Zuhause ist, wohin mein Herz mich führt (eBook)
Ein Sommer in England stand noch nie auf Lilas Bucketlist. Ihr Plan war vielmehr, nach dem Abschluss mit ihrer besten Freundin zusammenzuziehen, die kubanische Bäckerei der Familie zu übernehmen, und für immer glücklich mit ihrem Freund zusammenzusein. Als alle drei Träume innerhalb weniger Tage platzen, liegt Lilas Welt in Trümmern. Als ihre besorgten Eltern sie zu Verwandten nach England schicken, scheint das zunächst nur die Krönung dieses Alptraums namens Leben zu sein. Doch als Lila Orion kennenlernt, sind Dauerregen und schreckliches Essen bald vergessen. Ihr persönlicher England-Guide gewinnt sie nicht nur für England, sondern auch für die Vorstellung, dass ihr Leben vielleicht völlig anders aussehen könnte, als immer geplant ...
Eine bezaubernde kubanisch-britische Romanze - demnächst als großer Kinofilm mit Kit Connor (»Heartstopper«) und Maia Reficco (»Pretty Little Liars - Original Sin«)
Laura Taylor Namey ist eine New-York-Times-Bestsellerautorin, deren Bücher regelmäßig in Reese's Book Club empfohlen werden. Nach dem Studium war sie als Lehrerin tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. In ihrer Freizeit liebt sie es, nach Vintage-Schätzen zu suchen und sich dabei vorzustellen, sie sei gerade in London oder Paris. Sie ist sehr stolz auf die kubanischen Wurzeln ihrer Familie und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in San Diego.
Kapitel 2
Ich kann nachvollziehen, warum Owl & Crow-Gäste von dem Afternoon Tea im Salon schwärmen, aber in diesem Scone ist einfach zu viel Zucker. Auch wenn die Konsistenz nahezu perfekt ist, scheitern viele Bäcker an dem Süßigkeitsgrad. Mehl, Butter und Zucker sind nur die Bühne für andere Aromen – Gewürze und Extrakte, Früchte und Sahne und Schokolade. Ein Gebäck muss nie übermäßig süß sein. Es muss nur unvergesslich sein.
Nicht, dass ich eine Scone-Expertin bin. Genau genommen habe ich noch nie einen gebacken. Einen Scone gegessen habe ich zuletzt vor vier Monaten, als Pilar sich zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag einen Afternoon Tea im Miami Biltmore Hotel gewünscht hat.
Genau wie jener altehrwürdige Ort wirkt dieser Salon mit seinen eisblauen Wänden und Brokatstoffen eher wie ein Gemälde als wie ein Zimmer. Hier bin ich eine Figur, gezeichnet in das Leben anderer Leute.
Ich nenne es Kubanisches Mädchen mit überzuckertem Scone in Nicht-Miami.
»… und Spaziergänge, und man ist sehr schnell im Grünen. Du kannst mit einem unserer Gästefahrräder überall hinfahren und dich wirklich erholen. Und in der Innenstadt gibt es Cafés und kleine Geschäfte, die du lieben wirst«, schwärmt Cate, während sie in kleinen Schlucken von dem starken schwarzen Tee trinkt. In den letzten fünf Minuten hat sie versucht, mir Winchester schmackhaft zu machen wie ein Immobilienmakler.
Ich habe mir das alles mit einem starren Lächeln angehört, als ob sie mich tatsächlich überzeugen könnte. »Klingt nett. Danke, dass ich hier sein darf.« Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Drang, all meine Worte in dieser geblümten Teekanne zu ertränken, und dem Respekt vor dieser Frau, die ich seit meiner Geburt kenne.
»Mach mir nichts vor«, sagt Cate. »Du kannst ehrlich mit mir sein.«
»Na gut.« Ich stelle meine Teetasse mit einem wenig eleganten Scheppern auf den Tisch. »Ich will überhaupt nicht hier sein.« Familie hin oder her.
Cate zuckt nicht einmal mit der Wimper. Ihr Blick ist kühl wie der weiße Marmorhimmel vor den Fenstern, als sie mit den Fingern den Rand ihrer Teetasse entlangfährt. Ihre ovalen Nägel glänzen in einem dunklen Kirschrot. »Natürlich willst du das nicht. Du musst auch nicht so tun, als ob. Aber deine Eltern sind der Meinung, dass etwas Abstand dir helfen –«
»Und was ist mit meiner Meinung? Mit meinen Gefühlen?« Ich bin wie eine kaputte Schallplatte und wiederhole immer wieder den Text, den ich herunterbete, seit meine Eltern diesen Flug für mich gebucht haben. Alle Hilfe, die ich brauche, befindet sich siebentausend Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Atlantiks. Das ist der Ort, wo ich noch vor einigen Wochen alles hatte, was ich wollte. Dort steht unsere Bäckerei, die ich übernehmen und weiterentwickeln werde – die Bäckerei, die immer auf Abuelas Wurzeln ruhen wird. Panadería La Paloma. Ihr Geist und die Erinnerungen an sie leben in diesen Räumen fort und jetzt bin ich auf einmal weg.
