jede Menge Nektar und Pollen, aber nichts, wovon die Bienen den Rest des Sommers leben könnten. Die chemischen Bekämpfungsmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, erledigen nicht nur Unkraut, Pilze und Schadinsekten, sondern auch Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Kriechtiere und damit auch die Vögel, die sich von Insekten ernähren. Der Drang nach Rentabilität hat für großes Unheil gesorgt – für uns selbst wie für vieles andere, nicht zuletzt die Bienen.

Aber es regt sich Widerstand. Das Bewusstsein für die Verwundbarkeit der Bienen – und unsere eigene – ist gewachsen, unter anderem dank Maja Lundes Die Geschichte der Bienen. Das Imkerwesen hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Frauen, Jugendliche, Akademiker, Einwanderer – sie alle beschaffen sich Bienen in einem Umfang, der vor dreißig, vierzig Jahren, als die Imkerei alles andere als populär war, undenkbar schien. Imkerei-Anfängerkurse sind ausgebucht. Die immer beliebter werdende Stadtimkerei löst zwar das Bestäubungsproblem der Landwirtschaft und des Obstbaus nicht, erzeugt aber Interesse und Wissen. Auch haben sich Alternativen zu den gängigen Formen der Bienenhaltung entwickelt, die nicht die Honigerzeugung in den Vordergrund stellen, sondern das Überleben und Wohlergehen der Bienen. Es ist auf eine ganz neue Weise wichtig und spannend geworden, sich mit Bienen zu beschäftigen.

Dass ich in den Achtzigerjahren zur Imkerin wurde, lag allerdings weder am Honig noch an der Bestäubungsarbeit oder der Erhaltung der Bienen. Die Bienen kamen einfach zu mir. Es begann damit, dass ich als freie Radioredakteurin einen Beitrag liefern sollte, der zum Mittsommer passte. Also warum nicht etwas über Imker machen? Meine Freundin Annicka Lundquist hatte sich im Jahr zuvor für ihr Sommerhaus in Småland Bienen zugelegt und war damit die erste Imkerin in meinem Bekanntenkreis. Damals galt die Imkerei als pittoreskes Hobby, dem sich ältere Herren auf dem Land und in Kleinstädten widmeten – pensionierte Lehrer, Genossenschaftsvorsitzende, Bauern und Bahnhofsvorsteher. Imkerinnen schienen so selten wie Feuerwehrfrauen. Meine Vorstellung war, die Pionierin Annicka sowie einige Imker der traditionellen Schule zu interviewen und im Hintergrund ein bisschen Gesumm einzublenden.

Jemand gab mir den Tipp, mich an John Larsson in Klagshamn zu wenden. Jedes Mal, wenn die Polizei in Malmö alarmiert wurde, weil sich ein Bienenschwarm auf einem Balkon oder einem anderen ungeeigneten Platz niedergelassen hatte, rief der Wachhabende ihn an, und er rückte aus und kümmerte sich darum. Ich bekam John Larssons Telefonnummer, und er versprach, mich anzurufen, wenn es wieder einmal so weit war.

Das erste Mal begegnet sind wir einander auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum Mobilia. Er stand mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und einer Baskenmütze auf dem kahlen Schädel im gleißenden Sonnenlicht und bugsierte, unterstützt von seiner Frau Inga, einen Bienenschwarm von einer Parkuhr in einen Strohkorb, und dabei erzählte er eine fantastische Geschichte nach der anderen, über Schwärme, die sie in Schornsteinen, auf Bootsmasten und in Fahnenstangen gefangen hatten. Um die beiden herum, allerdings in gebührendem Abstand, hatten sich Schaulustige versammelt.

»Stechen sie nicht?«, fragte einer der Hinzugekommenen.

»Nein«, sagte John, »Bienen und Polizisten sind die nettesten Wesen, die es gibt – solange man sie nicht reizt.«

Auf seinen Armen, am Hals, im Gesicht und sogar in den Ohren wimmelte es von Bienen, aber das schien ihm nichts auszumachen. Am wichtigsten, sagte er, sei es, die Königin in den Korb zu bekommen. Dann kämen alle anderen schnell nach.

John Larsson
war nicht nur ein Könner, was das Einfangen von Bienenschwärmen betraf. Er war auch ein großartiger Entertainer.

