Der Druide von Mistle End 2: Der Zorn der Götter (eBook)
400 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-61136-7 (ISBN)
Benedict Mirow wurde 1974 in München geboren. Der Ethnologe und Regisseur schreibt, dreht und produziert seit vielen Jahren Dokumentarfilme aus den Bereichen Kunst und Kultur und erstellt Filmporträts über Künstler wie Daniel Hope, Lang Lang oder Paulo Coelho. Er konnte mit seinen Filmen zahlreiche internationale Preise gewinnen, wie u.a. einen Diapason d'Or, einen International Classical Music Award und einen KLASSIK ECHO; am Erfolg des OSCAR® Gewinners Nirgendwo in Afrika von Caroline Link war er als Ethnologischer Berater maßgeblich beteiligt. Nach Zeiten in Afrika und Wien lebt und arbeitet Benedict Mirow nun mit seiner Tochter und zwei Katzen in München und schreibt phantastische Romane für Kinder. Max Meinzold, geboren 1987, ist freischaffender Grafikdesigner und Illustrator. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und der Kinder- und Jugendliteratur. Für seine moderne, innovative Buchgestaltung wurde er bereits für zahlreiche Preise nominiert. Er lebt und arbeitet in München.
Kapitel 1
Die goldene Schlange
Der Mann sprang aus der Dunkelheit, ein teuflisches Grinsen auf den Lippen, und schleuderte die Schlange in ihre Richtung.
»Emily, hinter dir!«
Die junge Gestaltwandlerin war schnell, doch das etwa armlange, goldene Artefakt erwischte sie an der Schulter, bevor sie sich zu Boden fallen lassen konnte. Und noch ehe sie, Cedrik oder Elliot reagieren konnten, rammte das magische Reptil seine metallenen Fangzähne in Emilys Oberarm. Sie schrie vor Schmerz. Vor Entsetzen. Cedrik konnte sehen, wie schwarzes Gift aus dem Maul der Schlange spritzte, als Emily das Biest endlich zu packen bekam und von sich schleuderte.
»SÌOC!« Elliot warf eine klirrende Eislanze in Richtung des Mannes, der sich nach dem Wurf der Schlange sofort wieder in die Schatten der verwinkelten Gasse zurückgezogen hatte. Doch die Sonne stand tief und blendete den Hexenmeister, es war unmöglich zu zielen. Und tatsächlich konnten sie hören, wie der Zauber irgendwo im Dunkeln an einer Wand knirschend zerbrach. Elliot hatte den Angreifer verfehlt.
Cedrik konnte Emilys Schmerz spüren und biss sich heftig auf die Lippen, während er keuchend versuchte, einer riesigen Gottesanbeterin aus Gold auszuweichen, die seltsam schnarrend und mit ausgestreckten, stachelbewehrten Fangarmen in seine Richtung flatterte. Verdammte Artefakte!
Ihr Plan war gründlich schiefgegangen. Dabei hatte alles so gut angefangen, als sie vor weniger als einer Stunde das Antiquariat des Dopplings betreten hatten. Sie hielten es für ein gutes Zeichen, dass die Tür, über welcher der vergoldete Schriftzug Tywyll & Tywyll – Bücher & mehr seit 1813 baumelte, offen gestanden hatte. Keines der zahlreichen Schlösser war verriegelt und auch die Kamera, die beim letzten Mal surrend jede ihrer Bewegungen verfolgt hatte, schien blind geworden zu sein. Nichts hatte auf die Anwesenheit der Eigentümer hingewiesen. Sie hatten den kleinen Verkaufsraum mit dem schweren Schreibtisch und den unzähligen Büchern durchquert und niemand hatte sie aufgehalten, als sie die massive Eisentür zum Archiv des Dopplings geöffnet hatten. Erst als sie vor der Vitrine mit den verzauberten Fabelwesen gestanden hatten, hatte Cedrik das Gefühl beschlichen, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass sie einen Fehler machten. Dass sie in eine Falle gelaufen waren.
