Perkussionsinstrumente in der Kunstmusik vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
Wißner-Verlag
978-3-89639-770-6 (ISBN)
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Innerhalb der in diesem Band dokumentierten Konferenz offenbarte das Perkussionsinstrumentarium seine faszinierende Vielfalt. Pauken, die einsaitige Holzpauke, Trommeln, Carillons und Verrillons, Becken und Schellenbäume gehörten zu den Gegenständen, die zur thematischen Farbigkeit beitrugen: Zu Aspekten bezüglich der sozialen Orte von Perkussionsinstrumenten und der Funktion ihrer Musik, ihres Einsatzes in musikdramatischen Gattungen, ihrer Besetzungsauswahl, ihrer Verwendung in Kirche, Orchester und Janitscharenmusik, bezüglich der Rekonstruktion von Schlagwerkstimmen sowie ihrer Schlagmanieren.
Die tradierten Charakteristika der Perkussionsinstrumente – die mündliche Überlieferung ihrer Spielpraxis und die Improvisation in ihrem musikpraktischen Einsatz – provozierten dabei eine Frage: Gibt es Grenzen für diese Instrumente? Die Beiträge in diesem Band suchen Annäherungen an Antworten darauf in Verbindung von Musikinstrumentenbau und historischen Klangvorstellungen im Kontext der hier betrachteten dreihundertjährigen Instrumenten- und Musikgeschichte.
(nmz, 12/10 1/11)Eine wahre Fundgrube zu einem breiten Spektrum an Aspekten von der soziologischen Einordnung und historischen Aufführungspraxis über die Bau- und Spielweise bis zur Physik der Instrumentenfamilie. Exemplarische Beiträge, die in der Summe ein lesenswertes Handbuch ergeben.
Vorwort Kunstmusik früherer Jahrhunderte mit Perkussionsinstrumenten aufzuführen, ist gegenwärtig besonders beliebt. Indes wurden den Membranophonen und Idiophonen in ihren jahrhundertelangen Entwicklungen – und noch bis in die heutige Zeit – nur allzu oft widersprüchliche Wertschätzungen entgegen gebracht. Dazu mögen ihre vielfältigen symbolischen oder realen Erscheinungen in Verbindung mit Engeln und Teufel, Tänzen und Tod, Aufzügen und Prozessionen, Festlichkeiten und Militär, Turnieren und Kriegen beigetragen haben, auch ihr sozial privilegierter und feierlicher Gebrauch und ihre pejorativen Bewertungen oder auf untergeordnete Rhythmusinstrumente reduzierte Wahrnehmungen. Wenn einerseits die „Heroischen Paucken“ zu den „vornehmsten“ Instrumenten gezählt wurden, die man „im Felde bey der Cavallerie, in der Kirchen, in Opern und sonsten bey Solennitäten offte gebrauchet“, andererseits die „Gattung [der] sehr großen Heerpauken […] kaum, oder vielleicht gar nicht, den Namen eines musikalischen Instruments verdient“, so zeugen diese zeitgenössischen Beschreibungen Johann Matthesons und Johann Ernst Altenburgs symptomatisch vom Spektrum des tradierten Ansehens von Perkussionsinstrumenten. Diese Brisanz der historischen Situierungen und der Bedarf der aktuellen Musizierpraxis an Schlaginstrumenten in der Kunstmusik regen gegenwärtig zu kritischen Auseinandersetzungen mit der historischen Aufführungspraxis und dem historischen Musikinstrumentenbau an. Darum hatte die Stiftung Kloster Michaelstein – Musikinstitut für Aufführungspraxis vom 5. bis 7. Oktober 2007 zum Diskurs über die „Instrumenta, welche geschlagen oder geklopfft werden“ – Perkussionsinstrumente in der Kunstmusik vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eingeladen, welcher die XXXV. Wissenschaftliche Arbeitstagung und das 28. Musikinstrumentenbau-Symposium in einer Konferenz verband. Das Instrumentarium der