Am Ende der Treppe, hinter der Tür (eBook)

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2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0822-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Am Ende der Treppe, hinter der Tür -  Sabine Ludwig
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Wie erpresst man einen Mörder, den man nicht gesehen hat? Die 16-jährige Martha ist zufällig Ohrenzeugin des Mordes an ihrer Nachbarin geworden. Nun beschließt sie, dieses Wissen für sich zu nutzen. Denn sie braucht Geld. Damit sie endlich mit ihrer Mutter in eine eigene Wohnung ziehen kann. Und damit sie sich nicht mehr mit diesem Glatzkopf und seiner nervigen kleinen Tochter Poppy rumärgern muss. Gemeinsam mit ihrer Freundin Jill entwickelt Martha einen raffinierten Plan ... doch dann begeht sie einen entscheidenden Fehler.

Sabine Ludwig, geboren 1954 in Berlin, studierte Literaturwissenschaften und war als Rundfunkredakteurin tätig, bevor sie sich als Autorin und Übersetzerin selbstständig machte. Ihre zahlreichen Kinderbücher wurden mehrfach ausgezeichnet. Literaturpreise: 1993: Bettina-von-Arnim-Preis 2005: Hansjörg-Martin-Preis für den besten deutschsprachigen Kinder- und Jugendkrimi (?Die Nacht, in der Mr Singh verschwand?) 2010: Lesekünstlerin des Jahres (Börsenverein des Deutschen Buchhandels)

Sabine Ludwig, geboren 1954 in Berlin, studierte Literaturwissenschaften und war als Rundfunkredakteurin tätig, bevor sie sich als Autorin und Übersetzerin selbstständig machte. Ihre zahlreichen Kinderbücher wurden mehrfach ausgezeichnet. Literaturpreise: 1993: Bettina-von-Arnim-Preis 2005: Hansjörg-Martin-Preis für den besten deutschsprachigen Kinder- und Jugendkrimi (›Die Nacht, in der Mr Singh verschwand‹) 2010: Lesekünstlerin des Jahres (Börsenverein des Deutschen Buchhandels)

1.


Wen sollst du abholen?», fragt Jill und schnipst die Asche von ihrer Zigarette.

«Penelope», sagt Martha.

«Ist das ein Hund?»

«Schön wär’s.» Martha klappt ihr Handy zu und steckt es ein. Hätte sie es doch bloß zu Hause gelassen.

Zu Hause? Großartiger Witz. Nur dass ihr überhaupt nicht zum Lachen zumute ist.

Jill bläst Rauchkringel in die Luft. «Sag nicht, das ist die Tochter von dem Typen deiner Mutter?»

Martha nickt.

Jill lacht laut. «Wenn ich mir vorstelle, wie der auf dem Spielplatz ruft: ‹Penelope, du Sau, komm ma raus aus die olle Buddelkiste!› Zum Brüllen.»

«Der ist kein Proll», sagt Martha.

«Stimmt ja, Arzt, oder? Hat der irgendwo ’ne Praxis?»

Martha schüttelt den Kopf. «Krankenhaus.»

Jill hat das Interesse an Marthas neuen Familienverhältnissen wieder verloren. Sie zeigt auf Hanna, die gerade auf mörderisch hohen Absätzen herangestöckelt kommt. «Musst ja eine schlimme Nacht gehabt haben», sagt Jill zu ihr.

«Ich? Wie kommst du denn darauf?», fragt Hanna.

«Na, du hast doch bestimmt mit Lockenwicklern geschlafen.»

Hanna schüttelt ihre krause Mähne. «Von wegen Lockenwickler. Meine Mutter hat mir lauter kleine Zöpfe geflochten. Sieht cool aus, oder?»

«Hm», macht Jill vage und zwinkert Martha zu. Hanna hat einen Haarfimmel, sie ist nur glücklich, wenn sie jeden Tag mit einer anderen albernen Frisur auflaufen kann.

«Macht aber verdammt viel Arbeit. Ich wünsch mir zum Geburtstag ein Kreppeisen, das ist einfacher», sagt Hanna und wickelt eine Strähne um ihren Finger.

Jill geht um Hanna herum. «Hinten baumelt noch ein Zopf, den hast du vergessen. Sieht aus wie eine Zündschnur.»

«Was?», kreischt Hanna. «Kannst du den aufmachen?»

«Das mach mal schön selbst», sagt Jill und nimmt einen Zug von ihrer Zigarette.

Hanna stakst eilig davon, um sich vor Unterrichtsbeginn auf dem Klo zurechtzumachen, und Jill und Martha lachen ihr hinterher.

