Gesichter der Furcht (eBook)
Community Editions (Verlag)
978-3-96096-325-7 (ISBN)
Egal ob im Schlaf, auf dem Heimweg oder im Job - im 1. Kurzgeschichtenband von Chris alias CreepyPastaPunch lauert der Horror hinter jeder Ecke. In seinen 15 fiktiven und bisher unveröffentlichten Storys kommen alle Fans von Gruselliteratur und True Crime auf die richtige Dosis Gänsehaut. Zum Fürchten, Rätseln und Erschrecken - für alle, die vom Internet-Hype um Creepypastas nicht genug bekommen können. Mit sprechenden, schwarz-weißen Illustrationen im Horror-Manga-Stil.
Chris vom YouTube-Kanal CreepyPastaPunch erzählt leidenschaftlich gerne Gruselgeschichten und fasziniert damit mehr als 1,2 Mio. Fans. Für seine Community recherchiert und inszeniert er nicht nur urbane Legenden aus dem Internet, sogenannten Creepypastas - er schreibt auch eigene Storys. Mit seinem 1. eigenen Buch will er jetzt auch offline Horror-Junkies begeistern.
Chris vom YouTube-Kanal CreepyPastaPunch erzählt leidenschaftlich gerne Gruselgeschichten und fasziniert damit mehr als 1,2 Mio. Fans. Für seine Community recherchiert und inszeniert er nicht nur urbane Legenden aus dem Internet, sogenannten Creepypastas — er schreibt auch eigene Storys. Mit seinem 1. eigenen Buch will er jetzt auch offline Horror-Junkies begeistern.
Meine Tochter Janina war schon immer ein sehr zurückgezogenes Mädchen. Als Kind spielte sie kaum mit anderen Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft, man musste sie regelrecht dazu drängen. Wenn wir sie fragten, ob sie Spaß hatte, sah sie uns nur fragend an, beinahe so, als wollte sie, dass wir ihr zuflüstern, was sie zu antworten hatte.
Als sie älter wurde und in die Pubertät kam, zog sie sich noch weiter in ihr Zimmer zurück. Zunächst klingt das zwar nach einem typischen Teenagerverhalten, insbesondere in einem Haushalt mit zwei Brüdern, den Eltern und der Großmutter, doch sie tat in ihrem Zimmer etwas, das normale Mädchen in ihrem Alter nicht tun würden. Sie tat nichts. Absolut gar nichts.
Immer wenn ich in ihr Zimmer kam, um nach ihr zu schauen, saß sie auf ihrem Bett und starrte stupide an die Wand. Und auch wenn ich sie ansprach, sie nach ihrem Tag fragte oder nach ihrem Befinden, schaute sie mich bloß wortlos an. Die Situation war beängstigend, und trotzdem hatten wir uns davor gesträubt, mit ihr ins Krankenhaus zu gehen, um ihre Psyche überprüfen zu lassen. Wir wollten einfach nicht wahrhaben, dass unsere eigene Tochter psychisch krank sein könnte und vielleicht Hilfe benötigte. Doch die Probleme waren nicht abzustreiten.
Als ich dann aber vor gut einem Jahr mit meiner Frau übers Wochenende verreist war und wiederkehrte, wurde uns die Entscheidung, was wir tun sollten, abgenommen.
Dass uns kein Empfangskomitee begrüßte, überraschte uns nicht sonderlich. Janina war, wie gesagt, nie sehr kontaktfreudig, und unsere Söhne, Jan, der damals 16 Jahre alt war, und Kevin, sein um ein Jahr älterer Bruder, saßen vermutlich in ihren Zimmern und zockten. Die beiden verkörperten wirklich jedes Klischee, sie entfernten sich von ihren Konsolen meist nur, um auf die Toilette zu gehen oder sich Essen aus der Küche zu holen. Solange sie wenigstens duschten, war das in Ordnung für mich.
Während meine Frau noch die Koffer ausräumte, ging ich die hölzerne Treppe hinauf. Von Jan und Kevin bekam ich auf mein fröhliches „Wir sind zurück!“, nur ein liebloses „Hey“ und „Ihr wart weg?“ entgegen. Ich seufzte. Die beiden machten es einem wirklich nicht leicht.
Als ich dann aber das Zimmer von Janina betrat, stockte mir kurz der Atem.