Membranophone und Idiophone offenbarte dabei seine faszinierende Vielfalt, welche sich im Konferenzprogramm in mosaikartiger thematischer Farbigkeit widerspiegelte. Im zeitlichen Rahmen vom Ende des 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden insbesondere Pauken, die einsaitige Holzpauke, Trommeln, Carillons und Verrillons, Becken und Schellenbäume berücksichtigt. Bereits seit Beginn dieses Zeitraumes weisen ihre kulturhistorischen Bedeutungen Korrelationen zu ihrem musizierpraktischen Einsatz auf. So wurde die ambivalente, zumeist symbolisch negativ besetzte Funktion und Beurteilung von Schlaginstrumenten um 1500 auch durch ihre schriftlose, improvisatorische Spielpraxis geprägt. Diese bereits damals tradierten Charakteristika, Improvisation und mündliche Überlieferung, bestanden fort und erweisen sich – für die Membranophone und Idiophone mehr als für andere Instrumente – ebenso innerhalb der schriftlich fixierten Kunstmusik darauffolgender Epochen als grundlegende aufführungspraktische Kriterien und Fragestellungen. Aus ihnen resultierten in der Konferenz weitreichende und ineinander verwobene Aspekte – bezüglich der sozialen Orte von Perkussionsinstrumenten und der Funktion ihrer Musik, ihres Einsatzes in theatralischen Konzepten und musikdramatischen Gattungen, ihrer Besetzungsauswahl und Kombination mit anderen Instrumenten, bezüglich ihrer Verwendung in Kirche und Orchester, der Rekonstruktion von Schlagwerkstimmen sowie ihrer Schlagmanieren. Die aufführungspraktischen Erörterungen waren im Kern mit Überlieferungen, Struktur, Akustik und Bau der Musikinstrumente selbst verbunden. Das thematische Mosaik offenbarte den Musikern mannigfaltige Anregungen, mit eigener geschmackvoller Interpretation den historischen Klangvorstellungen nahe zu kommen. Die aus den komplexen Möglichkeiten entstandene Frage, ob für diese Instrumente überhaupt Grenzen existieren, verwies wiederum auf die Improvisation als Wurzel einer historisch informierten Aufführungspraxis. Der Dialog zum Konferenzthema wurde durch verschiedene Disziplinen angeregt. Schon Musikerhistoriographen wiesen im 18. Jahrhundert darauf hin, dass „derjenige, welcher [die heeroischen Paucken] tractiren will, vor allen Dingen eine gute Wissenschafft in der Music besitzen“ muss. So fanden sich in Michaelstein Musiker und Wissenschaftler zu einem unmittelbaren Austausch zusammen. In einem Workshop für historische Perkussion vermittelten vorab einige Spezialisten ihre Erfahrungen zu einem für die Interpretation und Aufführungswirkung ganz wesentlichen Kriterium, den Schlagmanieren vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Musikalische Aufzüge für Pauken und Trompeten umrahmten das Programm der Musikalischen Eröffnung. Solistische Variationen über eine Paukenstimme eines Aufzuges aus Altenburgs Lehrwerk demonstrierten die Improvisation von Schlagmanieren an einem Beispiel aus dem 18. Jahrhundert. Märsche aus dem Umfeld des französischen Hofes für einen Pauker und ein Paukenpaar sowie zwei Pauker und zwei Paukenpaare verbanden die Kompositionsstruktur von Märschen mit klanglichen Resultaten differenzierten Instrumentenbaus – hier wurden neben den Schlagmanieren auch die klanglichen Unterschiede zwischen Paukenkesseln aus Holz und Metall eindrucksvoll erlebbar. Werkaufführungen mit Einhandflöte und Trommel lagen verschiedene europäische Quellen vom 12. bis ins 19. Jahrhundert zugrunde. Im Orchesterkonzert mit allerlei Schlagwerk erklangen