Wächter der Magie - Aufbruch nach Artimé (Wächter der Magie 1) (eBook)
384 Seiten
arsEdition GmbH (Verlag)
978-3-8458-5649-0 (ISBN)
Lisa McMann lebt in Tempe, Arizona. Sie ist mit ihrem Schriftstellerkollegen Matt McMann verheiratet und sie haben zwei erwachsene Kinder. Ihr Sohn ist der Künstler Kilian McMann, und ihre Tochter ist die Schauspielerin Kennedy McMann. In ihrer Freizeit geht Lisa gerne spazieren und kocht. Außerdem liest sie gerne Fantasy, Belletristik, Memoiren und Bücher über Kochen und Wein.
Die Farm des Todes
Niemand sprach während der fünfzehnminütigen Busfahrt zur Farm des Todes ein Wort. Es war erstickend heiß. Fliegen schwirrten summend gegen die geschlossenen Fenster, nicht in der Lage zu entkommen. Als Alex schließlich aus seiner Benommenheit erwachte, wischte er sich mit dem Oberarm den Schweiß von der Stirn und sah sich im Bus um.
Vor ihm, durch eine lange Kette über den hohen Lehnen der Bussitze mit ihm verbunden, saß seine Nachbarin und Freundin, Meghan Ranger. Es war ein ziemlicher Schock gewesen, sie in dieser Gruppe zu sehen – soweit er wusste, hatte sie nur einen Verstoß zu verzeichnen, wenn auch einen doppelten: Singen und Tanzen. Alex hatte sie dabei gesehen, sie jedoch nicht gemeldet. Sie hatte eine wirklich schöne Stimme, auch wenn es Alex nicht erlaubt war, darüber nachzudenken. Trotz der Hitze war Meghans Gesicht blass wie der Mond.
Auf der anderen Seite des Gangs saß Samheed Burkesh, den Alex sehr gut kannte, jedoch nicht besonders mochte. Alex war überrascht, ihn hier zu sehen, da Samheed noch in der vergangenen Woche vor Aaron und Alex damit geprahlt hatte, er würde sich dem Quillitär anschließen. Samheed kämpfte ganz offensichtlich mit den Tränen und funkelte Alex wütend an, als dessen Blick auf ihm landete.
»Was glotzt du denn so?«, fragte Samheed, doch eine der jüngeren Kommandeurinnen warf ihm einen warnenden Blick zu. Ungewollten war das Reden nicht erlaubt – ihre letzten Worte hatten sie bereits vor der Tilgung gesprochen.
Alex senkte den Blick, atmete ein paarmal tief durch und schwor sich still, Samheed nicht noch einmal anzusehen, bis … nun, nie wieder. Stattdessen drehte er sich zu dem Platz hinter seinem Sitz um, denn dank seiner Schockstarre angesichts dieser schrecklichen Situation hatte er überhaupt nicht registriert, mit wem er durch die Kette an seinem anderen Arm verbunden war. Eigentlich hätte er aufstehen müssen, um richtig über die hohe Rückenlehne sehen zu können, tat es jedoch nicht, da die Kommandeure ihn beobachteten. Alles, was er erkennen konnte, waren das glatte, rabenschwarze Haar und die großen, wässrig blauen Augen eines Mädchens, da war er sich sicher. Für eine Dreizehnjährige war sie jedoch sehr klein, dachte er. Sie wandte sich nicht ab. Stattdessen hielt sie seinem Blick stand und blinzelte ihre Tränen während des langen Moments nur ein einziges Mal weg.
Ihre Augen waren tief und seelenvoll, ihre nassen schwarzen Wimpern vom vielen Weinen verklebt. Schließlich versuchte Alex sich an einem leichten Lächeln. Er bezweifelte zwar, dass sie seinen Mund sehen konnte, wenn er ihren nicht sah, doch als Antwort bildeten sich um ihre Augen winzige Falten, und aus irgendeinem Grund fühlte sich Alex ein klitzekleines bisschen besser.
Ansonsten saß in dem klapprigen alten Bus niemand, den Alex kannte. Er fragte sich flüchtig, wie es wohl wäre, allein mit den Kommandeurinnen und Kommandeuren hier zu sein. Aus irgendeinem selbstsüchtigen Grund, den er sich nicht richtig erklären konnte, empfand er einen Anflug von Freude dank des Wissens, dass Meghan und die anderen mit ihm hier waren. Dass er nicht der einzige Ungewollte in ganz Quill war.
Der Bus tuckerte an der Baumschule vorbei, in der sämtliche Bäume von Quill wuchsen, an der Rinderfarm am Rand der Stadt und an der kargen, schäbigen grauen Mauer im Süden von Quill. Erst nach mehreren Minuten verschwanden die farblosen Häuser, und die nun unbebaute Landschaft wurde immer trostloser.
Alex drehte sich der Magen um, als die Fahrerin auf die Bremse trat und der Bus langsam und ächzend vor dem schwarzen, soliden Eisentor des Ortes zum Stehen kam, den die Menschen von Quill als Farm des Todes kannten.
Niemand außer Hohepriesterin Justine und den Kommandeurinnen und Kommandeuren war je durch dieses Tor geschritten und lebendig wieder zurückgekehrt, aber sie sprachen niemals darüber. Nur die Menschen von Quill redeten, mit gedämpften Stimmen, hin und wieder davon und spekulierten darüber, wie lange die Ungewollten wohl dort festgehalten wurden, bevor die Liquidatoren sie schließlich beseitigten. Und wie genau taten sie es? War es schmerzhaft? Wurden sie betäubt, bevor man sie in den Großen See aus brodelndem Öl warf? Alex gab sich alle Mühe, nicht selbst über all diese Dinge nachzudenken, doch je angestrengter er es versuchte, desto mehr begann er zu grübeln. Deshalb war er beinahe erleichtert, als er hörte, wie sich die Bustür knarrend öffnete und die Kommandeurinnen und Kommandeure den Ungewollten befahlen, aufzustehen und auszusteigen.
