Climate Action (eBook)

Du allein entscheidest, wie weit du gehst! | Interaktiver Jugendroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-62205-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Climate Action -  Christian Linker
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Interaktiver Roman aus der Ich-Perspektive (Spielbuch) zu ethischen und moralischen Fragen rund um den Klimaschutz - Das perfekte Geschenk für alle, denen der Klimaschutz am Herzen liegt (ab 12 Jahren)  - Spannend und am Puls der Zeit - Christian Linker ist Spezialist für aktuelle Themen im JugendbuchWie weit darf der Einsatz für eine bessere Welt gehen? Ein Mädchen flüchtet aus dem Bus und rempelt dich an. Erst zu Hause merkst Du, dass sie etwas in deine Tasche geschmuggelt hat. Ein Tagebuch - mit höchst brisantem Inhalt. Du kannst nicht anders, du fängst an zu lesen. Die Geschichte von drei Jugendlichen, die zu Klimaaktivist:innen werden, nimmt dich sofort gefangen. Auch du findest ja, dass sich endlich was ändern muss, um das Klima zu retten. Pauline, Sadiq und Vic reden nicht bloß, sie unternehmen was. Auch Sachen, die eigentlich verboten sind. Du hast nun das Tagebuch und damit das Schicksal der Gruppe in der Hand und kannst bestimmen, wie weit ihr gehen werdet. Doch mit jeder deiner Entscheidungen musst du dann auch leben ... 

Christian Linker, geboren 1975, studierte Theologie und war beruflich in der Kinder- und Jugendpolitik unterwegs, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine vielfach ausgezeichneten Kinderbücher und Jugendromane bergen politische Brisanz oder magische Fantasie - manchmal auch beides zugleich.

1. Oktober (Samstag)

Das war krass gestern. Echt.

Ich denke an Vics Taschenmesser.

Und an Sadiqs Taschenmesser.

Und an die Strichmännchenfamilie, in deren Leben wir eingegriffen haben.

Und an die Frage, ob ich ein Freak bin.

Darum hab ich mich entschieden, ein neues Tagebuch anzufangen. Das alte war zwar noch nicht voll, aber irgendwie passt es jetzt nicht mehr. Wie eine Reithose, die mir zu kurz geworden ist – ich bin quasi rausgewachsen.

Etwas total Neues hat in meinem Leben angefangen, und darum beginne ich dieses neue Tagebuch. Es soll mich begleiten, bis ich rauskriege, wohin mich dieses Neue führt.

Dazu schreibe ich es.

Und damit ich, wenn ich mal alt bin, meine Gedanken von damals – also das heißt: von heute – nachvollziehen kann. Vielleicht bin ich dann eine ganz normale Erwachsene und arbeite in einer Bank oder so und lache nur noch darüber, wie naiv ich mit 16 war. Oder ich lebe mit einer neuen Identität in einem anderen Land, wo ich untertauchen musste, weil in Deutschland überall Fahndungsplakate mit meinem Gesicht und meinem Namen hängen.

Klingt verrückt, aber irgendwie hab ich gerade das Gefühl, dass alles möglich ist. Wirklich alles.

Wann fing das eigentlich an? An dem Tag, an dem Vic auf unsere Schule kam?

Nein, früher. Mit unserer ersten halbkriminellen Aktion, dieser Reifensache.

Oder eigentlich noch früher. Noch vor den Sommerferien, im Juni. Eigentlich begann es mit dem Referat, das Sadiq und ich gehalten haben, ein Referat im Fach PP (das steht für »Praktische Philosophie« – nur für den Fall, dass mein 40- oder 50-jähriges Ich sich an solche Kleinigkeiten nicht mehr erinnern kann ... Ich hatte nämlich Religion abgewählt, und Sadiq hatte eh immer schon PP belegt, weil es an unserer Schule keinen islamischen Reli-Unterricht gibt.)

Jedenfalls – das Thema unseres Referats hieß: »Radikaler Klimaprotest: Ziviler Ungehorsam oder einfach nur kriminell?«

Dazu muss man wissen, dass erstens in PP andauernd Referate gehalten werden, als könnte sich der Gusenhöfer nicht selber was zum Unterrichten ausdenken, sondern würde immer nur uns Schüler*innen die Arbeit machen lassen. Und zweitens, dass jedes Referatsthema das Wort »oder« im Titel trägt, wirklich jedes.

