Erinnerungen des Waldes (eBook)

Auf den Spuren von Ferdinand Maulwurf
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2022 | 1. Auflage
256 Seiten
Woow Books (Verlag)
978-3-03967-007-9 (ISBN)

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Erinnerungen des Waldes -  Mickaël Brun-Arnaud
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Warm, witzig, wunderbar, weise und waldig - einfach WooW In einer großen, alten Eiche, mitten im Dorfwald von Schönrinde, führt Archibald Fuchs seine eigene Buchhandlung. Er liebt sein ruhiges Leben, die geordneten Regale und die unterhaltsamen Gespräche mit seinen Kunden. Eines Tages jedoch bringt sein Freund und Stammkunde Ferdinand Maulwurf die Ordnung völlig durcheinander. Ferdinand wird zunehmend zerstreuter und vergesslicher und kann seine Frau nicht mehr finden. Nun hofft er in seiner Autobiografie Antworten zu finden. Diese hat Archibald jedoch vor einigen Tagen verkauft. Kurzerhand erklärt sich der Fuchs bereit, seinem Freund zu helfen. Die beiden machen sich auf den Weg quer durch den Wald, und ein großes Abenteuer beginnt - werden die beiden Ferdinands Frau finden?

Mickaël Brun-Arnaud arbeitete, nach einem Studium der Psychologie, zehn Jahre lang in Krankenhäusern, wo er Menschen mit Alzheimer und neuroevolutiven Erkrankungen betreute. 2018 eröffnete er seine eigene Buchhandlung in Paris und widmet sich seitdem außerdem dem Schreiben.

Mickaël Brun-Arnaud arbeitete, nach einem Studium der Psychologie, zehn Jahre lang in Krankenhäusern, wo er Menschen mit Alzheimer und neuroevolutiven Erkrankungen betreute. 2018 eröffnete er seine eigene Buchhandlung in Paris und widmet sich seitdem außerdem dem Schreiben.

Ferdinands Geschichte


Archibald Fuchs war ziemlich in Verlegenheit geraten: Da wusste nun einmal jemand genau, was er suchte, und er selbst war nicht in der Lage, seinen Kunden zufriedenzustellen! Wie hatte er übersehen können, dass Erinnerungen aus Unter-Erde in seinen Regalen gestanden hatte?

»Es tut mir leid, Ferdinand … Ich habe in meiner Aufgabe als Waldbuchhändler versagt, als ich vergessen habe, den Käufer zu notieren«, entschuldigte sich der Fuchs verdattert.

»Uuuuhuuuu, wie soll ich es denn jetzt schaffen, mein Freund? Wie?«

Erschüttert hatte der Maulwurf ein zweites kariertes Taschentuch in der Größe einer Decke aus seiner Tasche gezogen und schnäuzte sich nun kräftig mit lauten Trompetengeräuschen: Tüüü! Tüüü! Jedes Mal, wenn er in den Stoff prustete, klingelten die kleinen Figürchen, die in manchen Regalen standen, wie Glöckchen und drohten auf dem Boden zu zerschellen. Archibald war auf der Hut und bereit, wenn nötig alles aufzufangen. Während Ferdinand immer noch weinte und weinte, löste er die Knoten der Bänder, mit denen die halbe Walnussschale auf seinem Rücken befestigt war. In ihr verstaute er die Bücher, wenn er welche kaufte, aber auch eine ganze Menge anderen Kram. Bisweilen war es daher nicht angenehm, wenn man seine Nase oder Schnauze in die Nähe der Walnussschale brachte – vor allem, wenn Ferdinand sein Butterbrot darin für ein paar Tage vergaß oder das Glas mit den Pflaumen nicht richtig verschloss … Diesmal zog er einen vergilbten Umschlag daraus hervor, und einen kleinen Zettel. Und, zum dankbaren Apfel aber auch!, nichts von dem, was er hervorzog, roch oder klebte vom vergorenen Pflaumensaft!

»Mein liebster Freund, ich muss Ihnen etwas gestehen, etwas sehr Wichtiges. Aber ich habe Angst vor Ihrer Reaktion …«

»Aber Ferdinand, Sie wissen doch, dass Sie mir alles sagen können. Ich werde Sie nie verurteilen«, antwortete Archibald und ergriff Ferdinands Pfote.

»Also gut, mein Freund, schauen Sie, mir ist kürzlich bewusst geworden, dass bei mir irgendetwas nicht stimmte … Mir ist bewusst geworden, dass … mir ist bewusst geworden …«

Er verstummte, sah wie weggetreten aus.

»Ferdinand?«

»Ja, Herr Fuchs?«

»›Mir ist bewusst geworden, dass …‹ Und wie weiter?«, fragte Archibald.

