See You Yesterday (eBook)
480 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-177-1 (ISBN)
Rachel Lynn Solomon stammt wie viele ihrer Figuren ursprünglich aus Seattle und hat einen Abschluss in Journalismus an der University of Washington. Neben »See You Yesterday« und »Today, Tonight, Tomorrow« hat sie bereits weitere Jugend- und auch Erwachsenenbücher veröffentlicht, die in über fünfzehn Sprachen übersetzt wurden. Aktuell lebt sie mit ihrem Mann in Amsterdam und teilt ihre Eindrücke mit über Zwanzigtausend Follower:innen auf Instagram (@rlynn_solomon).
Rachel Lynn Solomon stammt wie viele ihrer Figuren ursprünglich aus Seattle und hat einen Abschluss in Journalismus an der University of Washington. Neben »See You Yesterday« und »Today, Tonight, Tomorrow« hat sie bereits weitere Jugend- und auch Erwachsenenbücher veröffentlicht, die in über fünfzehn Sprachen übersetzt wurden. Aktuell lebt sie mit ihrem Mann in Amsterdam und teilt ihre Eindrücke mit über Zwanzigtausend Follower:innen auf Instagram (@rlynn_solomon).
Kapitel eins
Tag 1
»Das ist doch wohl ein Scherz!«
Ich ziehe mir die XXL-Decke über die Ohren und vergrabe das Gesicht im Kissen. Es ist zu früh für Stimmen. Und definitiv zu früh für einen so vorwurfsvollen Ton. Der Nebel in meinen Gedanken lichtet sich und lässt langsam die Realität zu mir durchdringen: Hier ist jemand im Zimmer.
Dabei bin ich gestern Abend allein eingeschlafen – während ich meine gesamten Lebensentscheidungen noch mal überdacht habe, und nachdem ich klammheimlich ein paar Teller Pasta aus der Mensa des Studierendenwohnheims nach oben geschmuggelt hatte, um bei der All-you-can-eat-Pastabar voll auf meine Kosten zu kommen. Wie viele Vorträge musste ich mir zum Thema »Sicherheit auf dem Campus« anhören. Mom hat mir sogar eine kleine rote Dose Pfefferspray mitgegeben. Und jetzt steht tatsächlich eine fremde Person in meinem Zimmer. Vor sieben Uhr am Morgen! Am ersten Vorlesungstag!
»Nein, das ist kein Scherz«, erwidert eine zweite Stimme etwas leiser als die andere. Wahrscheinlich aus Rücksicht auf mich – das Knäuel unter der Decke. »Wir haben dieses Jahr nicht genug Kapazitäten, daher mussten wir spontan ein bisschen umdisponieren. Die meisten Erstis sind zu dritt.«
»Und niemand hat es für nötig gehalten, mich zu informieren?«
Die erste Stimme ist hochnäsig, arrogant … und kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber nein, sie kann unmöglich ihr gehören. Diese Stimme habe ich zusammen mit der Highschool hinter mir gelassen. Genau wie die Lehrkräfte, die kollektiv aufgeatmet haben, als der Direktor mir mein Zeugnis aushändigte. Gott sei Dank sind wir die los, hat der Schulzeitungsbetreuer in einer feierlichen Happy Hour bestimmt zu meiner Mathelehrerin gesagt und mit Champagner darauf angestoßen. Jetzt bin ich endgültig reif für die Rente.
»Lass uns das draußen im Flur klären«, schlägt die zweite Person vor. Die Tür knallt mit solcher Wucht zu, dass irgendetwas prompt auf dem Teppich landet.
Ich drehe mich um und blinzle. Das Whiteboard, das ich Sonntag aufgehängt habe, liegt auf dem Boden – gemeinsam mit meinen Träumen, darüber Nachrichten und Kritzeleien mit meiner zukünftigen Mitbewohnerin auszutauschen. Eine Designer-Reisetasche reserviert das andere Bett. Ich muss gegen einen Schauer aus Panik und Kälte ankämpfen, denn der Baum vor dem Fenster schirmt den Raum erfolgreich vor Hitze und Tageslicht ab.
