Zwölf Tage und immer (eBook)
320 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93668-1 (ISBN)
Elise Bryant wurde in Südkalifornien geboren und hat viele Jahre als Sonderschullehrerin gearbeitet, bevor sie anfing Bücher zu schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Long Beach, Kalifornien. Mehr unter www.elisebryant.com.
Elise Bryant wurde in Südkalifornien geboren und hat viele Jahre als Sonderschullehrerin gearbeitet, bevor sie anfing Bücher zu schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Long Beach, Kalifornien. Mehr unter www.elisebryant.com. Sylke Hachmeister, geboren 1966, studierte Kommunikationswissenschaften, Anglistik und Soziologie. Zunächst arbeitete sie als Lektorin, bevor sie sich als Übersetzerin selbstständig machte. Ihre Bücher wurden bereits vielfach ausgezeichnet.
Erstes Kapitel
Mein Leben ist kein Liebesroman.
Das versuche ich meiner besten Freundin Tessa zu erklären, als sie über meine Ferienpläne in Verzückung gerät und mich mit Herzchenaugen ansieht. Aber sie lässt das nicht gelten.
»Lenore, du verstehst das nicht.« Sie wirft sich auf ihr Bett, als wäre es eine Chaiselongue. »Um so was hab ich meine Eltern jahrelang angebettelt. Jahrelang! Jedenfalls war es mindestens unter den Top Fünf.«
Ich gucke sie mit hochgezogenen Brauen im Spiegel an, während ich noch eine Schicht Wimperntusche auftrage. Ich will so dicke Spinnenwimpern haben wie Diana Ross in den Siebzigern. »Top Fünf? Das klingt so offiziell. Gibt’s das irgendwo schriftlich?«
»Ja, gibt es, aber ich weiß es noch auswendig.« Sie nickt ernst und richtet sich auf. Sie merkt gar nicht, dass ich mich über sie lustig mache. »Platz eins« – sie reckt den rosa lackierten Daumen – »war ein Ferienlager, das praktischerweise auch bei Mitgliedern einer Boygroup beliebt ist, die ein ganz normales Leben führen wollen. Platz zwei eine kleine Stadt, in der aus unerfindlichen Gründen monatelang Weihnachten gefeiert wird.«
Ich hebe die Hände. »Okay, hab’s kapiert, Sis. Du brauchst nicht weiter …«
»Platz drei«, fällt sie mir ins Wort und kneift die großen braunen Augen zusammen. »Ferien in Europa. Und dann auch noch auf einem Kreuzfahrtschiff! Übers Mittelmeer! Im Sommer nach dem Schulabschluss! Das ist ja wohl der Hauptgewinn! Nur dass aus dem Spielautomaten statt Münzen lauter Herzchen und Jungs und Sonnenschein und gelato und traumhafte historische Gebäude und, ich weiß nicht, vielleicht sogar Kondome rauskullern.«
Sie grinst mich frech an, und ich denke an die Tessa, die ich letztes Jahr kennengelernt habe – schüchtern und verzagt, und wenn jemand das Wort »Kondom« nur aussprach, bekam sie schon einen hysterischen Anfall. Sie hat sich auf jeden Fall gemacht, klar, aber manchmal geht sie mir ganz schön auf die Nerven.