»Das weiß ich nicht, Herr Fuchs, mein Freund, was ist Ihnen denn bewusst geworden?«, wollte der Maulwurf wissen.

»Doch nicht mir, Ferdinand, sondern Ihnen!«, entgegnete Archibald etwas gereizt.

»Mir? Ach ja? Ich …«

Da sah er den Zettel, den er noch in seiner Pfote hielt.

»Ach ja! Mir ist bewusst geworden, dass bei mir irgendetwas nicht stimmte … Mir ist bewusst geworden, dass …«

»Dass …?«

Die Augen des Fuchses wurden größer.

»Dass ich mein Gedächtnis verliere, mein Freund! Es ist wie ein Schweizer Käse, eine Schaumkelle, ein richtiges Sieb! Das ist jetzt sicher ein Schock für Sie, aber ich leide an wiederkehrenden Gedächtnislücken – ich vergesse alles! Meine Schokolade verliert ihre Haselnüsse, mein Baum verliert alle seine Blätter, eins nach dem anderen!«

Während er das erzählte, stand der Maulwurf von seinem Sessel auf und ahmte einen Baum nach, der im Herbst seine Äste vom Gewicht des Laubes befreite. Der Fuchs lehnte an seinem Sessel, hatte die Pfoten vor seiner Schürze gefaltet, blieb still und betrachtete zärtlich seinen Freund. Diese Gedächtnisverluste waren keine wirkliche Überraschung … Was Archibald erstaunte, war vor allem, dass Ferdinand Maulwurf davon so verwirrt war!

»Nun ja, Ferdinand, es ist doch normal, wenn man in Ihrem Alter ein bisschen von seinem Gedächtnis einbüßt. Mein Großvater vergisst manchmal, seine Brotscheiben zu rösten, bevor er sie mit Butter bestreicht. Das kennt man doch von alten Leuten!«

»Nur dass in meinem Falle gar keine Butter zum Bestreichen mehr da ist«, gestand der Maulwurf. »Ich habe bei mir einen Zettel gefunden, auf dem ein Termin bei Doktor Eule erwähnt war. Doch ich kann mich gar nicht daran erinnern, hingegangen zu sein – es ist die Alles-Vergessen-Krankheit, die kommt und alles wegnimmt, von den verrücktesten Erinnerungen bis zu denen an die zärtlichsten Küsse …«, säuselte der Maulwurf mit traurig-glücklicher Stimme vor sich hin.

Archibald hatte schon von der Alles-Vergessen-Krankheit gehört. Er hatte sogar ein Buch darüber gelesen, und dieses Buch stand noch auf einem seiner Regalbretter, in der Abteilung ›Leiden und Heilmittel‹. Es hieß In Erinnerung an die, die keine mehr haben – Die Alles-Vergessen-Krankheit und war geschrieben von Doktor Marcellinus Eule, wahrscheinlich ein Vorfahr des Dorfarztes von Schönrinde. Dieses Werk hatte Archibald sehr berührt, denn es erklärte den Verlauf der Krankheit: zum Beispiel die Zeit, in der man in Pantoffeln aus dem Haus geht statt in seinen Straßenschuhen, oder die, in der man vergeblich etwas sucht, das man schon lange weggeworfen hat. Es gibt auch diese Momente, in denen man Salz statt Zucker in seinen Kaffee gibt, und jene, in denen man noch zwei Küchlein isst, weil man nicht mehr weiß, dass man gerade schon drei davon verspeist hat. Und ihr könnt mir glauben, der Fuchs weiß, wie sich das Bauchweh anfühlt, das man bekommt, wenn man mehr Küchlein isst, als man verdauen kann! Das Buch erklärte sehr gut, dass, selbst wenn alle alten Tiere ein wenig von ihrem Gedächtnis verloren und ›ein bisschen tüdelig im Kopf‹ wurden, die Alles-Vergessen-Krankheit eine schlimmere Form war als die einfache Vergesslichkeit des Alters: Sie bedeutete nämlich, dass man ohne Rückfahrkarte einen Zug bestieg, ohne Hoffnung auf Rückkehr in die Vergangenheit fuhr – eine Reise antrat, auf der die Bahnhöfe im Laufe der Fahrt verschwanden.

»Wegen dieser Krankheit vergesse ich jeden Tag, was mit meiner lieben Mathilde passiert ist. Warum ist sie weggegangen? Na ja, falls sie weggegangen ist … Wenn du dich doch bloß erinnern könntest, du verfluchte Birne!«

Mathilde? Der Buchhändler hatte in ganz Schönrinde noch nie von einer Mathilde gehört. War das ein anderer Maulwurf?

