Fable - Der Gesang des Wassers (Fable 1) -  Adrienne Young

Fable - Der Gesang des Wassers (Fable 1) (eBook)

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2024 | 1. Auflage
352 Seiten
arsEdition GmbH (Verlag)
978-3-8458-5644-5 (ISBN)
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Eine mutige Frau, ein geheimnisvoller Mann und die Gefahren des Meeres ... Fable ist eine Kämpferin. Seit sie als Kind von ihrem Vater ausgesetzt wurde, schlägt sie sich als Schürferin von wertvollen Steinen durch. Als sie eines Tages auf dem Handelsschiff von West anheuert, sieht sie eine Möglichkeit, ihren Vater zu finden und ihren rechtmäßigen Platz als seine Erbin einzunehmen. Doch das Meer und die, die es befahren, sind gefährlich. Und auch West ist nicht der, der er zu sein scheint. Fable muss um das kämpfen, was ihr gehört und was ihr Herz möchte ... Der Auftakt einer magischen Romantasy-Dilogie, voller Abenteuer, Drama und einer Slow-Burn-Romance zum Mitfiebern! Band 1: Fable - Der Gesang des Wassers Band 2: Fable - Das Geheimnis der Mitternacht

Geboren und aufgewachsen in Texas, lebt Adrienne Young heute in den Blue Ridge Mountains in North Carolina. Sie ist eine Feinschmeckerin, deren große Liebe dem Reisen und der Geschichte gilt und die sich zu ihrer Kaffeesucht bekennt. Wenn sie nicht gerade schreibt, findet man sie auf ihrer Yogamatte, auf Antiquitätenmessen, auf denen sie alte Bücherschätze sucht, beim Abendessen mit einem Glas Wein oder in einem ihrer Lieblingsmuseen. 

Kapitel 1


Der Mistkerl ließ mich schon wieder sitzen.

Durch die Bäume sah ich den Sand unter den Füßen aufspritzen, als Koy und die anderen das Boot ins Meer schoben. Es glitt ins Wasser, und ich legte einen Zahn zu und jagte barfuß über die verschlungenen Wurzeln und Steine, die aus dem Weg herausragten. Kaum war ich aus dem Dickicht gebrochen, grinste Koy mir höhnisch zu und setzte das Segel.

»Koy!«, rief ich, aber falls er mich über die Brandung hinweg hörte, ignorierte er mich.

Ich rannte die Anhöhe hinab bis zum Rand der auslaufenden Wellen und drückte mich mit aller Kraft aus dem feuchten Sand ab, um das Boot mit einem großen Satz über die Wellen hinweg doch zu erreichen. Ich erwischte das Heck mit einer Hand, schlug gegen die Außenseite und hing noch mit den Beinen im Wasser, während das Boot Fahrt aufnahm. Niemand streckte mir die Hand entgegen, als ich mich leise fluchend über die Seitenwand zog.

»Gar nicht schlecht, Fable.« Koy griff nach der Pinne, den Blick auf den Horizont gerichtet, und steuerte auf das südliche Riff zu. »Wusste nicht, dass du auch mitkommen wolltest.«

Ich band mir das Haar zu einem Knoten oben auf dem Kopf zusammen und starrte Koy wütend an. Es war bereits das dritte Mal diese Woche, dass er versucht hatte, mich an Land zurückzulassen, wenn er die Schürfer zum Tauchen hinausbrachte. Wäre Speck nicht ständig betrunken, hätte ich lieber ihn dafür bezahlt, mich zum Riff zu fahren. Aber ich brauchte ein zuverlässiges Transportmittel.

Das Segeltuch über mir knallte, als der Wind hineinblies und dem Boot einen kräftigen Schub versetzte. Ich suchte mir einen Sitzplatz zwischen zwei lederhäutigen Schürfern.

Koy streckte die Hand aus. »Kupfer.«

Ich warf einen Blick über seinen Kopf hinweg zu den vorgelagerten Inseln, wo die Masten der Handelsschiffe in der steifen Brise schwankten. Bisher war die Marigold noch nicht unter ihnen, doch bis zum Sonnenaufgang dürfte sie da sein. Ich fischte eine Münze aus dem Beutel an meinem Gürtel und ließ sie zähneknirschend in Koys Hand fallen. Mittlerweile hatte er so viel Geld von mir bekommen, dass ich praktisch das halbe Boot bezahlt hatte.