Ich schaue sie an und verdrehe die Augen. »Du hast vergessen, meine Eltern, meine Schwester und meinen Bruder zu erwähnen, mit dem ich mir, ach ja, eine winzige Kabine teile. Für mich gibt’s diesen Sommer garantiert keine Kondome.«
»Mit der Einstellung bestimmt nicht.« Sie schnaubt. Sie streckt die Arme weit aus und bekommt einen glasigen Blick, genau wie meine Oma Lenore (ja, wir haben denselben Namen), wenn sie erzählt, was sie alles bei T.J. Maxx gekauft hat. »Ich sehe es genau vor mir. Du trägst einen gestreiften Strohhut und diesen königsblauen Bikini mit der hohen Taille, den du dir letzte Woche bei Target gekauft hast …«
»Wieso weißt du das noch? Du warst nicht mal dabei …«
»Du liegst wie hingegossen auf dem Pooldeck, deine Haut schimmert in der Sonne. Und ein gut aussehender Fremder mit einem, sagen wir mal, Tenpack kommt vorbei und ist von deiner Schönheit verzaubert, und da sieht er, dass du mit der Sonnencreme nicht an deinen Rücken drankommst … Na ja, vielleicht keine Sonnencreme, die benutzen wir ja gar nicht …«
»Moment mal.« Ich reiße sie aus ihrem Herzchentraum. »Wie meinst du das, die benutzen wir nicht?«
»Ich meine, wir brauchen doch keine Sonnencreme. Du weißt schon …« Sie macht eine unbestimmte Handbewegung. »Von wegen Melanin.«
Ich starre sie an, aber das War-nur-ein-Witz-Grinsen bleibt aus. Es ist ihr voller Ernst. »Natürlich müssen wir uns eincremen! Tessa, läufst du wirklich ohne Sonnenschutz rum?«
Sie zuckt die Achseln und geht zu ihrem Bücherregal. »Egal, das ist doch jetzt nicht wichtig.«
»Äh, Hautkrebs ist schon wichtig.«
»Das hier ist ein Notfall in Sachen Liebe, Lenore! Liebe ist wichtig! Du musst das ernst nehmen.« Sie schnaubt, und jetzt frage ich mich doch, ob sie mich vielleicht veralbern will. Notfall in Sachen Liebe? Himmel, ich fahre mit meiner Familie in Urlaub.
»Wir müssen wirklich nicht gerade jetzt darüber reden«, sage ich, aber sie ignoriert mich einfach und stellt sich mit in die Seiten gestemmten Händen vor ihr riesiges Bücherregal, in dem die Buchrücken perfekt nach den Farben des Regenbogens angeordnet sind. »Recherchieren«, murmelt sie vor sich hin und tippt sich aufs Kinn. »Du musst recherchieren.«
Ich schüttele den Kopf und wende mich wieder meinem Spiegelbild zu. Ich trage korallfarbenen Lippenstift auf, der zu meiner Haut schön knallig aussieht. Meine Mutter hat mir die Locken heute zu einer komplizierten Hochsteckfrisur geflochten, und ich stecke ein paar Strähnen fest, die sich gelöst haben.
So ist Tessa eben. Wobei das jetzt selbst für ihre Verhältnisse ein bisschen drüber ist. Vielleicht ist sie nur aufgeregt wegen heute Abend. Das bin ich natürlich auch, und wie. Jay hat sich immer noch nicht gemeldet. Vielleicht sollte ich noch mal nachschauen. Tessa ist so beschäftigt, dass sie es nicht mitkriegen wird und mich nicht daran hindern kann …
Doch ein lauter Knall hält mich davon ab, mein Handy rauszuholen, auf das ich ganz sicher nicht noch mal schauen sollte. Ein Haufen Bücher ist aus dem Regal gepurzelt, wie es aussieht, hat Tessa sich auf irgendetwas draufgestellt, um ein Buch vom obersten Regalbrett zu holen. Das wäre normalerweise nicht so schwierig, in einem voluminösen zartrosa Tüllkleid aber schon. Denn, genau, das hatte ich noch gar nicht erwähnt: Wir fahren gleich zum Abschlussball. Und das heißt, dass wir wirklich, wirklich nicht gerade jetzt darüber reden müssen.
»Alles okay?« Ich springe auf, raffe den Rock meines petrolfarbenen Mermaid-Spitzenkleides zusammen und laufe zu ihr. Sie liegt flach auf dem Rücken und verschwindet fast in ihrem Tüllkleid. Der einzige Körperteil, den ich finden kann, ist eine ausgestreckte Hand in der Luft, darin ein Taschenbuch.
»Alles gut!«, sagt sie und schlägt den Tüll zurück, sodass ich ihr Gesicht sehen kann. »Sehr gut sogar! Genau das hab ich gesucht!«
Langsam lächelt sie und zeigt mir dann das Buch, das sie sorgsam in den Händen hält, als wäre es eine Heilige Schrift. Herzklopfen auf Französisch. Es ist schreiend pink mit einem Herz und dem Eiffelturm darauf, gehört also zu der Sorte, die ich nicht mal für Geld lesen würde. Na ja, okay, für Geld vielleicht schon. Aber es müsste dann schon für ein Pyer-Moss-Kleid direkt vom Laufsteg reichen, und das steht hier nicht in Aussicht.
