Meine Freundin Helen - Eine Geistergeschichte -  MARY DOWNING HAHN

Meine Freundin Helen - Eine Geistergeschichte (eBook)

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2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-157-8 (ISBN)
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Hüte dich vor Helen ... Als ihre Mutter wieder heiratet, versuchen Molly und ihr Bruder Michael, sich mit ihrer neuen Stiefschwester Heather anzufreunden. Die macht aber immer nur Ärger. Heather lügt und benimmt sich daneben, und irgendwie bekommen die beiden immer die Schuld. Das Verhalten von Heather wird noch seltsamer, als sie immer öfter auf dem Friedhof hinter dem Haus spielt. Sie sagt, sie könne mit dem Mädchen Helen sprechen, die vor über 100 Jahren bei einem mysteriösen Feuer ums Leben kam. Michael glaubt nicht an Geister. Aber Molly ist sich da nicht so sicher, vor allem als Heather droht, dass Helen kommt und sie holen wird ...   Mary Downing Hahn (geboren 1937) ist eine amerikanische Autorin, die für ihre gruseligen Geschichten für Jugendliche bekannt ist. Wait Till Helen Comes erschien 1986 und wurde ein Klassiker, der bis heute immer wieder aufgelegt wird. Ihre Werke enthalten selten grafische Gewalt, doch einige ihrer Themen eignen sich eher für Erwachsene, etwa Selbstmord, das Übernatürliche und psychische Erkrankungen. Aus diesem Grund werden ihre Bücher häufig aus Schulbibliotheken verbannt.

Mary Downing Hahn (geboren am 9. Dezember 1937) ist eine amerikanische Autorin, die für ihre gruseligen Geschichten für Jugendliche bekannt ist. Sie hat etwa 40 Romane geschrieben. Wait Till Helen Comes erschien 1986 und wurde ein Klassiker, der bis heute immer wieder aufgelegt wird. Ihre Werke enthalten selten grafische Gewalt, doch einige ihrer Themen eignen sich eher für Erwachsene, etwa Selbstmord, das Übernatürliche und psychische Erkrankungen. Aus diesem Grund werden ihre Bücher häufig aus Schulbibliotheken verbannt. Ihre Website: melanieaboutmyauthor.weebly.com

1

»Ihr habt eine Kirche gekauft?« Michael und ich schauten von unseren Hausaufgaben auf, mit denen wir fast den ganzen Küchentisch belagert hatten. Ich war gerade dabei, ein Gedicht für Mr. Pelowskis Englischunterricht zu schreiben, und Michael arbeitete sich munter durch 20 Matheaufgaben.

Mom füllte den Wasserkessel und stellte ihn auf den Herd. Ihre Wangen waren rosig vom Märzwind, genauso ihre Nasenspitze.

»Du und Molly werdet begeistert sein«, meinte sie. »Genau so etwas haben Dave und ich den ganzen Winter lang gesucht. Es gibt dort einen Wagenschuppen, in dem kann er sich seine Töpferwerkstatt einrichten, und auf der Chorempore ist reichlich Platz für mein Atelier. Es ist einfach perfekt.«

»Aber wie kann man denn in einer Kirche wohnen?«, fragte Michael, der sich von ihrer Begeisterung nicht so leicht anstecken ließ.

»Na ja, es ist eigentlich keine Kirche mehr«, sagte Mom. »Irgendwelche Leute aus Philadelphia haben sie letztes Jahr gekauft und etliche Räume als Wohnbereich angebaut. In der Kirche selbst wollten sie einen Antiquitätenladen einrichten, aber nachdem sie mit der ganzen Arbeit fertig waren, merkten sie, dass ihnen das Leben auf dem Land doch nicht gefiel.«

»Es ist auf dem Land?« Ich musterte stirnrunzelnd die kleine Katze, die ich an den Rand meines Notizbuchs gekritzelt hatte.

Mom blickte lächelnd aus dem Küchenfenster hinüber auf die andere Straßenseite. Es sah aus, als starrte sie in Mrs. Overtons Fenster, aber in Wirklichkeit sah sie sich schon vor einer Staffelei stehen und an einem neuen riesigen Ölgemälde arbeiten, weit weg von dem ›Seelen tötenden Stadtleben‹, wie sie immer sagte. Sie hatte nämlich die ärgerliche Angewohnheit, immer dann in ihre private Traumwelt abzutauchen, wenn man sie am meisten brauchte.

»Wo ist denn diese Kirche?«, fragte ich.

