Queer durch den Regenbogen (eBook)
Community Editions (Verlag)
978-3-96096-281-6 (ISBN)
Eine Kleinstadt in Süddeutschland: Nachdem Ava auf einer Party beim Knutschen mit Paula gesehen wird, ist die Aufregung groß. Ava wird vor der gesamten Schule als lesbisch geoutet, gemobbt und ausgegrenzt. In Berlin soll alles besser werden. Dort findet Ava einen Ausbildungsplatz und eine neue Identität - outet sich als trans und nennt sich fortan Leo. Doch das soll nicht das letzte Coming-out in Leos Leben gewesen sein.
Ein fiktiver Roman mit autobiografischen Zügen.
Max Appenroth (er/keine Pronomen) ist trans nicht-binär und als Aktivist, Autor, Diversity-Berater, Speaker und Moderator tätig. Max promoviert am Institut für Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin. Online und bei öffentlichen Auftritten informiert er zu LGBTQIA+-Themen, schwerpunktmäßig zu geschlechtlicher Vielfalt. Seine Follower*innen kennen ihn außerdem als leidenschaftlichen Sportler, Veganer und Katzenfan.
Max Appenroth (er/keine Pronomen) ist trans nicht-binär und als Aktivist, Autor, Diversity-Berater, Speaker und Moderator tätig. Max promoviert am Institut für Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin. Online und bei öffentlichen Auftritten informiert er zu LGBTQIA+-Themen, schwerpunktmäßig zu geschlechtlicher Vielfalt. Seine Follower*innen kennen ihn außerdem als leidenschaftlichen Sportler, Veganer und Katzenfan.
Kapitel 1
Paulas Parfüm
DER Tag im Jahr war endlich gekommen. Es war Ende Juni und so heiß, dass ich permanent einen nassen Film auf der Haut hatte und alles klebte. Jede Bewegung
war eigentlich zu viel. Aber das sollte mich nicht aufhalten. Denn in dem kleinen Ort, in dem ich aufgewachsen bin, fand das größte Fest des Jahres statt: die Sommersonnenwende. Das absolute Highlight kurz vor den Ferien und in mir machte sich die Vorfreude durch ein Wahnsinnskribbeln im Bauch bemerkbar.
Zwei Wochen vorher hatte ich mich abends, als meine Eltern vor dem Fernseher saßen, leise in den Keller geschlichen. Jetzt bloß keine falsche Bewegung machen, damit die ollen Holztreppen nicht knarzen, dachte ich mir und mein Herz pochte schneller. Schritt für Schritt tapste ich auf Zehenspitzen die alte Kellertreppe hinunter. Unten angekommen zog ich mit aller Kraft eine schwere Kiste vors Regal. Anders komme ich sonst gar nicht ans oberste Fach. Hinter den Konservendosen war schon ewig eine Flasche Baileys versteckt. „Das süße Zeug trinken die eh nicht“, murmelte ich leise vor mich hin und griff nach der Flasche, die schon völlig mit Staub bedeckt war.
„Was machst du denn da? Du weißt schon, dass das nix für 16-Jährige ist?“, rief es auf einmal hinter mir. Vor Schreck taumelte ich auf die Kante der Box und konnte mich gerade noch mit der linken Hand am Regal festhalten. Beinahe hätte ich auch noch die Flasche fallen lassen, hielt sie aber zum Glück fest genug im Griff meiner rechten Hand. Da sah ich meinen zwei Jahre älteren Bruder Olli in der Türe stehen. Mit seinem dunkelblauen Designer-Trainingsanzug mit dem goldenen Reißverschluss und der großen Kette um den Hals sah er immer ein bisschen aus wie so ein Pseudo-Gangster aus gutem Hause.
„Ich hab nur was zum Backen im Vorratsregal gesucht“, brachte ich Olli entgegen.
„Du willst wohl kaum ’n beschwipsten Schokokuchen backen? Die Story kannst du jemand anderem erzählen.“ Er hatte natürlich sofort verstanden, was hier vor sich ging, und ich merkte, wie ich knallrot wurde. Lügen konnte ich noch nie gut. „Lass das bloß nicht die Eltern merken, dass du hier den Alkohol aus dem Keller klaust.“
Ich schaute Olli an. „Du sagst denen aber nichts, oder?“
Er schüttelte den Kopf, zeigte allerdings ernst mit dem Finger auf mich und sagte: „Dafür hab ich was gut bei dir.“
In meinem Zimmer zog ich hastig eine schwarze Kiste unter meinem Bett hervor und steckte die Flasche hinein. Die Kiste schob ich anschließend ganz nach hinten unters Bett und stapelte meine drei Paar Fußballschuhe davor. Dann fiel ich aufs Bett und holte tief Luft. Das war vielleicht ein Schreck gewesen. Mit dem Baileys kann ich bei den anderen bestimmt punkten, malte ich mir aufgeregt aus. Aber eigentlich wollte ich ja nur eine Person beeindrucken – und das war Paula.