»Abtreibung: Menschenrecht oder Kindesmord?«

»Social Media: Fluch oder Segen?«

Und so weiter ...

Klar, es geht darum, immer zwei Seiten zu beleuchten und sich eine Meinung zum Thema zu bilden. Wobei ich, ehrlich gesagt, erst mal Sadiq beleuchten und mir eine Meinung zu ihm bilden musste. Ich hab ihn bis dahin nur vom Sehen gekannt, ein Typ aus der Parallelklasse halt, der in den Pausen Fußball spielt (ziemlich gut, soweit ich das beurteilen kann) und ansonsten immer seine AirPods drin und keinen Bock auf Gespräche hat. Die Zweierteams für die Referate waren ausgelost worden.

Wir haben uns also an einem Nachmittag in die Bibliothek gehockt und recherchiert. Wie man das halt so macht – Sachen aus Wikipedia rauskopiert, ohne groß drüber nachzudenken. Aber weil wir ja auch eine Präsentation machen sollten, brauchten wir noch ein paar gute Bilder. Sadiq fand ein Foto, das eine Autobahn zeigt. Die Autos stehen auf drei Fahrspuren dicht an dicht im Stau und ganz vorn, vor der ersten Reihe, stehen und sitzen und liegen Leute auf dem Asphalt. Einige halten ein großes Transparent quer über die Autobahn, darauf steht: LETZTE GENERATION. Über die, die da sitzen oder liegen, beugen sich Polizist*innen mit Mundschutz, sie reiben mit irgendwelchen Chemikalien an den Leuten herum. Denn die, das geht aus der Bildbeschreibung hervor, haben sich mit irgendeinem Ultrasuperkleber auf dem Fahrbahnbelag festgeklebt. Man sieht sie in Großaufnahme und im Hintergrund etwas verschwommen die Autofahrer*innen, die ausgestiegen sind und ziemlich wütend in Richtung dieser Aktivist*innen gestikulieren.

Ich fand das irgendwie witzig, also diese Automenschen, wie die sich aufregen.

Aber Sadiq meinte, er könnte das voll verstehen, dass sie so sauer sind, denn vielleicht müssen die dringend wohin, haben wichtige Termine oder wollen ihre Kinder vom Sport abholen, und jetzt hängen die da fest, weil so Idioten die Autobahn blockieren.

Und ich meinte, na ja, die könnten ja zu ihren wichtigen Terminen auch mit dem Zug fahren, und die Kinder könnten das Fahrrad nehmen oder den Bus.

Da lachte Sadiq bloß. Und ich dachte, der erklärt mir jetzt, wie unpünktlich die böse Bahn immer ist oder dass die ja vielleicht in einem einsamen Dorf wohnen, wo gar keine Busse fahren. Aber Sadiq tippte bloß mit dem Finger gegen den Bildschirm. »Wenn du so eine geile Karre hast«, sagte er, er meinte ein besonders fettes, protziges Auto, »dann nimmst du nicht die Bahn.«

»Was ist denn das für ein bescheuertes Argument?«, hab ich ihn gefragt.

Und er so: »Das ist gar kein Argument, die Karre ist einfach nur geil.«

Und ich so: »Wenn sich hier mal alles in eine Wüste verwandelt hat, wegen der scheiß Erderwärmung, und nirgends mehr ein Baum steht, dann hast du auch nichts mehr von einer geilen Karre.«

Aber er so: »Die hat doch Klimaanlage.« Und er grinste mich an.

Das machte mich voll wütend, dieses arrogante Grinsen von dem.

Ich so: »Und wenn der Meeresspiegel steigt und immer wieder Flutkatastrophen kommen und alles weggespült wird, was machst du dann mit deiner geilen Karre?«

Da hat Sadiq mich bloß eine Weile sehr intensiv einfach nur angeguckt. Und dann hat er mich gefragt: »Warst du schon mal in der Wüste? Oder auf dem Meer?«

»Nee«, hab ich gesagt.

