The Fort (eBook)
249 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-75916-0 (ISBN)
Gordon Korman, geb. 1963 in Kanada, schrieb seinen ersten Roman bereits im Alter von 12 Jahren. Mittlerweile hat er zahlreiche Bücher für Jugendliche und Erwachsene geschrieben, die in 14 Sprachen übersetzt wurden. Er lebt mi seiner Familie in Long Island, New York.
1 EVAN DONNELLY
Am Morgen nach dem großen Sturm hab ich Ricky am Hals. Ein Ast, so groß wie das Monster von Loch Ness, ist durch sein Schlafzimmerfenster geflogen, also mussten ihn seine Eltern irgendwo abstellen, um in Ruhe alles zu reparieren.
Während ich mich aus dem Bett und in T-Shirt und Shorts quäle, serviert Grandma ihm unten in der Küche bereits Frühstück. Ich setze mich auf die andere Seite des runden Tischs und sie stellt einen Teller vor mich hin – zwei Scheiben Weißbrot mit ein bisschen Butter.
»Ungetoastet?«, frage ich genervt.
»Stromausfall«, antwortet Grandpa durch einen Schluck Orangensaft hindurch. Ich höre den Ärger in seinem Tonfall. Kein Strom bedeutet keinen Kaffee. »Ihr habt keine Vorstellung, was da draußen los ist. Baumstämme auf den Straßen. Überall kaputte Gartenmöbel.«
»Der Ast in meinem Schlafzimmer hat den kompletten Fensterrahmen herausgerissen«, sagt Ricky. Er ist klein und schmächtig, mit riesigen Augen, die ihn immer superernsthaft wirken lassen, egal, was er sagt. »Der Teppich ist durchnässt und überall liegt Glas.«
Ich schaue Grandma an. »Wann kann er wieder nach Hause?«
Sie wirft mir ihren bösesten Blick zu – der ist normalerweise reserviert für meinen älteren Bruder Luke. »Mrs Molina hat mich um diesen Gefallen gebeten. Wir freuen uns, dass Ricky hier ist.«
Grandma arbeitet für dieselbe Rechtsanwaltskanzlei wie Rickys Mutter. Grandma als Sekretärin und Mrs Molina als Anwaltsassistentin oder so. Die Molinas sind neu in der Stadt, und Grandma ist besonders nett zu ihnen, weil sie zu jedem besonders nett ist. Das ist irgendwie anstrengend, aber vermutlich sollte ich mich darüber nicht beschweren. Sie hat Luke und mich aufgenommen, als unsere Eltern den Entzug gemacht haben – und wir durften bleiben, als sie danach nicht mehr wiedergekommen sind. Aber das ist auch etwas anderes. Wir sind Familie.
»Ich werde wahrscheinlich den ganzen Tag hierbleiben«, erklärt Ricky mir. »Mom sagt, die Handwerker sind total überlastet. Halb Canaan hat zerstörte Fenster.«
Ich beiße ein Stück labbrigen Toast ab und kaue, bis es zu einer geschmacklosen Masse in meinem Mund wird. Die eine gute Sache an Hurricane Leo, der unsere Stadt verwüstet hat, ist, dass wir schulfrei haben. Ich stürze meinen Saft herunter und stehe auf. »Ich schau mal, was die Jungs treiben.«
»Gute Idee.« Grandma nickt mir zu. »Du kannst Ricky mitnehmen.«
»Er will bestimmt mit seinen eigenen Freunden abhängen.«
»Ich habe keine Freunde«, gibt Ricky zu.
»Du meinst, du hast noch keine Freunde«, verbessere ich ihn. »Keine Sorge – du findest schon welche. Ein Tag wie dieser ist die perfekte Gelegenheit, um …« Grandmas Blick bringt mich schlagartig zum Schweigen. »Okay, sag mir, was ich machen soll, und ich tu es.«
»Du weißt genau, was du machen sollst«, antwortet sie und ihr Blick spricht Bände.
Grandpa schaut mich mitfühlend an. Er weiß, wie ich mich fühle. Immerhin ist er mit Grandma seit über vierzig Jahren verheiratet. Das ist eine lange Zeit unter der Oberbefehlshaberin.
Als ich das Haus verlasse, ist Ricky Molina an meiner Seite. Was bin ich nur für ein Glückspilz.
Grandpa hat nicht übertrieben, was den Zustand der Stadt angeht. Die Straßen sind ein Hindernisparcours aus herabgefallenen Ästen und Ziegeln, die von Dächern geweht wurden. Überall liegen Trümmer, und Einsatzteams bewegen sich von Strommast zu Strommast, um die Versorgung wiederherzustellen. Allein in unserem Block wurden drei große Bäume komplett entwurzelt und haben ganze Betonstücke aus dem Bordstein gerissen.
Die gesamte Rückseite von Grandmas und Grandpas Haus ist lila vom Beschuss fliegender Blaubeeren. Die zerquetschten Früchte riechen so intensiv, als hätte jemand einen Kuchen im Ofen.
Ricky verzieht das Gesicht. »Ekelhaft.«
Ich wollte gerade genau dasselbe sagen. Aber es von Ricky zu hören, klingt wie eine Beleidigung gegen das Haus meiner Großeltern und Blaubeeren im Allgemeinen, die ab jetzt offiziell mein Lieblingsobst sind.
