Fiese Fouls (eBook)
160 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0839-2 (ISBN)
ULLI SCHUBERT wurde 1958 in Hamburg geboren. Er arbeitete als Lastwagenfahrer, Hafenarbeiter, Schaffner, Erzieher und Sportreporter. Seit 1991 ist er als freier Autor von Kinder- und Jugendbüchern erfolgreich.
ULLI SCHUBERT wurde 1958 in Hamburg geboren. Er arbeitete als Lastwagenfahrer, Hafenarbeiter, Schaffner, Erzieher und Sportreporter. Seit 1991 ist er als freier Autor von Kinder- und Jugendbüchern erfolgreich. Elisabeth Holzhausen ist Mitglied des Hamburger atelier9 und arbeitet als freischaffende Illustratorin in Wedel an der Elbe. Hier zeichnet und malt sie für ihre verschiedenen Kinderbuchprojekte und kommt ihrer Passion der Malerei nach. Ihre Inspiration bekommt sie aus ihren kurzen und langen Reisen und ihrem Garten am Elbhochufer.
Der Zug hatte Verspätung. Finn starrte alle paar Sekunden abwechselnd auf seine Uhr und aus dem Fenster. Doch von Bremen war weit und breit nichts zu sehen. Von Minute zu Minute wurde er nervöser, weil die Zeit, um von diesem Zug in den anderen umzusteigen, der ihn an die Nordsee bringen sollte, immer knapper wurde.
In den Lautsprechern knackte es.
«Sehr geehrte Fahrgäste», meldete sich die Stimme des Zugführers, «in wenigen Minuten erreichen wir Bremen Hauptbahnhof. Unser Zug hat zurzeit leider eine Verspätung von zwölf Minuten. Daher kann der Intercity 2132 nach Norddeich-Mole über Delmenhorst, Oldenburg, Bad Zwischenahn, Leer, Emden und Norden, Abfahrt 11:55 Uhr, leider nicht warten …»
Ein enttäuschtes Raunen ging durch den Wagen. Offenbar wollten alle Fahrgäste an die Nordsee reisen.
«Die nächste Möglichkeit zur Weiterfahrt nach Norddeich-Mole besteht um 12:54 Uhr mit einem Regionalexpress auf Gleis 3 …»
Aus der Enttäuschung wurde Verzweiflung und Wut, und aus dem Raunen Gejammer, höhnisches Gelächter und unverhohlene Drohungen. Zumindest waren das die Reaktionen der meisten Fahrgäste. Finn hingegen hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Draußen tauchten endlich die ersten Häuser von Bremen auf. Wenn der andere Zug auch ein paar Minuten Verspätung hatte, könnte er ihn vielleicht noch erreichen. Er wollte es zumindest versuchen, schließlich wurde er in Norden von einem Mitarbeiter des Fußballinternats erwartet.
Finn warf sich den Rucksack über die Schulter, nahm seine Sporttasche und stellte sich an den Ausgang. Doch während der Sekundenzeiger um das Zifferblatt zu rasen schien, wurde der Zug immer langsamer. Finn kam es jedenfalls wie eine halbe Ewigkeit vor, bis der Zug endlich den Hauptbahnhof erreichte und anhielt. Er stieß die Tür auf, sprang aus dem Zug und rannte los.
Ein Junge aus dem Nachbarwagen hatte offenbar dieselbe Idee wie Finn. Im Eiltempo rasten beide über den Bahnsteig. Der andere Junge erreichte als Erster die Treppe und flog beinahe die Stufen hinunter. Doch Finn ließ sich nicht abschütteln und blieb ihm dicht auf den Fersen. In der Unterführung wimmelte es nur so vor Menschen, aber Finn und der andere Junge dachten gar nicht daran, ihr Tempo zu drosseln. In einem wilden Zickzackkurs umkurvten sie die Leute und hasteten schließlich nebeneinander die Stufen zu Gleis 3 hinauf. Gleichzeitig kamen sie oben an – und hatten doch beide verloren! Der Bahnsteig war menschenleer, und von einem Zug war weit und breit nichts mehr zu sehen.
«Verdammt», keuchte der Junge und ließ sich heftig schnaufend auf einer Bank nieder.
