Mein Freund Otto, das Blaue Wunder und ich -  Silke Lambeck

Mein Freund Otto, das Blaue Wunder und ich (eBook)

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2024 | 1. Auflage
232 Seiten
Gerstenberg Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8369-9232-9 (ISBN)
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Die Luft ist morgens um acht schon warm und es riecht nach etwas Süßem. Matti darf endlich ohne Socken gehen und damit ist klar: Es ist Sommer! Nichts wie los ins Freibad! Doch als Matti und Otto vor dem Eingang stehen, ist das Blaue Wunder geschlossen. Weil das Geld fehlt, um es zu renovieren. Wo sollen sie denn jetzt hin? Das Schwimmbad ist die Antwort auf jede, aber wirklich jede Sommerfrage! Otto und Matti beschließen: Sie müssen etwas tun! Schließlich gehört das Schwimmbad allen. Und ganz besonders den Kindern. Eine Sommer-Großstadt-Kindergeschichte über Erwachsene, die zu schnell aufgeben, und Kinder, die die Dinge in die Hand nehmen. Es geht um endlose Sommertage im schönsten Freibad der Stadt und darum, dass zusammen vieles leichter geht - und man manchmal auch was Verbotenes tun muss

Silke Lambeck ist in Berlin aufgewachsen, hat Germanistik und Theaterwissenschaften studiert und wurde schließlich Journalistin. Seit zehn Jahren schreibt sie außerdem Bücher für Kinder und Erwachsene, zum Beispiel den von Presse und Lesern gleichermaßen geliebten Herr Röslein. Ihr Kinderroman Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominiert. Silke Lambeck lebt mit ihrer Familie in Berlin, das immer noch ihre Lieblingsstadt ist.

Zweites Kapitel, in dem ich wütend bin


Wir standen da und lasen die Nachricht wieder und wieder.

»Das kann nicht sein«, sagte ich. »Das gibt es doch schon immer.«

Einige Leute schüttelten den Kopf und drehten ab. Andere standen vor dem Schild wie wir und konnten es nicht fassen.

»Für alles ist Geld da«, sagte ein älterer Mann. »Aber die Schwimmbäder machen sie zu.«

Eine Frau mit zwei kleinen Kindern fing fast an zu weinen. »Ich gehe schon hierher, seit ich sieben bin«, sagte sie. »Ich war in allen Sommerferien hier, jeden Tag.«

Otto und ich liefen zu den geschlossenen Gittern und lugten hindurch. Es war weit und breit kein Mensch zu sehen, keine Bademeisterin, kein Kassierer. In der Ferne sah man die großen Rasenflächen, die allerdings etwas verwahrlost wirkten. Ganz hinten glitzerte es blau.

»Da ist sogar Wasser drin!«, sagte Otto. »Warum machen sie dann nicht auf?«

»Vielleicht sind nicht genug Leute gekommen?«, mutmaßte ich. Aber ich wusste selber, dass das Quatsch war. Der letzte Sommer war so heiß gewesen, dass man zwischen den hohen Häusern in der Stadt keine Luft mehr bekam. Also gingen wir schwimmen. Alle anderen gingen auch schwimmen. Manchmal war die Schlange so lang, dass man eine halbe Stunde warten musste, bis man reinkam. Auf der Wiese war jeder Platz mit Decken, Gummibällen, Campingstühlen, Picknicktaschen und Menschen belegt. Und obwohl das Schwimmbecken riesig war, konnte man das Wasser vor lauter Leuten kaum noch sehen. »Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte ich.

»Nach Hause fahren«, sagte Otto. Ich glaube, er war auch enttäuscht, aber nicht halb so enttäuscht wie ich. Schließlich hatte er nicht vorgehabt, eine Arschbombe vom Fünfer zu machen, um damit Mina zu beeindrucken. Wobei ich fairerweise sagen muss: Ganz sicher war ich mir nicht, was das Beeindrucken von Mädchen durch Arschbomben anging. Aber einen Versuch wäre es wert gewesen.

