Davids Dilemma (eBook)

Eine unglückliche Verkettung nicht ganz so weiser Entscheidungen - Satirischer Own-Voice-Roman ab 14 Jahren über Antisemitismus

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Loewe Verlag
978-3-7320-2152-9 (ISBN)
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Ein Schlamassel kommt selten allein Eigentlich wollte David doch nur den Sportunterricht schwänzen ... Und jetzt das: Seine Klassenkameraden haben sein größtes Geheimnis erfahren. David ist Jude. Eine Neuigkeit, die sofort Neonazis auf den Plan ruft. Gleichzeitig hat David aber auch das Gefühl, endlich nicht mehr unsichtbar zu sein. Vor allem für die Aktivistin Maja. Daher tut er alles, um sie zu beeindrucken und der Diskriminierung zu entgehen. Und so verstrickt sich David zunehmend in Lügen und reitet sich immer tiefer in den Schlamassel ... Ein schwarzhumoriger Roman über Antisemitismus Davids Dilemma ist ein schwarzhumoriger Own-Voice-Roman über Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus mit jüdischem Protagonisten, vor allem aber auch über Selbstfindung,  Toleranz und den Kampf gegen Vorurteile. Satirisch zeigt Wattin die Relevanz dieses Themas unter Jugendlichen der heutigen Zeit auf und erschafft dadurch eine Coming-of-Age-Geschichte, die zum Nachdenken anregt.

1

Outing im Sportunterricht – das Mobbingopfer und der heimliche Jude – nur die Eingeweihten verstehen – das vierthübscheste Mädchen der Schule

Es begann im Sportunterricht. Wir hatten Orientierungslauf und es regnete, war matschig, grau und kalt. Ein Tag, an dem man eigentlich zu Hause sitzen und heiße Schokolade trinken sollte. Aber Sport-Mats scherte sich nicht ums Wetter. Er war den ganzen Vormittag im Wald draußen gewesen und hatte die Strecke vorbereitet und jetzt sollten alle laufen. Na ja, alle außer Helle, Lotta und Karro, die sagten, sie hätten ihre Tage – was sie immer behaupteten, wenn Sportunterricht war. Soll heißen, zweimal die Woche.

»Und los!«, schrie Sport-Mats und schickte Olof und Krille mit Karte und Kompass in der Faust auf die Strecke.

Ich stand ganz hinten in der Schlange und träumte mich weg. So einer war ich. Ein Träumer. Das hatte ich bisher noch in jedem der vierteljährlichen Lehrergespräche meiner Schullaufbahn gehört: Dass es nicht schaden würde, wenn ich mich ein bisschen weniger auf meine Gedanken und etwas mehr auf das, was im Unterricht passierte, konzentrieren würde. Das Problem war nur, dass meine Träume so viel interessanter waren. Derzeit handelten sie meist von Mädchen. Ich war ständig verliebt und wurde von einer romantischen Fantasie nach der anderen verschlungen. Einmal war ich mit Karro in meiner Klasse zusammen und dann wieder lag ich halb nackt mit dem vierthübschesten Mädchen der Schule an einem Strand – Maja aus der B.

Leider spielte sich so was bloß in meinem Kopf ab. In der Wirklichkeit hatte ich keine Chance. Ich war schüchtern, unsicher und spätentwickelt, und wenn eine von denen erfahren würde, was ich fühlte, dann würde die ganze Schule mich auslachen. Die Mädchen im Einserjahrgang, dem ersten der drei Gymnasiumsjahre, waren nicht interessiert. Sie wollten ältere Jungs und Hockeytypen mit dicken Muskeln. Solche, die dank der vielen Anabolika, die sie in sich hineingestopft hatten, früh durch die Pubertät gegangen waren.

Da meiner Verwandtschaft die üblichen Grenzen der Scham unbekannt sind, werde ich zu Hause oft über mein Liebesleben ausgefragt. Und wenn sich herausstellt, dass es nicht existiert, dann sehen mich alle für gewöhnlich mitleidig an, als ob mit mir irgendwas ernsthaft nicht stimmt. Außer Oma. Sie ergreift stets meine Partei und sagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Es gebe schon für jeden eine, sogar für einen Schmock wie mich.

»Sieh dir nur ihn an«, sagt sie immer und zeigt auf meinen Vater. »Wenn er es geschafft hat, eine zu finden, dann musst du dir gar keine Sorgen machen. Obwohl es kein Schaden gewesen wäre, wenn er ein bisschen gewartet hätte.«

»Mama!«, schimpft Papa dann und wirft meiner Oma einen warnenden Blick zu.