Paula ging gemeinsam mit meinem Bruder Olli in eine Klasse und war mit das beliebteste Mädchen der ganzen Schule. Sie war außerdem stellvertretende Schülersprecherin und ich liebte es, im Gang in der Schule hinter ihr zu laufen und Paulas blumiges Parfüm zu riechen. Durch Olli hatte ich schon ein paarmal die Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen. Bei Ollis letzter Geburtstagsparty Anfang des Jahres kam Paula sogar zu mir ins Zimmer, weil sie keinen Bock mehr hatte, mit Olli und seinen Freunden Trinkspiele zu spielen. Wir unterhielten uns gefühlt stundenlang über alles Mögliche. Paula lachte auch ständig über meine Witze. Ich war selbst überrascht davon, wie cool ich in dem Moment plötzlich gewesen war. Zum ersten Mal sagte ich anscheinend immer das Richtige.
Ich hatte die ganze Zeit so ein krasses Kribbeln in meinem Bauch und beobachtete Paula genau, als sie sich mit den Fingern durch ihre langen, dunkelblonden Haare fuhr. Und dann war da natürlich auch der Duft ihres Parfüms. Nachdem Paula weg war, hatte ich vor dem Schlafengehen extra das Fenster nicht geöffnet, nur damit ihr Geruch noch länger in meinem Zimmer blieb. Und ich konnte sie noch immer riechen, als ich das Licht ausmachte. Seit dem Abend im Januar konnte ich an nichts anderes mehr denken als an Paula.
Schon Tage vor dem Fest hatte ich überlegt, was ich bloß anziehen könnte. Ich wollte besonders gut aussehen und entschied mich für mein bordeauxrotes Lieblings-Poloshirt und die neuen blauen Jeans-Shorts, die ich kurz vorher gekauft hatte. Ich nahm mir heute extra viel Zeit, um mich fertig zu machen. Denn ich wollte perfekt aussehen. Ich ging noch mal mit der Bürste durch meine langen Haare. Wenn die scheiß langen Dinger nicht immer so ziepen würden. Und wieder kam mir der Gedanke, die Haare endlich abzuschneiden. Vielleicht nach dem Sommer. Ich band mir die Haare fest zu einem Zopf nach hinten zusammen und sprühte so viel Haarspray drauf, dass ich husten musste.
Olli war zum Glück schon aus dem Haus und ich schlich mich rüber in sein Zimmer. Er hasste es, wenn ich ohne zu fragen an seine Sachen ging. Aber in dem Moment war mir das völlig egal. Ich wusste genau, wo seine Parfüms waren, und zog die oberste Schublade der schwarzen Kommode auf. Zwischen den vielen kleinen Duftflaschen suchte ich ein ganz Bestimmtes. Ich las mir selbst laut die einzelnen Worte auf der Flasche vor „Tommy Hilfiger – Tommy – For Men“ und sprühte mich am Hals und den Unterarmen mit dem Duft ein.
Beim Rausgehen blieb ich vor dem Spiegel noch einmal stehen und schaute mich von oben bis unten an. Du gefällst mir!, schoss es durch meinen Kopf. Ich merkte, wie sich im nächsten Moment Aufregung in meinem Bauch breitmachte. Mit Kribbelgefühl verließ ich das Haus und wandelte fast schon wie auf Wolken schwebend rüber zu Marta nach nebenan.
„Hast du den Baileys eingepackt?“, rief sie mir noch vor einem „Hallo“ entgegen.
„Sag’s doch noch ein bisschen lauter, damit auch unsere Eltern ja davon mitbekommen!“, zischte ich. Natürlich hatte ich den Baileys in meinem schwarzen Rucksack dabei und hob ihn Marta direkt vor die Nase.