«Mach mal Platz», sagte Finn ebenso atemlos und setzte sich neben ihn.
Es dauerte mindestens eine Minute, bevor die nächsten Reisenden aus dem anderen Zug auf dem Bahnsteig erschienen.
«Wir waren ganz schön schnell», meinte Finn, nicht ohne Stolz.
«Und?», sagte der andere Junge. «Hat’s uns was genützt?»
«Nein, aber auch nicht geschadet», wollte Finn antworten, doch er wurde von einer Frau unterbrochen, die plötzlich auf dem Bahnsteig erschien, mit einem Jungen im Schlepptau, der ungefähr so alt war wie Finn. Doch die Frau beachtete ihn nicht. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und baute sich vor der Bank auf.
«Britney Müller!», schimpfte sie los.
Finn zuckte zusammen. Allerdings nicht wegen der Lautstärke der Frau.
«Britney?» Überrascht, beinahe erschrocken fuhr er herum.
«Brit», sagte das Mädchen neben ihm und streckte ihm die Hand entgegen.
Finn konnte es nicht fassen! Die kurzen Stoppelhaare, das freche Grinsen, die dreckigen Fingernägel, die Klamotten, und dazu diese tiefe, rostige Stimme, die er noch im Ohr hatte …
«Keine Sorge», sagte das Mädchen. «Zuerst halten mich immer alle für einen Jungen. Und das ist auch ganz gut so.»
«Aha», machte Finn und dachte darüber nach, ob es irgendetwas gab, was ihn dazu bringen könnte, sich als Mädchen zu verkleiden. Doch schon wieder wurde er von Brits Mutter unterbrochen.
«Britney Müller», begann sie noch einmal. «Wer hat dir erlaubt, hier wie eine Wilde herumzutoben?!»
«Dafür brauche ich keine Erlaubnis», antwortete Brit selbstsicher. «Dies ist ein freies Land, und ich kenne kein Gesetz, das Toben verbietet!»
Finns Mundwinkel zuckten, doch er verkniff es sich, laut loszuprusten. Stattdessen beobachtete er gespannt Brits Mutter. Die blieb jedoch ganz ruhig.
«Und was hättest du getan, wenn der Zug noch dagestanden hätte? Ihn festgehalten?»
«Klar», sagte Brit. «Zu zweit hätten wir das locker geschafft, was?»
Sie strahlte Finn an und knuffte ihn gegen die Schulter.
«Locker», bestätigte Finn und hätte beinahe zurückgeknufft. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass Brit ein Mädchen war.
«Mädel, Mädel», seufzte die Mutter. «Du kannst dir ruhig mal ein Beispiel an deinem Bruder nehmen. Der macht nie solchen Blödsinn!»
Schade eigentlich, dachte Finn und überlegte, wer von den beiden wohl älter war. Er konnte keine großen Unterschiede zwischen ihnen entdecken.
«Josh», sagte das Mädchen, das offenbar Gedanken lesen konnte. «Aber nur ein paar Minuten.»
«Dein Bruder heißt Joshua», verbesserte die Mutter und sah Finn an. «Die beiden sind Zwillinge. Zweieiige, natürlich, und das merkt man auch. Ich habe noch nie zwei so unterschiedliche Kinder gesehen. Leider.»
Oje, ausgerechnet Zwillinge, dachte Finn, und auch Brits Mutter seufzte, als sie ihr Handy aus der Handtasche nahm und eine Nummer wählte.
«Hier spricht Müller, die Mutter von Joshua und Britney», meldete sie sich kurze Zeit später. «Herr Brenneisen, wir haben ein Problem. Unser Zug hatte Verspätung, und deshalb …»
Brenneisen? So hieß doch auch der Typ, der Finn vom Bahnhof in Norden abholen sollte!
«Willst du etwa auch zum Fußballinternat Norderdünersiel?», fragte er Joshua, doch der schien stumm zu sein. Oder er hatte keine Lust zu reden. Jedenfalls nickte er nur kurz. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester.
«Du auch? He, das ist ja super!», rief sie begeistert und zog ihre Mutter, die immer noch telefonierte, am Arm. «Du, Mama, stell dir vor …» – sie stutzte und warf einen Blick zur Seite – «äh, wie heißt du überhaupt?»
«Finn.»