»Das musst du vor der Reise unbedingt lesen, und dann« – sie kichert mit einem wissenden Grinsen – »na ja, wirst schon sehen.«
Ich schüttele den Kopf. »Hör auf mit dem Quatsch. Du weißt genau, dass ich für so was keine Zeit habe. Die Prüfungen stehen an, die Party mit allen Eltern und die Abschlussfeier. Plus diese nicht ganz unwichtige Veranstaltung, die in, äh« – ich schaue auf dem Handy nach, wie spät es ist, und auch, ob Jay geschrieben hat (hat er nicht) – »zwei Stunden losgeht! Warte, ich bringe deine Haare in Ordnung. Die sind hinten ganz platt.« Ich lege das Buch, das ich um nichts in der Welt lesen werde, unauffällig auf ihren Nachttisch und nehme einen Afrokamm, um ihre Locken aufzufrischen. Doch sie hat die Arme verschränkt, und ich spüre förmlich, wie es in ihrem Kopf rattert. »Außerdem«, sage ich in der Hoffnung, dass sie dann von dem Thema ablässt, »fahre ich ja gar nicht nach Paris.«
Sie stürzt zu ihrem Schreibtisch, wobei ich ihr fast eine Handvoll Locken ausreiße, und nimmt einen Zettel. »Ach ja, stimmt. Hier steht Marseille. Aber das liegt auch in Frankreich, so anders kann es also nicht sein, oder?«
»Ist das etwa …?« Ich gucke, was sie in der Hand hält. Tatsächlich. Die Reiseroute unserer Kreuzfahrt. Ich kann mich nicht erinnern, sie ihr gegeben zu haben, aber was soll’s.
»Die steht im Internet«, sagt sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Allgemein zugänglich. Jeder kann sie sich ansehen. Das ist nicht so merkwürdig. Warte mal, ich schicke dir was … Aber ich muss erst kurz suchen.«
Mit konzentrierter Miene tippt und scrollt sie auf ihrem Handy, und ich nutze die Pause von diesem Blödsinn, um mein Outfit zu vervollständigen: goldene Strahlenkranz-Ohrringe, metallische Pumps mit verzierten Blockabsätzen, eine mit Perlen bestickte Handtasche, die ich letzte Woche bei einer Haushaltsauflösung geschossen habe, und meine Lederjacke, die ich mir über den Arm hänge für den Fall, dass es später am Abend frisch wird. Ich betrachte mich in Tessas Spiegel, um mir zu bestätigen, was ich schon weiß: Dieser Look ist guu-hut. Gut mit zwei Silben. Ich hoffe, er passt zu Jays Outfit. Wir haben uns nicht abgesprochen, denn so ist das nicht zwischen uns. Und zwar ganz und gar nicht. Aber es wär trotzdem cool, wenn es passen würde.
Mein Handy plingt, und sofort habe ich dieses lästige Flattern in der Brust. Ist er das endlich? Aber Tessa verscheucht diesen albernen Gedanken.
»Okay, ich will vorwegschicken, dass der Film alt und ziemlich schnulzig ist, aber wenn du keine Zeit hast, ein Buch zu lesen …« Ihr Blick verrät nur zu deutlich, was sie von dieser Ausrede hält. »Dann ist er das Zweitbeste. Ehrlich gesagt war er sogar das Erste, was mir einfiel.«
Ich öffne ihre Nachricht und sehe einen YouTube-Link. Der Trailer zeigt ein Filmplakat, auf dem ein blondes Mädchen mit einem Koffer völlig grundlos auf Zehenspitzen steht.
»Was ist das für ein Film? Ist der vor deiner Geburt rausgekommen?«
»Ja, aber er ist immer noch gut. Das Mädchen fährt auf Klassenfahrt nach Rom – und Rom liegt auf eurer...
Erscheint lt. Verlag | 28.7.2023 |
---|---|
Übersetzer | Sylke Hachmeister |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | college liebesromane • College love story • Erste Liebe Buch Teenager • Ferienlektüre Mädchen • First Love • Liebesgeschichte • Liebeskomödie • Mädchenbuch ab 13 • poc • Schwarze Hauptfigur • Selfcare • Self-Empowerment • Sommerferien • Starke Mädchen • Young Adult Romance |
ISBN-10 | 3-646-93668-1 / 3646936681 |
ISBN-13 | 978-3-646-93668-1 / 9783646936681 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,7 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich