Smaragour - Die Dracheninsel (eBook)
256 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0596-4 (ISBN)
Anja Habschick ist Architektin und lebt mit Familie und Hund in Witten. Sie liebt Kinderbücher und hat sich in den Kopf gesetzt, selbst eins zu schreiben. Lucy Longfinger - einfach unfassbar! ist ihr erstes Buch. Und wenn Lucy ihr nicht das Laptop klaut, werden es noch mehr.
Anja Habschick ist Architektin und Kinderbuchautorin. Ihr Debut Lucy Longfinger – Einfach unfassbar! wurde 2022 mit dem Goldenen Bücherpiraten ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet und reist gerne an abgelegene Orte voller Magie. Wenn sie dort jemals auf einen Drachen stößt, will sie alles hinschmeißen und Drachenreiterin werden.
Kapitel 1 Eldurskóla
Jamie blinzelte gegen das helle Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster schien. Er saß neben seinen Eltern auf einer der langen Bänke in der großen Halle und rutschte hin und her. Seine rechte Hand war eiskalt, so fest umklammerte er die Drachenkralle seiner Großmutter. Für eine Drachenkralle war sie klein, sie passte gut in seine Hosentasche. Jamie fand sie wunderschön, sie war glatt und grün glänzend, und sie stammte von hier, von Smaragour, dieser Insel irgendwo im wilden Nordmeer zwischen Island und Norwegen.
Seit Jamie an seinem zehnten Geburtstag erfahren hatte, dass er aus einer der ältesten Drachenreiterfamilien stammte und seine Oma eine Drachenreiterin gewesen war, hatte er sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet. Und jetzt war es endlich so weit! Er würde echte Drachen sehen – und nicht nur sehen! Er würde auf ihnen reiten! Wenn das seine Oma sehen könnte. Sie war gestorben, als Jamie noch klein war, und Jamie hatte sich hunderte Male das Foto von ihr auf dem roten Drachen angesehen, das seine Eltern ihm zusammen mit der Drachenkralle an diesem Geburtstag geschenkt hatten. Sein Bauch fühlte sich etwas flattrig an, wie in der alten Schule, wenn er ein Referat halten sollte. Seine Mutter sah sich immer wieder ehrfürchtig nach allen Seiten um, und Jamie sah das Glänzen in ihren Augen, die hinter den dicken Brillengläsern so groß wirkten. Jamie wusste, wie stolz sie auf ihn war, und das fühlte sich gut an – aber er hatte auch etwas Angst. Was, wenn er zu wenig Talent hatte und die Prüfungen nicht schaffte? Seine Mutter war damals zu kurzsichtig gewesen, um als Drachenreiterin ausgebildet zu werden. Deshalb hoffte sie so sehr, dass er die Drachenreitertradition fortführen würde.
Wie sie hergekommen waren, wusste Jamie nicht mehr. Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war das winzige Wasserflugzeug auf dem Flughafen in Glasgow, in das er erst nicht einsteigen wollte, so rostig hatte es ausgesehen. Und an die giftgrüne Reisetablette, die sie alle schlucken sollten.
Als Jamie die Augen wieder aufgeschlagen hatte, hatten sie und drei andere Familien im weichen Gras am Fuße des Hügels gelegen, auf dem ein weißes Schloss mit vier Türmen in der Sonne glänzte. Das Hauptgebäude hatte viele hohe Fenster mit spitzen Bögen, und einer der Türme war aus Glas und endete oben spitz wie eine Drachenzacke.
Nur das unterste Geschoss hatte mit seinen dunklen Steinen und den riesigen geschwärzten Toren düster ausgesehen.
Hinter der imposanten Schule erhob sich ein nebelverhangenes Gebirge mit weißen Gipfeln. Jamie hatte dem wilden Fluss zugesehen, der in das gewaltige untere Geschoss hineinbrauste und auf der anderen Seite wieder hinaus. Seine Eltern hatten ihn weitergezogen, da bereits viele Familien durch das große Tor der Schule gingen.