Emily hatte gerade einen kleinen, versilberten Pegasus aus seinem gläsernen Gefängnis gehoben, als sie angegriffen wurden. Von zwei Seiten gleichzeitig, was allerdings zu erwarten gewesen war, wenn man, wie Tywyll & Tywyll, die seltene Gabe besaß, in zwei Körpern gleichzeitig zu leben. Er war ein Doppling. Er besaß einen Geist, aber zwei Körper. Er war so wütend gewesen! Hatte sie beschimpft und schließlich mit den ägyptisch anmutenden Amuletten und Schmuckstücken beworfen. Verzauberte Artefakte aus Metall, die – kaum hatten sie seine Hand verlassen – lebendig wurden und sich auf sie stürzten: Goldene Käfer, riesige Heuschrecken, mechanische Skorpione, und auch eine Spinne aus goldenem Draht hatten sie mit solcher Heftigkeit attackiert, dass ihnen nichts anderes übrig geblieben war, als die Beine in die Hand zu nehmen und so schnell wie möglich den Laden zu verlassen. Die Schlange zischte bösartig und schlängelte auf sie zu.
Verfluchtes Biest, dachte Cedrik und sprang nach vorne, um Emily aufzuhelfen.
Die magischen Artefakte waren anders als die silbernen Figuren, die sie eigentlich hatten befreien wollen. Sie hatten es sich gegenseitig versprochen, den seltenen Fabelwesen, die der schreckliche Doppling in kleine, silberne Statuen verwandelt hatte, die Freiheit zu schenken – koste es, was es wolle! Doch nun hatte der Fiesling sie erwischt und seine Armee von magischen Monstern auf sie gehetzt. Sie konnten von Glück reden, dass sie unverletzt geblieben waren.
Bis jetzt, korrigierte sich Cedrik.
Emily stöhnte und kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen.
»Ihr Diebe!«, schrie der Doppling irgendwo in der Dunkelheit, wie ein Echo hörten sie seine Worte von beiden Seiten.
»Ihr Halunken!«
»Bestehlen …«
»… wolltet ihr mich!«
»Berauben!«
»Aber nicht …«
»… mit mir!«
»Mit mir …«
»… nicht!«
Der Doppling, der sich als Zwilling ausgab und unter dem Namen Tywyll & Tywyll nicht nur uralte Bücher sammelte, sondern auch magische Artefakte und eben jene unglücklichen Figuren der seltenen Fabelwesen, schleuderte eine goldene Libelle Richtung Elliot, die dieser in letzter Sekunde mit einem Schwung seines Besens aus der Luft peitschte.
»Cedrik! Mach mal was!«, rief der Hexenmeister nervös, als er schon wieder herumwirbelte, um Emily zu stützen, die mit schmerzverzerrtem Gesicht erneut in die Knie gebrochen war.
Cedrik sah sich um. Sie waren nach dem Erscheinen des Dopplings sofort nach draußen gelaufen, zurück in die Gasse, aber hier gab es nichts, was er als Druide einsetzen konnte, um den magischen Doppelgänger und seine eklige Armee von Artefakten zu bekämpfen. Kein Baum, kein Efeu, keine Pflanze, die stark genug war, um es mit einem Menschen, nein, mit zwei Menschen gleichzeitig aufzunehmen. Und er bezweifelte, dass er die komischen Artefakte bitten konnte, den Angriff einzustellen. Das waren verzauberte Maschinen! Mit echten Lebewesen hätte er es probieren können, aber so?! Er kam sich so hilflos vor.
»Ich kann nicht, Elliot!«, rief er wütend, vor allem auf sich selbst. »Du! Du musst ihn mit einem Zauber … aaah!« Er erschrak, als ihm klar wurde, wie knapp er dem Biss der goldenen Spinne entkommen war, die eben über das Kopfsteinpflaster auf ihn zu geschnellt war. Er machte einen Satz über das Wesen und konnte Emily gerade noch auffangen, als Elliot sie loslassen musste, um mit seinem Besen einen goldenen Mistkäfer von seinem Schienbein zu fegen.
