Blut des Lebens - Das Flüstern der Raben (5) -  Malene Sølvsten

Blut des Lebens - Das Flüstern der Raben (5) (eBook)

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2023 | 1. Auflage
324 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-180-1 (ISBN)
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Ein Muss für alle 'Flüstern der Raben'-Fans: Die ergreifende Geschichte von Elias, einer der beliebten Schlüsselfiguren der Bestsellertrilogie Der Apotheker und Alchimist Elias ist sowohl Verführer als auch Verräter, und vor allem tut er nichts, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Doch einst zerstörte ein verhängnisvoller Fehler sein Leben, und seither führt Elias einen jahrhundertelangen Kampf um die Wiedererlangung dessen, was er für immer verloren hat. Nichts darf seinem Vorhaben im Wege stehen. Bis er eines Tages jemanden trifft, der die Zeit kontrollieren kann. Will Elias seine Vergangenheit überwinden, kostet ihn das nicht nur seine Zukunft, sondern auch die von Anne ... 'Ansuz', der erste Band der 'Flüstern der Raben'-Trilogie: Ausgezeichnet mit dem renommierten Jugendliteraturpreis BUXTEHUDER BULLE 2022!

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie Das Flüstern der Raben und wurde im selben Jahr für den 'Buchpreis der Leser:innen' ('Læsernes Bogpris') nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg und Bestseller, für den die Autorin und 2018 den 'Edvard P. prisen', der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie inzwischen als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie Das Flüstern der Raben und wurde im selben Jahr für den 'Buchpreis der Leser:innen' ('Læsernes Bogpris') nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg und Bestseller, für den die Autorin und 2018 den 'Edvard P. prisen', der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie inzwischen als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Kapitel 1


Die Würfel fielen laut knallend auf das Holzbrett. Odin hielt sich die Hand vor den Mund. Sein schwarzes Haar hing über seinen Rücken, und die Haut um die eine leere Augenhöhle durchzogen feine Falten. Er saß auf einem Stein vor einem verzierten Brett, auf dem unterschiedlich geschnitzte und bemalte Spielfiguren standen. Eine stellte einen Mann mit einem Hammer dar, und eine andere war wie ein Eiskristall geformt. Wiederum andere sahen aus wie Wölfe, Vögel und Bäume. Gegenüber befand sich eine Reihe identischer hölzerner Menschenfiguren, die so grob bearbeitet waren, dass nicht zu erkennen war, ob sie Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder darstellten. Auf Odins Schultern saß je ein Rabe. Einer pickte ihn ins Ohrläppchen, der andere betrachtete aufmerksam das Hnefatafl-Spiel.

»Was hast du gewürfelt?«

»Tīwaz und Dagaz. Ich besitze also für einen Tag die Macht von Tyr.« Odin verschob die Spielfigur, die einen Mann mit fehlendem Unterarm darstellte.

Loki stand nackt mitten in der Höhle. Seine Haut bedeckten blaue Tätowierungen von Spiralen, Tieren und Pflanzen. An Knie, Bauch und Schultern war er an Mühlsteine gekettet. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit verdorrten Gedärmen gefesselt. Über seinem Haupt lauerte eine Schlange, deren Körper den Umfang eines Eichenstammes und deren Kopf die Größe eines Pferdes besaß. Aus ihren Fangzähnen tropfte Gift. Eine Frau, die aussah wie ein wandelndes Skelett, fing die Tropfen in einer Schüssel auf. Ihre Kleider wurden nur noch von wenigen Fetzen zusammengehalten, und ihre Arme zitterten vor Anstrengung, die Schüssel in der richtigen Position zu halten. Da schwappte das fast volle Gefäß plötzlich über.

»Dein Gewinn nützt dir nichts, weil du bereits Tyrs Kräfte beherrscht«, kicherte Loki.

Odin sprach in seine Handfläche und unterdrückte so seine Flüche, die er offensichtlich ausspuckte. Das brachte Loki noch mehr zum Lachen.

»Thulr! Du alter Nörgler.«

Odin nahm seine Hand wieder herunter und sah Loki aus seinem einen Auge wütend an. »Du machst noch Witze, so, wie du dastehst? Du solltest froh sein, dass ich dich überhaupt besuche.«

»Ach, lass gut sein. Du liebst die Opfer, die die Menschlein dir bringen, jedes Mal, wenn du eine Naturkatastrophe oder einen Seuchenausbruch gewinnst. Aber nur einmal Glück beim Würfeln und die höchste Punktzahl, und ich bin frei.« Er sang: »Frei, frei, frei. Na, wer würfelt für mich?«

Die Raben auf Odins Schultern schlugen mit den Flügeln. Neben dem Hnefatafl-Brett stand auf dem staubigen Boden Mimirs abgehackter Kopf, der traurig von einem zum anderen blickte.

