Vespertine - Das Geheimnis der dunklen Priesterin (eBook)

Atmosphärisch, magisch, fesselnd - die neue Dark Fantasy der Bestsellerautorin
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
480 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-31540-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vespertine - Das Geheimnis der dunklen Priesterin -  Margaret Rogerson
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Die Geister der Toten von Loraille ruhen nicht
Artemisias einziges Ziel im Leben ist es, eine Graue Schwester zu werden. Diese Nonnen sorgen dafür, dass die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits übergehen können. Als ihr Konvent von einer Armee besessener Soldaten angegriffen wird, erweckt Artemisia aus Versehen den uralten und bösartigen Geist eines Wiedergängers, was sie fast umbringt. Zugleich hat der Tod in Loraille Einzug gehalten und nur eine Vespertine hat eine Chance, ihn aufzuhalten. Das Wissen über die Vespertinen ist jedoch über die Jahrhunderte verloren gegangen. Und so bleibt Artemisia nichts anderes übrig, als sich an den letzten verbliebenen Experten zu wenden: den Wiedergänger selbst. Während Artemisia ein düsteres Rätsel aus Heiligen, Geheimnissen und dunkler Magie lüftet, entdeckt sie, dass sie im Kampf gegen das verborgene Böse vielleicht alles verraten muss, woran sie je geglaubt hat - wenn der Wiedergänger sie nicht zuerst verrät ...

Der neue Dark-Fantasy-Roman von New-York-Times-Bestsellerautorin Margaret Rogerson über ein Mädchen mit mythischen Fähigkeiten, das ihre Welt vor den ruhelosen Geistern der Toten bewahren muss.

Wenn Margaret Rogerson nicht gerade schreibt, trifft man sie beim Malen, Lesen, Gaming, Puddingkochen oder auf der Suche nach Kröten und Pilzen im Wald an. Zu ihren Hobbys zählen außerdem das Sammeln seltsamer Schals und der Konsum von mehr Dokumentarfilmen als sozial akzeptabel wäre (das behaupten zumindest einige). Derzeit lebt sie im Norden von Cincinnati, Ohio.

1


Den silbrigen Schimmer des Weihrauchfasses am Fuße eines Grabsteins bemerkte ich nur, weil ich auf den Friedhof gegangen war, um allein zu sein. Zur Verteidigung gegen die Toten trugen alle Novizinnen und Schwestern ein Thuribulum an einer Kette. Dieses hier gehörte Sophia, einer der jüngsten Novizinnen, die erst im letzten Winter ins Kloster gekommen war; ich erkannte es an seiner Form und weil es schwarz angelaufen war. Als ich mich danach bückte, war das Metall noch warm. Um wirklich sicher zu sein, musste ich mein Handgelenk dagegendrücken, meine vernarbten Hände konnten Temperaturen nur schwer einschätzen.

Sophia hatte das Weihrauchfass bestimmt nicht verloren, weil sie auf Bäume geklettert oder zwischen den Grabsteinen gespielt hatte. Sie musste Angst gehabt haben, sonst hätte sie keinen Weihrauch verbrannt; selbst Kinder wussten, dass er zu kostbar war, um ihn zu vergeuden.

Ich richtete mich auf und blickte zur Kapelle. Ein bitterkalter Wind peitschte mir Haarsträhnen ins Gesicht, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten. Weil meine Augen tränten, brauchte ich einen Moment, bis ich die Raben bemerkte, die sich unter dem Dachvorsprung gegen den moosbedeckten grauen Stein kauerten. Bis auf einen waren alle schwarz. Er saß abseits und putzte nervös sein schneeweißes Gefieder, das der Wind immer wieder in die falsche Richtung blies.

»Stunk«, rief ich. Ich tastete in meiner Manteltasche nach einer Brotkruste. Kaum hielt ich sie in der Hand, stürzte sich der weiße Rabe in einem Windstoß vom Dach und landete auf meinem Arm, seine Krallen bohrten sich durch meinen Ärmel. Er riss das Brot in Stücke, dann beäugte er mich, ob ich vielleicht noch mehr hatte.

Er hätte nicht allein sein sollen. Er hatte kahle Stellen, wo ihm andere Vögel brutal Federn ausgerissen hatten. Als er das erste Mal ins Kloster gekommen war, hatten sie ihn als blutigen Haufen im Kreuzgang zurückgelassen. Selbst nachdem ich ihn in meine Zelle im Dormitorium gebracht und ihm alle paar Stunden den Schnabel geöffnet und ihm Wasser und Brot gegeben hatte, war er beinahe gestorben. Als ältere Novizin mit schon zu vielen Aufgaben hatte ich ihn nach seiner Genesung Sophia übergeben, damit sie sich um ihn kümmerte. Und nun folgte ihr Stunk überallhin, vor allem in die Häuser, wo sie die Schwestern zu ärgern pflegte, indem sie ihn in ihrem Habit versteckte.

