Als Anders in mein Leben rollte (eBook)

Warmherziges Kinderbuch über Inklusion ab 9 Jahren ? Zum Selberlesen und Vorlesen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
140 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0659-6 (ISBN)

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Vorhang auf für Anders, den Retter in der Not! Eine inklusive Geschichte voller Witz und Empathie In Ronjas Leben herrscht das Vollchaos, nachdem sie erfahren hat, dass sich ausgerechnet ihre u?berkorrekten Eltern trennen wollen. Dann kommt auch noch ein neuer Mitschu?ler namens Anders in die Klasse, der im Rollstuhl sitzt. Ronja hat gerade u?berhaupt keinen Nerv dafu?r, mit Anders besonders feinfu?hlig oder «korrekt» umzugehen und sich fu?r ihn ein Bein auszureißen. Aber genau das mag Anders an ihr. Ronja wiederum braucht dringend jemanden an ihrer Seite, um den neuen Freund ihrer Mutter samt obernerviger Kinder zu u?berstehen. Und da scheint Anders genau der Richtige zu sein. Mit fröhlichen Illustrationen von Regina Kehn

Ariane Grundies wurde 1979 in Stralsund geboren. Sie studierte Germanistik, sowie Prosa und Lyrik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Seit ihrem Diplom 2003 arbeitet sie als freie Autorin. Für ihre (zum Teil unter Pseudonym) erschienenen Bücher und Radiogeschichten erhielt sie mehrere Auszeichnungen und Stipendien. Ariane Grundies schreibt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder - und das am liebsten. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Ariane Grundies wurde 1979 in Stralsund geboren. Sie studierte Germanistik, sowie Prosa und Lyrik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Seit ihrem Diplom 2003 arbeitet sie als freie Autorin. Für ihre (zum Teil unter Pseudonym) erschienenen Bücher und Radiogeschichten erhielt sie mehrere Auszeichnungen und Stipendien. Ariane Grundies schreibt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder – und das am liebsten. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. Regina Kehn studierte Illustration an der Hochschule für Gestaltung in Hamburg. Seit 1990 arbeitet sie als freie Illustratorin für Zeitschriften und Kinder- und Jugendbuchverlage. Für ihre Illustrationen wurde Regina Kehn 1993 und 2014 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt 1996 die Bronzemedaille in der Sparte Illustration vom Art Directors Club. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Hamburg. Literaturpreise: ›Das literarische Kaleidoskop‹: Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2014 (Kritikerjury)

3. Es regnet Obst


«Puh, gerade noch mal gutgegangen», freute sich meine Mutter und ließ erleichtert die zwei schwarzen Toastscheiben in die Papiermülltüte fallen. «Alles wieder in Ordnung!» Sie klatschte einmal in die Hände.

Die ganze Wohnung roch total verbrannt. Alles wieder in Ordnung? Meine Krabben lagen zwischen tausend Scherben auf dem Fußboden, weil mein Vater die Stoffserviette unter meinem Teller weggerissen und über den brennenden Toaster geworfen hatte. Der Teller war runtergefallen, und die Serviette hatte Feuer gefangen. Erst nachdem meine Mutter auch noch den dicken Wischlappen über den Toaster geschmissen hatte, hatte der Ruhe gegeben. Aber deshalb war trotzdem nichts wieder in Ordnung. Gar nichts war gut! Oder sollte das was Gutes sein, dass man plötzlich alt genug war, um sich sagen zu lassen: Wir haben uns getrennt. Schon vor einer ganzen Weile!?

Ich war also schon eine Weile lang ein Trennungskind, ohne zu wissen, was ich für eine war. Dabei tat mir immer noch Nisa leid, die auf dem Schulhof vor ungefähr zwei Wochen die Fassung verloren und Herrn Nawi-Breuer in den Hintern getreten hatte. Und dann so komisch rote Flecken am Hals bekommen und in einer ganz piepsigen Stimme gerufen hatte: «Sie sind so ein …, so ein …, so ein …»

Wir hatten alle Fäuste gemacht, um sie anzufeuern, und gehofft, sie würde es sagen. Sagte sie aber leider nicht. Na ja, wir wussten auch so, was Herr Breuer für einer war. Jedenfalls hörte ich stattdessen Frau Schlinger zu Frau Drakow sagen: «Völlig fertig mit den Nerven, das arme Kind. Die Nisa hatte ja schon immer ihre fünf Minuten, aber seit der Trennung ihrer Eltern hat sie sich wirklich gar nicht mehr im Griff.» Und dann lehnte sie sich nah an Frau Drakows Ohr rüber, aber ich hatte es trotzdem gehört: «Trennungskinder sind echt das Schlimmste!»

Und während mir Nisa leidtat, weil sich ihre Eltern getrennt hatten und sie deshalb neuerdings immer unfreiwillig für beste Unterhaltung auf dem Schulhof sorgte und echt das Schlimmste war, war ich längst auch das Schlimmste. Wie lange bloß schon hatten mir meine Eltern Theater vorgespielt?