»Keine Arme – kein Würfelspiel.« Mimirs Stimme war dünn wie ein Blatt Papier.

Odin schüttelte die Würfel klappernd und schritt dabei langsam auf Loki zu. Sigyn war zwei Köpfe kleiner als der Gott und sah mit aufgerissenen Augen zu ihm hoch, als er Loki die Würfel auf der flachen Hand hinhielt.

»Puste.«

Loki legte den Kopf schräg. »Ich habe Haare in den Augen.«

Behutsam strich Odin ein paar graue Locken aus Lokis Gesicht. Als er dessen Haut berührte, schmiegte Loki seine Wange an Odins Hand, obwohl er die Würfel darin hielt. Sigyn schaute weg.

»Puste jetzt!«, flüsterte Odin.

Loki richtete den Kopf auf, schürzte die Lippen und blies langsam. Raureif erfüllte die Luft in der Höhle, die Goldwürfel bedeckte Frost, und die Haut auf Odins Handfläche schimmerte bläulich. Er ballte die Finger um die eiskalten Metallwürfel zur Faust und kehrte Loki und Sigyn den Rücken zu. Abermals beugte er sich über das Spielbrett und öffnete die Hand.

»Welche Runen kommen raus?« Loki hielt den Atem an.

»Jēra und Īsaz. Also Jahr und Eis.«

Loki blickte auf den Boden der Höhle und bewegte lautlos die Lippen, als würde er etwas zählen. Dann verkündete er das Ergebnis: »Ich spare meine Eisjahre für später auf.«

Odin hob den Kopf. »Bist du dir da sicher?«

»Nein. Die Natur ist niemals sicher.«

Odin zuckte mit den Schultern und würfelte noch einmal, diesmal für sich. »Hagal und Ōþala.«

»Was bedeutet das?«, fragte Loki.

»Hagel und Familie.«

»Das weiß ich, aber wie lautet die Auslegung?«

»Nur weil ich Runen lesen kann, heißt das nicht, dass ich sie immer deuten kann«, antwortete Odin. »Ich muss noch einmal würfeln, um den tieferen Sinn zu ergründen.«

»Mach das, aber ich wollte jetzt …«, begann Loki.

»Schh!« Odin würfelte. Sie zeigten Mannaz und Jēra.

»Mensch, Jahr, Hagel und Familie. Was in allen Welten bedeutet das?« Da Odin darauf keine Antwort wusste, wandte er sich an den Kopf auf dem Boden. »Mimir, hilf mir.«

Mimir räusperte sich. Sein schütteres Haar war verfilzt, sein Gesicht übersät von Wunden und unter der Haut wand sich Ungeziefer. Auf der Stirn trug er tief eingeschnittene Runen. Trotz der Makel war sein Antlitz weise.

»Ein menschliches Familienmitglied wird viele Jahre leben. Hagal steht für das Neue, das auf die Zerstörung folgt. Auf den Untergang der Welt. Auf Ragnarök! Das Alte vergeht, und das Neue entsteht.«

»Was ist mit mir?«, fragte Odin.

»Du bist das Alte.« Mimir verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Odin richtete sich wieder auf, verpasste dem wehrlosen Kopf einen Tritt und drehte in der Höhle mehrere Runden. Die Raben hatten Mühe, sich auf seinen Schultern festzukrallen. Der eine spreizte seine riesigen schwarzen Flügel, um das Gleichgewicht zu halten. Mimir rollte in einer Staubwolke rückwärts und landete auf der Seite, wo er in den festgetrampelten Lehmboden atmete.

»Roork«, schrie einer der Raben laut.

Genau in dem Moment sah Loki mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund jung und verletzlich aus. »Mit diesen Würfeln hättest du nicht würfeln dürfen. Jetzt ist es in Bewegung gebracht.«

»Die Zukunft ist immer in Bewegung. Der Unterschied ist nur: Ich weiß jetzt, dass da irgendwo ein Mensch lebt, der uns auf Ragnarök zutreibt.«

»Trotzdem habe immer noch ich die Kontrolle über den Fimbulwinter, und ich könnte ihn einfach nicht anbrechen lassen«, verkündete Loki.

»Du hast nicht gerade besonders viel unter Kontrolle, so, wie du da jetzt stehst«, schnaubte Odin. Dann trabte er weiter im Kreis und murmelte vor sich hin. Die meisten Worte verschluckte sein langer Bart. Mimir und Loki sahen einander an, ohne etwas zu sagen.