Ich brauche England nicht. Miami ist meine Glücksstadt. Meine Heimatstadt, wo ich in den letzten siebzehn Jahren so viele Erfolge erzielt habe. Sie ruft mich, ich spüre es in Mark und Blut. Du gehörst mir, sagt sie. Du kannst neue Erfolge feiern.
Aber nicht hier. Nicht in England.
Miami hat meine wichtigsten Beziehungen hervorgebracht – diejenigen, um die ich heimlich weine. Abuela. Andrés. Stefanie. In meinem Kopf, meinem Herzen und meiner Erinnerung sind sie noch ganz präsent. In diesen fünfundachtzig Tagen in England können sich zu viele weitere Dinge ändern, und ich werde nicht zu Hause sein, um das zu verhindern.
»Du bist verletzt, Lila. Und du hast deinen Eltern einen Schrecken eingejagt«, sagt Cate. »Deine mentale Gesundheit ist wichtiger, als La Paloma jetzt gleich zu übernehmen.«
Bueno. Na gut. Nichts vormachen – das gilt wohl für beide Seiten. Dabei wäre ich schon damit fertiggeworden. Ich brauche mehr Zeit, nicht mehr Gespräche. Nicht mehr Abstand. Warum kapieren meine Eltern das nicht?
Cate zwirbelt eine blonde Haarsträhne, die sich aus ihrem Knoten gelöst hat. »Du musst mir nur eines versprechen, denn wir kennen beide den Zorn von tu mamá.«
Das vertraute Spanisch aus ihrem Mund lässt mich aufblicken.
»Versuch dich hier etwas einzuleben. Vielleicht sogar etwas Spaß zu haben. Aber pass dabei auf dich auf, okay?« Es hört sich an, als hätte sich ihr Akzent nach der letzten halben Stunde mit mir schon wieder ein bisschen in Richtung Südwesten bewegt. »Geh nicht nachts alleine joggen oder tue sonst irgendetwas … Leichtsinniges.«
Leichtsinnig. So wie das, was ich vor zwei Wochen gemacht habe? Meine Wangen glühen vor Zorn und Reue. Ich war total gedankenlos. Unvorsichtig.
Aber das sage ich nicht. Stattdessen schlucke ich meine Erwiderungen mit den letzten Bissen von Pollys Johannisbeer-Scone hinunter. Eindeutig: zu süß.
Meine Teetasse ist noch halb voll, als Cate mich in den Unterarm knufft. »Jetzt richte dich erst mal ein. Spence hat inzwischen bestimmt deine Koffer aufs Zimmer gebracht.« Sie steht auf und macht mir ein Zeichen, ihr in die Diele und die ausladende Treppe hinauf zu folgen.
Im ersten Stockwerk des Owl & Crow sind acht Gästezimmer untergebracht. Cate hat erzählt, dass alle belegt sind, aber jetzt im Moment sind auf dem getäfelten Korridor nur ein paar Wandleuchter zu sehen. Große goldene Vogelschwingen flankieren die Halterungen.
Wir bleiben vor einer breiten Tür ohne Nummer stehen, an der ein Keypad angebracht ist. »Hier ist der Aufgang zu unserer privaten Wohnung. Der Türcode ist unsere alte Postleitzahl in Miami.« Cates Gesichtszüge werden weich vor Nostalgie. Als ihre Eltern aus Venezuela nach Miami zogen, verbrachte Cate so viel Zeit mit Mami bei Abuela, dass es ihr zweites Zuhause wurde. Pilar und ich haben sie nie Großcousine genannt. Sie wird immer unsere Tía sein.
Sie bedeutet mir, die fünf Zahlen einzugeben, die ich so gut kenne. Mit einem Piepen und einem Klick öffnet sich die Tür zu einer weiteren Treppe mit gedrechseltem Holzgeländer.
