Liliane Susewind - Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (eBook)
208 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0777-7 (ISBN)
Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein.
Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein. Eva Schöffmann-Davidov, Jahrgang 1973, ist eine der renommiertesten Kinder- und Jugendbuchillustratorinnen Deutschlands. Nach ihrem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg machte sie sich in der Kinder- und Jugendliteratur schnell einen Namen und gewann im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Preise für ihre Gestaltungen. Als Fachhochschuldozentin gab sie ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an junge Künstler*innen weiter. Heute illustriert sie Kinderbuchserien und Jugendbücher unter anderem von Bestsellerautor*innen wie Kerstin Gier oder Tanya Stewner. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Augsburg.
Anders sein
»Angriff! Aufruhr! Alarm!«, bellte der kleine weiße Hund aus Leibeskräften und zerrte an der Leine. »Macht euch vom Acker, ihr Blödiane! Ihr geht mir voll auf den Senkel!«
Lilli, die neben ihrem Hund den Fußgängerweg entlangging, presste leise zwischen den Zähnen hervor: »Schon gut, Bonsai, du musst nicht bellen.« Doch innerlich gab sie dem winzigen Mischling vollkommen recht – diese Presseleute konnten einem extrem auf die Nerven gehen!
Lilli seufzte angestrengt. Seit ihre Mutter vor wenigen Wochen öffentlich erklärt hatte, dass ihre Tochter mit Tieren sprechen konnte und durch ihr Lachen Pflanzen zum Blühen brachte, war in Lillis Leben die Hölle los. Das Haus der Susewinds wurde seitdem ständig von Reportern und Fotografen belagert. Alle wollten einen Blick auf das Mädchen erhaschen, das momentan die absolute Sensation in den Schlagzeilen der Zeitungen war. Die ganze Welt schien wissen zu wollen, wie es möglich war, dass das unscheinbare Mädchen mit dem lustigen Namen Liliane Susewind etwas so Unglaubliches konnte, wie die Sprache der Tiere zu verstehen!
Kaum jemand zweifelte noch daran, dass Lillis Gaben echt waren, denn in den vergangenen Wochen hatten sich immer mehr Zeugen gemeldet und Lillis Fähigkeiten bestätigt: Der ehemalige Pferdetrainer Egobert war in einer Talkshow aufgetreten und hatte erzählt, wie Lilli mit dem Springpferd Storm geredet und ihm so zum Sieg in einem Turnier verholfen hatte. Außerdem waren in Interviews einige Journalisten aus Norddeutschland zu Wort gekommen. Diese konnten berichten, dass sie Liliane Susewind im vergangenen Sommer an der Nordsee gesehen hatten, als eine Gruppe verirrter Delphine auf geheimnisvolle Weise gerettet wurde. Zusätzlich hatten sich verschiedene Zoobesucher aus Lillis Heimatstadt und der Nachbarstadt Zupplingen gemeldet, die davon erzählten, dass sie das Mädchen mit dem roten Lockenkopf dabei beobachtet hatten, wie es mit Tieren sprach.
Lilli konnte das Haus mittlerweile kaum noch verlassen, da ihr die Paparazzi – so nannte man die Fotojäger – auf Schritt und Tritt folgten und Kameras zu klicken und zu blitzen begannen, sobald sie durch das Gartentor der Susewinds auf die Straße trat. Wenn Lilli zur Schule ging, zog sie sich die Kapuze ihres Anoraks so tief wie möglich ins Gesicht und klammerte sich an die Hand ihrer Oma, die sie auf dem Schulweg nun immer begleitete und die Reporter davon abhielt, ihrer Enkelin zu nahe zu kommen.
Oma Susewind hatte Lilli auch an diesem Tag zur Schule gebracht und sie soeben von dort wieder abgeholt. Nun ging sie mit festem Schritt auf dem Gehsteig voraus, während Lilli ihr mit geducktem Kopf folgte.
»Aus dem Weg, ihr gierigen Schmierlappen!«, rief Lillis Oma den Paparazzi zu und stürmte der Meute resolut entgegen. Einer der Reporter sprang jedoch direkt vor ihre Füße und hielt ihr ein Mikrophon unter die Nase.