»Wo sie ist?« Mom goss kochendes Wasser in ihre Tasse und gab Honig hinzu. »In Holwell, Maryland. Die Berge sind ganz in der Nähe, und es ist wunderschön dort. Einfach wunderschön. Der perfekte Ort zum Malen und Töpfern.«

»Und was ist mit Molly und mir? Was sollen wir tun, während du und Dave malt und töpfert?«, fragte Michael.

»Du hast versprochen, ich könnte dieses Jahr bei den Sommerkursen der Schule mitmachen«, sagte ich und dachte an den Kurs im kreativen Schreiben, den ich belegen wollte. »Kann ich das trotzdem?«

»Ja, und was ist mit dem Wissenschaftsclub?«, fragte Michael. »Ich bin schon dafür angemeldet. Mr. Phillips will mit uns zum Aquarium und dem Forschungszentrum und sogar zum Smithsonian in Washington.«

Mom seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ihr beiden müsst andere Pläne für den Sommer machen. Wir ziehen im Juni um, und ich kann unmöglich jeden Tag die ganze Strecke bis nach Baltimore und zurück fahren.«

»Aber ich hab mich schon das ganze Jahr lang auf den Wissenschaftsclub gefreut!« Michaels Stimme war anzuhören, dass er kurz davor war zu heulen.

»Du hast dort jede Menge Wald, den du erforschen kannst«, erwiderte Mom gelassen. »Denk nur mal an die ganzen Tiere, die du beobachten kannst, und die Insekten, mit denen du deine Sammlung vergrößern kannst. Als Dave und ich dort waren, haben wir einen Waschbären, ein Opossum, ein Murmeltier und Dutzende von Eichhörnchen gesehen.« Mom beugte sich lächelnd zu ihm und hoffte, dass Michael jetzt begriffen hatte, wie wunderbar es sein würde, irgendwo auf dem Land in einer Kirche zu leben, meilenweit weg von Mr. Phillips und dem Wissenschaftsclub.

Aber Michael war nicht so leicht zu überzeugen. Er sackte in seinem Stuhl zusammen und murmelte: »Ich würde lieber in Baltimore bleiben, auch wenn ich da nie was anderes sehe als Kakerlaken, Tauben und Ratten.«

»Ach, um Himmels willen, Michael!«, rief Mom verärgert. »Du bist zehn Jahre alt. Benimm dich auch so.«

Michael wollte etwas sagen, um sich zu verteidigen, aber da erschien Heather in der Küchentür. Sie hatte einen sechsten Sinn dafür, wenn es irgendwo Streit und Ärger gab. Mit ihren blassgrauen Augen schaute sie von Mom zu Michael, dann zu mir und wieder zurück zu Mom. Ich konnte ihr regelrecht ansehen, dass sie auf ordentlich Zoff hoffte, mit brutaler Gewalt, Geschrei und Blutvergießen.

»Heather, ich habe mich schon gefragt, wo du steckst!« Mom bemühte sich, wieder genauso begeistert zu klingen wie vorhin. »Rate mal, was dein Daddy und ich gefunden haben! Ein Haus für uns auf dem Land. Ist das nicht toll?« Sie strahlte Heather mit dem Lächeln einer netten Tante an und wollte sie umarmen.

Geschickt wie eine Katze wich Heather ihr aus und spähte aus dem Küchenfenster. »Daddy ist da«, verkündete sie.

»O nein, ich hab vergessen, den Auflauf in den Backofen zu tun!« Mom rannte zum Kühlschrank und zog den Auflauf aus Auberginen, Käse, Tomaten und Bulgur heraus und schob die Form in den Backofen, gerade als Dave die Hintertür öffnete und einen Schwall von kaltem Märzwind mit sich ins Zimmer brachte.

Nachdem er Mom umarmt und geküsst hatte, packte er Heather und hob sie hoch. »Wie geht’s meinem Mädchen?«, rief er fröhlich.

Heather schlang ihre Arme um seinen Hals und verzog das Gesicht. »Die haben sich gestritten«, sagte sie mit einem Blick auf Michael und mich.

Dave schaute zu Mom, die lächelnd den Kopf schüttelte. »Wir haben nur über unseren großen Umzug aufs Land gesprochen, das ist alles. Niemand hat sich gestritten, Heather.« Mom drehte das kalte Wasser auf und begann Salatblätter abzuspülen.

»Ich mag das nicht, wenn sie streiten.« Heather klammerte sich fester an Daves Hals.