Wir glitten jetzt immer schneller durch das Wasser, dessen Farbe vom blassen Türkis des Küstenbereichs in das dunkle Blau des offenen Meeres überging. Das Boot neigte sich im Wind, und ich lehnte mich zurück, um eine Hand in die Wellen zu halten. Die Sonne stand hoch am Himmel, uns blieben mehrere Stunden Zeit bis zum Gezeitenwechsel. Das sollte locker ausreichen, um meine Tasche mit Pyrum zu füllen, das ich dann verkaufen konnte.

Ich zog meinen Gürtel fest und überprüfte jedes einzelne daran befestigte Werkzeug.

Hammer, Meißel, Pickhacken, Kelle, Schürferlupe.

Die meisten Schürfer hatten sich schon vor Monaten vom östlichen Riff abgewandt, aber mein Bauchgefühl hatte mir damals gesagt, dass sich dort in der Tiefe noch weiteres Pyrum verbarg. Und ich hatte recht. Nach wochenlanger Suche war ich unterhalb eines abgegrasten Felssimses auf ein unentdecktes Vorkommen gestoßen, das mir seitdem eine Menge Kupfer eingebracht hatte.

Der Wind pfiff mir um die Ohren, als ich mich hinstellte, und wehte mir Strähnen meines dunkelroten Haares ins Gesicht. Mit einer Hand am Mast beugte ich mich über die Seitenwand des Bootes und warf einen prüfenden Blick in das Wasser unter uns.

Noch nicht.

»Wann erzählst du uns endlich, was du dort unten gefunden hast, Fable?« Koys Hand schloss sich fester um die Pinne, als er mich lauernd ansah. Seine Augen waren so dunkel wie die schwärzesten Nächte auf der Insel, wenn Sturmwolken den Mond und die Sterne verdeckten.

Die anderen schauten schweigend zu mir herüber und warteten auf meine Antwort. Ich hatte bemerkt, wie sie mich neuerdings beobachteten, wenn ich im Hafen war, und ihr Flüstern am Strand gehört. Da ihre Ausbeute in den letzten Wochen ziemlich kläglich ausgefallen war, wurden sie langsam unruhig, und das verhieß nichts Gutes. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Koy mich direkt fragen würde.

Ich zuckte mit den Schultern. »Irismuscheln.«

Er lachte und schüttelte den Kopf. »Irismuscheln«, wiederholte er. Koy war jünger als die meisten Schürfer von Jeval, seine gebräunte Haut war noch nicht runzlig und fleckig durch die langen Tage in der Sonne. Aber er hatte sich seinen Platz unter ihnen zehnfach verdient, indem er genug Münzen ergaunert hatte, um ein Boot zu kaufen und die Schürfer damit zu den Riffen zu fahren.

»Ja, genau«, sagte ich.

Als er mich erneut ansah, war die Belustigung aus seinem Blick verschwunden, und ich biss die Zähne zusammen, um das Zucken meines Kiefermuskels zu verbergen. Es war jetzt vier Jahre her, dass ich auf dem sengend heißen Strand ausgesetzt worden war. Vier Jahre, in denen ich auf mich allein gestellt gewesen war. Ich hatte ausgehungert Schiffsrümpfe freigekratzt, um im Gegenzug ein bisschen halb verrotteten Fisch zu erhalten, und vielfach Prügel bezogen, wenn ich mal wieder an einer Stelle getaucht war, die ein anderer Schürfer für sich beanspruchte. Doch obwohl ich auf Jeval schon viel Gewalt erlebt hatte, war es mir bisher gelungen, Koy nicht zu reizen. Wer ihn gegen sich aufbrachte, lebte gefährlich.

Ich ging zum Heck des Bootes und verzog meine Lippen dabei zu einem ähnlich höhnischen Lächeln wie er zuvor am Strand. Er war ein Bastard – aber ich stand ihm in nichts nach. Und mir meine Angst anmerken zu lassen, machte es nur schlimmer. Ich musste es irgendwie schaffen, am Leben zu bleiben, und ich würde mir lieber eine Hand abhacken, als die Chance zu verspielen, von Jeval zu entkommen. Gerade jetzt, wo ich so nah dran war.

