"Aus der Seele muß man spielen ..."

Über die Affekttheorie in der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre Auswirkung auf die Interpretation

(Autor)

Buch | Hardcover
952 Seiten
2020
Hollitzer Verlag
978-3-99012-623-3 (ISBN)
198,00 inkl. MwSt
Über die wunderbaren Wirkungen der Musik: Affekttheorie in der Musik des 17. und 18. JahrhundertsDas vorliegende Buch mit dem Charakter eines Nachschlagewerks beschäftigt sich erstmals umfassend mit der Bedeutung der sogenannten Affekttheorie für Verständnis und Interpretation der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. Anhand zahlreicher historischer Quellen wird gezeigt, wie die Auffassung von Musik als Nachahmung menschlicher Emotionen ("Affekte") bis weit ins 19. Jahrhundert überaus detailliert und entscheidend das musikalische Denken prägte. Der Notentext ist demnach als komplexe Reihe von Symbolen zu verstehen, die es zu entschlüsseln und dem jeweiligen Affekt gemäß wiederzugeben gilt. Im Einklang mit den historischen Aussagen zeigt sich deutlich, dass es gar nicht möglich ist, adäquate interpretatorische Entscheidungen in Bezug auf Tempo, Artikulation, Dynamik und Ornamentik zu treffen, ohne den jeweiligen Affekt der Komposition zu kennen.

Dagmar Glüxam ist Musikhistorikerin, Geigerin, Spezialistin für die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre Aufführungspraxis. Ihre Dissertation "Die Violinskordatur in der Geschichte des Violinspiels" (1999) und die Habilitationsschrift "Instrumentarium und Instrumentalstil in der Wiener Hofoper zwischen 1705 und 1740" (2006) gelten als Standardwerke zu den jeweiligen Themen.

Einführung

„Aus der Seele muß man spielen, und nicht wie ein
abgerichteter Vogel …“

Der Komponist steht im Vordergrund

Die vermittelnde Rolle des Interpreten

Der Notentext und seine symbolische (Affekt-)botschaft

Die zentrale Rolle der Nachahmung nach dem Prinzip der
Analogie

Die etwas andere Art des „richtigen“ Notenlesens

Wie arbeitet man mit diesem Buch?

Woher bekommen wir die Information?

Musiktheoretische Werke – Musiklexika – Lehrwerke – Sekundärliteratur



Teil I

Historische Grundlagen der Affektdarstellung in der Musik

Zu den Begriffen Affekt, Leidenschaft, Gemütsbewegung,
Empfindung, Gefühl, Charakter

Affect / Affekt / Leidenschaft

Empfindung, Gefühl

Character / Charakter

Die Musik und ihre Wirkung: ein kurzer geschichtlicher
Überblick

Antike

Redekunst und Affekt

Mittelalter

Renaissance

Die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts

Die „wunderbaren“ Wirkungen der Musik

Wie wirkt Musik?

Musik als Nachahmung der „Natur“

Nachahmung nach dem Prinzip der Analogie

Nachahmung versus Ausdruck?

„Ausdruck“ nach dem Prinzip der analogen Nachahmung

Musik als Nachahmung der Sprache

Über die besonders starke affekterregende Wirkung der
textgebundenen Musik

Instrumentalmusik und Affekt

Instrumentalmusik als Nachahmung des Gesangs

Der Text als treibende Kraft des Ausdrucks in der
Instrumentalmusik

Musik und Rhetorik

Rhetorik und musikalischer Vortrag

Musikalische Darstellung der Affekte nach dem Prinzip der
Analogie

Haupt- und Nebenaffekte

Übersicht der Affekte

Liebe – Verlangen – Zärtlichkeit – Die Empfindungen des Anmutigen und Lieblichen – Das „Niedliche“ – Ruhe, Zufriedenheit, das „Angenehme“ – Unschuld – Wollust – Schmerz, Trauer, Melancholie – Missvergnügen – Verzweiflung – Freude – Fröhlichkeit – Lachen / Weinen – Furcht – Zweifel, Wankelmut – Mitleid, Erbarmen – Trost – Hoffnung – Stolz und Hochmut – Demut, Geduld – Ungeduld – Mut – Feigheit – Zorn, Rache, Gewalt – Wut und Raserei – Hass, Kaltsinn – Eifersucht – Neid – Reue – Das Pathetische, Erhabene, Prächtige – Das „Große“ – „Ehrbegierde“, „Liebe zum Ruhm“ (Ehrliebe, Ehrgeiz) – Schamhaftigkeit – Sorglosigkeit – Verspottung und Ironie



Teil II

Das Erkennen von Affekten

Wie lassen sich Affekte erkennen?

