The way I used to be -  Amber Smith

The way I used to be (eBook)

Ausgabe ebook

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Adrian & Wimmelbuchverlag
978-3-98585-237-6 (ISBN)
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Alles, was Eden will, ist die Uhr zurückdrehen. Um diesen Tag noch mal zu leben. Sie würde alles anders machen. Nicht über seine Witze lachen und ignorieren, wie er sie an diesem Abend ansah. Und sie würde definitiv ihre Schlafzimmertür abschließen. Aber Eden kann die Zeit nicht zurückdrehen. Also begräbt sie die Wahrheit, zusammen mit dem Mädchen, das sie mal war. Sie tut so, als bräuchte sie keine Freunde, keine Liebe, keine Gerechtigkeit. Als ihre Welt aus den Fugen gerät, wird klar: Die einzige Person, die Eden retten kann ... ist Eden.

Amber Smith ist preisgekrönte New-York-Times-Bestsellerautorin. Als Verfechterin eines stärkeren Bewusstseins für psychische Gesundheit, geschlechtsspezifische Gewalt und LGBTQIA+-Gleichstellung schreibt sie in der Hoffnung, dass ihre Bücher dazu beitragen können, Veränderungen zu fördern und den Dialog anzustoßen. Sie wuchs in Buffalo, New York, auf und lebt heute mit ihrer Frau und ihrer ständig wachsenden Familie geretteter Hunde und Katzen in Charlotte, North Carolina.

ICH WEISS NICHT MEHR viel. Ich weiß zum Beispiel nicht, warum ich die Tür nicht gehört habe. Warum ich die beschissene Tür abends nicht einfach abgeschlossen habe. Oder warum mir nicht sofort klar war, dass da etwas falsch war – ganz fürchterlich falsch – als die Matratze unter seinem Gewicht nachgab. Warum ich nicht geschrien habe, als ich die Augen öffnete und sah, wie er unter meine Decke kroch. Oder warum ich mich nicht gewehrt habe, als es noch eine Chance gab.

Ich weiß nicht, wie lange ich danach dagelegen und mir gesagt habe: Kneif die Augen zu, versuch es, versuch, es einfach zu vergessen. Versuch, alles zu ignorieren, was sich falsch angefühlt hat, so falsch, als könnte es sich nie wieder richtig anfühlen. Ignoriere den Geschmack in deinem Mund, das klebrigfeuchte Laken, das Brennen in deinen Oberschenkeln, den Übelkeit erregenden Schmerz – dieses projektilförmige Etwas, das dir durch den Körper schießt und sich dann irgendwie in deinem Bauch festsetzt. Nein, nicht weinen. Weil es nichts zu weinen gibt. Weil es nur ein Traum war, ein schlechter Traum – ein Albtraum. Nicht real. Nicht real. Nicht real. Das sage ich mir permanent: NichtrealNichtrealNichtreal. Wieder und wieder und wieder. Wie ein Mantra. Wie ein Gebet.

Ich ahne nicht, dass diese Bilder, die mir immer wieder durch den Kopf schießen – wie aus einem Film über eine Andere, an einem anderen Ort – nie wieder verschwinden, mich für immer verfolgen werden. Ich mache die Augen wieder zu, aber das ist alles, was ich sehe, spüre, höre: seine Haut, seine Arme, seine Beine, seine viel zu starken Hände, sein Atem auf mir, gespannte Muskeln, knirschende Knochen, ein brechender Körper, mich, die schwächer wird, langsam verblasst. Nur das – es gibt nichts anderes mehr.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergehen, bis mich der übliche Sonntagmorgenlärm weckt – Töpfe und Pfannen, klappern auf dem Herd. Gerüche bahnen sich den Weg unter meiner Tür hindurch – Speck, Pfannkuchen, Moms Kaffee. Fernsehgeräusche – eine Kaltfront und ein Sturmsystem werden gegen Mittag über die Region ziehen –, Dad schaut den Wetterbericht. Spülmaschinengeräusche. Der kleine Kläffer von gegenüber, der wie immer vermutlich nichts ankläfft. Und dann ist da noch der fast nicht auszumachende Rhythmus eines Basketballs, der gegen den morgentaufeuchten Asphalt prallt, vermischt mit dem leisen Quietschen von Sportschuhen. Unsere dumme, verpennte kleine Vorstadt erwacht wie jede andere dumme, verpennte kleine Vorstadt, die sich ihrer Irrelevanz nicht bewusst ist, sich nur einen weiteren Samstag wünscht, weil ihr vor der Hausarbeit graut, dem Gottesdienst, den To-do-Listen und dem drohenden Montag. Das Leben geht einfach weiter, so wie immer. Normal. Und es will mir nicht in den Kopf, dass das Leben einfach so weitergehen wird, egal ob ich nun aufwache oder nicht. Erschreckend normal.