Erde! Cedrik brauchte Kontakt zum Erdreich, um sie zu heilen. »Ich kümmere mich um sie, sieh zu, dass du …«
»Oh nein!«, unterbrach ihn Elliot. »Nicht die auch noch!«
Die Panik in der Stimme seines Freundes ließ Cedrik aufschrecken. Auch er erkannte die Frau, die hinter ihnen aus dem Laden gestürmt kam, sofort. Sie war es gewesen, die Aissa und das Einhorn in genau die Art kleiner Statuen verwandelt hatte, die sie eben hatten befreien wollen. Wunderschön war sie und dabei gefährlich wie kaum ein anderes Wesen, das Cedrik kannte. Ein Blick durch einen Spiegel reichte, und schon hatte sie einen in eine der silbernen Figuren verwandelt. Gerade klein genug, um von dem verrückten Sammler in der gläsernen Vitrine aufbewahrt zu werden. Ihre Gabe, wenn man das überhaupt so nennen wollte, verdankte die Frau der Tatsache, dass sie eine Nachfahrin der Gorgonen war. Eine moderne Medusa! Sie kramte hektisch in ihrer Handtasche, in der sie nach nichts anderem als ihrem Spiegel suchen konnte.
Der Doppling hatte sich inzwischen an beiden Enden der schmalen Gasse positioniert und ihnen so geschickt jegliche Fluchtmöglichkeit genommen. Sie saßen in der Falle.
Die beiden Tywylls kicherten.
»Jetzt …«
»… hab ich euch!«
»Jetzt …«
»… seid ihr dran!«
»Kannst du dich verwandeln?«, fragte Elliot seine Schwester mit krächzender Stimme. »Wir müssen hier weg!«
Emily stieß ein verzweifeltes Wimmern aus. »Ich weiß es nicht … es tut so weh!« Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Aber du … Elliot! Du … musst mit Cedrik auf dem Besen …«
»Und dich hier zurücklassen?«, rief Elliot empört. »Was für eine bescheuerte Idee! Wir bleiben zusammen! Stimmt doch, Cedrik, oder? Cedrik?!«
Er spürte mehr, als dass er sah, wie die Gorgone erstarrte. Sie hatte mitten in der Bewegung innegehalten und schaute ihn überrascht an. Die eine Hand noch immer in der Handtasche versenkt, fixierte sie den jungen Druiden mit ihren dunklen, mandelförmigen Augen. Still und unbewegt. Und auf einmal schien sie ihn zu erkennen.
»Was ist …«
»… denn? Los, nun greif …«
»… sie schon an!«, schnarrte der Doppling ungeduldig.
»Cedrik?« Die Stimme der Gorgone klang sanft und fast schon liebevoll.
Und obwohl er wusste, dass er sich fürchten sollte vor dieser Stimme, die so weich und freundlich klang, die verführte und betörte, wurde ihm mit einem Mal klar, dass zumindest heute keine Gefahr von der mächtigen Zauberin ausgehen würde. Er nickte.
Und die Gorgone lächelte, nur kurz. Dann wirbelte sie herum und packte den einen Doppling, der ihr am nächsten stand, am Handgelenk.
»He!«
»Hoppla!«
»Was …«
»… soll das!«
»Wieso …«
»… tust du das?!«
Der Doppling schien völlig verwirrt.
Die Gorgone drehte ihm mit einer einzigen, schwungvollen Bewegung den Arm auf den Rücken und presste ihn an die Hauswand....
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2024 |
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Reihe/Serie | Der Druide von Mistle End | Der Druide von Mistle End |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Elfen • Fabelwesen • Fantasy • Fantasywelt • Freundschaft • Gefahr • Gestaltwandler • Götter • Hexen • Highlands • Kinderbücher ab 10 • Magie • Riesen • Schmökern • Schottland • Spannung • Tiere • Übernatürlich • Weltenschlange • Winter |
ISBN-10 | 3-522-61136-5 / 3522611365 |
ISBN-13 | 978-3-522-61136-7 / 9783522611367 |
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