Jetzt warteten sie in der kathedralartigen Halle darauf, dass die Direktorin Finna Skínandi die Namen der neuen Schüler vorlas. Ob hier alle so komisch hießen? Jamie rutschte hin und her. Er fühlte sich nicht wohl in seinem unbequemen Anzug. Aber den würde er gleich gegen coole Drachenreiterkleidung tauschen! In seinem Bauch piekte es, wenn er daran dachte, dass seine Eltern nachher ohne ihn nach Hause fahren würden. Seine Mutter spürte wohl seinen Blick, denn sie griff nach Jamies Hand und drückte sie. »Ich bin so stolz auf dich! Endlich wieder ein Drachenreiter in der Familie!«, flüsterte sie.
Jamie schaute sich um und zog seine Hand weg. Er wollte nicht wie ein Mamakind wirken. Ob die anderen Schüler nett waren? Hoffentlich! Er wünschte sich so sehr einen guten Freund.
»Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern!«, begann die Direktorin. »Die Eldurskóla ist eine außergewöhnliche Schule. Jedes Jahr bringt sie brillante Drachenreiter hervor. Die besten unter ihnen werden später für die Regierung arbeiten und wichtige Flüge zu befreundeten Völkern unternehmen. Smaragour ist ein Knotenpunkt der magischen Welten. Unsere Reise- und Transportdrachen verbinden diese Orte miteinander. Deshalb ist die Eldurskóla Treffpunkt vieler Reisender und ein wichtiger Handelsplatz, und unsere Ausbildung umfassend und sorgfältig. Ich werde nun die neuen Schülerinnen und Schüler der Eldurskóla aufrufen.« Die Direktorin war groß und schlank, hatte lange silberweiße Haare und trug einen weißen Hosenanzug. Sie schaute auf eine Liste mit Namen, die sie in den Händen hielt. Jamies Herz klopfte schneller und lauter.
»Von Bockbart, Scorpo!«
Ein großer schlanker Junge mit einem Lächeln, das irgendwie unecht wirkte, schritt nach vorne. Er trug die braunen Haare zum Zopf und hatte einen funkelnden Brillanten im Ohr.
»Biesenfeld, Juit.«
Jamies Mutter stieß ihn an. »Du musst mir versprechen, vorsichtig zu sein. Nicht dass du schon übers Gebirge fliegst, wenn die anderen noch aufsteigen üben, okay?« Jamie nickte. Schon immer hatten seine Eltern ihn ermahnt, erst nachzudenken, bevor er etwas tat. Und er hatte immer versucht, sich daran zu halten.
Die Direktorin las Name für Name vor, und nacheinander standen Jungen und Mädchen in Jamies Alter auf, alle schick gekleidet. Einige gingen lässig und stolz nach vorne, andere schauten schüchtern auf den Boden oder zupften an ihrer Kleidung herum. Jamie nahm sich vor, sich groß zu machen und selbstbewusst auszusehen.
»Filberon, Texania.«
Filberon? Sie war schon bei F?
»Strike!«, schrie ein Mädchen hinter ihnen und schoss im nächsten Moment auf einem Skateboard an ihrer Bank vorbei, wobei es Jamie an der Schulter anrempelte.
»Aua!«, murmelte Jamie. Das Mädchen war etwas kleiner als er und hatte einen braunen Lockenkopf. »Sorry«, rief sie ihm über die Schulter zu. Die Direktorin sagte freundlich: »Skateboards sind verboten in der grünen Halle.«
Das Mädchen grinste, schob ihr Board unter eine Bank und flitzte zu den anderen.
»Sie haben mich vergessen!«, flüsterte Jamie seinem Vater zu.
»Bestimmt kommst du noch dran«, antwortete sein Vater, aber er schaute nervös zu Jamies Mutter, die irritiert die Stirn runzelte.
»Herzlich willkommen«, sagte die Direktorin nach rund dreißig weiteren Namen. »Die neuen Schülerinnen und Schüler folgen bitte Señora Díaz und Mrs. Hazel, die ihnen ihre Zimmer in den weißen Türmen zeigen werden.« Sie wandte sich an einen älteren Mann im weißen Frack, der steif neben den Lehrerinnen stand. »Alvar, würden Sie bitte veranlassen, dass sämtliches Gepäck unserer neuen Schüler hochgebracht wird?«
»Sehr wohl, Direktorin.«
Die Schar setzte sich in Bewegung, angeführt von den beiden Lehrerinnen. Das Schlusslicht bildete das Mädchen mit dem Lockenkopf, mit ihrem Skateboard unter dem Arm. Jamie stieß seine Mutter an. »Was sollen wir machen?« Seine Mutter zögerte. Aber … gleich war es zu spät! Jamie stand auf. »Entschuldigung? Sie … äh, Sie müssen mich vergessen haben.«
Die Direktorin schaute Jamie an. »Nein, bestimmt nicht.« Sie klang ruhig, aber vollkommen sicher. Jamie spürte, wie seine Wangen glühten. Es saßen noch andere Schüler in seinem Alter auf den Bänken – alle schauten ihn an.