»Komm, Michael.« Ich stand auf und raffte meine Bücher und Hefte zusammen. »Wir machen unten unsere Hausaufgaben fertig.«

Sobald wir allein waren und uns niemand mehr hören konnte, fragte ich meinen Bruder: »Was sollen wir machen?«

Er warf sich auf die alte Couch vor dem Fernseher. »Nichts. Es ist zu spät, Molly. Sie haben die Kirche gekauft und wir ziehen dorthin. Punkt.«

Er schnappte sich ein Kissen und schmiss es quer durchs Zimmer, wobei er nur knapp eines von Moms Gemälden verfehlte, das die riesige Blüte einer Sonnenblume darstellte. »Warum hat sie ihn bloß geheiratet? Wir waren total glücklich, ehe er und Heather aufkreuzten.«

Ich setzte mich neben ihn und nickte. »Sie haben alles verdorben.« Mit einem raschen Blick zur Treppe überzeugte ich mich, dass Heather uns nicht hinterhergeschlichen war, um uns nachzuspionieren. »Wenn Heather bloß ein normales Kind wäre. Sie benimmt sich mehr wie eine Zweijährige als wie eine Siebenjährige. Und sie ist gemein. Sie tratscht und lügt und tut alles, was sie kann, damit wir Ärger mit Dave kriegen. Und er ist immer auf ihrer Seite – Mom auch.«

Michael zog ein Gesicht. »Du weißt doch, was Dave immer sagt.« Mit verstellter Stimme äffte er Dave nach: »Heather ist ein ungewöhnlich fantasievolles und sensibles Kind. Und sie hat einen großen Verlust erlitten. Du und Molly müsst Geduld mit ihr haben.«

Ich stöhnte. »Wie lange sollen wir noch Mitleid mit ihr haben und nett zu ihr sein? Ich weiß, es muss furchtbar gewesen sein, dass die eigene Mutter bei einem Brand stirbt und man selbst zu klein ist, um helfen zu können, aber damals war sie drei Jahre alt. Sie sollte inzwischen darüber hinweg sein, Michael.«

Er nickte. »Ich wette, wenn Dave sie zu einem Psychiater bringen würde, ginge es ihr bald besser. Der kleine Bruder von meinem Freund Martin geht zu einem in Towson, und das hat ihm enorm geholfen. Er spielt da mit Puppen und malt Bilder und macht Sachen aus Ton.«

Ich seufzte. »Du weißt doch ganz genau, was Dave von Psychiatern hält, Michael. Ich hab gehört, wie er mal zu Mom gesagt hat, die würden mit ihrem wirren Geschwätz alles bloß noch schlimmer machen.«

Michael stand auf und schaltete im Fernseher Speed Racer ein. Mit einem Auge behielt er den Bildschirm im Blick und machte seine restlichen Matheaufgaben fertig, während ich dasaß und weitere Katzen zeichnete, statt mein Gedicht fertig zu schreiben.

Nach einigen Minuten stupste ich Michael an. »Erinnerst du dich an den Film, den wir mal gesehen haben über das kleine Mädchen, das seinen Feinden schreckliche Sachen antat?«

»Böse Saat?«

»Genau, das war er. Weißt du, manchmal denke ich, Heather ist wie dieses Mädchen Rhoda. Mal angenommen, sie hat ihre Mutter absichtlich verbrennen lassen, genauso wie Rhoda den Hausmeister?«

Michael spähte über den Rand seiner Brille. »Du bist verrückt, Molly. Kein dreijähriges Kind könnte so was machen.« Er klang wie ein Wissenschaftler, der einem Kind etwas erklärte, statt wie ein zehnjähriger Junge, der mit seiner zwölfjährigen Schwester sprach.

Ich lachte. Ja, was ich gesagt hatte, war wirklich albern. »Hab doch bloß Spaß gemacht.« Aber eigentlich nur halb. Heather hatte irgendwas an sich, sodass ich mich immer unwohl fühlte in ihrer Nähe. Ganz egal wie sehr ich mich darum bemühte, ich mochte sie einfach nicht und konnte sie erst recht nicht lieb haben, was Mom immer wieder von uns verlangte. Es war schwer, auch nur Mitleid für sie zu empfinden.

Dabei hatte ich es wirklich versucht. Als Heather bei uns eingezogen war, hatte ich alles getan, was mir nur einfiel, um eine gute große Schwester zu sein, aber sie hatte mir deutlich gezeigt, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollte. Wenn ich versuchte, ihr das Haar zu kämmen, riss sie sich los und heulte Mom vor, ich täte ihr weh....

Erscheint lt. Verlag 4.10.2024
Übersetzer Hans Schuld
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-98676-157-8 / 3986761578
ISBN-13 978-3-98676-157-8 / 9783986761578
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