»Ich bin auf der Suche nach Sophia«, erklärte ich ihm. »Ich glaube, sie ist in Gefahr.«

Er plusterte sein Halsgefieder und schnalzte und brummte vor sich hin, als denke er nach. Dann antwortete er mit der Stimme eines kleinen Mädchens: »Braver Vogel. Hübscher Vogel. Krümel!«

»Stimmt. Kannst du mich zu Sophia bringen?«

Er musterte mich mit einem hellen wachen Auge. Raben waren kluge Tiere und der Grauen Herrin heilig, und dank Sophia beherrschte er die Sprache der Menschen besser als die meisten anderen. Zumindest schien er sie zu verstehen. Er breitete die Flügel aus und flatterte zu dem Erd- und Steinhaufen, der die Rückwand der Kirche stützte, hüpfte über eine Platte und spähte in das dunkle Loch darunter.

Der Sturm der letzten Nacht musste das Fundament der Kapelle unterhöhlt und einen alten Zugang zur Gruft freigelegt haben.

Er blickte zu mir zurück. »Tote«, krächzte er.

Mir gefror das Blut in den Adern. Dieses Wort hatte er nicht von Sophia gelernt.

»Tote«, beharrte Stunk und plusterte das Gefieder. Die anderen Raben wurden unruhig, schlugen aber keinen Alarm.

Er musste sich irren. Jeder Stein der Klostermauern war durch einen Segen verstärkt. Unser überdachtes Friedhofstor hatten die heiligen Schwestern in Chantclere geschmiedet. Und trotzdem …

Unter herunterhängenden Wurzeln gähnte ein Gang. Ohne nachzudenken, war ich darauf zugegangen, dabei wusste ich eigentlich, was zu tun war – ich hätte zurückrennen und Mutter Katherine warnen sollen. Doch Sophia war zu jung, um einen Dolch mit sich zu führen, außerdem hatte sie ihr Weihrauchfass verloren.

Ich hakte mein Weihrauchfass von der Chatelaine. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang ich meine ungeschickten Finger, den winzigen Deckel anzuheben, und hantierte mit Feuerstein und Weihrauch. Die Narben auf meiner linken Hand waren die schlimmsten, das glänzende rote Gewebe auf meiner Handfläche hatte sich über die Zeit zusammengezogen und meine Finger dauerhaft zu Klauen gekrümmt. Ich konnte sie zu einer lockeren Faust schließen, aber nicht spreizen. Beim Herumhantieren musste ich an Schwester Lucinde denken, die einen Ring mit einem alten gesprungenen Rubin trug. Der Ring enthielt die Reliquie einer Heiligen, deren Macht es der Schwester ermöglichte, Kerzen durch eine bloße Handbewegung anzuzünden.

Endlich sprang der Funke über. Ich blies in den Weihrauch, bis Glut aufflammte. Danach stieg ich in Rauch gehüllt in die Dunkelheit hinunter.

Schwärze verschluckte mich. Der Geruch nasser Erde ringsum war so erstickend, als würde mir ein nasser Lappen auf die Nase gepresst. Das durch die Öffnung hereinfallende dünne wässrige Licht verblasste beinahe auf der Stelle, doch wie alle Mädchen, die von den Grauen Schwestern aufgenommen wurden, besaß ich den Allblick.

Lichtfäden wirbelten wie Spinnweben um mich herum, ihre gespenstischen Formen klärten sich zu einem verzerrten Gesicht, einer ausgestreckten Hand. Schattengeister. Sie versammelten sich an Orten wie diesem, Gräber und Ruinen zogen sie an. Sie gehörten zu den Geistern erster Ordnung und waren zerbrechlich und beinahe gestaltlos. Ihre Finger zwickten meine Haut, als suchten sie nach einem losen Faden, den sie aufziehen konnten, doch sie stellten keine wirkliche Gefahr dar. Als ich vorbeieilte, vermischte sich der Rauch meines Gefäßes mit ihren durchscheinenden Gestalten und sie lösten sich seufzend im Weihrauch auf.

Schattengeister waren so alltäglich, dass Stunk sie normalerweise nicht weiter beachtet hätte. Nur etwas Gefährlicheres, ein Geist zweiter Ordnung oder höher, hätte seine Aufmerksamkeit erregt.

»Sophia?«, rief ich.

Als Antwort kam nur das Echo meiner eigenen Stimme.