»Wie ist denn dein Name?«, fragte die Direktorin.
»Ähm, … Jamie Dellander.« Die Direktorin nickte. Jamies Herz klopfte wie wild. Der Name Dellander war ihr bestimmt bekannt. Endlich senkte die Direktorin den Kopf und ging ihre Liste durch. »Ich habe hier keinen Jamie Dellander. Du musst dich noch etwas gedulden. Setz dich bitte.«
»Nein, ich …«, begann Jamie, aber sein Vater hielt ihn zurück. »Lass uns erst mal abwarten.«
Abwarten? Jamie schaute hilfesuchend zu seiner Mutter, die plötzlich dasaß wie versteinert. Langsam ließ er sich zurück auf die Bank sinken.
»Liebe verbliebene Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern! Wir haben nicht nur die besten Drachenreiter hier, sondern auch die besten Übersetzer und Decodierer. Sie beherrschen fast alle magischen und nichtmagischen Sprachen. Tatkräftige junge Helferinnen und Helfer sorgen in unseren gut ausgestatteten Drachendocks unter dem Schulgebäude dafür, dass der Schulbetrieb läuft, das Essen zubereitet wird, der Handel floriert, die Reisewege funktionieren, Nachrichten entschlüsselt und unsere Reisetiere versorgt werden. Ich bitte um einen riesigen Applaus für unsere neuen Docker!«
Docker? Jamie sah entsetzt zu seinem Vater, dann zu seiner Mutter. Beide starrten geradeaus. Irritiert sah Jamie sich um. Fast alle übrigen Mädchen und Jungen, die noch in den Bänken saßen, standen auf. »Boah, ich hab gar keine Lust, Drachenscheiße in den dunklen Docks wegzumachen!«, murrte einer der Jungs.
»Also ich find Drachenpflege super«, erwiderte ein Mädchen.
Jamie schwirrte der Kopf. Dunkle Docks? In Schiffswerften gab es Docks, da wurden Schiffe repariert und gewartet. Dann dienten die Docks hier zur Wartung, also zur Pflege der Drachen? Und die Docker waren diejenigen, die im düsteren Untergeschoss arbeiten mussten …
Jamie blieb sitzen. Er war kein Docker.
»Kommt nach vorne, Docker! Ihr erhaltet solide Ausbildungen im Nachrichtendienst, der Drachenpflege, dem Gleisbau, dem Transportwesen, der Bäckerei und der Küchenarbeit.«
Jamie schluckte. Er wollte doch Drachenreiter werden! Der erschrockene Blick seiner Mutter tat ihm weh. Er wollte nicht, dass sie enttäuscht von ihm war! Sie hatte sich so gefreut, dass er ein Drachenreiter werden würde.
»Kommt!« Jamie stand auf. »Wir gehen. Bestimmt nimmt mich eine andere Drachenreiterschule.«
»Nein.« Seine Mutter schüttelte den Kopf,...
Erscheint lt. Verlag | 25.9.2024 |
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Reihe/Serie | Die Drachenreiter-Serie |
Zusatzinfo | 7 s/w-Abbildugen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuergeschichten • Bücher für Jungs ab 10 • Bücher für Mädchen ab 10 • bücher über drachen • Bücher über magische Wesen • Drachenkunde • Drachenmeister Reihe • Drachenreiter • Drachenschule • Drachenzähmen leicht gemacht • Dragons • Eragon • Fantasy-Abenteuer • Fantasy Bücher • Geschichten über Drachen Einhörner Fabelwesen • Geschichten über Freundschaft • helden buch • Heldengeschichten • Kinderbuch ab 10 Jahre • kinderromane • murtagh • Ohnezahn • Smaug • Smaugh • spannendes Abenteuer • Underdog Helden |
ISBN-10 | 3-7336-0596-9 / 3733605969 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0596-4 / 9783733605964 |
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