Whisperworld 5: Entscheidung am Abgrund (eBook)
304 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93904-0 (ISBN)
Barbara Rose ist Kinder- und Jugendbuchautorin und Journalistin. Bevor sie mit dem Schreiben anfing, hat sie Sendungen für Kinder und Jugendliche im Radio moderiert und sich Geschichten fürs Fernsehen ausgedacht. Sie wohnt mit ihrem Mann, vier Kindern, Hund Molly und vielen anderen Tieren in der Nähe von Stuttgart. Aber häufig ist sie auch an einem anderen Ort anzutreffen ... in Whisperworld!
Barbara Rose ist Kinder- und Jugendbuchautorin und Journalistin. Bevor sie mit dem Schreiben anfing, hat sie Sendungen für Kinder und Jugendliche im Radio moderiert und sich Geschichten fürs Fernsehen ausgedacht. Sie wohnt mit ihrem Mann, vier Kindern, Hund Molly und vielen anderen Tieren in der Nähe von Stuttgart. Aber häufig ist sie auch an einem anderen Ort anzutreffen … in Whisperworld! Alina Brost, geboren 1996, studierte Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Illustration. Sie ist fasziniert von magischen Welten und stets auf der Suche nach neuen Abenteuern in Büchern aller Art. Sie lebt mit ihrem Partner und vier Katzen in Augsburg.
Die Luft in der Savanne flirrte vor Hitze. Gelegentlich fuhr ein lauwarmer Windstoß durch das Mosaik aus unterschiedlichen Grasflächen und brachte die dürren Stängel zum Erzittern. Außer dem metallischen Zirpen der Zikaden war kaum ein Geräusch zu hören. Wie ein Klangteppich breitete es sich über die weiten Ebenen von Mandulara aus. Während die meisten Tiere versuchten, die Sonne zu meiden, machten sich Adler, Falken und Bussarde die heißen Aufwinde zunutze. Mit Leichtigkeit stiegen sie in die Höhe und hielten dort schwerelos nach Beute Ausschau.
Ein paar Löwen rekelten sich im Schatten einer Schirmakazie am Rand der großen Schlucht, bevor sie mit einem Mal blitzartig im hüfthohen Gras verschwanden.
„Irgendwas stimmt hier nicht, wenn du mich fragst, Koru.“ In einiger Entfernung von den Raubtieren wischte sich Silvester den Schweiß von der Stirn. „Je mehr wir uns der Simari-Schlucht nähern, desto seltsamer benehmen sich die Tiere. Diese Löwen da vorn sind nicht auf Beutefang. Irgendwas hat sie aufgeschreckt.“ Er deutete zum Horizont. „Überhaupt sind heute viel zu wenig Tiere unterwegs.“
Der Nebelparder neben ihm knurrte verhalten. „Vielleicht haben sie uns gewittert und sich zurückgezogen?“
Silvester schüttelte den Kopf. „Warum sollten sie? Die Wandertauben haben uns sicher längst angekündigt. Wir sind Freunde. Alle werden wissen, dass wir seit Tagen auf der Suche nach Devin Dolor sind. Und dass sein Hubschrauber zuletzt hier gesichtet wurde, in Mandulara.“
Koru hob den Kopf. „Ich sehe mich mal eine Weile um. Vielleicht entdecke ich etwas Ungewöhnliches. Von der Akazie da vorn habe ich einen guten Ausblick.“
„Yep, mach das.“
Mit weichen, geschmeidigen Bewegungen verschwand die Großkatze mit den charakteristischen schwarz umrandeten Plattenflecken auf dem Fell zwischen Gras und dichtem Buschwerk.
Silvester wusste, dass Koru mit seinem langen Schwanz, der ihm beim Balancieren half, ein hervorragender Kletterer war. Er war ihm ausgesprochen dankbar für seine Hilfe, denn eigentlich war der Nebelparder ein nachtaktives Tier. Deshalb hatten sie auch viel Zeit mit Wanderungen in der Dunkelheit verbracht. Jetzt war es helllichter Tag und Silvester war müde. Zeit für eine kleine Pause. Der Lehrer an der Schule der Tierflüsterer seufzte, befeuchtete die Stirn mit Wasser aus seiner Trinkflasche und nahm einen Schluck.
„Nur einen einzigen“, murmelte er erschöpft.