Mit eingefallenem Gesicht saß sie auf ihrem Bett und schaffte es nicht einmal, den Kopf in meine Richtung zu drehen. Ich lief zu ihr und fragte, was los sei. Als ich ihren Arm berührte, spürte ich, dass er dünner war als gewohnt. Sie starrte weiterhin nur geradeaus und atmete schwer. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie meine Anwesenheit überhaupt bemerkte.
Erst als der erste Schock langsam abklang und ich mit meinem Handy den Krankenwagen verständigte, vernahm ich den beißenden Ammoniakgeruch. Der Gestank ging direkt von meiner Tochter aus und ich verstand, um was es sich handelte: getrocknetes Urin. Ich rannte runter zu meiner Frau und wenige Minuten später traf endlich der Krankenwagen ein, der unsere Tochter mit ins Krankenhaus nahm. Dort stellten sie fest, dass Janina seit zwei Tagen, vermutlich seit dem Moment, in dem meine Frau und ich abgereist waren, nichts mehr getrunken oder gegessen hatte. Sie war stark dehydriert, hatte anscheinend kaum eine Sekunde geschlafen und das aufrechte Sitzen in der immer gleichen Position hatte dafür gesorgt, dass ihr Hintern wund geworden war.
Rückblickend betrachtet fiel mir auf, dass sie wohl tatsächlich nur dann etwas trank oder aß, wenn wir sie darauf angesprochen hatten oder sie aufforderten, zum gemeinsamen Familienessen zu erscheinen. Während wir weg waren, hatte ihr niemand gesagt, was sie tun sollte, und so tat sie anscheinend gar nichts, nicht einmal ihren normalen menschlichen Bedürfnissen war sie nachgekommen. Ihre Brüder waren in ihre Videospiele vertieft und hatten vermutlich nicht nach ihr geschaut, und ihre Großmutter, die bei uns lebte, seit mein Vater verstorben ist, wird wohl ihr Zimmer nicht betreten haben.
Das Verhältnis zwischen meiner Mutter und der restlichen Familie war etwas angespannt. Sie war eine sehr spezielle Frau, um es vorsichtig auszudrücken, und nahm kein Blatt vor den Mund. In der Vergangenheit hatte sie mehrfach den Kleidungsstil meiner Frau als „schlampig“ bezeichnet, meine Söhne als „Taugenichtse“ und Janina als „Psychomädel“. Bezeichnungen, auf die meine Kinder nie groß reagierten, auch wenn es bestimmt dennoch beleidigend für sie war. Meine Frau sah darüber hinweg, sie summte in diesen Momenten immer ihr Mantra, dass meine Mutter schon alt war und sich das Problem bald von allein lösen würde.
Ich weiß, dass meine Mutter im Grunde eine gutherzige Person war, und auch wenn es Spannungen gab, hatte ich gehofft, dass sie zumindest einmal bei meinen Kindern vorbeischaute, wenn sie schon im selben Haus wohnte. Doch Schuldzuweisungen brachten uns auch nicht weiter.
Nachdem die lebensbedrohliche Situation im Griff war, wurde Janina umgehend an einen Psychologen verwiesen.
Vier Wochen später wurden wir zu einem Gespräch einbestellt, bei dem wir über den Geisteszustand unserer 15-Jährigen aufgeklärt werden sollten.
Der Psychologe, ein älterer Herr mit Halbglatze, kleiner Hornbrille und weißem Kittel namens Dr. Frederic Nahls, erklärte uns, dass Janina eine Verhaltensstörung hatte. Auch in der Klinik war sie vollkommen teilnahmslos gewesen, bis man ihr sagte, was sie zu tun hatte, sei es nun essen, trinken, das Bad aufsuchen oder im Krankenhausgarten spazieren. Sobald man ihr eine Anweisung gab, folgte sie.
Also erstellte man ihr einen Tagesplan, an den sie sich halten konnte. Testweise schrieben die Psychologen zum Beispiel einmal auf, dass sie für eine Stunde die Zimmerpflanze beobachten sollte, um zu überprüfen, ob sich bei sinnlosen Aufgaben Widerstand in ihr regte. Doch ohne zu hinterfragen tat sie, was ihr aufgetragen wurde. Auch andere merkwürdige Befehle, wie alle fünf Minuten auf der Stelle joggen oder zehnmal hintereinander das Fenster öffnen und schließen, wurden, ohne zu zögern, durchgeführt.
Während Dr. Nahls dies mit einer seltsamen Faszination berichtete, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass er meine Tochter als Versuchskaninchen missbraucht hatte. Da er aber der Profi war und ich mir wirklich Sorgen um Janinas Wohlergehen machte, wollte ich ihm nicht ins Wort fallen und lauschte aufmerksam seinen weiteren Erklärungen.