»Aber er musste ja unbedingt die Erstbeste heiraten, die ein bisschen Interesse zeigte«, fährt Oma daraufhin fort. »Die verwöhnte kleine Tochter von Sara Kaminski. Hat es dir nie zu denken gegeben, dass kein anderer sie haben wollte?«

Wie Oma zu meiner Mutter stand, war ebenso wenig ein Geheimnis wie, was meine Mutter von ihrer Schwiegermutter hielt: Sie verabscheuten einander mit derselben glühenden Leidenschaft und verlangten alle beide die absolute Loyalität meines Vaters. Was wiederum zu einiger Zerrissenheit führte, sowohl in unserer Familie als auch in Papas Innerem. Doch das war meiner Oma egal.

»Hab nur Geduld, David«, beendete sie diese Gespräche für gewöhnlich immer. »Und sieh zu, dass du Arzt wirst. Dann werden die Mädchen Schlange stehen.«

Doch es war noch lange hin, bis ich einen Arztkittel würde überziehen können. Erst musste ich die drei Jahre auf dem Gymnasium überstehen und dann ein weiteres halbes Leben an der Uni – vorausgesetzt, dass ich es überhaupt ins Medizinstudium schaffte. Bis dahin musste ich schon echt viel Zeit und Mühe investieren, um bei den Mädchen irgendwie zu landen. Und der erste Schritt zu diesem Ziel war, das Schulhalbjahr und die Sportstunde des heutigen Tages mit einer akzeptablen Note zu überstehen.

Vor mir schickte Sport-Mats immer noch meine Klassenkameraden jeweils zu zweit auf den Weg. Weil ich spät gekommen war, hatten alle anderen sich bereits zu Teams zusammengefunden, was bedeutete, dass ich allein würde laufen müssen. Das war im Grunde nichts Ungewöhnliches. Ich hatte nicht viele Freunde und war oft für mich allein. Sonst hing ich meistens mit Micke aus der Parallelklasse rum. Der hatte um diese Zeit eine Freistunde und es war ihm auf wundersame Weise gelungen, den Billardtisch in der Cafeteria zu belegen. Wahrscheinlich stand er jetzt gerade dort und versuchte so auszusehen, als würde er auf einen Freund warten. Da würde er allerdings lange warten müssen, denn der einzige Freund, den er hatte, war ich.

»Na, David«, sagte Sport-Mats. »Willst du nicht laufen?«

Ich schaute aus meinen Träumen auf und bemerkte, dass nur noch ich übrig war. Der Rest der Klasse war bereits im Wald verschwunden. Und zu meinem Erstaunen hörte ich mich selbst sagen, dass ich nicht mitmachen könnte.

»Was?«, fragte Sport-Mats. »Warum nicht? Geht es dir nicht gut?«

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, elend auszusehen. Normalerweise widersetzte ich mich den Lehrern nicht, doch es war ein Scheißwetter und es fühlte sich einfach ungerecht an, dass den Mädchen das alles erspart blieb, nur weil Sport-Mats keine Ahnung hatte, wie der Menstruationszyklus funktionierte.

Er sah mich kurz an und reichte mir dann eine eingeschweißte Karte. »Du siehst nicht krank aus«, stellte er fest. »Los, ab mit dir.«

Für gewöhnlich dachte ich mir nicht einfach was aus, aber an diesem Tag ging es mit mir durch.

»Ich kann nicht«, sagte ich. »Es … es ist Schabbat.«

Fragt mich nicht, warum ich das gesagt habe. Der Schabbat begann erst bei Sonnenuntergang. Und außerdem feierten wir ihn nicht. Wir waren schließlich die am wenigsten religiösen Juden im Großraum Stockholm.

»Du bist Jude?«, fragte Sport-Mats erstaunt.

Ich bereute sofort, etwas gesagt zu haben. Niemand in der Schule wusste, dass ich Jude war, und ich wollte auch nicht, dass es jemand erfuhr.

»Wie interessant«, fuhr er fort und betrachtete mein Gesicht wie ein Entdeckungsreisender, der auf eine neue, exotische Art gestoßen war. Ich wartete nur darauf, dass er etwas im Stil von »aber deine Nase ist ja gar nicht so groß« sagen würde und dann vielleicht noch irgendwas über Geld.