Mehrere Tage waren inzwischen mit der Suche nach Devin Dolor und seiner Helferin Lexi verstrichen. Tage und Nächte, die Silvester mehr angestrengt hatten, als er zugeben wollte. Kein einziges Tier, mit dem er gesprochen hatte, konnte ihm etwas über den Aufenthaltsort des Verbrecherpärchens berichten. Dafür waren Silvester und Koru etliche verbrannte Grasflächen aufgefallen. Das war kein natürliches Buschfeuer gewesen. Hier handelte es sich eindeutig um Brandrodung.
„Bis wir ein Wasserloch gefunden haben, sollte ich sparsam mit der Flüssigkeit umgehen“, murmelte Silvester.
Der Hüne schraubte den Verschluss der Flasche zu, beschattete sein Gesicht und blickte Koru hinterher, der längst zwischen den Gräsern verschwunden war. Silvester musste die Augen zukneifen, das Sonnenlicht bereitete ihm inzwischen beinahe körperliche Schmerzen. Längst fühlte er sich nicht mehr so leistungsfähig, wie er eigentlich hätte sein sollen. Ihm fehlten Schatten, Ruhe, Schlaf.
Wie lange war er bereits unterwegs? Drei Tage, vier Tage, vielleicht fünf? Silvester hatte jedes Gefühl für Zeit verloren, die Momente dehnten sich wie Kaugummi, die Stunden und Tage waren eine zähe, wabernde Masse.
Wenn er nach Osten blickte, konnte er den Rand der Simari-Schlucht erkennen. Hier vermutete er Spuren von Devin und Lexi – oder zumindest Tiere, die dort lebten und ihm Hinweise auf deren Aufenthaltsort geben konnten.
Gerade wollte Silvester wieder nach Koru sehen, da erregte eine merkwürdige Erhöhung am Rand der Schlucht sein Interesse. Ein Felsbrocken vielleicht? Oder ein merkwürdig geformter Termitenhügel? Silvester sah genauer hin, und in diesem Moment bewegte sich das Objekt sachte nach rechts und links. Es lebte! Aber was konnte das sein? Silvester schloss einen Moment die Augen, um sich besser konzentrieren zu können, und öffnete sie dann rasch wieder. Nein, das war keine Erhöhung, kein Hügel oder Fels, keine tote Masse, kein Bau aus zerkautem Pflanzenmaterial und Erde, sondern das war …
ein Kopf! Riesig, fleischfarben und komplett haarlos. Ein runder, wurmartiger Schädel. Reglos starrten die kleinen Augen genau in Silvesters Richtung.
Silvesters Herz klopfte heftig. Spielte ihm sein Gehirn gerade einen Streich? Hatte ihm die Sonne so zugesetzt, dass er schon Halluzinationen hatte? Er zog sein Fernglas aus der Tasche. Doch als er den Sucher richtig eingestellt hatte und den Rand der Schlucht genauer betrachtete, war das merkwürdige Wesen weg. Wie vom Erdboden verschwunden. Verärgert biss sich Silvester auf die Lippe, spähte mit dem Fernglas weiter nach rechts, dann weiter nach links.
Nichts zu sehen. Die Suche nach dem ungewöhnlichen Schädel am Rand der Schlucht nahm Silvesters Aufmerksamkeit völlig in Beschlag. Er achtete nicht auf seine Umgebung, auf Geräusche oder Gerüche. Dabei war Sicherheit die oberste Priorität in Whisperworld und Silvester selbst wiederholte das geradezu mantramäßig vor seinen Schülern. Dass er sich bereits in höchster Gefahr befand, ahnte er in diesem Moment nicht. Er wusste nicht, dass der Kuss des Todes schon auf ihn wartete.
Nur etwa hundert Meter von Silvester und der Akazie entfernt ragten mehrere Termitenhügel in den Himmel: steinharte Gebilde, kunstvoll gestaltet und von etlichen Löchern durchsetzt. Wie erstarrter Honig glänzten sie in der Sonne. Ein breiter Unterbau, darüber zahlreiche säulenförmige Türme, die sich steil in die Höhe reckten. Millionen von Termiten lebten in jedem dieser Gebilde. In jedem – bis auf eines. Dieser Bau war schon lange nicht mehr von den wuseligen Insekten bewohnt. In der gut temperierten Behausung mit ihrem konstanten Klima lebte nun eins der gefährlichsten Tiere der Savanne und wartete auf den richtigen Moment – auf sein Opfer, das sich nur wenige Meter von ihm entfernt befand.
