Die Sammelausgabe der romantischen Lyoness-Dilogie (Lyoness) (eBook)
812 Seiten
Impress (Verlag)
978-3-646-61104-5 (ISBN)
Sandra Regnier ist in der Vulkaneifel geboren und aufgewachsen. Nach der Schule und einer Ausbildung zur Beamtin wollte sie lange nach Frankreich auswandern. Stattdessen heiratete sie einen Mann mit französischem Nachnamen und blieb zu Hause. Nachdem sie acht Jahre lang im Tourismus tätig war, übernahm sie die Leitung einer Schulbibliothek und konnte sich wieder ganz ihrer Leidenschaft widmen: den Büchern. Heute schreibt sie hauptberuflich und ist nebenher viel mit dem Fahrrad unterwegs, um Ideen zu sammeln, oder träumt beim Wandern von fantastischen Welten.
Sandra Regnier ist in der Vulkaneifel geboren und aufgewachsen. Nach der Schule und einer Ausbildung zur Beamtin wollte sie lange nach Frankreich auswandern. Stattdessen heiratete sie einen Mann mit französischem Nachnamen und blieb zu Hause. Nachdem sie acht Jahre lang im Tourismus tätig war, übernahm sie die Leitung einer Schulbibliothek und konnte sich wieder ganz ihrer Leidenschaft widmen: den Büchern. Heute schreibt sie hauptberuflich und ist nebenher viel mit dem Fahrrad unterwegs, um Ideen zu sammeln, oder träumt beim Wandern von fantastischen Welten.
DAS URTEIL
Die Stille wog schwer.
Ich sah mich um und konnte vor lauter Menschen kaum etwas erkennen – außer dem leeren Podest, das zwei Reihen vor mir emporragte und auf dem der Folterpfahl prangte. In der heißen Sommerluft war die Beklemmung der Menge beinahe greifbar. Es mussten mehrere Hundert Menschen versammelt sein, die gemeinsam mit mir auf Grady und seine Strafverhandlung warteten. Auf Erbarmen und Freilassung hofften.
Zwischen der grauen Kleidung, die für unser Eisenviertel typisch war, stachen mir auch unzählige blau, rot und gelb gekleidete Menschen aus dem Holz-, Nahrungs- und Wollviertel ins Auge. Aber Grau überwog bei Weitem. Gefühlt hatte sich das ganze Eisenviertel von Yslion hier eingefunden.
Niemand sprach. Ernst und angespannt starrten die Anwesenden zum Podest, in der Erwartung, dass es endlich begann. Die Sonne brannte auf uns hernieder und ganze Wolken an Insekten tummelten sich über unseren Köpfen. Ich konnte ihr Summen nicht hören, vernahm nur mein pochendes Herz.
Mein Inneres war seit einer Woche in völligem Aufruhr. Ich war noch nie so lange von Grady getrennt gewesen. Eine unheilvolle Besorgnis schien seit seiner Festnahme meinen Magen zusammenzupressen. Von dreißig Peitschenhieben war die Rede, wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Was für ein Irrsinn! Ich war dabei gewesen. Grady hatte die frisch angefertigte Lanze nur seinem neuen Besitzer überbringen wollen, und dann war dieser Druide aufgetaucht, hatte ihm unterstellt, sie gestohlen zu haben und Grady trotz aller Proteste verhaften lassen.
Wir alle befürchteten, dass dieses übermäßig drakonische Urteil in Wirklichkeit an Gradys aufrührerischen Reden lag. Der regierende Erzdruide und seine Anhänger beseitigten konsequent jeden, der deren Machtstellung auch nur ansatzweise infrage stellte. Die gesamte Bürgerschaft in Lyoness wusste, dass Gerichtsverhandlungen schon seit Beginn der Druidenherrschaft vor vierhunderteinunddreißig Jahren stets zu ihren Gunsten ausgingen.
Schon lange schwelte die Unzufriedenheit über die Willkür und gleichzeitig die Machtlosigkeit gegen die Flüche unserer Unterdrücker im Volk. Grady hatte uns aufgerüttelt. Obwohl er der Sohn eines Schmieds war, konnte er so mitreißende Reden halten und derart überzeugend argumentieren wie für gewöhnlich nur die studiertesten Druiden. Seine Visionen waren ansteckend. Grady träumte seit Jahren von einem freien Land. Einem Lyoness, das gerecht regiert wurde und in dem alle ihre Magie ausleben durften, statt sie zu verstecken. Einem Lyoness, in dem niemand verhaftet wurde, der eine andere Meinung vertrat als die Obrigkeit, und in dem Kinder mit magischen Fähigkeiten nicht geraubt und gewaltsam zu gefügigen Druiden erzogen wurden oder spurlos verschwanden. Diejenigen unter uns, die Kinder mit magischen Fähigkeiten aufzogen, lebten immer in Angst um sie. Von meiner Freundin Gwyned wusste ich, dass ihre Mutter und Großmutter geweint hatten, als sie die besonderen Kräfte ihrer kleinen Schwester entdeckten. Magie konnte etwas Wunderbares sein, aber nicht in Lyoness. Hier war sie streng verboten und Grady seit Jahren die Lichtfigur für alle Menschen, die diese Unterdrückung beendet sehen wollten.
Es machte nicht nur mich stutzig, dass die Druiden ihn nach all den Jahren, in denen er nie bei seinen Ansprachen erwischt worden war, wegen einer Nichtigkeit verhaftet und zu einer Bestrafung verurteilt hatten, die man sonst Dieben und Betrügern zuwies.
Hatten die Druiden tatsächlich von seinen Reden gegen sie gehört? Oder – noch schlimmer – hatte ihn jemand verraten?
Zwar konnte ich es mir nicht vorstellen, dennoch zog sich mir der Magen bei dem Gedanken noch enger zusammen. Dafür war Gradys Magie eigentlich zu stark, wenn auch nicht leicht einzuordnen. Zumindest nicht so offensichtlich wie bei Bran, der mit seiner Magie sein Erscheinungsbild verändern konnte, um nicht erkannt zu werden. Obwohl er genauso alt war wie Grady und ich, sah er heute wie ein vierzigjähriger Mann aus.
Ich blickte mich um und entdeckte Keenans blonden Schopf in der Menge hinter mir. Auch seine Magie lag auf der Hand, sofern er sie zeigte. Ich kannte niemanden, der schneller und stärker war als er. Wenngleich er das Aussehen eines schlaksigen Burschen besaß, konnte er ein Pferd heben oder einen Falken überholen, wenn er wollte.
Gradys Magie hingegen lag in seiner Fähigkeit zu begeistern, die Menschen an sich zu binden und sie zu loyalen Anhängern zu machen. Vielleicht waren es nicht einmal besondere Kräfte, sondern nur seine Persönlichkeit oder die Leidenschaft, mit der er für seine Überzeugungen eintrat.
Mit jeder Rede gegen die Druiden hätte Grady verhaftet und wegen Hochverrats hingerichtet werden können. Stattdessen war die Anzahl seiner Zuhörer stetig gewachsen. Ich sah hier in der Menge viele, die regelmäßig seinen Ansprachen gelauscht hatten. War einer darunter, der nicht dichtgehalten hatte? Doch dann hätte es kein Urteil auf Peitschenhiebe gegeben, sondern eine Hinrichtung wegen Hochverrats.
Mit einem Mal wurden die Menschen um mich herum unruhig. »Sie kommen!«, rief jemand und ich reckte den Kopf, um über die Menge hinwegschauen zu können. Tatsächlich, da kamen sie.
Ein Druide in einer langen weißen Kutte führte die Prozession an. Direkt hinter ihm marschierten vier Soldaten wie ein Kleeblatt formiert und in ihrer Mitte ging Grady.
Ich erstarrte. Er sah so anders aus. Seine Kleider waren fleckig, stellenweise zerrissen, und sein sonst so schimmerndes blondes Haar hing strähnig und stumpf hinab. Doch er selbst ging aufrecht. Sein Blick war so klar und sprühend wie eh und je. Ich drängte mich weiter nach vorn. Grady sollte wissen, dass ich da war, ihn nicht im Stich ließ und er – wie immer – auf mich zählen konnte.