Kompositionen mit rekonstruierten Stimmen, vielfachen Pauken oder sehr selten in einem Konzert aufgeführten Perkussionsbesetzungen: eine Sinfonie von Mozart mit rekonstruierter Stimme für zwei Pauken, eine Sinfonie des Darmstädter Hofkapellmeisters Christoph Graupner mit fünf Pauken und ein Concerto des Paukers Georg Druschetzky mit sechs Pauken als Melodieinstrumente, eine Pastorale Duetto Concerto für Violine & Holzspiel sowie Druschetzkys Sinfonia turcia mit Janitscharenensemble. Das Programm korrespondierte in seiner speziellen Dramaturgie mit Darlegungen in wissenschaftlichen Vorträgen. Unter den Referenten und Musikern war in Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung ein besonders reges Engagement für die Konferenzthematik spürbar. In verschiedenen Archiven wurden Quellen gesichtet, Aufführungsmaterialien geprüft und neu hergestellt, aus ganz verschiedenen Regionen von den Niederlanden bis zur Oberlausitz in Sachsen historische Instrumente aufgespürt und besorgt, einzelne Instrumente – wie das Xylophon in historischer Stimmtonhöhe für das Orchesterkonzert – neu nachgebaut. In den vorliegenden Konferenzbericht konnte ein Vortrag über Quellen, Instrumente und Spieltechniken in der europäischen Perkussion vor 1700 auf Grund seiner visuell-klanglichen Darbietungsform nicht aufgenommen werden. Der Inhalt eines Referates zu Trommeln und Pauken in der Sammlung des Schwedischen Armeemuseums in Stockholm fand an anderer Stelle Eingang in die Literatur. Allerdings regten die innerhalb der Konferenz präsenten Perkussionsinstrumente umgehend zu weiteren aufführungspraktischen Auseinandersetzungen an: Eine Untersuchung zu einer Paukenmechanik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sonderausstellung zur Konferenz erfolgte, wurde darum in diesen Band integriert. Auch der Sonderausstellung selbst, mit welcher unter dem Titel Mitteleuropäische „Instrumenta, welche geschlagen oder geklopfft werden“ aus drei Jahrhunderten vor allem bisher eher unbekannte Exponate in Originalen oder Nachbauten in die vergleichende Diskussion um bauliche Struktur und musikalische Funktion von Schlaginstrumenten eingebracht werden sollte, wird eine Dokumentation gewidmet. Allen Künstlern und Referenten sei nochmals für ihre von außerordentlich engagiertem Interesse am Gesamtspektrum der Konferenz getragene Mitwirkung herzlich Dank gesagt. Dankenswerterweise besorgte Dr. Bernhard Schrammek mit wissenschaftlicher Umsicht die Redaktion dieses 75. Bandes der Reihe Michaelsteiner Konferenzberichte. Dank gilt ebenfalls den Mitgliedern des Beirates der Stiftung Kloster Michaelstein, deren Engagement für das Michaelsteiner Wirkungsspektrum zum internationalen Ansehen der Stiftung kontinuierlich beiträgt. Michaelstein, im Frühjahr 2010 Monika Lustig und Ute Omonsky
Erscheint lt. Verlag | 18.8.2010 |
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Reihe/Serie | Michaelsteiner Konferenzberichte ; 75 |
Zusatzinfo | ca. 300 Abbildungen und Notenbeispiele |
Sprache | englisch; deutsch |
Maße | 170 x 240 mm |
Gewicht | 1005 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik ► Musikgeschichte |
Schlagworte | Historische Aufführungspraxis • Idiophone • Instrumentenkunde • Membranophone • Musikgeschichte 1500-1850 • Musizierpraxis • Perkussionsinstrumente |
ISBN-10 | 3-89639-770-2 / 3896397702 |
ISBN-13 | 978-3-89639-770-6 / 9783896397706 |
Zustand | Neuware |
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