Die Stufen führen uns in einen weitläufigen, loftartigen Raum. Cate deutet auf einen der Korridore. »Da hinten haben Spence und ich unsere Zimmer.« Dann dreht sie sich um und führt mich durch das Wohnzimmer hindurch zu den gegenüberliegenden Räumen. »Auf dieser Seite sind dein Gästezimmer, ein Bad und Gordons Zimmer. Er ist gerade mit einer Lerngruppe in der Bücherei.«
Ich erinnere mich dunkel, gehört zu haben, dass die Schulprüfungen sich hier bis in den Sommer hinziehen. »Ich fasse es nicht, dass Gordon sechzehn ist.«
Sie grinst. »Und so hochgeschossen, dass du ihn kaum wiedererkennen wirst. Als ihr euch das letzte Mal gesehen habt, muss er etwa zwölf Jahre alt gewesen sein. Kurz vor unserer Key-West-Reise.«
»Ja, er ist in La Paloma immer total gern in der Küche herumgerannt, während du und Mami auf der Terrasse Cafecito getrunken habt.« Mein dunkles Haar fällt mir ins Gesicht, es riecht nach Flugzeug. Ich kämme es mit den Fingern zurück. »Und er hat jedes Mal versucht, eine Empanada zu stibitzen, wenn Abuela ein Blech aus dem Ofen geholt hat. Sie hat immer wieder mit ihrem Geschirrtuch nach ihm ausgeholt, aber das hat ihn nicht davon abgehalten.«
Die aufblitzenden Erinnerungen brennen wie ein Gummiband, das einem gegen die Finger schnellt.
Ich wende den Blick ab, bis Cate eine Hand auf meine Schulter legt. Sie öffnet eine getäfelte Tür und deutet hinein. »Hier ist es. Du weißt ja, wo du mich findest. Abendessen gibt es um sieben.«
Dann stehe ich allein in dem Zimmer, das für die nächsten fünfundachtzig Tage mir gehören soll. Es hat doch tatsächlich ein Himmelbett. Nicht irgendeine Ikea-Anfertigung, sondern ein authentisches Teil, das in die Regency-Ära gepasst hätte. Ich lasse meine Tasche fallen und streiche mit den Fingern über die Kirschholzmaserung. Wie alles in diesem Inn fühlt es sich alt an.
Spencer hat meine Koffer neben eine Sitzbank mit grauem Samtpolster gestellt. Ich sehe mich um – eine Kommode mit Fernseher, ein kleines Sofa mit grauem Blumenmuster, ein Schreibtisch. An einer Seite ist ein großes Sprossenfenster, durch das jetzt das dämmerige Licht von der Straße fällt. Die andere Außenwand hat ein breiteres Fenster, aber mit einem Schiebemechanismus. Ich ziehe die cremefarbenen Seidenvorhänge zur Seite. Der Rahmen des Fensters gibt ein übernatürliches Jaulen von sich, als ich es nach oben schiebe und meinen Oberkörper hindurchquetsche. Wenn ich mich über den Fenstersims beuge, kann ich über die Baumwipfel in einen kleinen ummauerten Kirchhof gucken, der an meine Seite des Gasthauses grenzt. Meine Augen haben Schwierigkeiten, sich umzustellen, von Palmen und pfirsichfarbenem Stuck zu verwitterten Backsteinmauern und Kirchen mit Türmen – wie diese winzige steinerne Pfarrkirche nebenan.
Mein neues Zimmer ist wunderschön. Und trotzdem will eine Hälfte von mir mit den Fäusten gegen die Wand trommeln und die animalischen Laute ausstoßen, die schon den ganzen Tag durch meinen Kopf hallen. Eigentlich schon den ganzen März und April und Mai. Und meine andere Hälfte will sich trotzdem am liebsten unter der weichen Daunendecke verkriechen.
Ich begnüge mich damit, meine Koffer neben die Tür zu rollen. Ich bin noch nicht bereit, mich in meiner neuen Realität einzurichten. Ich stelle meine große Umhängetasche auf das Bett und öffne den Reißverschluss. Miami ist darin. Spuren...
Erscheint lt. Verlag | 17.4.2024 |
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Übersetzer | Mareike Weber |
Zusatzinfo | Mit fgb. Klappen |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | A Cuban Girl’s Guide to Tea and Tomorrow |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2024 • ab 14 • a cuban girls guide to tea and tomorrow deutsch • Buch zum Film • Coming of Age • Cosy Romance • eBooks • Emiko Jean • Filmbuch • heartstopper • Jenny Han • Jugendbuch • Jugendbücher • kit connor • Liebesgeschichte • Liebesromane • lynn painter • maia reficco • Neuerscheinung • New-York-Times-Bestseller • Pubertät • Reese's Bookclub • Reese Witherspoon • Romance • romantisch • romcom • Slow Burn • Sommerroman • #spicysummer • tokio ever after • Verfilmung • Verlust • wholesome romance • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-30887-9 / 3641308879 |
ISBN-13 | 978-3-641-30887-2 / 9783641308872 |
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