»Ist die Begabung Ihrer Enkeltochter vererbt?«, fragte er mit lauter, fordernder Stimme. »Sind Sie auch eine Tier-Flüsterin? Oder haben die Eltern des Mädchens besondere Fähigkeiten?«
Anstatt zu antworten, schnaubte Lillis Oma zornig und zückte ihren Regenschirm. Mit entschlossener Miene zielte sie auf den Reporter und ließ den Schirm knallend aufschnappen. »Weg mit dir, Armleuchter!«, wetterte sie und fuchtelte mit dem Schirm herum, als sei er ein Schwert.
Bonsai feuerte sie vom Boden aus lautstark an. »Ja! Zeigen wir es den Klick-Heinis!«, kläffte er und riss heftig an der Leine, die Lilli in der Hand hielt. »Verzieht euch, ihr Vollpfosten!«
Lilli machte sich in ihrem Anorak ganz klein.
»Komm hinter den Schirm!«, rief Oma und hielt schützend den Arm über ihre Enkeltochter.
Lilli drängte sich ganz dicht hinter den aufgespannten Regenschirm. Oma nahm ihre Hand und nickte ihr zu. Lilli nickte tapfer zurück, und sie begannen zu laufen. Gemeinsam preschten sie im Eiltempo die Straße entlang. Die Reporter umringten sie dabei wie eine Horde hungriger Raubtiere, aber sie wagten es nicht, ihnen noch einmal den Weg zu verstellen. Bald hatten Lilli, Oma und Bonsai es bis nach Hause geschafft, und sobald sie sich durch das Gartentor der Susewinds gezwängt und es hinter sich zugeschlagen hatten, ließen die Paparazzi von ihnen ab. Auf das Grundstück der Familie durften sie ihnen nicht folgen.
»Die werden immer dreister!«, schimpfte Oma und schob kopfschüttelnd den Schirm zusammen.
»Ich find die total doof!«, beschwerte Bonsai sich gleichzeitig. »Wir sind schon seit Ewigkeiten nicht mehr richtig spazieren gegangen, Lilli! Nur wegen denen!« Er stemmte protestierend die Vorderpfoten auf den Rasen. »Du sagst immer, dass ich in den Garten machen soll, weil wir nicht mehr in den Park gehen können. Aber in den Garten zu machen ist voll öde! Das riecht ja dann gar keiner von den Jungs aus dem Park!«
Lilli, die noch ganz außer Atem war, hörte den Kummer in Bonsais Kläffen. Hunde setzten nun einmal gern Duftmarken für andere Hunde ab. Das war, als würden sie kleine Nachrichten hinterlassen. Aber im Garten der Susewinds kamen natürlich keine anderen Hunde vorbei. Bonsai hatte seit Wochen auf das Gassigehen im Park verzichten müssen. Wenn Lilli daran dachte, wurde sie richtig traurig. »Es tut mir leid, Bonsai«, sagte sie leise. »Ich wünschte, wir könnten einfach so im Park spazieren gehen.« Sie schluckte. »Ich wünschte, ich wäre normal, dann …« Der Rest des Satzes verwandelte sich in ein unterdrücktes Schluchzen.
Bonsai stellte betroffen die Ohren auf. »Lilli, du bist nicht fröhlich!«, wuffte er. »Es kommt Wasser aus deinen Augen! Das ist ein ganz schlechtes Zeichen!«
Lilli wischte sich eine Träne von der Wange. »Ist schon gut, Bonsai«, schniefte sie.
Da sagte Oma: »Nein, es ist nicht gut.« Sorgenvoll schaute sie Lilli an. »Wir sollten uns unterhalten.« Sie ging ein paar Schritte in den Garten hinein, setzte sich auf eine Bank und klopfte neben sich. »Komm her, mein Schatz.«
Lilli schniefte noch einmal und nahm auf der herbstkalten Gartenbank neben ihrer Oma Platz. Bonsai lief ihr trippelnd nach, hüpfte ebenfalls hinauf, stellte sich auf die Hinterbeine und schlabberte Lilli fürsorglich übers ganze Gesicht. »Die Klick-Heinis hauen bestimmt bald wieder ab«, hechelte er dabei eifrig. »Früher waren sie ja auch nicht da. Sie können also auch einfach weg sein!«
Lilli lächelte ein kleines Lächeln und ließ Bonsai schlabbern.
Oma neigte nun den Kopf. »Lilli …« Ihr Ton klang ernst. »Es ist Zeit, dass wir einmal über dich und … deine Besonderheit reden.«
Lilli sah sie überrascht an. Oma wollte mit ihr über ihre Besonderheit sprechen?