»Woran erkennen Sie sie?«, fragte ein keckes kleines Mädchen.

»An der Krone«, antwortete er, woraufhin Inga ihn am Ohr zog.

»Man darf doch keine Kinder an der Nase herumführen! Nein, eine Königin erkennt man an ihrem langen Hinterleib.«

Was für eine Show. Das Tonbandgerät lief, und soweit ich mich erinnere, wurde das Ganze ein gelungener Radiobeitrag, nicht zuletzt dank des Ehepaars Larsson.

Auch der Schriftsteller Lars Norén hat dazu beigetragen, mich zur Imkerin zu machen, nämlich mit seinem Roman Die Bienenväter. Der handelt zwar nicht von Bienen, sondern vom Leben in Stockholms Unterwelt, aber irgendwie bekam ich es unter einen Hut. Und mein Kontakt zu John und Inga blieb erhalten, nachdem der Beitrag gesendet worden war. Zu Lars Norén allerdings nicht, falls das jemanden interessiert.

An einem Junimorgen im Jahr darauf rief John mich an und sagte, dass ich einen Bienenkorb abholen könne, den er für mich gebaut habe.

»Bienen sind auch drin.«

Hilfe! Es waren schließlich die Imker und nicht die Bienen, die mich interessiert hatten, als ich den Beitrag zusammenstellte. Ihre Fachausdrücke – Zargen, Bruträume, Weiselkäfige, Nachschwärme, Fluglöcher – waren so schön und magisch, und sie hatten eine so wunderbare Art, über ihre summenden Freunde zu sprechen. Ich erklärte, dass ich das Geschenk unmöglich annehmen könne und dass ich im Grunde Angst vor Bienen hätte. Aber John lachte nur und meinte, dass ich ganz bestimmt von den Bienen gestochen würde, wenn der Bienenstock erst einmal in meinem Garten installiert sei. Inga und er würden mir zeigen, wie man sich um die Bienen kümmere, und wenn es Probleme gebe, brauche ich sie nur anzurufen.

Ich hatte keine Wahl. Ich fuhr nach Klagshamn und holte den Bienenstock mit seinen Zehntausenden Bewohnern, und später im selben Sommer bekam ich noch einen zweiten dazu, ebenfalls mit Bienen. Ein ganz neues Kapitel in meinem Leben nahm seinen Anfang, und obwohl ich manchmal Angst hatte, bin ich John auf ewig dankbar. Was ich alles gelernt habe! Wie man mit einem Smoker umgeht, wie man die Zellen von Königinnen, Drohnen und Arbeiterinnen unterscheiden kann, woran man merkt, dass ein Volk kurz vor dem Ausschwärmen steht, wie man die Waben entdeckelt, wie man den Honig schleudert, wie man Mittelwände montiert und einwintert.

Ich durfte auch lernen, wie Blumen und Bienen miteinander leben, und begann meinen Garten und die Umgebung mit anderen Augen zu sehen: mit dem Pollen- und dem Nektarblick. Ahorn: gut. Linde und Robinie: sehr gut. Himbeeren und Johannisbeeren: gut. Weiden und Haselbüsche: gut. Salweiden, Thymian und Lavendel: super. Perfekte Rasenflächen: wertlos, aber eine Wiese mit viel Klee und anderen sogenannten Unkräutern ist eine ganz andere Sache. John hatte recht. Meine Bienosphäre (tut mir leid, aber das musste jetzt sein) wurde erweitert, und sich aus nächster Nähe mit den Bienen zu beschäftigen wurde zu einer spannenden, wenn auch kribbeligen Erfahrung.

»Du musst sie auf dir herumkrabbeln lassen, damit sie deinen Geruch kennenlernen, dann...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2019
Übersetzer Thorsten Alms
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Bin och människor. Om bin och biskötare i religion, revolution och evolution samt många andra bisak
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Artenvielfalt • Die Geschichte der Bienen • eBooks • Geschichte • Hobbyimker • Honig • Honigbienen • Imker • Imkern • Jahreszeiten • Kulturgeschichte • Landwirtschaft • Natur • Schweden • Tierschutz • Umweltschutz
ISBN-10 3-641-25768-9 / 3641257689
ISBN-13 978-3-641-25768-2 / 9783641257682
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