Re-Place - Ein tödlicher Unfall. Ein verlassener Ort. Eine unmögliche Entscheidung. (eBook)
304 Seiten
Arena Verlag
978-3-401-81093-5 (ISBN)
Mirjam Mous, geboren 1963 in Made in den Niederlanden, arbeitete als Sonderschullehrerin, bevor sie hauptberuflich Schriftstellerin wurde. Sie schreibt Bücher für Kinder und Jugendliche und ist besonders bekannt für ihre mitreißenden Thriller. Ihr erster Jugendroman 'Boy 7' wurde verfilmt.
Mirjam Mous, geboren 1963 in Made in den Niederlanden, arbeitete als Sonderschullehrerin, bevor sie hauptberuflich Schriftstellerin wurde. Sie schreibt Bücher für Kinder und Jugendliche und ist besonders bekannt für ihre mitreißenden Thriller. Ihr erster Jugendroman "Boy 7" wurde verfilmt.
DONNERSTAG, 28. JULI 2022
11:00 Uhr
Die Aufregung flimmert in meiner Brust, als ich die Haustür hinter uns zuziehe.
Unsere Expedition hat begonnen. Genauer gesagt, die fünfunddreißigste. Wir sind auf dem Weg ins Jägerhaus – ein verlassenes Gebäude in einem nahe gelegenen Wald.
Vergangene Pracht in optimaler Form, das hat mein Bruder mir versprochen.
Otis kennt viele schwierige Wörter.
Mein Rucksack hängt über meiner rechten Schulter. Im Hauptfach stecken zwei Snickers, eine Flasche Wasser und ein Erste-Hilfe-Set. Wie immer habe ich auch noch zwei Paar Schnittschutzhandschuhe eingepackt. Vollkommen überflüssig, meint Otis, aber ich bin nun mal gern auf alles vorbereitet. Unsere Taschenlampen habe ich in den Seitenfächern des Rucksacks verstaut und die Reservebatterien haben zusammen mit meinem Taschenmesser einen sicheren Platz im kleinen Fach hinter dem Reißverschluss gefunden.
Otis trägt ein Stativ und eine grüne Kameratasche. Er nimmt den kürzesten Weg zu Godzilla – so nennt er seinen gebrauchten Audi, der auf der anderen Straßenseite geparkt ist. Ein Kletterseil und eine Klinke, die immer praktisch bei Türen ohne Griff ist, gehören zur Standardausrüstung im Kofferraum. Otis hat sie unter einer Decke verborgen, damit es keine Probleme gibt, sollten wir mal auf einen Wachdienst oder die Polizei treffen.
Hinter mir klopft es an der Fensterscheibe.
Ma, natürlich. Es ist vollkommen egal, ob wir eine Woche mit der Schule wegfahren oder nur kurz zur Imbissbude gehen. Sie will und wird uns zum Abschied winken.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie ihre Gesichtszüge erstarren. Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund und unmittelbar danach knallt es höllisch laut zwischen den Häusern. Ein Schrecken fährt mir durch den ganzen Körper und mein Blick fliegt zur Straße, derselben Straße, die Otis gerade überquerte, und …
Verdammt, wo ist mein Bruder abgeblieben?
Ein schwarzes Auto rast vorbei und dann wird es so still, als würde die ganze Welt den Atem anhalten – nur mein Herz schlägt lauter denn je.
Ein silbernes Objekt mit Beinen drängt sich in mein Gesichtsfeld. Eine Tasche an der Bordsteinkante. Das Bild bleibt bruchstückhaft in meinem Kopf hängen. Ich versuche die Scherben zu kitten, doch das Bild wird einfach nicht vollständig. Vielleicht will ich es ja gar nicht ganz sehen.
Was man nicht sieht, gibt es nicht.
Ein gellender Ton zerschneidet die Stille. Es dauert einen Moment, bevor mir klar wird, dass der Ton von Ma kommt und nicht von irgendeinem Alarm. Türen werden aufgerissen, Nachbarn strömen auf die Straße. Auch Ma stolpert aus dem Haus, sie gibt keinen Ton von sich. Ich will sie festhalten, doch sie schüttelt meinen Arm ab, also folge ich ihr mit einem üblen Gefühl im Magen und bete und denke: Bitte, bitte, bitte, lass Otis okay sein!
Ein Mädchen ruft, dass der Rettungswagen unterwegs sei.
»Der kommt bestimmt zu spät«, höre ich jemand anderes sagen.
Halt die Klappe!
Ich kreuze meine Finger, als könnte es die Katastrophe abwenden.
Und dann stehen wir neben meinem Bruder.
Mein Blick wandert ängstlich zu seinem Körper. Er liegt auf dem Rücken, noch keinen Meter von Godzilla entfernt. Sein Hut, ein grauer Trilby, ist ihm vom Kopf gefallen und aus seinem Mund quellen Blutbläschen. Ich möchte etwas tun, doch ich weiß nicht, was, also stehe ich nur so herum, während ich mir wünsche, es wäre umgekehrt. Dass ich dort läge und nicht mein starker, kluger Bruder, der bestimmt wüsste, wie er mir helfen könnte, denn das hat er schon hunderttausend Mal getan.
Ma kniet sich neben ihn und streicht ihm eine widerspenstige Locke aus der Stirn. Er stöhnt, als würde sie ihm wehtun, und ich bin plötzlich sicher, dass er …
Die Straße fängt an sich zu drehen und Otis und Ma drehen sich mit.