Während ich mich zwinge, die Augen zu öffnen, ahne ich noch nicht, dass die Lügen schon am Werk sind. Ich versuche zu schlucken. Mein Hals tut weh. Sicher nur eine Entzündung, sage ich mir. Sicher bin ich einfach nur krank, nichts weiter. Sicher habe ich Fieber. Fantasiere. Denke nicht klar. Ich berühre meine Lippen. Sie tun auch weh. Ich schmecke Blut. Nein, das kann nicht sein. Nicht real. Ich starre an die Decke und denke: Ich muss ernsthafte Probleme haben, wenn ich so was träume. Solches Horrorzeugs. Über Kevin. Kevin. Weil Kevin der beste Freund meines Bruders ist, praktisch mein Bruder. Meine Eltern lieben ihn so wie alle, selbst ich, und Kevin würde doch niemals – das könnte er nicht. Unmöglich. Aber dann bewege ich die Beine, weil ich aufstehen will. Und auch sie tun so unendlich weh – sie fühlen sich an, als wären sie gebrochen. Und mein Kiefer schmerzt, als hätte ich überall Löcher in den Zähnen.

Ich schließe die Augen wieder. Hole tief Luft. Dann schiebe ich die Hand unter die Decke und taste. Keine Unterwäsche. Ich setze mich viel zu schnell auf, mein Körper klagt, als wäre ich steinalt. Ich habe Angst hinzusehen. Aber da liegt sie, meine Unterwäsche mit den Wochentagen, zusammengerollt am Boden. Es war die vom Dienstag, obwohl Samstag war, weil, wer sollte das schon mitbekommen? Das habe ich gestern beim Anziehen gedacht. Und jetzt weiß ich mit Sicherheit; es ist passiert. Es ist wirklich passiert. Und dieser Schmerz in meinem tiefsten Innern fängt wie auf Kommando von vorne an. Ich schlage die Decke zurück. Kniescheibenrunde blaue Flecken an meinen Armen, meiner Hüfte, meinen Oberschenkeln. Und Blut – auf dem Laken, der Decke, meinen Beinen.

Dabei sollte das doch ein ganz gewöhnlicher Sonntag sein.

Ich sollte aufstehen, mich anziehen und mich dann zu meiner Familie an den Frühstückstisch setzen. Nach dem Frühstück zurück in mein Zimmer gehen, die Hausaufgaben machen, mit denen ich Freitag nicht fertig geworden war, und mir besonders Geometrie noch mal ansehen. Das neue Lied üben, das wir mit dem Orchester gelernt haben, meine beste Freundin Mara anrufen, vielleicht bei ihr vorbeifahren und tausend andere, bescheuerte, sinnlose Sachen machen.

Aber das wird alles so nicht passieren, das weiß ich, während ich in meinem Bett sitze und ungläubig die Spuren an meinem Körper anstarre. Meine Hand zittert, als ich sie auf meinen Mund presse.

Es klopft zweimal an meiner Tür, ich zucke zusammen.

»Edy, bist du wach?«, ruft meine Mutter. Ich öffne den Mund, aber ich habe das Gefühl, dass mir jemand Säure in die Kehle gekippt hat, dass ich nie wieder sprechen kann. Klopf, klopf, klopf. »Eden, Frühstück!« Schnell ziehe ich das Nachthemd so weit runter, wie es geht, aber auch darauf ist Blut.

»Mom?«, antworte ich schließlich, meine Stimme heiser und grässlich.

Sie öffnet die Tür einen Spalt, ihr Blick findet sofort die Blutflecken. »Oh, Gott«, sie schnappt nach Luft, kommt herein und schließt schnell die Tür hinter sich.

»Mom, ich …« Aber wie soll ich die Worte aussprechen, die schlimmsten Worte überhaupt, ich weiß ja, dass sie gesagt werden müssen, aber …

»Oh, Edy.« Sie seufzt und lächelt mich mitfühlend an. »Schon okay.«

»Was …?«, setze ich an. Okay? In welcher Welt ist das bitte okay?