«Moment mal», sagte Brits Mutter in das Telefon und sah Finn fragend an. «Und mit Nachnamen?»
«Dingi», sagte Brit und kicherte.
«Hahaha, sehr komisch», meinte Finn. Der Witz war uralt. Seit jemand in der Schule herausgefunden hatte, dass es eine Segelbootsklasse mit der Bezeichnung Finn-Dingi gab, hatte er den Spruch mindestens schon eine Million Mal gehört.
«Nun?», fragte Brits Mutter.
Für einen Augenblick dachte Finn daran, sich einen berühmten Fußballernamen zu geben. Netzer, Beckenbauer, Matthäus oder sogar Lahm. Doch Philipp Lahm, sein Lieblingsspieler und großes Vorbild, war eindeutig zu jung, um sein Vater sein zu können. Außerdem hätte Finn früher daran denken müssen, bevor er sich mit seinem richtigen Namen im Fußballinternat angemeldet hatte.
«Hartmann», sagte er deshalb zu Brits Mutter, die den Namen sofort weitergab. «Ein Finn Hartmann ist auch noch hier, wir bringen ihn mit und kommen dann zusammen eine Stunde später an. Werden wir am Bahnhof abgeholt?»
Offenbar war die Antwort positiv, denn Brits Mutter bedankte sich bei Herrn Brenneisen und legte ihr Handy zurück in die Handtasche. Erst dann bemerkte sie Finns Blick.
«Was?», fragte sie.
«Ich kann allein mit der Bahn fahren», erklärte Finn, obwohl er insgeheim ganz froh war, dass die Abholung vom Nordener Bahnhof geklärt war.
«Mensch, Mama, das kann er ja wohl allein», sagte Brit fast zeitgleich, nur mit einer etwas genervter klingenden Stimme.
Sie sah Finn an – und wie auf Kommando begannen beide zu grinsen. Obwohl sie sich erst wenige Minuten zuvor das erste Mal begegnet waren, hatten beide das Gefühl, sich schon sehr gut zu kennen.
«Bist du wirklich allein unterwegs?» Brits Mutter reckte ihren Hals, als ob sie nach jemandem Ausschau hielt.
«Kennen Sie meine Eltern?», fragte Finn erstaunt.
«Nein, natürlich nicht! Ich dachte nur, dass ich vielleicht jemanden sehen würde, der so aussieht, als ob er auf der Suche nach dir wäre …»
«Ach so», sagte Finn todernst, und Brit amüsierte sich köstlich. Sogar in Joshs Gesicht war der Anflug eines leisen Lächelns zu erkennen. Ansonsten stand er immer noch einen Schritt hinter seiner Mutter und muckste sich nicht.
«Ich weiß, ich bin eine Glucke», gab Brits Mutter zu. «Aber es ist nun mal eine schreckliche Vorstellung, meine Kinder mutterseelenallein quer durch Deutschland reisen zu lassen. – Wieso begleitet dich niemand?»
Ja, warum nicht? Finn schluckte. Dann kaute er auf der Unterlippe, starrte auf die Gleise und wanderte in Gedanken einige Wochen zurück, bis in den Mai.
Die Antwort des Fußballinternats auf seine E-Mail war damals überraschend schnell gekommen. Nachdem er den Brief gelesen hatte, wusste er auch, wieso. Aus irgendeinem Grund hatte Finn geglaubt, dass das Fußball-Sommercamp kostenlos wäre. Vielleicht, weil während der zwei Wochen die Talente entdeckt werden sollten, die später im Internat aufgenommen wurden. Doch die Fußball-Ferien kosteten Geld. Nicht sehr viel, aber mehr, als er auf seinem Sparbuch hatte. Für Finn war in dem Augenblick ein Traum geplatzt. Er hatte es sich so schön vorgestellt, einfach die Sachen zu packen und abzuhauen. Zwei Wochen ohne Streit, ohne...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2024 |
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Reihe/Serie | Die Fußballschule am Meer |
Illustrationen | Elisabeth Holzhausen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Die Fußballschule am Meer • Feriencamp • Fußball • Internat • Sommerferien • Sportinternat |
ISBN-10 | 3-7336-0839-9 / 3733608399 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0839-2 / 9783733608392 |
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