»Es könnte schlimmer sein«, sage ich. »Wir hätten im Bett von einem riesigen Ast überrascht werden können, der durchs Fenster fiel.«
Er zuckt mit den Schultern. »Er hat mich nicht getroffen. Ich hab mich nur ein bisschen am Glas geschnitten.«
Eigentlich habe ich nichts gegen Ricky. Er ist kein völlig Fremder, sondern sitzt sogar in ein paar Fächern mit mir im Unterricht, auch wenn er ein bisschen jünger ist. Keine Ahnung, wie das kommt. Aber in einer Stadt wie Canaan kennt man seine Leute seit dem Kindergarten. Das ist eine Menge gemeinsame Geschichte im Vergleich zu irgendeinem Typen, der in der ersten Woche der achten Klasse auftaucht. Er wird bestimmt Freunde finden. Aber ich werde keiner davon sein.
Ich führe ihn die Peacock Avenue entlang und wir schlängeln uns durch die Äste und Trümmer auf dem Bürgersteig. Manches, über das wir drübersteigen, ist ganz schön abgefahren: ein Wetterhahn, ein zertrümmertes Dachfenster, eine Babywiege, ein verrosteter Grill. Ich bücke mich, hebe die obere Hälfte eines Bikinis hoch und frage »Wie ist das hierhin gekommen?«
Ricky zuckt mit den Schultern. »Jemand hat die Wäsche aufgehängt und es wurde weggeblasen. Die untere Hälfte ist bestimmt unterwegs zu den Bermudas.«
»Eher nach Kanada«, sinniere ich, während ich an den Verlauf des Hurricanes denke, den ich im Fernsehen gesehen habe.
Mitchell Worth und C. J. Sciutto warten an unserem Treffpunkt am Weg, der in den Wald führt. Der drahtige schwarzhaarige C. J. berichtet gerade von dem genauen Ablauf seines neuesten Todesbezwingers – einer Skateboardfahrt auf dem Geländer der Treppe vor der Stadtbibliothek von Canaan.
»… ich rutsche da also entlang, Wind bläst mir durchs Gesicht, da kommt diese alte Dame die Treppe hoch und klammert sich an das Geländer, als ginge es um Leben und Tod. Ich kann sie ja nicht einfach ummähen, oder? Also springe ich über sie und es klappt … fast.« Wenn er eine Geschichte erzählt, sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus.
Der blonde Mitchell untersucht den schorfigen Kratzer auf C. J.s rechter Gesichtshälfte. »Hat es wehgetan?« Er will mehr Details. Mitchell will immer mehr Details, vor allem, wenn sie blutig sind.
»Nein, natürlich nicht«, faucht C. J. sarkastisch. »Das war wie eine Landung auf einem Daunenbett.« Er dreht sich zu mir und runzelt die Stirn, als er sieht, wer mich begleitet. »Was ist mit dem?«
»Ihr kennt Ricky ja aus der Schule«, erkläre ich. »Seine Mom arbeitet mit meiner Grandma.«
»Ja, aber was macht er hier?«, hakt Mitchell nach. Er starrt Ricky an, als wäre dieser ein exotisches Insekt oder so was. Mitchell leidet unter Zwangsstörungen. Die können sich unterschiedlich äußern. In Mitchells Fall bedeutet es, dass er nicht die besten zwischenmenschlichen Umgangsformen hat. Unter anderem.
»Komme ich zu spät?«
Die Stimme kommt von weiter weg, aber sie wirkt wie ein Donnerschlag. Jason Brax, groß und athletisch, kommt herangefahren, vornübergebeugt über den Lenker seines silbernen Rennrads. »Sorry! Ich bin diese Woche bei Dad und musste ihm helfen, die Küche zu wischen. Wir haben das Fenster letzte Nacht aufgelassen, weil uns das Chili angebrannt ist. Der Rauch ist rausgegangen, aber der Hurricane rein.« Alles an Jason ist überdimensioniert: seine Stimme, seine strubbelige braune Mähne. Sogar seine Schultern sind breiter und erwachsener als die von uns anderen.
Er verstummt, als er Ricky neben uns entdeckt.
»Der Hurricane ist auch durch mein Haus gewütet«, erzählt Ricky. »Ein großer Ast ist durch mein Schlafzimmerfenster geflogen.«
»Ich habe Ricky mitgebracht«, gebe ich zu. »Er ist dabei, solange seine Eltern sein Zimmer in Ordnung bringen.«
»Aber Evan«, protestiert Jason. »Wir gehen zum … du weißt schon, es soll doch ein Geheimnis bleiben, oder?«
»Ich kann Geheimnisse für mich behalten«, verspricht Ricky.
»Kannst du nicht, weil es nicht dein Geheimnis ist«, widerspricht Mitchell mit seiner gewohnt stimmigen Logik. ...
Erscheint lt. Verlag | 7.2.2024 |
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Übersetzer | Kanut Kirches |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-407-75916-9 / 3407759169 |
ISBN-13 | 978-3-407-75916-0 / 9783407759160 |
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