Mina und Jasper standen noch vor der geschlossenen Kasse.

»Gibt es denn hier in der Nähe noch ein Schwimmbad?«, fragte Mina. Sie war erst vor Kurzem hierher gezogen und kannte sich noch nicht so aus.

Otto winkte ab. »Das nächste ist ein Spaßbad in Pankow. Aber das ist mindestens eine halbe Stunde weg. Und dann kostet es auch sieben Euro Eintritt.« Ins Spaßbad konnte man mal mit seinen Eltern gehen, ausnahmsweise. Es hatte ein schickes Edelstahlbecken und neue Duschen, drei verschiedene Rutschen und eine Pommesbude, wo sie Flammkuchen anboten. Pommes gab es auch, aber sie kosteten fünf Euro, nicht zwei fünfzig wie hier.

Wir trotteten langsam durch den Park zurück Richtung Straßenbahn.

»Was sollen wir denn jetzt den ganzen Sommer lang machen?«, fragte ich. »Wenn es wieder so heiß wird wie letztes Jahr, haben wir gar nichts mehr, wo wir hinkönnen.«

Die anderen schwiegen.

Dann sagte Otto: »Wir können auf den Spielplatz.«

»Auf den Spielplatz. Haha. Wo uns die Eltern sowieso immer schon angucken, als ob wir eine gefährliche Gang wären. Wir sind fast elf. Auf den Spielplatz? Echt jetzt?« Ich war ziemlich laut geworden und die anderen sahen mich erstaunt an.

»Uns fällt schon was ein«, sagte Jasper.

»Nee!« Ich blieb stehen. »Eben gerade nicht. Uns fällt nichts ein. Erinnert ihr euch nicht?«

Jedes Mal, wenn wir letztes Jahr darüber nachgedacht hatten, wo wir im Sommer hin sollten, fiel uns das Schwimmbad ein. Wenn uns zu heiß war, fiel uns das Schwimmbad ein. Wenn wir uns fragten, wo wir uns mit der halben Klasse treffen könnten, fiel uns das Schwimmbad ein. Wenn wir uns in den Ferien langweilten, fiel uns das Schwimmbad ein. Das Schwimmbad war die Antwort auf Jede. Einzelne. Verfluchte. Sommerfrage.

»Das lassen wir nicht zu«, sagte ich schließlich.

Jasper und Mina lachten. Nur Otto lachte nicht. »Was meinst du?«, fragte er und sah mich aufmerksam an.

»Was ich sage«, antwortete ich. »Wir machen das nicht mit.«

»Na, da wird aber jemand schwer beeindruckt sein, dass wir das nicht mitmachen«, sagte Jasper. Mina lachte. Nun wurde ich erst recht sauer. Ich wollte Mina eine Arschbombe vorführen und jetzt lachte sie über Jaspers Witze?

»Ihr könnt mich mal«, sagte ich und stieg ganz vorne in die Straßenbahn. Ich wusste, dass ich ungerecht war. Ich wusste, dass Jasper und Mina nicht schuld waren. Aber es nützte nichts. Ich war so sauer – ich hätte platzen können. Eine Haltestelle später spürte ich eine Hand auf der Schulter.

»Matti!«, sagte Otto. Ich drehte mich nicht um.

»Jetzt sei nicht so«, sagte er. »Wir können doch nichts dafür.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Aber ihr … nehmt das einfach so hin.«

»Was sollen wir denn sonst machen?«, fragte Otto. »Die Polizei rufen oder so was? Und dann sind wir ja auch Kinder.«

»Und?«, fragte ich. »Haben wir deswegen gar keine Rechte? Weil wir Kinder sind?«

»Das meine ich nicht«, sagte er. »Aber wir können nicht so viel tun.«

»Ach ja? Hotte haben wir vor den Immobilienhaien gerettet. Mina vor ihrem Vater. Und uns vor Frau Streiter.«

»Ja, schon«, sagte Otto, »aber das … ich meine, so ein Schwimmbad ist echt was Großes.«

Ich schwieg. Er hatte recht. So ein Schwimmbad gehört ja auch nicht nur einem Menschen. Glaube ich zumindest.

