Solartopia - Am Anfang der Welt (eBook)

Am Anfang der Welt

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eBook Download: EPUB
2023
320 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0538-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Solartopia - Am Anfang der Welt -  Victoria Hume
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Spannende Future-Fiction ab 12 Jahre ? Ein utopischer Jugendroman mit starker Heldin, magischer Natur und einem Kampf ums Überleben
»Wir sind die Letzten. Finn und ich in einem Wolkenkratzer mitten im Nirgendwo. Wie zwei Pflanzen, deren Wurzeln sich auf einen kargen Felsen krallen. Wir werden hier überleben. Weil wir müssen.« Seit sie denken kann, lebt die sechzehnjährige Nova zusammen mit ihren Pflanzen und ihrem besten Freund Finn in Turris, einem riesigen, einst luxuriösen Hochhaus. Weit unter ihnen gibt es nichts als giftigen Smog. In der Turmspitze jedoch versorgen sie sich autark dank ihres Dachgartens, einem kleinen Paradies. Aber als der giftige Nebel am Turm hochkriecht und Novas Garten zu sterben beginnt, weiß sie: Sie müssen Turris verlassen. Auf einer lebensgefährlichen Reise erkennt Nova, dass nichts von dem, was sie über die Welt weiß, zu stimmen scheint. Sie und Finn entdecken Solartopia, eine futuristische Metropole, in der die Menschen in Einklang mit Technik und Natur leben. Gemeinsam mit dem jungen Piloten Jett kommen sie dem Geheimnis von Solartopia auf die Spur - und entfesseln einen Kampf, der die letzten Reste der Menschheit vernichten könnte. Der erste Band des packenden Future-Fiction-Zweiteilers!

Victoria Hume wurde 2022 von The Society of Children's Book Writers and Illustrators als eine der unentdeckten Stimmen des Jahres ausgezeichnet. Sie ist Ökologin und daher oft in der Wildnis Englands zu finden. Ihre Liebe zur Natur verleiht ihren Geschichten eine besondere emotionale Tiefe. Sie lebt mit Mann und Sohn in Brighton. Der »Solartopia«-Zweiteiler ist ihr Debüt.

Kapitel 1


Wenn ich könnte, würde ich Wurzeln schlagen. Das sagt Finn gern scherzhaft zu mir. Vielleicht hat er recht. Vielleicht kann ich deswegen in unserem Dachgarten besser schlafen – ein Stück näher dran, selbst zur Pflanze zu werden. Und gestern Abend, nach einem schrecklichen Winter, war er endlich auch der Meinung, dass es warm genug für die Hängematte ist.

Die Luft kurz vor Sonnenaufgang riecht grün und lebendig, wie ein saurer Apfel – so viel besser als mein stickiges Schlafzimmer. Als ich die Augen öffne, sehe ich ein Meer Blauregen, das über Nacht gewachsen ist. Die limonengrünen Wedel hängen wie ein Vorhang vom Kirschbaum. Ich strecke mich, und die schwingende Hängematte lässt die Blätter flattern.

Eine Ranke hat sich um meinen Arm geschlungen, als wollte sie meine Hand streicheln. Kichernd wickle ich sie ab, wobei ich gut aufpasse, den zarten jungen Trieb nicht zu beschädigen. Goldene Pheromone schrauben sich prahlerisch in die Höhe und signalisieren den anderen Pflanzen: Schaut mich an. Ich bin groß. Ich bin großartig!

Angeber.

»Du kannst nicht einfach überall rumklettern«, schimpfe ich den Blauregen, aber meine Stimme ist sanft, und ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen.

Die Pflanze pulsiert unter meinen Fingerspitzen. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihr leidtut oder sie trotz allem stolz auf sich ist.

Auch wenn Finn oft Witze darüber macht, ich weiß, wie schwer es als Pflanze sein muss. An einem Fleck festzusitzen. Keine andere Wahl zu haben, als das Beste draus zu machen. Eine kratzbürstige Distel schießt aus dem Boden? Dann kannst du dich nicht einfach in ein anderes Beet verziehen. Du musst kämpfen. Aber hier gilt: mein Garten, meine Regeln. Ich sorge dafür, dass jeder Platz findet: die Tyrannen, die Pionierinnen, die Sprinter. Alle müssen sich vertragen. Am besten gebe ich dem Blauregen nicht mehr so viel Kompost, bis er sich ein bisschen beruhigt hat.

»Auch endlich wach, Nova?«, ruft Finn vom anderen Ende der Hängematte.