»Wer ist es, Mimir?«, fragte Odin, als er sich wieder mehr im Griff hatte.

»Ein Vollblutmensch fordert den Allvater heraus«, erklärte Mimir von seiner ungünstigen Position, seitlich auf dem Boden liegend, aus. »Eine Person ohne jedwede übernatürliche Fähigkeiten. Du bist mit ihm verwandt.«

»Wie um alles in den Welten liest du das aus Hagal, Ōþala, Mannaz und Jēra heraus?«, fragte Loki.

Mimir stöhnte immer noch. Kleine Luftstöße kamen dort aus seinem Halsloch, wo unter normalen Umständen die Schlüsselbeine ansetzen würden. »Nicht nur die einzelnen Runen deute ich. Ich sehe auch die Verbindungen zwischen den Zeichen. Alles, was andere nicht sehen können, sehe ich.«

»Pah«, brach Loki aus. Er zerrte an seinen Fesseln aus Stein und Gedärm. »Du hältst dich wohl für besonders schlau.«

»Ich bin schlauer als du. Klüger als alle.« Mimir pustete ein paarmal nach oben, weil ihm ein zotteliges Haarbüschel ins Auge gefallen war.

»Wenn du so klug wärst, würden dir deine Arme nicht fehlen«, sagte Loki sanft.

Mimir schürzte die aufgesprungenen Lippen. »Wie viele andere abgeschlagene Köpfe kennst du, die noch leben? Ich war schlau genug, um den Tod zu überleben.«

Loki sah ihn voll tief empfundenem Mitleid an. »Deine Schläue ging nach hinten los. Genauso wie Unzuverlässigkeit für mich nach hinten losging. Wir haben uns immer nur unserer Natur entsprechend verhalten.«

»Unsere Zeit wird wiederkommen«, flüsterte Mimir. »Die Götter können uns nicht für immer fesseln. Am Ende gewinnt immer die Natur.«

Odin war stehen geblieben, während sich der Kopf und der Riese unterhielten. »Ich stimme Loki zu. Mimir, deine Weissagung muss falsch sein. In meiner Familie gibt es keinen Menschen.«

»Der Ziehsohn deines Sohnes«, kam es prompt von Loki. »Der Apotheker. Elias Eriksen. Er ist ein Mensch.«

»Elias ist nur adoptiert. Wir sind keine Blutsverwandten.«

»Wir beide sind doch auch Brüder, obwohl wir unterschiedlicher Herkunft sind«, konterte Loki. »Wir sind Blutsbrüder, oder etwa nicht?« Letzteres wurde vorsichtig ausgesprochen. Sigyn, die sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte und die Schüssel über Lokis Kopf im Auge behielt, neigte das Gefäß leicht, und ein kleiner Gifttropfen fiel auf seine Nasenspitze.

»Aua!« Die Felswand bekam einen Riss, als er vor Schmerz zitterte und an den Fesseln zerrte.

Odin musterte Loki, als der stöhnte. Ein leichtes Zucken um die Mundwinkel verriet, dass es ihn kalt ließ, Loki leiden zu sehen. Dann wandte sich Odin dem einen Raben zu: »Hat Mimir recht? Was wird passieren, Hugin?«

Der Rabe betrachtete ihn. Seine Knopfaugen funkelten und er drehte den Kopf. »Roork. Elias wird dich herausfordern. Er strebt danach, die Toten wieder zum Leben zu erwecken.«

Daraufhin stieß Odin einen ganzen Schwall von Obszönitäten aus. Nach einer Weile hatte er sich wieder so weit beruhigt, dass er Klartext reden konnte. »Kann ich den Lebensweg des Apothekers verändern?«

»Roork. Die Zukunft kann immer verändert werden. Aber das kannst du nicht allein.«

Odin wandte sich Loki zu.

»Nein, nein, neinneinneinnein!« Loki schüttelte den Kopf, sodass ihm die grauen Locken um die Ohren flogen. »Ich will mit deinem Irrsinn nichts zu tun...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2023
Reihe/Serie Das Flüstern der Raben
Übersetzer Dagmar Lendt, Dagmar Mißfeldt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Alchimist • Dänemark • Edda • Familie • Fantasy • Götter • Halbgötter • Kampf • Liebe • Mut • nordische Götter • Nordische Mythologie • Nordische Wesen • Nordjütland • Odin • Ragnarök • Spannung • Vergangenheit • Vergangenheitsbewältigung • ya fantasy • Zukunft
ISBN-10 3-03880-180-1 / 3038801801
ISBN-13 978-3-03880-180-1 / 9783038801801
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