Ich löste meine Hand vom Mast und ließ mich ins Wasser fallen. Das Boot fuhr davon, als ich in einem Meer von Bläschen in die Tiefe sank. Auf dem Weg zurück zur Oberfläche strampelte ich mit den Beinen, um mich aufzuwärmen. Der Rand des östlichen Riffs lag in der Strömung, die auf dieser Seite der Insel für kälteres Wasser sorgte. Auch deshalb hatte ich vermutet, dass es hier unten mehr Pyrum geben musste als das, was bisher geschürft worden war.

Koys Boot entfernte sich rasch, sein geblähtes Segel ragte vor dem wolkenlosen Himmel auf. Als es hinter den vorgelagerten Inseln verschwunden war, drehte ich mich um und schwamm zurück Richtung Ufer. Dabei hielt ich das Gesicht unter Wasser, um das Riff unter mir absuchen zu können. Die Rosa-, Orange- und Grüntöne der Korallen fingen das Sonnenlicht ein, wie die Seekarten, die oft ausgerollt auf dem Schreibtisch meines Vaters gelegen hatten. Ich hielt Ausschau nach dem gelben Seefächer, der an einer Stelle eingerissen war und mir als Markierung diente.

Dort angekommen, hob ich den Kopf und atmete tief ein, während ich noch einmal den Sitz meines Gürtels überprüfte. Als die Luft meinen Brustkorb füllte, ließ ich sie langsam wieder entweichen, wie meine Mutter es mir beigebracht hatte. Meine Lungenflügel dehnten sich aus und zogen sich zusammen, bis ich den vertrauten Druck zwischen den Rippen verspürte. Nun beschleunigte ich den Rhythmus und atmete stoßweise ein und aus, um schließlich tief Luft zu holen und unterzutauchen.

In meinen Ohren knackte es, als ich mit den Armen voran auf die leuchtenden Farben am Grund zuschwamm. Der zunehmende Wasserdruck fühlte sich an wie eine Umarmung, und ich ließ mich immer tiefer sinken, ohne dem lockenden Ruf der Oberfläche Beachtung zu schenken. Auf dem Weg hinab kam mir ein Schwarm rot gestreifter Doktorfische entgegen und hüllte mich ein. Das unendliche Blau erstreckte sich in alle Richtungen. Schließlich berührten meine Füße eine Fläche mit grünen Korallen, die sich wie krumme Finger emporreckten. Ich hielt mich an dem Felsvorsprung darüber fest und arbeitete mich vor, bis ich die Bruchkante erreicht hatte.

Entdeckt hatte ich das Pyrum, als ich das Riff nach Krabben abgesucht hatte, mit denen ich den alten Mann im Hafen für die Reparatur meiner Schürferlupe bezahlen wollte. In der stillen Umgebung hatte ich das leise Summen des Edelsteins sofort in den Knochen gespürt und drei Tage lang gesucht, bis ich schließlich durch Zufall fündig wurde. Ich hatte mich von einem Felsvorsprung abgestoßen, um an die Oberfläche zurückzukehren, doch dabei war ein Stück Stein abgebrochen und hatte den Blick auf eine gezackte Basaltschicht mit den typischen, mir mehr als vertrauten weißen Einsprengseln freigelegt. Das konnte nur eines bedeuten: Pyrum.

Dieses Vorkommen hatte mir in den letzten drei Monaten mehr Kupferstücke von den Händlern auf der Marigold eingebracht als in den zwei Jahren zuvor. Noch ein paar Wochen, und ich würde nie wieder zu den Riffen hinabtauchen müssen.

Ich platzierte meine Füße so auf dem Felsen, dass ich stabil stand, und presste die Hand gegen das gewölbte Gestein. Der Edelstein vibrierte unter meinen Fingerspitzen, das Gefühl glich dem Nachhall, wenn Metall auf Metall schlägt. Auch das hatte mich meine Mutter gelehrt – die Steine zu...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2024
Übersetzer Elisabeth Schmalen
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-8458-5644-0 / 3845856440
ISBN-13 978-3-8458-5644-5 / 9783845856445
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