Wir schlafen Fuß an Fuß, schon seit wir klein waren. Ich greife nach seiner Hand und drücke sie fest. Er ist für mich das, was einer Familie am nächsten kommt. Finn und ich gegen alles, was die verseuchte Welt uns entgegenschleudert. Nicht, dass wir sonderlich viel über die Welt außerhalb von Turris wüssten. Aber wir wissen genug, um für den Schutz dieses Hochhauses sehr, sehr dankbar zu sein.

Die Luft ist ruhig heute Morgen, aber der Wind wird bald auffrischen. So hoch oben ist es immer zugig.

»Bereit für den nächsten Tag voll Spaß?«, fragt Finn.

»Kommt drauf an.« Ich schmunzle. »Fällst du wieder in den Teich?«

Finn prustet los.

Vorsichtig teile ich den Blauregen und springe aus der Hängematte. Finn folgt mir. Wir sind in der Mitte des Gartens, ganz in der Nähe des Teichs. Wenn ich nicht allzu genau hinschaue, könnte man von hier aus fast meinen, mein Garten wäre endlos. Aber das ist er nicht. Er misst nur hundert mal sechzig Schritte. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass nur er zwischen uns und dem Verhungern steht. Aber es reicht, um Finn und mich am Leben zu halten.

Ich erschrecke einen frühen Vogel, eine Amsel, die sich in den Apfelbaum flüchtet und mit ihren dunklen Augen herauslugt. Sie erinnern mich an Finns Augen, scharf und wachsam. Die taufeuchte Frühlingsluft duftet nach Geißblatt. Allmählich werden auch die Pflanzen wach und summen ein bisschen lauter. Grün-goldener Glitzer steigt auf, wie Nieselregen, der verkehrt herum fällt. Pheromone, das offensichtlichste Anzeichen, wie es einer Pflanze geht, konnte ich schon immer sehen. Das Summen ist schwerer zu entschlüsseln, aber solange es grün und golden funkelt, weiß ich, dass alle glücklich und zufrieden sind.

Die Berge in der Ferne sind noch verschwommen, aber sobald die Sonne herauskommt, erkennt man grüne Fleckchen unterhalb der Schneegrenze. Der Morgenstern Venus scheint hell, ehe er hinter einer grimmigen grauen Wolke verschwindet. Ungebeten schießt mir eine Erinnerung durch den Kopf.

Zuerst zogen graue Wolken auf …

Panik durchfährt mich. Nicht heute. Heute darf es nicht regnen. Ich schließe die Augen und verscheuche die bösen Gedanken. Eine Wolke bedeutet noch gar nichts. Und selbst wenn – Regen ist etwas Gutes. Der Teich und die Wasserspeicher müssen dringend aufgefüllt werden.

Finn muss meine Angst spüren. »Entspann dich, Nova. Schau dir den Ringelrausch an. Wenn ein Gewitter aufziehen würde, wären die Blüten geschlossen.«

Ich nicke stumm.

Die Amsel beginnt den Tag mit einem vergnügten Zwitschern, samtig und süß wie Himbeermarmelade. Bald stimmen andere Vögel mit ein: freche Rotkehlchen und fluffige Zaunkönige mit ihrem ohrenbetäubenden Organ trotz ihrer winzigen Größe. Wie immer pfeife ich meine eigene Melodie – einen Oldie, den Ma früher gern gesungen hat. Novas Morgenkonzert. Dieser Teil des Tages macht mich fröhlich, ich vergesse meine Sorgen und fühle mich furchtlos und lebendig. Wir sind hier, allen Erwartungen zum Trotz. Man vergisst schnell, dass auch die Vögel hier festsitzen und sich ans Überleben klammern.

»Was für ein Geschrei«, brummt Finn, aber eigentlich gefällt es ihm – seine Lippen sind zu einem vertrauten schiefen Lächeln verzogen.

»Wer als Erstes drinnen ist!« Ich sprinte voran zur Tür, die vom Dach führt, schlüpfe in das schummrige Treppenhaus und schwinge das Bein übers Geländer. Finn ruft mir eine Warnung zu. Er steht nervös vor der obersten Stufe.

»Na los! Worauf wartest du?« Ich packe ihn und ziehe ihn mit mir auf den Handlauf. Kreischend sausen wir nach unten.