»Alles in Ordnung?«, fragt eine Frau mit einem achtlos hochgesteckten Dutt. »Vielleicht solltest du dich kurz hinsetzen.« Sie hilft mir auf die Bordsteinkante. »Der Junge dort ist dein Bruder, oder?«
Ich bekomme einen Kloß im Hals und fürchte, ich fange an zu weinen, sobald ich etwas sage, also antworte ich mit einem knappen Nicken.
»Ich bin eine Freundin von Thea«, sagt die Duttfrau. »Der vorigen Bewohnerin eures Hauses.«
Was interessiert mich das gerade? Wären wir doch bloß nie an diesen unheilvollen Ort gezogen! Dann wäre Otis jetzt auch nicht angefahren worden.
Mit geballten Fäusten sehe ich zu Ma hinüber. Der Umzug war ihre Idee gewesen. Schön ruhig und doch stadtnah, hatte sie gesagt. Und so witzig: Euer Vater ist hier aufgewachsen.
Ich finde gar nichts Witziges daran, demnächst die ganze Strecke mit dem Rad zur Schule fahren zu müssen. Otis und Ma haben leicht reden. Mit Godzilla sind sie im Nu an der Akademie St. Joost. Nach den Sommerferien wird Ma dort Malunterricht geben und Otis fängt an zu studieren, Fotografie, Film und …
Der Rettungswagen! Das Heulen der Sirene reißt mich in die Wirklichkeit zurück und ich zwinge mich von der Bordsteinkante in die Senkrechte.
Im selben Moment sehe ich das silberfarbene Stativ wieder dort liegen.
Gleich fährt noch jemand darüber!
Für einen Moment fühle ich mich nicht hilflos, sondern nützlich. Schnell gehe ich auf die Straße, nehme das Stativ und gleich auch die Kameratasche. Schau, würde ich gern zu Otis sagen, ich habe deine Sachen gerettet, doch als ich näher komme, sehe ich, dass er die Augen geschlossen hält.
Wo bleibt denn bloß dieser Rettungswagen?
Ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht biegt als Erstes in die Straße ein. Es stoppt vor der versammelten Menschenmenge und zwei Polizisten steigen aus. Einer von ihnen kümmert sich um Otis und Ma. Der andere dirigiert alle Umstehenden zum Bürgersteig und stellt Warnkegel auf, von denen er zwei rasch wieder wegnimmt, als der Rettungswagen mit ohrenbetäubendem Sirenengeheul eintrifft.
»Sie finden ihn bestimmt«, sagt die Duttfrau, als sich der Lärm gelegt hat.
Es dauert eine Weile, bevor mir klar wird, dass sie nicht Otis meint, sondern die Person, die Fahrerflucht begangen hat. In einem schwarzen Auto, das vorbeiraste. Hätte ich mir doch nur das Kennzeichen eingeprägt!
»Oder er meldet sich selbst«, fährt sie fort. »Das hört man öfter. Der Fahrer ergreift in Panik die Flucht, aber wenn er zu Hause wieder zu Sinnen kommt …«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, höre ich eine Männerstimme hinter mir.
Ich drehe mich zu ihm um. »Was meinen Sie?«
»Nun …« Er angelt sein Handy aus der Hosentasche.
Die Duttfrau legt mir eine Hand auf die Schulter, als würde sie zur Familie gehören. »Das Opfer ist sein Bruder«, sagt sie rasch.
»Oh, das tut mir leid. Alles Gute.« Der Mann gestikuliert mit seinem Handy. »Ich muss mal kurz …« Er verschwindet in Richtung der Polizisten.
Um was zu tun? Diese Frau hätte die Klappe halten sollen, anstatt sich ständig einzumischen!
Einer der Sanitäter hat unterdessen meinen Bruder untersucht. Otis bekommt eine Halskrause zur Stabilisierung und eine Infusion in den Arm. Dann wird er auf eine Trage gelegt und in den Rettungswagen geschoben. Der Sanitäter bleibt bei ihm und auch Ma steigt hinten in den Wagen. Der Fahrer schaltet die zweitönige Sirene wieder ein und weg sind sie.
Und was ist mit mir?
Die Duttfrau hat mich noch nicht vergessen. »Wahrscheinlich wird er ins Amphia-Krankenhaus gebracht«, sagt sie. »Kennst du das?«
Ich weiß nicht einmal, wo die nächstgelegene Bushaltestelle ist, und schüttele den Kopf.
»Soll ich dich schnell hinbringen?«, fragt sie.
Ich schäme mich für meine Gedanken von gerade eben. Die Duttfrau mag sich zwar ständig einmischen, aber sie ist die Einzige, die mir hilft.
»Gern«, kann ich gerade noch so herauspressen.
»Mein Auto steht dort hinten.« Sie zeigt auf eine Parkbucht. »Ein roter Fiat Panda. Geh ruhig schon mal vor, dann hole ich die Autoschlüssel und informiere die...
Erscheint lt. Verlag | 9.8.2024 |
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Übersetzer | Verena Kiefer |
Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 70er Jahre • Boy 7 • Bücher für die Schule • Bücher für Jungs • Bücher für Wenigleser • buchvorstellung • dark netflix • holly jackson • Jugendthriller • Melissa C. Hill • Mystery • Poznanski • Referat • retro look • Schwarze Hauptfigur • Science Fiction • Tagebuchroman • The Loop • Thriller • Zeitparadox • Zeitreise |
ISBN-10 | 3-401-81093-6 / 3401810936 |
ISBN-13 | 978-3-401-81093-5 / 9783401810935 |
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