»Wem gehört eigentlich so ein Schwimmbad?«, fragte ich.

»Na, dem Staat«, sagte Otto. »Den Bürgern. Quasi.«

»Also uns«, antwortete ich. »Quasi.«

»Anscheinend aber dann doch nicht«, sagte Otto. »Denn wir hätten es bestimmt nicht geschlossen.«

»Sind wir eigentlich schon richtige Bürger?«, fragte ich. Otto zuckte die Achseln.

Die Bremsen der Bahn quietschten auf den Schienen – wir waren an unserer Station angekommen.

»Wollt ihr noch mit auf den Spielplatz?«, fragte Mina.

Ich winkte ab. »Keine Lust. Ich geh nach Hause.«

»Ich geh gerne mit« – Jasper fiel fast vornüber vor lauter Eifer.

»Ich komm noch mit zu dir«, sagte Otto.

»Wie du willst«, sagte ich. Und sah Mina und Jasper hinterher, die sehr einträchtig Richtung Spielplatz liefen. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Laune noch schlechter werden könnte.

Auf dem Weg zu mir gingen wir bei Hotte vorbei. Uns stand aus verschiedenen Gründen Eis umsonst zu. Für immer. Hotte saß vor seinem Laden auf einer Bank in der Sonne. Er hatte diese Bank erst vor Kurzem aufgestellt und daneben zwei große Blumenkübel platziert. Ich glaubte keine Sekunde, dass das seine Idee war. Ich wette, Fatima hatte irgendwann zu ihm gesagt: »Willst du nicht eine Bank und ein paar Blumenkübel aufstellen?« und Hotte hatte ganz richtig verstanden, dass es im Grunde keine Frage war. Jedenfalls saßen jetzt öfter Menschen vor seinem Späti, aßen Eis, tranken Bier und hielten ihre Gesichter in die Sonne.

»Kommt ihr schon, um meinen Laden zu übernehmen?« Hotte zwinkerte uns zu.

»Wir waren doch noch in der Schule«, sagte Otto. »Aber ein Eis wäre gut. Ein großes.«

Wir fläzten uns auf die Bank und Hotte holte zwei große Eis.

»Dafür, dass die Sonne scheint und ihr jetzt doch nicht Kioskbesitzer werden müsst, seid ihr ziemlich schlecht gelaunt«, stellte er fest. »Besonders Matti.«

Wir erzählten ihm von unserem Nachmittag und von dem geschlossenen Schwimmbad.

»Das Blaue Wunder ist zu?!«, rief er. »Aber das ist ja schrecklich.«

Ich sah ihn erstaunt an. Welches blaue Wunder? Und überhaupt: Hotte gehörte nicht zu den Leuten, die im Sommer einen Picknick-Korb packten und ins Schwimmbad fuhren.

»Welches blaue Wunder?«, fragte Otto.

»Das Schwimmbad!«, rief Hotte. »Ich bin schon als Kind dahin gegangen. Es wurde das Blaue Wunder genannt, weil nicht nur das Becken himmelblau war, sondern auch die Rutsche, der Sprungturm, die Pommesbude und natürlich die Duschen. Eine einzige Pracht!«

Ich dachte an den alten Sprungturm, von dem die Farbe abplatzte, die abgesprungenen Fliesen in den Duschkabinen, die Rutsche mit der rissigen, blassblauen Leiter.

»Das Blaue Elend trifft es wohl besser«, sagte...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-8369-9232-9 / 3836992329
ISBN-13 978-3-8369-9232-9 / 9783836992329
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