Dr. Nahls sagte, dass seine erste Vermutung darin bestand, dass ihr Gehirn eine deutliche Leistungsschwäche aufwies. Vielleicht war sie nicht in der Lage, Entscheidungen selbstständig zu treffen, und brauchte daher die Unterstützung einer außenstehenden Person. Um diese Theorie zu überprüfen, wurde ein Scan durchgeführt, der ihre Hirnwellen aufzeichnete. Doch das Ergebnis war überraschend, denn offenbar lag Janinas Problem nicht darin, dass in ihrem Kopf zu wenig vor sich ging, ganz im Gegenteil: Sie verarbeitete zu viele Gedanken auf einmal und war schlichtweg überfordert.
Der Psychologe erläuterte, dass der Mensch viele Entscheidungen am Tag treffen muss, und die meiste Entscheidungsfindung unterbewusst geschieht. Atmen und Blinzeln werden ohne aktiven Denkprozess ausgeführt. Andere Tätigkeiten sind allerdings mit klaren aktiven Entscheidungsfindungen verbunden. Allein der Vorgang „Essen“ ist mit Dutzenden verbunden: „Was soll ich essen?“ „Soll ich es holen gehen?“ „Welches Besteck benötige ich?“ „Wie viel Hunger habe ich?“ Und so weiter und so fort.
Da Janinas Gehirn durchgehend von Gedanken überlastet wäre, fiele es ihr schwer, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Der Doktor verglich es mit einer Tür: Während bei gesunden Menschen Gedanken einfach durch die Tür schreiten können und zu Entscheidungen werden, ist es bei ihr so, als würden Hunderte Gedanken auf einen Schlag durch diese Tür hindurchwollen. Nur dass diese dadurch verstopft und somit kein Gedanke es schafft, zu einer Entscheidung zu werden.
Letztlich bedeutete dies, dass Janina weiterhin bei uns leben konnte, aber langfristig nicht in der Lage war, ein autonomes Leben zu führen. Sie musste quasi fremdgesteuert werden.
Da es ein enormer Zeitaufwand war, ihren ganzen Tag zu planen, und auch ihre Gesundheit davon abhing, riet der Psychologe uns, eine Pflegerin zu engagieren, die uns diesen Aufwand abnehmen und jeden Morgen, nachdem ich, meine Frau und meine Söhne das Haus verlassen hatten, um zur Arbeit oder zur Schule zu gehen, ihr einen Plan vorlegen sollte, mit den Dingen, die sie zu tun hatte.
Mittlerweile war gut ein Jahr vergangen und seit die Pflegerin, eine nette ältere Dame namens Elli, sich um Janina kümmerte, hatte sich unser aller Leben drastisch verbessert.
Janina wirkte glücklich, wenn sie wusste, was sie zu tun hatte. Die Gewissheit, keine eigenen Entscheidungen treffen zu müssen, zu wissen, wann sie wo sein musste und was sie wann zu essen hatte, schien ihr Freiheit zu schenken. Sie sprach zwar weiterhin kaum mit uns, aber das war in Ordnung. Dr. Nahls hatte uns gesagt, dass das Bilden von Sätzen ebenfalls mit vielen Entscheidungen zusammenhängt, es sei also annehmbar, dass ihr das Reden enorm schwerfällt.
Doch eines Tages, ich war gerade in meinem Büro und sprach mit einem Kunden, klingelte mein Telefon. Es war die Polizei, ich sollte umgehend nach Hause kommen.
Ich machte mich sofort auf den Weg und kam eine halbe Stunde später zu Hause an. Das Haus war mit Polizeiband abgesperrt und mehrere Streifenwagen parkten davor.
„Sind sie Herr Drönning?“, fragte mich ein Polizist, der sich als Herr Christiansen vorstellte, mit einer gewissen Trauer in der Stimme,...
Erscheint lt. Verlag | 25.9.2023 |
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Illustrationen | Dominik Jell |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Kinder- / Jugendbuch | |
Schlagworte | Aktion Kulturpass • creepypastas • Grusel • gruselig • Horror • Internetphänomen • Junge Erwachsene • Krimi • kulturpass • Kurzgeschichten • Mystery • Spannung • True Crime • youtube |
ISBN-10 | 3-96096-325-4 / 3960963254 |
ISBN-13 | 978-3-96096-325-7 / 9783960963257 |
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Größe: 7,0 MB
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