Indigo Grey - Das Geheimnis der fliegenden Insel (eBook)
304 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0557-5 (ISBN)
Ruth Lauren hat früher als Lehrerin gearbeitet, aber ihren Beruf inzwischen aufgegeben, um nur noch das zu tun, was sie am liebsten macht: schreiben. Ruth mag außerdem Waldspaziergänge, Käse, Orchideen und Kinofilme, und sie liest so viele Bücher wie möglich. Sie lebt mit ihrem Partner, vielen Kindern und Katzen in einem viktorianischen Haus in den West Midlands in England.
Ruth Lauren hat früher als Lehrerin gearbeitet, aber ihren Beruf inzwischen aufgegeben, um nur noch das zu tun, was sie am liebsten macht: schreiben. Ruth mag außerdem Waldspaziergänge, Käse, Orchideen und Kinofilme, und sie liest so viele Bücher wie möglich. Sie lebt mit ihrem Partner, vielen Kindern und Katzen in einem viktorianischen Haus in den West Midlands in England.
Kapitel 1
Professor Aladeus war selbst schuld, dass Indigo ihm hinterherspionierte. Hätte er ihr nicht diesen seltsamen Blick zugeworfen, als er am Musiksaal vorbei und in die Untiefen der Universität geeilt war, würde sie jetzt nicht durch einen besonders engen Teil des Dazwischen-Raums zu seinem Büro kriechen.
Auf den Dazwischen-Raum war sie durch Zufall gestoßen, als sie einmal fast in einem der (streng verbotenen) Ausstellungsräume des Universitätsmuseums ertappt worden wäre. Sie hatte sich in einem Sarkophag versteckt, der zwar glücklicherweise leer war; allerdings, wie ihr schnell klar wurde, überhaupt kein Sarkophag war – oder zumindest nicht nur. Sie war durch ihn hindurch direkt in den Dazwischen-Raum gepurzelt und hatte entdeckt, dass die staubigen Gänge und vergessenen Flure ihres Zuhauses in den Wänden versteckt ein Abbild besaßen. Und diese Entdeckung hatte sich seither als überaus nützlich erwiesen.
Das Magische, das dem Dazwischen-Raum irgendwie anhaftete, interessierte Indigo jedoch wenig, als sie nun ihr Ziel erreichte. Sie zwängte sich in das modrige Verschwindekabinett direkt neben dem Büro des Professors. Für eine Zwölfjährige war es ziemlich eng, aber von so einer Kleinigkeit wie Körpergröße ließ sich Indigo nicht aufhalten.
Professor Aladeus war schon da. Er tigerte im Raum auf und ab, und er war nicht allein.
»Der Kontakt ist vollständig abgebrochen?« Professor Schwarma, der Geographie-Professor, war viel jünger, viel größer und viel nervöser als Professor Aladeus.
»Schon eine ganze Woche lang«, erwiderte Professor Aladeus. »Einfach in Luft aufgelöst.« Seine laute, klare Stimme drang problemlos ins Versteck und an Indigos scharfe Ohren.
Indigo war mitten ins Gespräch geplatzt und wusste daher nicht, wer oder was sich da in Luft aufgelöst hatte. Ein Ärgernis, doch das war dem Professor kaum vorzuwerfen, schließlich war sie zu dieser Diskussion streng genommen gar nicht eingeladen worden.
»Und … gibt es eine Rettungsmission?« Professor Schwarma klang besorgt.
Nach einer kurzen Pause folgte die knappe Antwort: »Und wohin sollten wir den Trupp Ihrer Meinung nach schicken?«
Professor Aladeus tigerte erneut los und verschwand aus Indigos schlüssellochförmigem Blickfeld, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als Professor Schwarma zu betrachten. Seine Robe wallte um seine dürre, vogelscheuchenartige Gestalt, und seine dicken schwarzen Augenbrauen saßen wie gewöhnlich ängstlich hochgezogen auf seiner Stirn. Der junge Professor rang die Hände. »Aber was machen wir denn jetzt? Wir müssen doch etwas tun.«
Inzwischen war Indigo mehr als neugierig, wer oder was verschwunden war, und sie konnte es kaum erwarten, es herauszufinden. Im Kopf ging sie all die Dinge durch, die sie in letzter Zeit aus der Universität stibitzt und einem neuen Zweck zugeführt hatte (zuletzt ein gläserner Briefbeschwerer, in dem eine Pusteblume eingeschlossen war – sie wollte unbedingt herausfinden, wie die Blume dort hineingekommen war).