Das wabernde gespenstische Licht ließ Nischen mit vergilbten Knochen und modrigen Tuchfetzen sichtbar werden. Nonnen wurden traditionell in den Tunneln um die Gruft beigesetzt, doch das Alter dieser sterblichen Überreste überraschte mich. Sie schienen jahrhundertealt zu sein, porös und von Spinnweben überzogen – aus der Zeit vor dem Großen Leid, als sich die Toten das erste Mal erhoben, um die Lebenden zu quälen. Wenn dieser Teil der Tunnel irgendwann in der Vergangenheit des Klosters abgesperrt worden war, konnte es gut sein, dass sich ein Geist aus den Knochenbergen erhoben und jahrelang in diesen Katakomben herumgespukt hatte, ohne dass es jemand mitbekommen hatte.

Ein Laut zitterte durch die tiefe unterirdische Stille des Gangs, fast zu leise, um sagen zu können, was es war. Das Schluchzen eines Kindes.

Ich rannte los.

Die Schattengeister peitschten durch mich hindurch, jede Berührung war ein plötzlicher Kälteschock. Mein Weihrauchfass schwang klirrend gegen mein Habit. Nachdem ich seine Kette fest um meine Hand gewickelt hatte, hielt ich es schützend vors Gesicht, so wie es mir Schwester Iris, die Kampfmeisterin des Klosters, beigebracht hatte.

In einer Tunnelbiegung vor mir war Licht zu sehen. Als ich um die Ecke bog, verwandelte sich mein Magen in Stein. Sophia hatte sich in einer Nische versteckt, ihr Gesicht war zwischen den Knien vergraben. Vor ihr schwebte eine schaurige Gestalt mit einem kahlen Schädel auf der gekrümmten knorrigen Wirbelsäule und spähte zu ihr hinein. Um den verwesten Körper flatterte schwerelos ein gespenstisch silbrig leuchtendes Leichentuch.

Einen Augenblick stand ich starr da. Die letzten sieben Jahre waren bedeutungslos und ich war wieder ein Kind. Ich roch heiße Asche und brennendes Fleisch, in meinen Händen pochten Phantomschmerzen.

So war es gewesen, bevor mich die Grauen Schwestern gefunden und gerettet – und mir beigebracht hatten, dass ich mich wehren konnte.

Ich zog meinen Dolch aus der Scheide. Der Geist schnellte herum, das Reiben des Stahls am Leder hatte ihn aufgeschreckt. Er hatte das eingefallene Gesicht einer ausgezehrten Leiche, die Lippen konnten das überdimensionale, die Hälfte des Schädels einnehmende Gebiss nicht bedecken, das zu einer Grimasse gefletscht war. Darüber waren keine Augen, nur leere Höhlen.

Sophia hob den Kopf. Durch den Schmutz auf ihren Wangen schimmerten Tränen. »Artemisia«, schrie sie.

Die Gestalt des Geistes löste sich auf und verschwand. Instinkt rettete mir das Leben. Ich drehte mich herum und schwang das Weihrauchfass. Als der Geist erneut vor meinem Gesicht auftauchte, hielt ihn der Weihrauch zurück. Ein Stöhnen entfuhr seinem Kiefer. Wieder verlosch er flackernd.

Bevor er erneut Gestalt annehmen konnte, warf ich mich vor Sophias Nische und schwang geübt mein Weihrauchgefäß. Nur die mächtigsten Geister konnten eine Barriere aus Weihrauchschwaden durchdringen. Um zu Sophia zu gelangen, musste er zuerst gegen mich kämpfen.

Nun wusste ich, was er war. Ein gewöhnlicher Geist zweiter Ordnung, ein Knochiger, die entstellte Seele von jemandem, der verhungert war. Die Knochigen waren zwar für ihre Schnelligkeit bekannt, doch sie waren schwach. Ein einziger wohlgezielter Schlag konnte sie vernichten.

Ich erhob meinen Dolch. Die Grauen Schwestern schwangen Misericordien: lange, dünne Klingen, gemacht für einen Hieb wie diesen. »Sophia, bist du verletzt?«

Sie schniefte laut, doch dann antwortete sie: »Ich glaube...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2024
Übersetzer Claudia Max
Sprache deutsch
Original-Titel Vespertine
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2024 • ab 14 • All Age • Bartimäus • Cassandra Clare • Dämonen • der dunkelste aller zauber • Der Name der Rose • die geheimnisse von thorn manor • eBooks • Fantasy • Geister • Holly Black • Jeanne d'Arc • Jonathan Stroud • Jugendbuch • Jugendbücher • Leigh Bardugo • Neuerscheinung • Rabenprinz • Selbstwert • Shadow and Bone • Six of Crows • spooky YA • starke Heldin • vespertine deutsch • warrior nun • wicked saints • witchy ya • Young Adult
ISBN-10 3-641-31540-9 / 3641315409
ISBN-13 978-3-641-31540-5 / 9783641315405
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