Marta wusste von meiner Schwärmerei für Paula. Wir kannten uns schon seit Martas Geburt, sechs Monate nach meiner eigenen, und wir waren gemeinsam aufgewachsen, als wären wir Geschwister. Wir wussten absolut alles voneinander und hatten keinerlei Geheimnisse. Marta war etwas kleiner als ich, hatte helle Haut mit ganz leichten Sommersprossen um die Nase, lange dunkelblonde Haare mit kleinen Locken und hatte sich sogar schon mit vierzehn einen Nasenring stechen lassen dürfen. Damit sah sie unglaublich reif aus für ihr Alter und ich war neidisch darauf.
Auch Marta hatte sich für heute etwas Besonderes angezogen und Make-up aufgelegt. Außerdem hatte sie Pappbecher für den Baileys besorgt. Wir machten uns auf in Richtung Festplatz, der am Stadtrand auf einem kleinen Hügel direkt am Wald gelegen war. Auf dem Weg dorthin flimmerte die Hitze des Tages immer noch auf dem Asphalt. Ich hatte Panik, dass sich an dem dunkelroten Shirt womöglich riesige Schweißflecken unter den Armen bilden könnten. Das wäre der absolute Horror, so Paula zu begegnen. Selbstzweifel nagten an mir und die Aufregung im Bauch wich dem Gefühl von Unsicherheit. Vielleicht war das Outfit doch nicht die richtige Wahl gewesen?
Von Weitem konnte ich schon die Brücke über die Landstraße hoch zum Bergwald sehen. So hieß der Festplatz und es war an den vielen dunklen hohen Fichten auf dem Hügel unschwer zu erkennen, woher der Name kam. Als wir die Brücke überquerten und näher kamen, wurde die Musik immer lauter. Offensichtlich waren die Grills der Wurstbuden auch schon angeschmissen worden, denn man konnte die verbrennende Grillkohle riechen. Ich mochte den Geruch, weil er immer bedeutete, dass nun wirklich endlich Sommer war. Die bunten, glitzernden Lichter der drei Fahrgeschäfte waren nun auch endlich zu sehen und die Vorfreude auf den Abend kam zurück!
„Hier ist ja schon richtig was los!“, sagte ich zu Marta. Die schaute mich nur an und rief laut: „Was hast du gesagt? Ich kann dich kaum verstehen!“
Ich wiederholte mich deutlich lauter: „HIER GEHT JA SCHON RICHTIG DIE POST AB!“ Marta nickte mir mit einem aufgeregten Funkeln in ihren Augen zu.
Dann entdeckte ich neben dem Ausschank drei vertraute Gestalten. Die fehlten mir gerade noch! Das besonders ätzende Jungs-Trio aus meiner Klasse, bestehend aus Sebastian, Till und Cem – oder wie Marta und ich die drei nannten: Tick, Trick und Track –, kam direkt auf uns zu. „Na, haste mal wieder in der Männerabteilung geshoppt?“, sagte Till und grinste mich hämisch an.
„Oder gibt’s jetzt schon ’n Onlineshop für fette Mannsweiber wie dich?“, fügte Sebastian hinzu.
Ich spürte, wie die Wut in mir hochstieg, konnte aber nicht mehr als ein „Haltet doch die Fresse!“ rausdrücken.
Marta hakte sich in meinen linken Arm ein und zog mich mit den Worten „Komm Ava, lass die Idioten Idioten sein. Wir gehen woanders hin!“ davon.
Und da waren sie wieder, die Selbstzweifel. Diese drei Arschlöcher machten mir bei jeder Gelegenheit das Leben schwer. Als hätten die nix Besseres zu tun! Doch mit einem Mal waren Tick, Trick und Track komplett vergessen. Denn da drüben bei den bunt beleuchteten Boxautos stand sie: Paula! Mein Herz schlug sofort schneller und mein Bauch und meine Hände kribbelten. Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit.
Auch Paula hatte mich gesehen und winkte mir sogar zu. Das beruhigte den Großflughafen der Schmetterlinge in meinem Bauch nicht gerade....
Erscheint lt. Verlag | 29.9.2023 |
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Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Aktivist • All Age • Autobiografischer Roman • Coming of Age • Coming-out • das Herz bleibt genau dasselbe • Diversity • Egal was sich auch ändert • Erwachsenwerden • Homosexualität • Identität • Instagram • Junge Erwachsene • Lesbisch • LGBTQ • Liebe • Mr Gay Germany • non binär • Outing • Pubertät • Queer • Roman • Schwul • Selbstfindung Roman • Trans • Transidentität • Young Adult • Young Adult Liebesroman |
ISBN-10 | 3-96096-281-9 / 3960962819 |
ISBN-13 | 978-3-96096-281-6 / 9783960962816 |
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Größe: 2,3 MB
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