Lautlos schlüpfte die Schlange aus dem Termitenhügel, stieß die gespaltene Zunge mit schnellen Bewegungen immer wieder aus dem Maul, zog sie ein und nahm bei jedem Mal winzige Partikel aus der Luft auf. In Sekundenbruchteilen entschlüsselte das Reptil die Gerüche der Umgebung und hob zufrieden den Kopf. Seine Prüfung hatte das Ergebnis gebracht, auf das es gehofft und seit Tagen gewartet hatte: der Tierflüsterer war zum Beißen nah. Die Schlange konnte ihren Auftrag endlich erledigen.
Mit anmutigen, fließenden Bewegungen ließ sich das meterlange Reptil durchs Gras gleiten. Seine silbrig-graue Haut verschmolz mit der Umgebung. Unmöglich für seine Beute, es zu entdecken. Und obwohl sich die Schlange bereits mit unglaublicher Geschwindigkeit vorwärtsbewegte, richtete sie nun auch noch ein Drittel ihres Körpers auf. Dadurch rieb noch weniger Haut am Boden und sie konnte maximales Tempo aufnehmen.
„Genug gewartet, der Schädel taucht wohl nicht mehr auf“, brummte Silvester. Er erhob sich, steckte das Fernglas wieder ein und klopfte sich den Lehm von der Hose. „Mal hören, was Koru entdeckt hat.“
Silvester machte einen energischen Schritt nach vorn und … starrte in die Augen einer Schwarzen Mamba.
Hoch aufgerichtet und mit schnellen Bewegungen ihrer schwarzen Zunge schwang sie leicht und graziös vor ihm hin und her. Ihr Maul war genau auf seiner Augenhöhe.
„Verdammter Mist“, entfuhr es Silvester.
Wie hypnotisiert starrte er in die Augen der Schlange und fragte sich zu seinem eigenen Erstaunen, warum diese Giftschlange keine vertikalen, sondern runde Pupillen hatte. Wollte sie damit ihre Gefährlichkeit tarnen?
Die Schwarze Mamba glitt ein Stück nach vorn. Langsam, sehr langsam. Sie hatte keine Eile mehr, denn sie wusste, dass ihre Beute nicht den Hauch einer Chance hatte. Egal, wie schnell Silvester sich umdrehen, zur Seite springen oder weglaufen würde, die Schwarze Mamba war schneller.
Die Schlange öffnete ihr Maul mit dem pechschwarzen Gaumen und wollte gerade zubeißen, als eine geschmeidige Gestalt mit lautem Fauchen auftauchte.
Pffffchhhhh!
Kurz drehte die Schlange den Kopf, um zu sehen, wer sie störte. Zu kurz, als dass sich Silvester hätte in Sicherheit bringen können. Aber doch so lange, dass Koru die gefährliche Situation einschätzen konnte.
Ohne einen einzigen Stopp in seinem Lauf, ohne jede Unsicherheit oder Verzagtheit sprang der Nebelparder auf das Reptil zu und verbiss sich mit seinen langen Zähnen genau unterhalb des Kopfes in den Körper der Schlange.
Schlaff fiel ihr Leib zu Boden.
Korus Raubtiergebiss hatte die Schwarze Mamba getötet.
„Puh, das war knapp. Danke dir, mein Freund.“ Silvester schnaubte, Schweißperlen tropften von seiner Stirn. „Was ist hier los? Normalerweise greift uns kein Tier an, auch keine Schwarze Mamba. Sie und alle anderen sollten doch wissen, dass wir Tierflüsterer sind und Leben schützen. Wir wollen doch kein Tier verletzen, geschweige denn töten.“
Korus Tasthaare zitterten. „Der Biss der Schwarzen Mamba, der Kuss des Todes, könnte fünfzehn Menschen auf einmal umbringen. Du hättest ihren Angriff nicht überlebt.“
„Ich weiß, ich weiß.“ Silvester kratzte sich am Kopf. „Du hast mir das Leben gerettet,...
Erscheint lt. Verlag | 26.2.2024 |
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Reihe/Serie | Whisperworld | Whisperworld |
Illustrationen | Alina Brost |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Artenschutz Kinder • ausgestorbene Tiere Buch • Fantastische Tierwesen • Fantasy Bücher ab 9 • kinderbuch diversität • Kinderbuch Freundschaft • Kinderbuch Umweltschutz Tierschutz • magische tiere buch • spannendes Abenteuer Buch Kinder ab 9 • Tierflüsterer |
ISBN-10 | 3-646-93904-4 / 3646939044 |
ISBN-13 | 978-3-646-93904-0 / 9783646939040 |
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Größe: 10,3 MB
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