Olmsted Hall ist ausschließlich für Erstis und die Campusältesten und soll nächsten Sommer abgerissen werden. »Du hast so ein Glück«, meinte Paige, Betreuerin für die achte Etage, als sie mir mein Zimmer im Wohnheim zugewiesen hat. »Du gehörst zu den Letzten, die hier wohnen.« Dieses »Glück« trieft nur so – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes – aus den grau-beigen Wänden, den klapprigen Bücherregalen und den gruseligen Gemeinschaftsduschen mit den flackernden Glühbirnen und undefinierbaren Pfützen. So viel zum unwiderstehlichen Charme dieses Betonbunkers.
Nachdem ich das Zimmer als Erste bezogen hatte, sind zwei, drei, vier Tage vergangen, ohne ein Zeichen der mir zugeteilten Mitbewohnerin Christina Dearborn aus Lincoln in Nebraska. Ich habe schon befürchtet, dass ihnen ein Fehler unterlaufen ist und sie mir doch ein Einzelzimmer gegeben haben. Meine Mom ist heute noch mit ihrer damaligen College-Mitbewohnerin befreundet, und genau das wünsche ich mir später auch. In einem Einzelzimmer versauern zu müssen, wäre nur ein weiterer blöder Zufall in meiner seit Jahren andauernden Pechsträhne. Wobei ich mich insgeheim frage, ob es so nicht besser ist. Vielleicht war es auch das, was die Wohnheimbetreuerin mit Glück meinte.
Die Tür wird wieder geöffnet, und Paige betritt das Zimmer – zusammen mit dem Mädchen, das mir auf der Highschool das Leben zur Hölle gemacht hat.
Es gibt mehrere Tausend Erstis, und ich schlafe ausgerechnet in einem Raum mit meiner Erzfeindin. Die Uni ist so riesig, da dachte ich, wir würden uns erst gar nicht über den Weg laufen. Das ist kein blöder Zufall, eher ein schlechter Scherz des Schicksals.
»Hallo, Mitbewohnerin.« Ich setze mich mit einem gezwungenen Lächeln im Bett auf und streiche mir die dunkle Lockenmähne aus dem Gesicht. Hoffentlich ist sie nicht so struppig wie sonst morgens.
Lucie Lamont, ehemalige Chefredakteurin des Navigators an der Island Highschool, wirft mir einen abschätzigen Blick aus ihren blauen Augen zu. Sie ist zierlich, eingebildet und absolut Furcht einflößend – ich habe keinerlei Zweifel, dass sie einen Mann mit bloßen Händen umbringen könnte. »Barrett Bloom.« Sie gibt sich einen Ruck, und ihre Miene wird weicher, als wollte sie über das Gespräch hinwegtäuschen, das gerade draußen auf dem Flur stattgefunden hat. »Was für eine … Überraschung.«
Das ist einer der netteren Kommentare, die ich in letzter Zeit gehört habe.
Warum muss ich in so einer Situation eine Eulen-Schlafanzughose, kombiniert mit dem sauteuren T-Shirt der University of Washington aus dem Campus-Buchladen tragen? Ein Kettenhemd wäre angemessener. Und ein Orchester, das die Szene mit ergreifender, unheilvoller Musik untermalt.
»Oh Luce, ich hab dich auch vermisst. Wie lang haben wir uns nicht mehr gesehen? Drei Monate?«
Auf der einen Seite verstärkt sie den Griff um ihren Designer-Koffer, auf der anderen treten die Fingerknöchel um ihre Handtasche weiß hervor, und die rötlich braunen Haare lösen sich allmählich aus dem Pferdeschwanz. Mein Anblick muss sie ganz schön unter Stress setzen, die Ärmste. »Drei Monate«, wiederholt sie. »Und jetzt wohnen wir zusammen.«
»Tja, dann lasse ich euch beide mal allein, damit ihr euch miteinander vertraut machen könnt«, flötet Paige. »Oder wieder miteinander vertraut machen könnt.« Sie winkt übertrieben und flieht aus dem Zimmer. Wenn irgendwas ist, egal zu welcher Zeit, braucht ihr einfach nur an meine Tür zu klopfen, meinte sie am ersten Abend, als sie uns mit Marshmallow-Sandwiches aus der Mikrowelle zu Kennenlernspielen animiert hat. Die Uni ist ein Netz aus Lügen.
Ich deute mit dem Daumen zur Tür. »Die ist ja lustig. Ein echtes Vermittlungsgenie.« Damit will ich Lucie zum Lachen bringen, aber keine Chance.