»Ja«, erwiderte ich. »Aber verraten Sie es niemandem.«

»Du solltest stolz darauf sein, wer du bist«, erwiderte Sport-Mats. »Die Juden sind ein kluges Volk. Fast alle Nobelpreisträger sind Juden.«

Er gab sich eindeutig Mühe, dem Ganzen etwas Positives abzuringen. So waren die Leute manchmal: Wenn sie nicht in die eine Richtung übertrieben, dann in die andere. Wenn wir Juden nicht die Medien kontrollierten und die Weltwirtschaft beherrschten, dann waren wir besser darin, klassische Musik zu spielen, und hatten einen höheren IQ.

Wie auch immer, mein Trick funktionierte, denn nachdem er da eine Weile gestanden und geglotzt hatte, rief Sport-Mats ein fröhliches »Mazel tov« und rannte in den Wald hinein, um zu kontrollieren, ob auch niemand schummelte. Ich hingegen ging in die Cafeteria, wo tatsächlich Micke stand und mit sich selbst Billard spielte.

»Tach«, sagte ich. »Sollen wir eine Partie spielen?«

»Ich dachte, du hättest Sport.«

»Bin abgehauen.«

Micke legte die Kugeln zurecht und stieß an. Er war ein Einzelgänger. Einer, den die Herde sehr früh ausgestoßen hatte. Warum, weiß ich nicht. Das hatte schon am allerersten Schultag in der Grundschule angefangen und seitdem hielten wir zusammen – das Mobbingopfer und der heimliche Jude.

»Guck mal«, sagte er. »Verdammt, ist die hübsch.«

Auf der anderen Seite des großen Fensters, draußen auf dem Hof, drückte Karro ihre Zigarette aus und warf sich in die Arme eines Typen aus dem Abschlussjahrgang.

»Schade, dass sie so dumm ist«, fuhr er fort, »sonst könnten wir zusammen sein. Sie mag mich. Das erkennt man daran, wie sie mich ansieht. Als wäre sie scharf auf mich.«

Manchmal machte Micke das. Dachte sich Sachen aus, die nicht einmal ein Fünfjähriger glauben würde. Aber weil er mein Freund war, sagte ich nichts.

»Aber wahrscheinlich ist sie sowieso nicht so gut zu ficken«, sagte er. »Zum Glück kenne ich ältere Frauen. Die wissen, was sie wollen im Bett.«

Noch so eine von Mickes Fantasien. Um seine Lügen zu unterfüttern, erzählte er ab und zu von den Dingen, die seine erfundenen Liebhaberinnen mit ihm machten. Dieses Wissen hatte er aus einer Sammlung Softpornos, die er im Nachttisch seiner Mutter gefunden hatte. (Das weiß ich, weil ich auch einmal darin gelesen hatte, als ich in Mickes Zimmer auf ihn wartete, während er beim Abendessen war.)

Wir spielten eine Runde. Vor dem Fenster hatten Karro und ihr Typ angefangen zu knutschen. Das war wirklich nicht gerecht. Dass die Idioten alle Mädchen kriegten.

»Hör auf zu glotzen, du Pervo«, sagte Micke und legte die Kugeln auf den Tisch. »Wir spielen noch eine Runde.«

Und das machten wir, bis Krille, Olof und Bengtsson der Hässliche vom Sport zurückkamen und meinten, jetzt wären sie dran.

»Ihr habt euch nicht eingetragen«, entgegnete Micke.

»Haben wir wohl«, sagte Krille und nahm ihm das Queue aus der Hand. »Haut ab, ihr Tunten.«

»Selber Tunte«, entgegnete Micke.

»Scheiß auf dich«, erwiderte Krille und boxte ihn.

»Was zum Teufel?«, fragte Micke.

Mit einem Mal wurde er wütend und das gefiel den...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Übersetzer Susanne Dahmann
Verlagsort Bindlach
Sprache schwedisch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Antisemitismus Jugendbuch • Bücher über Antisemitismus • Bücher über Diskriminierung Neonazis • Bücher über Rassismus • Bücher wie Dunkles Gold • Gesellschaftskritik Jugendbücher • Jüdische Protagonisten • Jüdischer Autor Danny Wattin • Jugendbücher ab 14 Jahren • Own Voice Antisemitismus • Own Voice Romane • Rechtsextremismus Jugendbücher • Satire Jugendbuch • Satirische Romane ab 14 Jahren • Schwarzer Humor • Spannende Jugendbücher ab 14 Jahren
ISBN-10 3-7320-2152-1 / 3732021521
ISBN-13 978-3-7320-2152-9 / 9783732021529
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