Es lag ein deutlich wahrnehmbarer, ätzender Geruch in der Luft, als die Kinder den Bus verließen und sich vor dem schwarzen Tor versammelten, hinter dem die Farm lag. Es war ein ungewöhnlicher Geruch, anders als die Bratölgerüche der Quillitärfahrzeuge. Alex vermutete, dass er von dem brennenden Öl auf dem nahen See stammte. Er war dem See vorher noch nie so nahe gewesen, weil es niemandem erlaubt war, sich ihm zu nähern. Niemand durfte den See auch nur sehen, und die das Land umschließende turmhohe Betonmauer reichte bis an die Stacheldrahtdecke knapp fünfzehn Meter über ihnen hinauf. Niemand außer den Ungewollten zumindest.
Alex blickte zu dem schwarzhaarigen, blauäugigen Mädchen neben ihm. Die schützende Stacheldrahtdecke, die sich mit ihrem Zickzackmuster über ganz Quill erstreckte, zeichnete einen eckigen Schatten auf ihr Gesicht, der eine ihrer Tränen umrahmte. Sie zitterte still. Sie war noch keine dreizehn, da war Alex sich ganz sicher. In einem Moment der Tapferkeit – schließlich hatte er nichts mehr zu verlieren – flüsterte er ihr zu: »Ich bin Alex. Es wird ganz schnell gehen.« Er wusste selbst nicht genau, warum er es sagte. Es war das einzig Tröstliche, was ihm einfiel.
Sie blickte blinzelnd zu ihm hinauf und die Schattenmuster huschten dabei über ihr Gesicht. Das taten sie immer, überall. »Lani«, flüsterte sie zurück und schüttelte den Kopf. »Und nein, wird es nicht.«
Alex wusste nicht, was er sagen sollte. Er stand stramm, während eine der Kommandeurinnen einen Schlüssel von einer um ihren Hals hängenden Kordel nahm und das Tor aufschloss. »Ruft die Liquidatoren«, befahl die Frau.
Eine weitere Kommandeurin gehorchte, indem sie gegen das Tor hämmerte. Als sich die gewaltigen Eisenflügel mit lautem Knarren öffneten, wandten sich die Aufseher ab und stiegen wieder in den Bus.
Lani blickte ihnen nach, Tränen strömten über ihr Gesicht. »Leb wohl, Vater«, sagte sie, als ein schmächtiger, grauhaariger Mann einstieg. Der ältere Kommandeur hielt für einen Sekundenbruchteil in der Tür inne und ging dann weiter – ein wenig schwerfälliger vielleicht – die Stufen hinauf, ohne sich noch einmal umzublicken. Er ließ sich auf der gegenüberliegenden Seite des Busses nieder. Lani wandte sich ab und wischte sich grob die Tränen von den Wangen. Der Bus fuhr davon, als sich das mächtige schwarze Eisentor der Farm des Todes bereits so weit geöffnet hatte, dass die angeketteten Kinder im Gänsemarsch hindurchgehen konnten.
Dahinter erwarteten sie vier riesige, komplett schwarz gekleidete Liquidatoren. Ihre Köpfe waren in Stoff gehüllt, aber ihre runden, roten Augen schienen sich direkt in die ohnehin verängstigten Seelen der Kinder zu bohren. Lani wirkte mit einem Mal als Einzige vollkommen ruhig. Mit erhobenem Haupt marschierte sie in der langen Reihe der Kinder durch das Tor.
»Was sind sie?«, fragte Meghan erschrocken und tastete unbeholfen nach Alex’ Hand.
Alex ergriff sie und drückte sie voller Angst. »Ich weiß es nicht«, flüsterte er zurück. Er hatte das Gefühl, sein Brustkorb würde in sich zusammenfallen. Langsam atmete er ein und aus, schloss für einen Moment die Augen und erschauderte, als sich das Tor ächzend wieder schloss und mit lautem Scheppern zufiel, bevor es sich von der anderen Seite automatisch mit einem Klicken verriegelte und sie für immer von Quill trennte. Die Liquidatoren griffen nach den Enden der Kette und trotteten langsam davon. Die Kinder folgten ihnen notgedrungen.
Sie befanden sich in einem kleinen Hof aus Beton. Ein graues Steingebäude ragte vor ihnen auf, und dahinter brodelte ein dampfender schwarzer See. Alex spürte den nächsten Schauder. Dort werden sie es uns antun. Der ölige Gestank schien stärker zu werden, als sie weiter über den Beton schlurften, vorbei an Bündeln verbrannter Gräser, stetig auf das Gebäude zu. Die Farm war noch trostloser als der am schlimmsten verfallene Sektor von ganz Quill. Selbst der Himmel hier war wolkenverhangen und grau, auch wenn es keinen Stacheldraht gab – nur freien Himmel. Keins der Kinder hatte jemals zuvor einen undurchbrochenen Himmel gesehen.
Alles war unheimlich still, bis auf das Rasseln der Ketten und das Schlurfen ihrer Schritte, während sich die Ungewollten vorwärtsbewegten. Die Sekunden fühlten sich an wie Stunden. Als die Liquidatoren stehen blieben und die Augen gen Himmel richteten, folgte Alex ihrem Blick.
Die anderen Kinder...
Erscheint lt. Verlag | 30.8.2024 |
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Übersetzer | Doris Attwood |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-8458-5649-1 / 3845856491 |
ISBN-13 | 978-3-8458-5649-0 / 9783845856490 |
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