»Überspannen Sie den Bogen nicht, Professor Schwarma«, bellte Aladeus. Sein Tonfall riss Indigo aus ihren Gedanken. Eine Woge der Verbundenheit und des Mitgefühls für Professor Schwarma überrollte sie. Öfter, als ihr lieb war, hatte sie wie er Aladeus’ eiskalte Verachtung zu spüren bekommen.
»Persephone ist ohne Frage eine wertvolle Mitarbeiterin der Pellavere-Universität, niemand weiß das besser als ich. Aber es ist einfach zwecklos, ihr jemanden hinterherzuschicken. Wir haben keinen blassen Schimmer, wo sie sich zuletzt aufgehalten hat.«
Bevor sie es verhindern konnte, schnappte Indigo geräuschvoll nach Luft. Schnell hielt sie den Atem an, aber die Professoren hatten nichts bemerkt. Sie sprachen weiter, doch Indigo konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihre Aufmerksamkeit war dahin. Persephone war verschwunden? Ein seltsames Kribbeln breitete sich in Indigos Körper aus. Ihre Mutter. Ihre Mutter, die sich auf einer archäologischen Grabung für das Museum der Universität befunden hatte, war verschwunden?
Langsam ließ sie ihren Atem entweichen, dann presste sie ein weit aufgerissenes Auge vor das Schlüsselloch und spitzte die Ohren. Professor Aladeus’ Stimme hatte einen freundlicheren Tonfall angenommen. »Wäre das alles doch nur bei einer von Persephones gewöhnlichen Missionen passiert … ist es aber nicht. Das ist natürlich bedauerlich, aber wir können nichts tun.«
»Sie haben gewiss recht«, stimmte Professor Schwarma ihm etwas zögerlich zu. »Vermutlich spielt es keine Rolle, was sie gesucht hat. Aber vielleicht eben doch, wenn man bedenkt, wie … heikel das Unterfangen war. Ich meine, gab es jemals überhaupt irgendeine Quelle? Ich für meinen Teil hatte da ja schon immer meine Zweifel.«
Indigo wünschte, der Professor würde sich klarer ausdrücken und seine Sätze beenden. Angestrengt lauschte sie auf die Antwort.
Professor Aladeus gab einen zustimmenden Laut von sich. Wieder hielt Indigo die Luft an. Zwar wusste sie nicht genau, wovon die Männer redeten, aber Persephone arbeitete bereits seit Indigos Geburt für die Universität. Stets hatte sie wertvolle Artefakte aufgespürt. Das war ihre Aufgabe. Ihre einzige Aufgabe. Undenkbar, dass sie aus einem anderen Grund aufgebrochen war, und erst recht nicht, ohne ihrer Tochter ein Wort zu sagen.
Mit aller Kraft kämpfte Indigo gegen die aufsteigende Panik, die sie irgendwo in ihren Füßen spürte. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sie ein wichtiges Organ wie zum Beispiel den Magen erreichte.
»Vielleicht«, schlug Professor Schwarma vor, »hätte sie nie gehen dürfen?«
»Stimmt. Aber Persephone ist nicht aufzuhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat«, gab Professor Aladeus zurück. Und er sagte es, als sei es abscheulich, sich etwas in den Kopf zu setzen.
»Durchaus«, erwiderte Professor Schwarma. »Aber wenn es uns niemals gelingt, die Quelle aufzufüllen …« Er brach ab, rang die Hände und blinzelte mehrmals. Es schien, als warte er darauf, dass Professor Aladeus ihm die Lösung für sein geheimnisvolles Problem präsentierte. Da schien ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke zu kommen. »Was ist mit dem Kind?«
Indigo schob sich noch weiter nach vorne und gegen die Tür des Verschwindekabinetts.
Professor Aladeus setzte eine unangenehme Leidensmiene auf. Dann folgte eine Liste allgemeiner Beschwerden über Indigo, angefangen mit heimlichem Lauschen, was Indigo angesichts ihrer augenblicklichen Lage kaum bestreiten konnte, bis hin zu Maßlosigkeit beim Nachtisch, was Indigo vor Wut beben ließ.
»Ich verstehe«, meinte Professor Schwarma schwach, als Aladeus fertig war, »aber gewiss muss sie jemand in Kenntnis setzen über die neuen … Entwicklungen bezüglich ihrer Mutter?«
»Ja, ja«, sagte Professor Aladeus ungeduldig. »Ich kümmere mich darum. Vielleicht würde sich ihr Benehmen bessern, wenn sie auf dem Universitätsgelände arbeiten würde. Oder einen Posten beim Militär bekäme?«
Indigo blinzelte vor Entrüstung. Beides liefe darauf hinaus, dass man ihr Befehle erteilte, die sie zu befolgen hatte, und daran hatte Indigo nicht das geringste Interesse.