Kurz vor dem Podest schweifte sein Blick suchend über die Menge. Ich brauchte nicht meine Hand zu heben, damit er mich fand. Grady und ich waren seit so vielen Jahren miteinander verbunden, dass er mich wohl auch im Stockfinstern finden würde. Unsere Blicke trafen sich und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich hielt seinen Blick fest, versuchte ihn allein dadurch wissen zu lassen, dass wir alle hier waren, um ihm zu helfen und ihn zu beschützen. Er schien es zu verstehen, denn er zwinkerte mir aufmunternd zu. Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern, was katastrophal misslang. Meine Sorge um ihn war viel zu groß und wuchs von Sekunde zu Sekunde. Er war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Mein bester Freund, mein Vertrauter, der Bruder, den sich jeder wünschte. Ich hatte mehr Angst um ihn als um mich, hier mit meinen versteckten Waffen erwischt zu werden. Der weiche Gesichtsausdruck, mit dem er mich ansah, verriet mir ganz deutlich, dass er es wusste – und ebenso empfand. Für einen kurzen Moment löste sich der Knoten in meinem Magen. Das änderte sich schlagartig, als ein Soldat ihn schubste und unseren Blickkontakt damit unterbrach.
Würden wir es schaffen, seine Strafe zu verhindern?
Der Druide und vier Soldaten führten Grady auf das Podest. Erst jetzt sah ich, dass der Carnifex, der die Bestrafung durchführen würde, und einige weitere Soldaten hinzukamen. Es mussten ungefähr dreißig Männer sein, die sich wachsam in einer Reihe vor dem Podest aufstellten und die ersten Zuschauer zurückdrängten. Was war hier los? War es normal, derart viele vom Militär bei einer Auspeitschung zu postieren? Ich wusste es nicht, da ich diese Versammlungen bisher immer gemieden hatte. Ich schaute über die Schulter. Keenan stand mit versteinertem Gesicht vier Reihen hinter mir und beobachtete die Situation angespannt. Er nahm mich nicht wahr. Auch die anderen Anwesenden schienen über die Vielzahl der Soldaten nicht wirklich erstaunt. Als ich mich wieder umwandte, legte der Carnifex die Peitsche sorgfältig auf ein bereitgestelltes Fass. Mein Herz begann zu rasen.
Für einen Augenblick wurde die Menge wieder unruhig und schob sich leicht in Richtung Podest. Hoffentlich sahen die Soldaten die Waffen nicht, die wir alle unter unseren Kleidern trugen. Das würde unseren Plan zunichtemachen, Grady vor der Auspeitschung zu retten.
Ich blickte mich schnell nach den anderen um. Zuerst fand ich Bran ein wenig weiter links. Er stand direkt neben Sive und starrte wie sie stur geradeaus. Sive musste genauso schlecht sein wie mir – immerhin war sie Gradys Schwester. Riona und Gwyned konnte ich nicht ausmachen, wusste aber, dass sie irgendwo rechts von mir standen. Auch die anderen Umstehenden warfen immer wieder Blicke in unsere Richtung. Aber weder Keenan noch ich oder die anderen vier von uns gaben das verabredete Zeichen. Es war noch nicht so weit. Wir sollten warten.
Auch jetzt, wo Grady zerlumpt neben dem Druiden in dem leuchtend weißen Gewand stand, wirkte er wie der strahlende Held eines Epos, der künftige Retter von Lyoness – so wie ihn all die Menschen, die hier zu seiner Unterstützung eingetroffen waren, seit Jahren sahen.
»Ihr alle hier versammelten Menschen«, sprach nun der Druide mit einer hohen, nasalen Stimme, die mich an das Geräusch von schleifendem Eisen erinnerte, »heute vollziehen wir die Strafe über den hier anwesenden Grady, Sohn des Schmieds Aodh, der unerlaubt eine Waffe getragen hat. Diese Art von Zuwiderhandlungen werden mit –«
»Ich habe sie ausgeliefert«, unterbrach ihn Grady. Er war gut einen Kopf größer als der Weißgewandete und sah ihn von oben herab durchdringend an. Dann sprach er zu der Menge vor sich, ohne dass der Druide auch nur die Chance hatte weiterzureden. »Ihr alle kennt mich. Ihr kennt meinen Vater, den Schmied...
Erscheint lt. Verlag | 18.1.2024 |
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Reihe/Serie | Lyoness | Lyoness |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Bundle • Fantasy Highlight • Fantasy Liebesromane • Fantasy Liebesromane Erwachsene • fantasy romance deutsch • impressbundle • impress ebooks • Romantasy Bücher • romantische Fantasy Bücher • Young Adult Bücher • Zeitgenössische Liebesromane |
ISBN-10 | 3-646-61104-9 / 3646611049 |
ISBN-13 | 978-3-646-61104-5 / 9783646611045 |
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