»Das passiert manchmal, wenn man nicht damit rechnet.« Sie huscht durch mein Zimmer, räumt auf und sieht mich kaum an, während sie von Zyklen, Kalendern und dem Zählen von Tagen spricht. »Das passiert jeder von uns. Deshalb hab ich ja gesagt, du musst das aufschreiben. Wenn du das machst, ersparst du dir solche … Überraschungen. Dann bist du … vorbereitet.«

Sie meint also, dass es das ist.

Okay. Ich habe genug Filme gesehen, um zu wissen, dass man etwas sagen sollte. Man sollte es verdammt noch mal erzählen. »Aber …«

»Wieso springst du nicht gleich unter die Dusche, Mäuschen?«, unterbricht sie mich. »Ich kümmere mich um diese … äh …«, setzt sie an und macht dann eine ausladende Geste zu meinem Bett, »… Schweinerei.«

Diese Schweinerei. Oh, Gott, jetzt oder nie. Also jetzt. »Mom«, versuche ich es noch einmal.

»Das muss dir nicht peinlich sein«, sagt sie lachend. »Schon okay, wirklich, versprochen.« Sie steht bei mir am Bett, sieht größer aus als je zuvor, reicht mir meinen Morgenmantel und scheint die Dienstagsunterwäsche, die zusammengerollt zu ihren Füßen liegt, nicht zu bemerken.

»Mom, Kevin …«, fange ich an, doch allein schon bei seinem Namen möchte ich brechen.

»Mach dir keinen Kopf, Edy. Der ist draußen, mit deinem Bruder. Die spielen Basketball. Und dein Vater klebt wie immer am Fernseher. Niemand wird dich sehen. Los, zieh den an.«

Ich schaue zu ihr auf und fühle mich so klein. Kevins Stimme wirbelt wie ein Tornado durch meinen Kopf – sein Atem auf meinem Gesicht –, seine geflüsterten Worte: Das glaubt dir niemand. Das weißt du. Niemand. Niemals.

Dann wedelt Mom mit dem Morgenmantel. Ich könnte ihre Lüge übernehmen, müsste mir nicht mal was ausdenken. Dieser ganz bestimmte Ausdruck tritt in ihre Augen – dieser ungeduldige, es-sind-Ferien-und-ich-hab-keine-Zeit-für-so-was-Blick. Ich musste in die Gänge kommen, soviel stand fest, damit sie sich um die »Schweinerei« kümmern konnte. Und genauso stand fest, dass mir niemand zuhören würde. Niemand würde mich sehen – und das hat er gewusst. Schließlich war er lange genug Gast in diesem Haus gewesen, um mitzukriegen, wie es hier lief.

Ich versuche aufzustehen, ohne mir anmerken zu lassen, dass alles in mir kaputt ist. Ich verpasse dem Dienstag einen Tritt, damit er unterm Bett verschwindet, wo sie ihn nicht entdecken und darüber dann ins Nachdenken kommen wird. Ich schlüpfe in den Mantel. Ich schlüpfe in die Lüge. Und während ich noch einen Blick zu meiner Mutter werfe, die das schmutzige Laken – den Beweis – in beide Arme rafft, weiß ich genau; wenn nicht jetzt, dann nie. Denn er hatte recht, niemand würde mir je glauben. Natürlich nicht. Niemals.

*

Im Bad ziehe ich vorsichtig das Nachthemd aus, knülle es mit ausgestreckten Armen zusammen und stopfe es in den Mülleimer unter dem Waschbecken. Ich setze meine Brille auf und betrachte mich genauer. An meinem Hals sind ein paar schwache Abdrücke in Form seiner Finger. Aber im Vergleich zu den tiefblauen Flecken am Rest meines Körpers sind sie zu vernachlässigen. Keine Spuren in meinem Gesicht, nur die fünf Zentimeter lange Narbe an meiner linken Schläfe vom Fahrradunfall vorletzten Sommer. Meine Haare stehen vielleicht ein bisschen schlimmer ab als sonst, aber im Wesentlichen müsste ich als ich durchgehen.

Ich komme aus der Dusche – noch immer...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-98585-237-5 / 3985852375
ISBN-13 978-3-98585-237-6 / 9783985852376
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