Kurzer historischer Überblick über Aussagen zur
Affekterkennung

Stil

Allgemeines

Drei wichtige Kategorien: der Kirchen-, der Theater- und der

Kammerstil

Kirchenstil

Theaterstil

Kammerstil

Die Auswirkung des Stils auf die Interpretation

Nationalstil

Hohe, mittlere, niedrige Schreibart

Die Auswirkung der hohen, der mittleren und
der niedrigen Schreibart auf Affekterkennung und Vortrag

Gattungen, Formen

Allgemeines

Vokalinstrumentale Musik

Oper – Pastorale – Oratorium – Kantate – Arie – (Arien-)Ritornell – Arioso – Rezitativ –
Chor – Lied – Choral

Instrumentalmusik

Ouverture – Sinfonia, Sinfonie, Symphonie – Intrada – Concerto grosso / Concerto / Konzert – Divertimento – Marche – Rondeau – Saltarella – Serenata, Serenada – Solo – Sonata, Sonate – Fantasie – Fuga – Lamento, Lamentatione – Romanze – Orgelvor- und -zwischenspiele

Instrumentalmusik – Tanzsätze

Übersicht der Tänze (alphabetisch)

Allemanda, Allemande – Bourrée – Bransle / Branle – Canarie – Chaconne, Ciacona – Courante – Entrée – Folie d’Espagne – Forlane – Furie – Galliarda, Galliarde – Gavotte – Gigue – Ländler – Loure – Menuett – Musette – Passacaille, Passacaglia – Passamezzo – Passepied – Pastorale – Pavane / Paduana – Polonaise – Rigaudon – Sarabande – Siciliano – Tambourin – Villanella

Tonart

Allgemeines

Kirchentonarten

Charakteristiken der einzelnen Kirchentonarten

Dur-Moll-Tonarten

Drei Aspekte der Tonartencharakteristika

Charakteristiken der einzelnen Dur- und Moll-Tonarten

C-Dur – G-Dur – D-Dur – A-Dur – E-Dur – H-Dur – Gis-Dur – a-Moll – e-Moll – h-Moll – fis-Moll – as-Moll / gis-Moll – cis-Moll – F-Dur – B-Dur – Es-Dur – As-Dur – Des-Dur / Cis-Dur – Ges-Dur / Fis-Dur – d-Moll – g-Moll – c-Moll – f-Moll – b-Moll – es-Moll

Das Prinzip der „Reinheit“ als Hilfe zur Bestimmung
des (Affekt-)Charakters einer Tonart

Melodie

Allgemeines

Melodie als Nachahmung: das Analogieprinzip

Tonlage

Höhe der Stimmung

Intervalle

Intervallschritt, Intervallsprung / Gradus, saltus

Terminologischer Exkurs

Intervallsymbolik

Übersicht der einzelnen Intervalle

Kleine Sekund – Die Position der kleinen Sekund als bestimmend für den affektiven Charakter verschiedener Tonfolgen – Chromatische Fortschreitungen – Große Sekund – Verminderte Terz, kleine Terz – Große Terz – Quarte – Übermäßige Quarte – Quinte – Kleine Sexte – Große Sexte – Septime – Oktav

Melodierichtung

Anabasis – catabasis – Circulatio

Melodieumfang

Hyperbole – hypobole

Regelmäßigkeit / Unregelmäßigkeit des melodischen Verlaufs

Rhythmus

Allgemeines

Der symbolische Wert der Notenwerte

Verbindung von Melodie und Rhythmus

Verschiedene Formen von Tonrepetitionen

Repetierte Sechzehntelnoten – genere (stile) concitato – Repetierte Achtelnoten

Rhythmische Bewegung in Kombination mit melodischer

Bewegung

Sekundwiederholungen, Triller – Die sog. „wesentlichen“ Manieren – Verschiedene Intervalle in Verbindung mit kurzen Notenwerten als Ausdruck von heftigen oder flüchtigen Affekten – Exclamatio – Tirata – Passagien – Fuga – Gebrochene Akkorde – Passagen bzw. gebrochene Akkorde mit Bindebögen – Akkordzerlegungen

Punktierter Rhythmus

Punktierte Rhythmen in Kombination mit Bindebögen – Der unterschiedliche Vortrag der
punktierten Rhythmen – Der sog. „lombardische“ Rhythmus und sein Vortrag

Versfüße

Die Charakteristik der einzelnen Versfüße

Zweisilbige Versfüße – Spondäus – Pyrrhichius – Jambus –Trochäus
Dreisilbige Versfüße – Anapäst – Daktylus – Tribrachys – Molossus – Bacchius – Amphimacer – Amphibrachys – Palymbacchius
Viersilbige Versfüße – Pæon – Epitritus – Jonicus, a majori; Jonicus, a minori

Pausen

Suspiratio, stenasmos – Tmesis – Pausa generalis, aposiopesis – Fermata – Dubitatio – Abruptio – Ellipsis

Rhythmische Regelmäßigkeit – Unregelmäßigkeit

Zum Vortrag der unterschiedlichen Notenwerte

Tempo, Bewegung

Allgemeines

Tempo (Bewegung) und Affekt

Tempo (Bewegung) und das Prinzip der analogen Nachahmung

Kompositionen ohne Tempoangaben

Tempo giusto

Kompositionen mit Tempo- / Charakterangaben

Tempoangaben als Verdeutlichung oder Abweichung von der „Norm“ – Tempoangaben als Charakterangaben – Adagio, presto und tardo als Tempoangaben – Allegro, vivace als Charakterangaben – Verwandlung der Charakterangaben in Tempoangaben

Zwei grundlegende Bewegungstypen – adagio und allegro

Adagio – Allegro

Plötzlicher Tempowechsel als Ausdruck von

Gefühlsschwankungen oder Eifersucht

Die beschränkte Aussagekraft von Tempoangaben

Das richtige „Gefühl“ als unverzichtbare Voraussetzung für die

richtige Tempowahl

J. G. Portmann und seine Anleitung zum Empfinden verschiedener Affekte

Die Rolle der „Deutlichkeit“ und „Verständlichkeit“ bei der

Tempobestimmung

Stimmen gegen zu schnelles Tempo bzw. Tempoextreme – Extremes Tempo als Ausdruck von extremen Gefühlen

Agogik, Tempo rubato

Affekte, die nach Temposchwankungen verlangen – Konkrete Hinweise zur Anwendung affektbedingter Temposchwankungen – Ad 1) Charakter des musikalischen Satzes, Stil, Gattung – Ad 2) Melodische und rhythmische Kontraste – Ad 3) Verzierungen – Ad 4) Wiederholungen – Ad 5) Crescendo – decrescendo – D. G. Türk über das „Eilen“ und das „Zögern“ – Tempo rubato

Takt

Allgemeines

Der Takt als wichtiger Hinweis auf den Affekt

Ad 1) Der gerade / ungerade Takt

Ad 2) Die einzelnen Taktarten als Hinweise auf die

Art der Bewegung

Ad 3) Takt und vorherrschende Notenwerte der Komposition

Modifikation der Bedeutung der Taktart durch Tempoangabe

Übersicht der Taktarten

Der gerade Takt – 2/1-Takt – 2-Takt, ? -Takt, ?-Takt, 2/2-Takt – 4/2-Takt, ?-Takt, ? 4-Takt – 2/4-Takt, ? -Takt - ? -Takt, 4/4-Takt – Alla breve-Takt (?) – 8/4-Takt – 2/8-Takt – 4/8-Takt – 4/16-Takt – 8/8-Takt – 8/16-Takt
6/1-Takt – 6/2-Takt – 6/4-Takt – 6/8-Takt – 6/16-Takt
12/1-Takt – 12/2-Takt – 12/4-Takt – 12/8-Takt – 12/16-Takt – 18/16-Takt – 24/16-Takt
Der ungerade Takt – 3-Takt – 3/1-Takt – 3/2-Takt – 3/4-Takt – 3/8-Takt – 3/16-Takt
9/1-Takt – 9/2-Takt -9/4-Takt – 9/8-Takt – 9/16-Takt

Taktordnung. Die Bedeutung der Synkope

Harmonie

Allgemeines

Die besonders affekterregende Kraft von Dissonanzen

Pathopoiea – Parrhesia, relatio non harmonica – Catachresis, fauxbordon – Verschiedene Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt der Komposition – Häufigkeit von Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt

Modulation

Modulation und Affekt – Dubitatio – Modulation im Rezitativ

Sonderfall Unisono

Dynamik

Allgemeines

Dynamik und Affekt

Dynamische Nuancen als Folge nuancierter Affektdarstellung

Die Dynamik und das Prinzip der analogen Nachahmung

Con sordino

Kompositionen ohne dynamische Angaben

„Komponierte Dynamik“ – Mehrstimmige Klänge als Form der Akzentuierung – Der melodische Verlauf als Hinweis auf dynamische Schattierungen – Anabasis – catabasis – Circulatio – Saltus, saltus duriusculus – Exclamatio – Interrogatio – Arpeggien

Dynamische Extreme als Ausdruck extremer Empfindungen

Nachdruck als dynamische Kategorie

Akzente – Vortragsangaben und Nachdruck

Wie lassen sich wichtige Töne (Figuren) erkennen?

a) Harmonische Hervorhebung

Harmoniefremde Töne – Verzierungen – Modulationen

b) Rhythmische Hervorhebung

Lange Töne innerhalb schneller Passagen – Kurze Töne innerhalb langsamer Passagen – Synkopen, Ligaturen

c) Melodische Hervorhebung

d) „Verweilen“ als weitere Verstärkung der dynamischen

Akzentuierung

Suspensio

e) Wiederholungsfiguren

Anaphora, repetitio – Wiederholung als Echo – Epizeuxis – Anadiplosis – Paronomasia – Climax (griech.) bzw. gradatio (lat.) – Hyperbaton – Epistrophe

f) Antithesis, antitheton

g) Noema

Dynamische Angaben als Hilfe zur Affekterkennung

Aufführungsort, Anlass und Dynamik

Artikulation

Allgemeines

Artikulation und Affekt

Sprache als Vorbild – Eine „vernünftige“ – dem Affekt entsprechende – Wahl der Artikulation

Die Artikulation und das Prinzip der analogen Nachahmung

Die An- und Aussprache der Töne

Tongebung, Tongestaltung

Der Vortrag der Auftakte – Der „leichte“ und der „schwere“ Vortrag

Kompositionen oder Abschnitte ohne Artikulationszeichen

Die Melodie als Affektträger: die Artikulation

von „Schritten“ und „Sprüngen“

Drei Möglichkeiten der Artikulation: gezogen, geschleift,

gestoßen

Schritte und Sprünge und musikalisch-rhetorische Figuren bzw. Verzierungen – Sprünge als Hinweise auf eine innere Gliederung – Schritte und Sprünge als Hinweise auf Affektwechsel

Das Binden und Trennen der Töne – Strich, Punkt, Bindebogen

Artikulation und Verzierungen

Der Bindebogen

Die mildernde Wirkung des Bindebogens – Seufzerfiguren – Intensivierte Seufzerfiguren – Viererbindungen als Nachahmung von Meereswellen – Bindebogen über dem Taktstrich – Unregelmäßige Länge der Bindebögen / unregelmäßige Artikulation

Das Trennen der Töne

Strich und Punkt – Unterschiede zwischen den Instrumenten – Unterschiedliche Arten der getrennten / gestoßenen Artikulation und der Affekt

Scharfe Stimmen gegen den willkürlichen Umgang mit der

Artikulation

Ergänzungen von Artikulationsangaben – (Unangebrachtes) Ergänzen von Bindebögen –
Punktierte Rhythmen – (Unangebrachtes) Ergänzen von Punkten und Strichen bzw. „hüpfende“, „springende“ Spielweise

Verzierungen

Allgemeines

Verzierung und Affekt

Verzierungen und das Prinzip der analogen Nachahmung

Anmerkungen zum Vibrato, Triller und mordent – Vibrato und Affekt

Kritische Stimmen gegen zu viele Verzierungen

Verzierungen im Adagio

Wo sind keine Verzierungen angebracht?

(Keine!) Verzierungen im Rezitativ

Kadenzen und Fermaten

Besetzung, Instrumentation

Allgemeines

Die Besetzungsgröße und das Prinzip der analogen Nachahmung

Bassetto-Technik

Die Instrumentenwahl und das Prinzip der analogen Nachahmung

Saiteninstrumente

Laute – Viola da gamba – Viola d’amore, Baryton – Violine – Viola da braccio – Violoncello – Violone / Kontrabass

Blasinstrumente

Flöte, Traversflöte – Flageolet, Pfeifen, Pfiffari – Oboe – Chalumeau – Klarinette – Zink – Fagott – Horn – Trompete – Pauken, Trommel – Posaunen

Tasteninstrumente

Cembalo – Orgel – Orgelregister

Über den sog. „guten Vortrag“

Die Wichtigkeit des „Sich-Hineinversetzens“ in den Affekt

Stimmen gegen Virtuosität als Selbstzweck

Zusammenfassung

Die Feststellung des Affekts als erster Schritt der Interpretation

Analyse des Notentextes nach den Prinzipien der analogen

Nachahmung

Vortrag





Bibliographie

Ausgaben

Quellen

Sekundärliteratur

Personenregister

Dank

Biographie der Autorin

Erscheinungsdatum
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik Musikgeschichte
Kunst / Musik / Theater Musik Musiktheorie / Musiklehre
Schlagworte Affekte • Affekttheorie • Dagmar Glüxam • Joseph Mayseder • Komposition • Musik • Noten • Notentext
ISBN-10 3-99012-623-7 / 3990126237
ISBN-13 978-3-99012-623-3 / 9783990126233
Zustand Neuware
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