Apropos Theater: Während ich noch darüber nachdachte, nahm einer das als Stichwort für seinen Auftritt und klingelte. Ich schaute zur Küchenuhr. Nein! Jetzt bloß nicht dieser Hänsel. Keine Lust. Echt null. Aber genau der stand draußen vor der Haustür und wollte zu mir. Meine Eltern erstarrten.

«Wer ist das?», fragte mein Vater.

«Das ist Anders.»

«Was ist anders?»

«Das, vor der Tür. Der Neue aus meiner Klasse. Heißt so. Anders. Ist angeblich Schwede.»

«Ach, das Rollstuhlkind?», erinnerte sich meine Mutter an das, was wir vor dem brennenden Toaster besprochen hatten.

Ich nickte.

«Dann sag doch nicht das zu ihm, als wär er ein Ding», beschwerte sie sich, nachdem sie ihn selber gerade DAS Rollstuhlkind genannt hatte.

«Kommt der überhaupt an unsere Klingel ran, wenn er …?», fragte mein Vater.

«Na, der hat doch schon geklingelt», unterbrach ihn meine Mutter und rollte verächtlich mit den Augen. «Hol ihn doch lieber mal rein. Wie lange soll er denn da noch vor der Tür stehen?» Sie drückte schnaufend auf den Türsummer.

«Vor der Tür sitzen», grummelte mein Vater und drängelte sich an uns vorbei. Er sprang die drei Treppenstufen im Hausflur hinunter und riss die Haustür auf.

«Entschuldige», begrüßte er Anders. «Tut mir echt leid. Hier ist irgendwer beim Bau dieses Hauses auf die irrwitzige Idee gekommen, unbedingt noch drei Stufen bis zu unserer Erdgeschosswohnung einzubauen.»

«Kein Problem», sagte Anders. Das glaubte ich ihm sofort. Konnte mir nicht vorstellen, dass er es meinem Vater persönlich übelnahm, dass irgendwer hier irrwitzige Stufen hingebaut hatte.

«So habe ich das früher mit deinem Kinderwagen auch gemacht», keuchte mein Vater und warf mir ein Lächeln über seine Schulter zu, während er den Rollstuhl die Stufen hochzog.

«Hi», sagte Anders, als er vor mir saß.

«Hi.» Ich hob die Hand und machte dabei ein paar Schritte rückwärts, damit ihn mein Vater in die Wohnung schieben konnte.

«Hiiiiiiiiii!», sagte meine Mutter verdächtig überschwänglich und ging vor ihm in die Hocke, als wäre er kein Hänsel, sondern ein König oder so was.

«Und du bist Anders?!»

«Mhm», nickte Anders. «Hallo.»

«Und ihr wollt also euer Märchen zusammen üben, ja?»

Anders zuckte mit den Schultern und sah zu mir rüber.

«Frau Drakow will es», sagte ich.

Er nickte. «Genau!»

Als sich meine Mutter wieder aufrichtete, knackten ihre Knochen. «Na, dann wollen wir euch nicht länger aufhalten.» Sie stützte ihre Hände in die Hüften und sah mich an. Ich guckte zurück. Wir standen im Flur und guckten uns gegenseitig weiter so an, weil meine Eltern das Problem nicht checkten.

«Er passt nicht durch meine Tür», sagte ich schließlich.

«Oh!», machte meine Mutter.

«Entschuldige», sagte mein Vater. «Wer kommt denn auf so eine irrwitzige Idee, so eine viiieel zu enge Tür hier einzubauen?»

Ich schämte mich. Anders musste meinen Vater für einen Vollidioten halten, der zu gerne das Wort irrwitzig benutzte.

«Also, viiiiiel zu eng ist sie nicht», sagte ich.

«Ronja!» Mein Vater sah mich streng an. «Man muss doch Türen wohl so bauen, dass jeder durchpasst. Nicht nur du. Findest du nicht?»

«Kein Problem», sagte Anders. Er zeigte in mein Zimmer. «Du hast da ja einen großen Sitzsack. Ich könnte mich da draufsetzen.»

«Ja, sicher», sagte mein Mutter. «Klar.»

«Klar!», sagte ich auch. Er war schließlich mein Besuch und ich bestimmte, wer auf meinem Sitzsack saß.

Und wieder guckten alle nur, sodass Anders sagen musste: «Also, wenn Sie mir helfen könnten, dann …»

«Oh, natürlich.» Meine Mutter griff hastig nach seinem Arm. «Entschuldige», sagte mein Vater und griff nach dem anderen Arm. Ich drehte mich schnell um, bevor etwas Irrwitziges passierte, was ich nicht sehen wollte. Wegen der Schlurfgeräusche musste ich dann doch heimlich gucken. Anders hatte sich unter die Arme meiner Eltern gehakt und schob ganz langsam einen Fuß vor den anderen. Er schien doch ein bisschen gehen zu können. Sie setzten ihn auf meinem Sitzsack ab. Anders drückte sich mit seinen Armen in eine bequeme Position. «Danke.» Er war ziemlich höflich.