«Meine Mutter würde mir was erzählen, wenn ich sie bitten würde, mir tausend kleine Zöpfchen in die Haare zu flechten», sagt Martha und fährt sich durch ihre dichten dunklen Locken.

«Du hast das ja auch nicht nötig», sagt Jill.

Sie streicht ihre glatten blonden Haare hinters Ohr und hält Martha auffordernd die Zigarettenschachtel hin. «Du auch?» Aber sie schaut Martha nicht an dabei, sondern Simon, der gerade um die Ecke biegt.

Anscheinend hat er sich die ersten beiden Stunden geschenkt, wie so oft. Er sieht aus, als würde er geradewegs aus dem Bett kommen, aber Martha ist sicher, dass er sich viel Mühe gibt, um diesen Eindruck zu erwecken. Er schnappt sich die Zigarette, bevor Martha sie nehmen kann.

«’tschuldigung, hatte noch kein Frühstück.»

«Seit wann bist du Existenzialist?», fragt Jill.

«Häh?» Simon lässt sein Feuerzeug schnappen.

«Noch nie von Jean-Paul Sartre gehört? Paris? Sechziger Jahre? Schwarze Rollkragenpullover?»

«Du sprechen irr», nuschelt Simon mit der Zigarette im Mundwinkel.

Jill stößt ein verächtliches Schnauben aus. «Deren Frühstück bestand aus einem doppelten Espresso und einer Gauloise.»

«Lecker», sagt Martha. Sie hat auch noch nichts von diesem Sartre gehört, aber das würde sie nie zugeben. Jill nimmt an der Französisch-AG teil, bestimmt hatten sie den Kerl da gerade am Wickel, aber wenn man sie so hört, könnte man meinen, dass sie mindestens zehn Bücher von dem gelesen hat.

Jill wendet sich Martha zu. «Huis clos? Kennst du doch, oder?»

Martha wird einer Antwort enthoben, denn ein Motorrad donnert die Straße entlang und hält direkt vor ihnen an.

Marthas Herz klopft bis zum Hals. Der Fahrer steigt ab, bockt die Maschine auf und nimmt den Helm ab. Blonde Locken quellen hervor. Er streicht sie aus der Stirn.

Martha kann nicht anders, sie muss ihn anstarren, den Mann, der jetzt mit federnden Schritten auf sie zukommt. Es ist Alexander Miller, ihr Englischlehrer.

Er lächelt Martha an. Na ja, um ehrlich zu sein, nicht nur sie, sein Lächeln schließt auch Jill und Simon mit ein.

«Wenn ich euch sehe, weiß ich sofort, dass ich in Berlin bin und nicht in New York», sagt er.

«Weil wir so sensationell gut aussehen?», fragt Jill.

Miller grinst. «Nein, weil ihr raucht. In New York raucht kein Mensch mehr.»

«Nicht mal im Freien?»

«Ihr findet eher einen 100-Dollar-Schein auf der Straße als eine Kippe.»

«Krass», sagt Simon.

«See you!» Miller hebt grüßend die Hand und eilt über den Hof.

«Kann mir mal einer verraten, wie man eine Highschool in New York gegen diese Klitsche hier eintauschen kann?», sagt Jill und sieht Miller hinterher.

«Er hat doch erzählt, dass seine Mutter hier lebt, um die er sich kümmern muss», sagt Martha. «In seiner ersten Stunde bei uns.»

Jill zieht eine Augenbraue hoch. «Das hast du dir natürlich gemerkt, wie jedes Wort von ihm, stimmt’s?»

Martha spürt, wie ihr heiß wird. Bestimmt bekommt sie wieder die verräterischen roten Flecken am Hals. Sie zieht den Reißverschluss ihrer Jacke bis oben hoch.

«Mein Typ wär der nicht, viel zu soft», sagt Jill.

«Und was ist mit mir?» Simon nimmt die Positur eines Bodybuilders ein, was bei seinem Schlabberpulli und den ausgebeulten Jeans etwas albern aussieht.

Jill boxt ihn in den Bauch. «Um bei mir zum Zug zu kommen, reichen Muskeln nicht aus.» Sie tippt sich an die Stirn. «Sex findet im Kopf statt.»

Die Schulklingel schrillt.

 

Nach Unterrichtsende gibt es für Martha keinen Grund, sich noch länger in der Schule aufzuhalten. Miller ist längst weg. Donnerstags hat er nur die dritte und vierte Stunde bei denen aus der Siebten. Sie kennt seinen Stundeplan fast besser als ihren.