Aladeus warf einen Blick auf seine Taschenuhr und seufzte. »Am besten ich kümmere mich sofort um Indigo. Kommen Sie, Professor Schwarma.«
Professor Aladeus rauschte aus dem Zimmer und Professor Sharma beeilte sich, ihm zu folgen. Für einen Moment blieb Indigo ganz still sitzen und verdaute den Schock, dann schob sie die Rückwand des Kabinetts zur Seite, quetschte sich in den Dazwischen-Raum und krabbelte dorthin zurück, wo sie eigentlich die ganze Zeit hätte sein sollen.
Vor der Tür des Musiksaals verließ sie den Dazwischen-Raum durch eine große Bodenvase und platzte sogleich in das Zimmer, wo George bei ihrem Anblick ein erschrockenes Quietschen auf seinem Euphonium von sich gab.
Sie stürzte hinüber zum Cembalo und stimmte eine Version der Universitätshymne an – laut und begeistert zwar, aber nicht unbedingt fehlerfrei.
Indigo stellte genervt fest, dass während ihrer Abwesenheit Mai zu ihnen in den Musiksaal gestoßen war. George öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da schwang die Tür auf. Im Türrahmen stand Professor Aladeus mit bitterernster Miene und gerunzelter Stirn. Im Hintergrund trat Professor Schwarma nervös von einem Bein aufs andere.
Indigo blies sich die Locken aus dem Gesicht, setzte ihr Cembalo-Spiel fort und blätterte lässig ein Notenblatt um, um den Eindruck zu erwecken, dass sie völlig ins Spiel vertieft war. Erst als Professor Aladeus sich vernehmlich räusperte, brach sie ab.
Über den Rand seiner Brillengläser sah er sie an, die beeindruckenden Augenbrauen drohend gesenkt, und sie schaute mit haselnussbraunen Augen zurück.
»Du scheinst außer Atem zu sein, Indigo.«
»Ach, wirklich?«, entgegnete sie.
Seine Augenbrauen sanken gefährlich tief herab. »Auf ein Wort, wenn du dein Üben kurz unterbrechen könntest.«
Sein Tonfall klang, als wäre ein Gespräch mit ihr das Letzte, worauf er Lust hatte, und zugleich ließ er keinen Zweifel daran, dass in seinen Augen Indigos Bemühungen das Wort »Üben« nicht verdient hatten. Wie die Flügel eines Raben flatterte seine Robe, als er auf der Schwelle kehrtmachte. Indigo kletterte vom Hocker und folgte ihm.
Aber sie warf noch einen Blick zurück. Georges dunkle Augen waren vor Sorge um sie geweitet, in Mais intelligenten braunen Augen funkelten Neugier und Überheblichkeit. Zumindest blieb sie still und verpetzte Indigo nicht.
Hinter Mai an...
Erscheint lt. Verlag | 29.5.2024 |
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Reihe/Serie | »Indigo Grey«-Serie | »Indigo Grey«-Serie |
Illustrationen | Sharon King-Chai |
Übersetzer | Nadja Schuhmacher, Naemi Schuhmacher |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuergeschichten ab 9 • Abenteuergeschichten für 10-Jährige • Abenteuer-Reise • Abi Elphinstone • außergewöhnliche Heldin • Bücher für mutige Mädchen • Bücher Michael Ende • Bücher wie Abi Elphinstone • Bücher wie Chris Colfer • Bücher wie Tintenherz • Buch für Jungen Mädchen spannend lustig magisch • Chris Colfer • diversität kinderbücher • epische Welten • Familie • Fantasiegeschichten für Kinder • fantasievolles Kinderbuch • Fantasy für Kinder • Fantasy für Mädchen ab 10 • Fantasy für Mädchen ab 9 10 11 • Fantasygeschichte für Kinder • Freundschaft • Freundschaft Geschichte • Geschenk Buch Kinder ab 10 • Geschenk für Mädchen • Indiana Jones • Insel Abenteuer • kinderbuchreihe ab 9 • Land of stories • Magische Abenteuer • magische Artefakte • magische Bibliothek • Michael Ende • MOMO • Mut • mutige Mädchen • Piratin • Reise in magische Welten • tolles Kinderbuch für Mädchen • Vivienne To |
ISBN-10 | 3-7336-0557-8 / 3733605578 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0557-5 / 9783733605575 |
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