Unser dunkles, stilles Zuhause erstreckt sich über die obersten beiden Stockwerke des Hochhauses. Die weichen, dicken Teppiche schlucken jedes Geräusch meiner nackten Füße. Ich singe, um die Stille zu füllen. »Good morning, good morning«, trällere ich den leeren Räumen zu. Das ist der Text des Lieds, das ich auf dem Dach gepfiffen habe. »We’ve talked the whole night through.«

Ich steuere auf das einzige funktionierende Badezimmer zu mit den einstmals glänzenden Marmorfliesen und einer tiefen weißen Badewanne. Überall hängt meine Wäsche. Ein Spinnennetz aus Sprüngen überzieht den Marmor, und die halbe Wand ist aufgerissen, um an die Rohre zu kommen. Ma hat sie selbst neu verlegt. Sie werden vom Dach gespeist. Und was wirklich clever ist: Das Wasser von der Dusche und dem Waschbecken wird aufgefangen und für die Pflanzen wiederverwendet. Trotzdem darf ich nicht allzu lange brauchen. Wasser ist kostbar.

Ich werfe die dreckigen Klamotten von gestern in die Wanne, stecke den Stöpsel rein und drehe den Wasserhahn auf. Das kalte Nass aus dem Duschkopf lässt mich nur leicht zusammenzucken. Ich schrubbe mich so lange, wie ich es aushalte, ehe ich das Wasser wieder abdrehe, mich kurz abtrockne und das Handtuch um meinen Körper wickle. Dann stampfe ich auf meinen Kleidern im Duschwasser herum, um sie sauberzuscheuern, bevor ich sie grob auswringe und über den Rand werfe. Später werde ich sie raus in die Sonne hängen. Anschließend putze ich mir die Zähne. Die Zahnpasta ist uns schon vor Jahren ausgegangen, aber zum Glück haben wir noch Natron. Wenn man das mit kaltem Minztee mischt, ist es eine gute Alternative. Keine Ahnung, was ich mache, wenn das auch noch alle ist. Ma hat immer betont, wie wichtig saubere Zähne sind.

»Good morning, good morning to you!«, schmettere ich aus voller Kehle.

Finn schreit aus dem Nebenzimmer, dass ich die Klappe halten soll.

Auf dem Weg in mein Schlafzimmer summe ich vor mich hin. Im Lauf der Jahre habe ich die langweiligen weißen Wände mit mehr oder weniger gelungenen Zeichnungen von Pflanzen dekoriert. Vorsichtig bahne ich mir einen Weg zwischen den Klamottenhaufen hindurch und entscheide mich schließlich für eine hellgrüne Leggings mit pinken Tigern drauf und ein neongelbes Oberteil mit Fledermausärmeln, das von der Vorhangstange baumelt. Perfekt! Beim Blick in den hohen Spiegel runzle ich die Stirn. Meine dunklen Locken fallen schon wieder bis über die Ellbogen. Die sind fast so schlimm wie der Blauregen. Ich muss sie bald schneiden, aber für den Moment binde ich sie erst einmal mit dem Blumentuch zurück, das nach Lavendel riecht. Das haben wir in der Wohnung mit den rosafarbenen Wänden im elften Stock gefunden.

»Nova, mein Schatz«, sage ich zu mir selbst, »du bist bereit für den Tag.«

Dann starte ich mit meiner Morgenroutine. Irgendwie habe ich Angst, dass etwas Schlimmes passiert, wenn ich meine Checkliste vergesse. Routinen sorgen für unsere Sicherheit.

Ich überprüfe alle Lager: den Werkzeugraum, den Müllraum, den Samenraum und zuletzt die Essensvorräte. Die Regale sind beinahe leer. Ich suche jede Ecke penibel nach Spuren von Mäusen oder Insekten ab, und die Wände nach Feuchtigkeit oder Schimmel. Verluste wären eine Katastrophe.

Im Esszimmer mache ich zwanzig Sit-ups, zwanzig Kniebeugen, zwanzig Liegestütze und zwanzig Hampelmänner. Danach versuche ich, meine Zehen zu berühren, und schaffe es fast. Ich messe meinen Puls, der beruhigend normal ist. Wir müssen gesund bleiben. Hier gibt es keinen Arzt, der uns wieder aufpäppelt, wenn wir krank werden.

Ich streiche einen weiteren Tag vom Kalender: 24. April.

Der Kühlschrank in der Küche ist immer noch kalt. Das Licht geht an und aus, was mich daran erinnert, dass ich das Solarpanel putzen muss. Ich stecke die elektrische Laterne ein, um sie aufzuladen.

Als ich es nicht mehr länger...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2023
Reihe/Serie Solartopia
Übersetzer Katrin Segerer
Zusatzinfo 3 s/w Abbildungen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 12 Jahren • Abenteuer • Fantasy • Future Fiction • grüne Architektur • Klima • Nachhaltigkeit • Pflanzenmagie • Roman für Mädchen • SolarPunk • Umwelt • Urban Farm • Utopie
ISBN-10 3-7336-0538-1 / 3733605381
ISBN-13 978-3-7336-0538-4 / 9783733605384
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