Als sie über den Hof kommt, schaut sie trotzdem, ob sein Motorrad noch da steht. Natürlich nicht. Und wieder fragt sie sich, was er wohl macht, wenn er nicht an der Schule ist. Wo und wie er lebt. Ob er vielleicht eine Freundin hat. Bei diesem Gedanken wird ihr jedes Mal ganz anders, aber sie tröstet sich damit, dass er ja erst seit wenigen Wochen in Berlin ist, wo soll er da so schnell eine Freundin gefunden haben.

Martha schaut auf die Uhr. Sie soll Penelope spätestens um halb vier abholen. Jetzt ist es Viertel vor zwei. Der Kindergarten befindet sich auf ihrem Nachhauseweg, sie könnte die Kleine auch jetzt schon einsacken, aber sie wird den Teufel tun.

«Hast du Lust, noch kurz mit mir ins Engelmann zu gehen?», fragt sie Jill.

«Nee, ich hab um drei Ballett und will vorher nach Hause.» Sie grinst Martha an. «Muss mir die Zähne putzen. Wenn Madame Olga riecht, dass ich geraucht hab, bringt sie mich um. Einmal hat sie sogar in der Garderobe an meiner Jacke geschnüffelt.» Jill ahmt gekonnt den russischen Akzent nach. «Jiiihl, wenn du willst haben Errfolck, du musst haben Dissziplin.»

«Warum machst du es dann, wenn’s so schrecklich ist?», fragt Martha.

«Wenn ich mich an der Schauspielschule bewerbe, bin ich auf jeden Fall im Vorteil, wenn ich jahrelang Ballett gemacht habe. Und man bekommt eine gute Haltung.» Jill stellt sich auf die Zehenspitzen und hebt die Arme über den Kopf. Dann dreht sie sich einmal um sich selbst. Martha muss zugeben, dass das sehr elegant aussieht, und nicht zum ersten Mal fragt sie sich, wie Jill das alles schafft: Ballett, die Französisch- und Theater-AG, im Schulchor ist sie auch noch, und am Wochenende geht sie joggen oder schwimmen, und trotzdem ist sie Einserschülerin. Jedenfalls seit sie auf dem Gymnasium ist. Martha ist mit Jill schon auf die Grundschule gegangen, und damals war es Jill, die immer von Martha abgeschrieben hat.

Das einzige Fach, in dem Martha immer noch eine Eins hat, ist Kunst. In allen anderen Fächern quält sie sich mehr oder weniger herum, am schlimmsten ist Mathe.

«Dann tschüs, meine Liebe, und viel Spaß mit Pe-ne-lo-pee!»

«Man spricht den Namen englisch aus», sagt Martha. «Ihre Mutter war Amerikanerin. Aber sie wird sowieso meistens Poppy genannt.»

«Danke für die Information», sagt Jill spöttisch und bückt sich, um ihr Rad aufzuschließen, das sie am Zaun direkt unter dem Schild Fahrräder anschließen verboten! geparkt hat.

Martha läuft langsam die Straße entlang und überlegt, ob sie allein ins Engelmann gehen sollte, aber sie hat nur noch zwei Euro. Natürlich könnte sie einen Espresso nehmen, aber erstens mag sie den bitteren Geschmack nicht, und zweitens kann sie sich daran ja wohl kaum eine Stunde lang festhalten. Sie könnte auch erst nach Hause gehen und Penelope später abholen, aber vielleicht ist die Glatze da und schläft.

Martha nennt Johannes, den Freund ihrer Mutter, nur die Glatze. Ihr ist nicht ganz klar, ob er wirklich so wenig Haare hat oder ob es nur so aussieht, weil er sie sich immer abrasiert. So genau will sie da gar nicht hingucken.

«Du scheinst es ja nicht sehr eilig zu haben», sagt eine Stimme hinter ihr. Martha dreht sich nicht um. Es ist Vincent. Der hat ihr zu ihrem Glück noch gefehlt.

Jetzt läuft er neben ihr her. «Ich lad dich ins Engelmann ein. Was darf’s denn sein? Latte macchiato? Heiße Schokolade? Kamillentee?»

Martha schüttelt dreimal hintereinander den Kopf.

«Champagner?»

Gegen ihren Willen muss sie lachen. Sie überlegt kurz. Warum soll sie sich eigentlich nicht von Vincent einladen lassen? Aber das könnte er als Ermutigung auffassen. Jeder in der Klasse weiß, dass er in sie verknallt ist. Er gibt sich...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Erpressung • Gewissensfreiheit • Lebensgefahr • Mädchen • Mord • Thrillellr für Jugendliche • Thriller
ISBN-10 3-7336-0822-4 / 3733608224
ISBN-13 978-3-7336-0822-4 / 9783733608224
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