»Mein lieber Ferdinand, es tut mir wirklich leid«, sagte der Fuchs und tätschelte den Kopf seines Freundes, der dabei vor lauter Freude über die Berührung der bekrallten Pfoten schnurrte.

»Das braucht es nicht, Archibald, ich habe ein langes und schönes Leben gelebt und eine Menge leckerer Sachen gegessen. Jetzt ist es nur wichtig, dass ich mein Buch wieder in die Pfoten bekomme. Es enthält den Schlüssel zu meinen Erinnerungen«, warf Ferdinand ein, der nun tatendurstig wirkte.

Die Stimmung von Maulwürfen wechselte aber wirklich schnell!

»Wie meinen Sie das?«

»Mein Buch, Erinnerungen aus Unter-Erde! Darin befindet sich meine ganze Jugend! Alle Erinnerungen an meine geliebte, zärtliche Mathilde und unsere Schlemmer-Ausflüge! Die Verbindung zwischen diesen Fotografien, die ich in einer Truhe auf meinem Dachboden wiedergefunden habe! Die Antwort auf all meine Fragen!«

Der Maulwurf schnappte sich den vergilbten Umschlag, den er zuvor aus seiner Nussschale geholt hatte, und zog daraus winzige sepiabraune Fotografien mit Büttenrand hervor, die ganz offensichtlich ein ziemlich langes Leben hinter sich hatten. Dort auf dem Baumscheibentisch, gleich neben den kalt gewordenen Schokolade-Mäusespeck-Tassen, starrten die unschuldigen Augen von Ferdinand und Mathilde Maulwurf in die Kamera, aus glücklich strahlenden Gesichtern.

»Ach! Meine liebste Mathilde«, seufzte der Maulwurf mit tränenfeuchten Augen, »ach, meine liebste Mathilde … Wenn ich dich nur wiederfinden könnte!«

»Ist das Ihre Frau, Ferdinand? Oder einfach eine Freundin?«

»Das eine oder das andere, Archibald! Aber ich erinnere mich nicht mehr, und genau deshalb muss ich mein Buch finden. Nur das weiß, was mir passiert ist, denn alle meine Erinnerungen aus der Zeit, bevor ich die Krankheit bekam, sind darin aufgeschrieben! Ich glaube, als ich noch jünger war, notierte ich mir alles genau«, erklärte der Maulwurf. »Ich glaube, wenn ich mein Buch wieder in den Pfoten hielte, könnte ich mich endlich wieder erinnern an … hmmm, an … Woran wollte ich mich noch gleich erinnern?«

Die Türglocke läutete – aber es war nicht die am Haupteingang. Wie alle großen Läden des Waldes (die von großen Tieren geführt werden) besaß auch die Buchhandlung von Schönrinde eine große Haupteingangstür mit Glaseinsatz, durch die man die großen Kunden kommen sehen konnte. Unter dem Schaufenster gab es eine weitere, ganz kleine Tür mit Glaseinsatz, nicht höher als ein Stapel von fünf bis sechs Romanen und mit eigener Türglocke, extra eingerichtet für die kleinen Tiere. Es wäre auch mühsam gewesen, die schwere Tür der Großen aufzudrücken, wenn man Charlotte Maus hieß und nur ungefähr achteinhalb Zentimeter groß war!

»Guten Tag, Herr Fuchs, ist das nicht ein wun-der-ba-rer Tag?«, stieß die Maus hervor.

»Guten Tag, Frau Maus, da haben Sie ganz recht! Wie geht es Ihnen?«

»Ach, also, mir geht es sehr gut! Aber ich habe gerade Liesel Wiesel getroffen, die mir geschworen hat, dass ihr erst vor ein paar Minuten beim Betreten Ihrer Buchhandlung beinahe ein Auge ausgestochen worden wäre!«

»Oh, das bedeutet wohl …«

Der Fuchs war tief getroffen.

»Machen Sie sich keine Sorgen, Wiesel haben Dickschädel!«, scherzte die Maus.

Und dann ging sie zum Stöbern an die niedrigen Regale, wo die Bücher der kleineren Tiere...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Illustrationen Sanoe
Übersetzer Julia Süßbrich
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Als die Tiere den Wald verließen • Alzheimer • Andreas H. Schmachtl • Buchhandlung • Cultura Bookstore Talents Prize • Demenz • Freundschaft • Frida Nilsson • Fuchs • Genuss • Jahreszeiten • Klassiker • Maulwurf • Mein Freund Pax • Prix Socières • Rezepte • Sarah Pennyparker • Träume • Yarrow Towensend
ISBN-10 3-03967-007-7 / 3039670077
ISBN-13 978-3-03967-007-9 / 9783039670079
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