Jetzt war immer schon. Studien zum Theater von Botho Strauß - Sebastian Schauberger

Jetzt war immer schon. Studien zum Theater von Botho Strauß

Buch | Softcover
284 Seiten
2015 | 1. Erstauflage
disserta Verlag
978-3-95935-202-4 (ISBN)
49,99 inkl. MwSt
Die Theaterstücke von Botho Strauß gehören über den deutschsprachigen Raum hinaus zu den meist gespielten Theatertexten der Gegenwart. Dennoch gibt es in den Stücken von Botho Strauß archaische Themen und Bezüge, die so quer zur Gegenwart stehen, dass sie in der Kritik und beim Publikum als 'schwierig' abgetan oder irgendwie 'rückwärtsgewandt' angefeindet werden.Dieses Buch möchte durch genaue analytische Blicke auf diese Anspielungsebenen in den Theaterstücken das Provokante und Reizvolle solcher scheinbar aus der Zeit gefallenen Einwürfe und Motive zeigen, die mythologische und biblische Stoffe in Gegenwartsdiskurse einfließen lassen und sie subversiv aktualisieren.

Sebastian Schauberger, geboren 1968 in München, studierte in Bielefeld, Paderborn und München Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften, Germanistik, Geschichte und Theologie. Im Jahr 2000 schloss der Autor sein Studium mit einer Promotion im Fachbereich der Komparatistik ab und arbeitet als Lehrer, unter anderem auch für Theater.

Textprobe:Kapitel 3 Biblische Anspielungen:Anspielungen auf biblische Themen und Bilder waren im dramatischen Werk von Botho Strauß bis in die neunziger Jahre eher dünn gesät. Schon seit den Siebziger-Jahren hat Strauß in seiner Arbeit für das Theater immer wieder literarische Vorlagen bearbeitet, sei es, dass er sie neu übersetzte, wie "Das Sparschwein" von Eugène LabichE oder Molières "Misanthrop" oder für die Bühne neu konzipierte, wie Gorkijs "Sommergäste". Mitte der Neunziger-Jahre bearbeitete er aus der Odyssee die Geschichte der Heimkehr des Odysseus, einen der Grundlagentexte der Weltliteratur mit ausgesprochen narrativem Charakter für die Bühne. Für die Literaturkritik war dieses Unternehmen hinsichtlich seiner Absicht und Aktualität äußerst problematisch. Als Botho Strauß 1999, drei Jahre nach der Homer-Adaptation in "Ithaka" mit der Adaptation einer biblischen Geschichte in "Lotphantasie" überraschte, fiel die aktualisierende Deutung so leicht, dass sich kaum jemand zu einer gründlicheren Befragung des Stoffes und seiner Bearbeitung veranlasst sah.Die Geschichte der Heimkehr des Odysseus hatte drei Jahre nach den turbulenten Feuilletondebatten um den provokanten Bocksgesang-Essay vor allem den Verdacht hervorgerufen, nun wolle Strauß auf dem Theater als dem anerkannten Podium seiner Schreibkunst versuchen, was in der Essayform in "Anschwellender Bocksgesang" großen Widerstand hervorrief. Gerade gegenüber der Kritik aus dem SPIEGEL, in dem der Bocksgesang-Essay zuerst erschienen war, musste sich Strauß brieflich um eine falsche Interpretation seiner Homer-Adaptation bemühen und Stellung gegen den Vorwurf beziehen, er wolle nun die ihm unterstellten politisch fragwürdigen Ideen unter dem Deckmantel antiker Heldenkostüme verbreiten. So schrieb Strauß zur Richtigstellung: "Der SPIEGEL hat sich zu einem noch unveröffentlichten Stück von mir geäußert und behauptet, es handle 'von den mächtigen Fremden' in einem 'von Überfremdung bedrohten Land'. Dies kann unmöglich auf Ithaka zutreffen. Ganz im Gegenteil sind es dort, getreu dem Homer, die fürstlichen Freier der Penelope, die gegen den 'Fremden' stänkern und auch dem unerkannten Heimkehrer Odysseus das Gastrecht verweigern wollen /.../ Es verhält sich alles ein wenig paradoxer als es zu meiner Verleumdung taugt. Im Drama vertreten mehrere Personen unterschiedliche Positionen - Jede ist ein Sprachrohr des Autors. Es spielt auch nicht heute, sondern bietet unverfälscht das Finalabenteuer unserer Urdichtung, in deren Mittelpunkt bekanntlich eine unfaßliche Liebesgeschichte steht. Wie im Buch so auf der Bühne".Wie im Himmel so auf Erden 'Wie im Buch so auf der Bühne' diese fast fromme Werktreue zum Vorbild bei Homer, die "Ithaka" aus dem Bereich der Anspielungen herausfallen ließ und die in der Münchner Inszenierung von Dieter Dorn und Jürgen Rose grundsätzlich berücksichtigte Maxime, dass für den Autor die Geschichte von der Heimkehr des Odysseus "nicht heute" spielt, unterscheidet die wenigen biblischen Anspielungen und die Adaptation des biblischen Stoffes in "Lotphantasie" von der Adaptation des Homerstoffes in "Ithaka".Der Exodus von Lot aus Sodom und die Heimkehr des Odysseus nach Ithaka könnten stofflich kontrastreicher nicht sein: Auszug und Heimkehr, Flucht in die Fremde und Eroberung der Heimat stehen in vielen Details und im Plot der Handlung einander gegenüber. Lot verliert nicht nur seine Heimat, sondern auch seine Frau. Und Odysseus muss sich nicht nur seine Frau zurückerobern, sondern auch Heimat und Herrschaftsanspruch.Außerhalb dieser stofflichen Ebene liegt der stärkste Gegensatz zwischen der Bearbeitung des griechischen und des biblischen Stoffes in ihrem jeweiligen Bezug zur Gegenwart. Während das Ende der Odyssee ausdrücklich in die archaische Vorvergangenheit entrückt bleibt, beginnt "Lotphantasie" in einem "Buswartehäuschen am Rande einer Großstadt". Die Ebene des biblischen Stoffes e

Erscheinungsdatum
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 455 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Kunst / Musik / Theater Theater / Ballett
Wirtschaft
Schlagworte Dramaturgie • Logos • Mythos • urbilder • Vierte Dimension
ISBN-10 3-95935-202-6 / 3959352026
ISBN-13 978-3-95935-202-4 / 9783959352024
Zustand Neuware
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