»Durch deine Gaben bist du anders als andere«, sprach Oma weiter. »Ich weiß, dass du dir in den vergangenen Jahren viele Male gewünscht hast, wie die anderen Kinder zu sein.«
Lilli schaute sie abwartend an.
»Du möchtest normal sein, weil dir deine Fähigkeiten manchmal wie eine schwere Last erscheinen.«
Lilli begann, schweigend Bonsai zu kraulen, der es sich gerade auf ihrem Schoß gemütlich machte.
»Aber manchmal bist du auch sehr froh, dass du so bist, wie du bist, oder?«
Lilli starrte auf Bonsais weißes Zottelfell. Erst nach einer Weile antwortete sie. »Ich finde es eigentlich gut, dass ich mit Tieren sprechen kann. Und ich liebe Pflanzen.«
Oma nickte langsam. »Lilli, ich werde dir jetzt eine wichtige Frage stellen.«
Lilli spürte, wie ihr ein Kribbeln den Rücken hinaufkroch.
»Wenn du die Wahl hättest …« Oma beugte sich vor. »Wenn du entscheiden könntest, normal zu sein oder du zu sein …« Forschend blickte sie Lilli an. »Was würdest du wählen?«
Lilli biss sich auf die Unterlippe. Das war eine sehr schwierige Frage. Sie überlegte. Wie alle anderen zu sein, wäre sehr schön. Sie müsste sich keine Sorgen mehr darum machen, entweder als seltsam oder als sensationelle Attraktion angesehen zu werden. Sie könnte einfach ganz normal leben. Diese Vorstellung gefiel ihr. Aber dann blieb Lillis Blick wieder an Bonsai hängen, der auf ihrem Schoß friedlich vor sich hin hechelte. Es versetzte Lilli einen Stich, wenn sie sich vorstellte, dass sie nicht mehr mit Bonsai sprechen könnte. Das wäre eine Katastrophe!
»Ich möchte lieber ich sein!«, platzte es da aus ihr heraus. »Ich will meine Gaben behalten!«
»Niemand wird sie dir wegnehmen, Schatz«, beruhigte Oma sie lächelnd. »Aber es ist schön zu hören, dass du dir gar nicht wirklich wünschst, anders zu sein als du bist.«
Lilli senkte den Blick. Hatte sie das gesagt? Das hatte sie wohl. Und es stimmte ja auch. Sie wollte mit Tieren sprechen können. Sie wollte Pflanzen wachsen lassen können. Aber sie wäre trotzdem gern wie die anderen gewesen …
Beides ging wohl nicht.
»Deine Fähigkeiten sind Geschenke«, fuhr Oma nun fort. »Du solltest dich freuen, dass du sie hast.«
Lilli kraulte Bonsai und schwieg.
»Du kannst mit deinen Gaben viel Gutes tun«, fügte Oma mit sanfter Stimme hinzu. »Du hast schon so vielen Tieren und Pflanzen geholfen. Stell dir vor, was du noch alles tun kannst!« Sie strich ihrer Enkelin eine rote Locke hinters Ohr. »Du hast ein gutes Herz, Lilli, und deshalb sind diese enormen Fähigkeiten bei dir genau am richtigen Platz. Aber du trägst auch eine große Verantwortung.«
Lilli blickte starr ins Leere.
»Ich will dich nicht überfordern.« Oma streichelte Lillis Arm. »Aber eines möchte ich dir noch sagen: Wenn du deine Gaben von ganzem Herzen annimmst, mit allen Vor- und Nachteilen, dann fühlst du...
Erscheint lt. Verlag | 2.6.2024 |
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Reihe/Serie | Liliane Susewind ab 8 | Liliane Susewind ab 8 |
Illustrationen | Eva Schöffmann-Davidov |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Bonsai • Doktor Dolittle • Entführung • Erstleser • Familie • Fantasy • Ferien • Fernsehen • Flucht • Freundschaft • Freundschaft und Liebe • Fuchs • Gefahr • Hund • Jäger • Jesahja • Kinderbuch • Krimis und Detektivgeschichten • Liebe • Medien • Medienerziehung • MIDAS • Papparazzi • Phantasie • Phantasie und Fantasy • Schule • Schule und Ferien • Tierdolmetscherin • Tier-Dolmetscherin • Tiere • Tierflüsterin • Tierschutz • Wald • Wolf |
ISBN-10 | 3-7336-0777-5 / 3733607775 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0777-7 / 9783733607777 |
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