»Ich fasse es nicht.« Sie schaut sich um und wirkt ungefähr so beeindruckt wie ich am Umzugstag. Ihr Blick bleibt an dem Stapel Zeitschriften auf dem Regal hängen. Eigentlich war es unnötig, die alle herzuschleppen, aber ich wollte meine Lieblingsartikel in der Nähe haben. Zur Inspiration. »Ich sollte in ein Einzelzimmer im Lamphere Hall«, sagt sie. »Das war so nicht geplant. Ich spreche nachher mit der Wohnheimleitung und versuche, das zu regeln.«
»Wahrscheinlich hättest du mehr Glück gehabt, wenn du am Wochenende angereist wärst, wie alle anderen.«
»Ich war auf Saint Croix. Wir konnten wegen eines Tropensturms nicht zurückfliegen.« Schon verrückt, dass Lucie Lamont, spätere Erbin eines Medienunternehmens, mit solchen Aussagen davonkommt. Stattdessen war ich die Außenseiterin beim Navigator.
Auch verrückt: dass wir zwei Jahre lang so was wie Freundinnen waren.
Sie stellt die Handtasche auf ihren Schreibtisch und verfehlt nur knapp einen meiner Pastateller. Ravioli mit Spinat, soweit man das noch erkennen kann.
»Es gibt eine All-you-can-eat-Pastabar.« Ich stehe auf, sammle die Teller ein und staple sie in meiner Zimmerhälfte. »Ich dachte, nach fünf Portionen zeigen sie mir den Vogel, aber nein. Der Name ist Programm.«
»Hier riecht’s wie bei Olive Garden.«
»Nett. Und ich wollte schon die Wir-sind-jetzt-eine-Familie-Schiene fahren.«
Ich nehme zurück, dass Lucie Lamont Männer mit bloßen Händen umbringen könnte. Ihre Blicke würden reichen.
»Normalerweise bin ich nicht so unordentlich. Ehrlich«, plappere ich weiter. »Ich war die letzten Tage allein hier. Die Freiheit des Alleinwohnens hat mich wohl ein bisschen wirr im Kopf gemacht. Eigentlich sollte ich das Zimmer mit jemandem aus Nebraska teilen, aber sie ist nie aufgetaucht, deswegen …«
Ich verstumme, und wir schweigen uns an. Wenn ich vom College geträumt habe, habe ich mir immer vorgestellt, dass meine Mitbewohnerin und ich am Ende Freundinnen fürs Leben wären, zusammen verreisen, Yogaseminare besuchen und auf unseren Hochzeiten Reden halten. Bei Lucie Lamont würde es mich wundern, wenn sie bei meiner Beerdigung auftauchen würde.
Sie sinkt auf den Plastikstuhl am Schreibtisch und wendet die Atemtechnik an, die sie auch den Leuten beim Nav beigebracht hat. Tief einatmen, lang ausatmen. »Falls das hier funktionieren soll – bis sie mich woanders unterbringen –, brauchen wir ein paar Regeln.«
Weil ich mir neben Lucie in ihrem Haute-Couture-Sportdress wie eine Vogelscheuche vorkomme, schlüpfe ich in den grauen Strick-Cardigan, der achtlos über meinem Stuhl hängt. Leider scheint er den Vogelscheuchen-Look nur zu vervollständigen, aber immerhin friere ich nicht mehr. Ich stand schon immer in Lucies Schatten. Selbst als wir gemeinsam an einem Artikel zur frauenfeindlichen Kleiderordnung für unsere Schulzeitung gearbeitet haben – zu der Zeit für uns der Inbegriff von seriösem Journalismus. VON LUCIE LAMONT, lautete damals die Verfasserzeile, womit unser Lehrer Lucie klar den Vorzug gab. Darunter war in winziger Schrift zu lesen: UND BARRETT BLOOM. Die dreizehnjährige Lucie hat sich in meinem Namen darüber aufgeregt. Aber was uns damals verbunden hat, war ab dem Ende der neunten Klasse passé.
»Na gut, dann schleppe ich eben nur...
Erscheint lt. Verlag | 17.8.2023 |
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Übersetzer | Jennifer Michalski |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | bodypositivity • College • Cybermobbing • enemies to lovers • Erste Liebe • Erster Tag am College • Friends to Lovers • Humor • Jüdisch • Mobbing • NA • New Adult • ny times bestseller • Romantische Komödie • romcom • time loop • Zeitschleife |
ISBN-10 | 3-03880-177-1 / 3038801771 |
ISBN-13 | 978-3-03880-177-1 / 9783038801771 |
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Größe: 1,2 MB
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