Denn ich war ja wirklich noch nie in der Wüste gewesen. Und auch nicht so richtig auf dem Meer. Also das mit der Fähre nach England zählt nicht, das fühlte sich eher so an wie in einem schwimmenden Kaufhaus als wie auf dem Meer. Aber das hab ich alles nicht gesagt, ich hab nur intensiv zurückgeguckt, weil ich mir plötzlich vorstellen musste, wie er zu Fuß durch die Wüste wandert, einen Koffer in der Hand, oder wie er mit hundert anderen Leuten in einem überfüllten Schlauchboot sitzt, das von den Wellen hin und her geworfen wird. Ich wusste ja gar nichts über ihn, also damals noch nicht, aber irgendwer hat mal irgendwem erzählt, dass Sadiq aus einem Flüchtlingsheim käme, und da fielen mir gleich die krassesten Sachen ein.

Ich hätte eigentlich gern gefragt: Und du?

Aber ich hab mich nicht getraut, weil ich Angst hatte, ich würde vielleicht irgendwas aufwühlen in ihm, was er gar nicht will. Oder andersrum – dass er mir was erzählt, das ich gar nicht hören möchte, wenn ich ehrlich bin.

Also haben wir uns einen Moment lang angeschwiegen. Und das hat sich komischerweise total schön ganz okay angefühlt, gar nicht peinlich oder so.

Und dann hat er irgendwann mit den Schultern gezuckt und meinte so: »Na ja, egal, ich werd mir eh niemals so eine Karre leisten können. Und du hast natürlich recht, mit der Erderwärmung und so weiter. Und eigentlich finde ich das auch mutig, was diese Leute da tun. Also klar, sie müssen keine Angst haben, dass sie getötet oder gefoltert werden, vielleicht kommen sie nicht mal in den Knast deswegen, aber sie werden trotzdem fetten Ärger kriegen. Und anscheinend ist es denen das wert. Schön für die.«

Das sagt man ja sonst eigentlich ironisch. »Schön für die.« Also so abwertend. Aber er meinte das nicht abwertend, sondern er guckte ganz ernst.

Und da hab ich so gedacht: ja, wirklich schön für die. Die haben was, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und das machen die einfach, ganz egal, was sie dabei riskieren. Ich hätte da gerne noch mehr mit Sadiq drüber gesprochen, aber ich konnte meine Gedanken gar nicht in Worte fassen, und da hat er auch schon auf die Uhr geguckt und meinte so, wir müssten jetzt echt mal weitermachen, weil, er hätte nachher noch Training.

Wir haben uns also beeilt und noch ein paar gute Bilder in die Präsentation kopiert. Bilder von Leuten, die Kunstwerke mit Essen bewerfen oder die auf Kühltürme von Kraftwerken klettern oder die sich von Autobahnbrücken abseilen oder die auf Bäumen kampieren ... Insgesamt muss man wohl gut klettern können, so als Aktivist*in, dachte ich, aber da gab es auch einen Bericht über eine ganz harmlose Aktion: Eine Gruppe, sie nennen sich »Tyre Extinguishers«, lassen bei SUVs die Luft aus einem Reifen. Und stecken einen selbst gebastelten Strafzettel hinter die Windschutzscheibe, so nach dem Motto: Ihr Riesenauto macht nicht nur das Klima kaputt, es ist auch eine tödliche Gefahr für alle anderen im Straßenverkehr und raubt außerdem extrem viel Platz in einer Stadt.

»Sollen wir das überhaupt erwähnen?Oder lieber nicht?«, überlegte ich.

»Warum denn nicht?«, fragte Sadiq.

»Weil das so harmlos ist im Vergleich zu den anderen Aktionen«, sagte ich.

»So harmlos nun auch wieder nicht«, meinte er.

Und ich so: »Ja, ich versteh schon, du liebst diese Autos.«

Da hat er wieder gegrinst und so den Kopf schräg gelegt und gemeint: »Wusstest du, dass der Gusenhöfer auch so...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Aktivismus • Aktivist • Engagement • Extinction Rebellion • Fast Fashion • Freundschaft • Gruppe • Jugendbuch • Jugendroman • Klimaaktivist • Klimakrise • Klimaprotest • Klimaschutz • Klimawandel • Kriminell • letzte Generation • Protest • Spielbuch • Umweltschutz
ISBN-10 3-522-62205-7 / 3522622057
ISBN-13 978-3-522-62205-9 / 9783522622059
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