«Brauchst du irgendwie … ähm …», meine Mutter überlegte, was Anders wohl gebrauchen könnte. «Eine Decke?», fiel ihr dann ein. Bestimmt, weil die einzige Rollstuhlfahrerin, die wir kennen, Uromatante Isabell, auch immer eine karierte Decke über ihren Beinen liegen hat. Aber Anders brauchte so eine Uromatantendecke nicht. Als meine Mutter dann endlich mein Zimmer verlassen hatte, sah ich Anders dabei zu, wie er sich in meinem Zimmer umsah.

«Schönes Zimmer», sagte er. «Sammelst du Kaktusse?»

«Kakteen, wenn du mehrere meinst», verbesserte ich, um wegen der Antwort etwas Zeit zu schinden. Kam aber bestimmt rüber wie eine Klugscheißerin. Ich war mir nicht sicher, ob Anders das cool oder bescheuert fand, Kakteen zu sammeln. Vielleicht fand er mich jetzt so irrwitzig wie meinen Vater, der sich dauernd für Dinge entschuldigte, für die er überhaupt nichts konnte.

«Ein Haustier und ein Handy darf ich halt nicht haben», erklärte ich dann. «Um irgendwas muss man sich ja kümmern.»

Es war nicht der einzige Grund, warum ich diese stacheligen Pflanzen mochte. Seit ich das erste Mal einen Kaktus in einem Cowboyfilm gesehen hatte, wollte ich auch wohnen, wo Kakteen wuchsen. Und solange ich noch nicht in die Wüste auswandern konnte, stellte ich sie mir halt in mein Zimmer. Aber da sich meine Eltern nun getrennt hatten, schickten sie mich vielleicht doch endlich bald in die Wüste?!

Anders zog zwei zusammengefaltete Blätter aus seiner Hosentasche und hielt mir eines entgegen. Ich nahm es und faltete es auseinander.

«Hab mal den Text ausgedruckt», sagte er.

«Okay.» Ich stellte mich vor ihn. «Dann fang an!»

Anders sah auf sein Blatt und bewegte stumm seine Lippen, dann sah er zu mir hoch und sagte auswendig auf: «Unser Vater hat vorhin zur Mutter gesagt, dass wir uns nichts mehr zu Essen leisten können.»

«Klopf, klopf!» Meine Mutter trat in mein Zimmer wie auf eine Bühne. «Hat jemand was von Essen gesagt?» In der Hand hielt sie einen großen Teller. «Hab euch ein bisschen was Gesundes gesch… Scheiße!», fluchte sie, und im nächsten Moment regnete es in meinem Zimmer Obststückchen. Das sah eigentlich schön aus, wie die orangenen Mandarinenstücke zwischen lila Blaubeerkügelchen und weißen Bananenscheiben flogen. Meine Mutter war mit ihrem Obtstteller über Anders’ ausgestreckte Beine gestolpert. Es hatte so ausgesehen, als hätte er ihr extra das Bein hingehalten.

Das Obst landete auf Anders, dem Sitzsack und daneben. Ich musste lachen. Das tat mir aber sofort leid, wegen Anders, weil ich Angst hatte, dass er dachte, ich lache ihn aus.

«Entschuldige!», sagte meine Mutter. «Oje, das tut mir leid. Es war nicht deine Schuld. Was bin ich bloß für ein Tollpatsch! Ich bring’s sofort wieder in Ordnung.»

«Kein Problem», rief Anders ihr hinterher, als sie aus dem Zimmer flüchtete und ihn im Obst sitzen ließ.

«Die Leute entschuldigen sich aber ganz schön oft bei dir», sagte ich.

«Und ich sag denen die ganze Zeit, dass ich kein Problem habe.» Anders sammelte das...

Erscheint lt. Verlag 24.7.2024
Illustrationen Regina Kehn
Zusatzinfo Mit zahlreichen s/w-Illustrationen von Regina Kehn
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Alle behindert Buch • Alles Familie Buch • Buch für 9jährige • Diversität Kinderbuch • Eltern trennen sich • Familie Flickenteppich • Freundschaftsgeschichte • Geschenk 3. Klasse • Inklusion • inklusive Geschichte • Kinderbuch Behinderung erklären • Kinderbuch zum Thema Behinderung • Kinderroman ab 10 • lustiges Kinderbuch ab 9 • Patchworkfamilie Kinderbuch • Rollstuhlfahrer
ISBN-10 3-7336-0659-0 / 3733606590
ISBN-13 978-3-7336-0659-6 / 9783733606596
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