Fritz und Kurt – Zwei Brüder überleben den Holocaust. Eine wahre Geschichte (eBook)

eBook Download: EPUB
2024
432 Seiten
cbt (Verlag)
978-3-641-30236-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fritz und Kurt – Zwei Brüder überleben den Holocaust. Eine wahre Geschichte - Jeremy Dronfield
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte
Es ist das Jahr 1938. Die Brüder Fritz und Kurt leben mit ihrer Familie in Wien. Wie alle Juden geraten sie nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Lebensgefahr. Der Vater Gustav und Fritz werden zunächst ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Als Gustav nach Auschwitz verlegt wird, folgt Fritz dem Vater freiwillig.

Kurt erhält die Möglichkeit, nach USA auszureisen und wächst bei einer amerikanischen Familie auf.

Fritz und seinem Vater Gustav gelingt es, die Hölle von Auschwitz zu überleben - durch ihren außerordentlichen Mut und ihr Durchhaltevermögen und die Hilfe von Freunden. Sie kehren beide nach Wien zurück. Kurt folgt ihnen im Jahr 1956.

Kein Roman - sondern das Schicksal der jüdischen Familie Kleinmann. Recherchiert und aufgeschrieben hat diesen erschütternden Bericht der Historiker Jeremy Dronfield. Die Lebensgeschichte von Gustav und Fritz wurde zunächst als Buch für Erwachsene veröffentlicht (in Deutschland unter dem Titel 'Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte'). Die vorliegende Ausgabe wurde ergänzt durch das Schicksal des jüngeren Bruders Kurt und mit vielen Zeichnungen des renommierten Illustrators David Ziggy Greene versehen.

Jeremy Dronfield, geboren 1965, ist Historiker und Archäologe. Er hat mehrere preisgekrönte Biographien und Bücher zu historischen Themen veröffentlicht.

Sagt Ja!


Kopfball!«

Fritz sprang in die Luft und streckte sich nach dem Fußball, den sein Freund Leo geschossen hatte. Der Ball flog über seinen Kopf, knallte gegen einen Laternenpfahl und rollte auf die Straße. Fritz rannte ihm nach. Ein Fuhrwerk, das von einem riesigen struppigen Pferd gezogen wurde, donnerte auf ihn zu.

»Weg da!«, schrie der Fahrer, und Fritz machte einen Satz rückwärts.

Er hörte den Hufschlag und das Rattern der Räder, dann war das Gefährt vorüber. Das Pferd war auf den Ball getreten und hatte ihn platt gedrückt. Es war kein echter Fußball, nur ein Bündel Lumpen, zusammengerollt und fest verschnürt. Fritz und seine Freunde konnten sich keinen echten Lederfußball leisten. Fritz drückte und rollte das Bündel, bis es wieder rund war, dann kickte er den Lumpenball zu Leo zurück.

Fritz Kleinmann und Leo Meth wohnten nicht weit voneinander entfernt. Fritz hatte viele Freunde – eine große Bande –, aber Leo war der, an den er sich sein ganzes Leben lang erinnern würde. Sie spielten nachmittags auf dem freien Platz am Karmelitermarkt, gleich gegenüber der Wohnung von Fritz’ Familie. Nach der Schule waren die Marktstände schon geschlossen, dann hatten die Bauern ihre unverkauften Waren zusammengepackt und waren mit ihren Karren nach Hause geklappert.

Fritz und die anderen Kinder liefen zwischen den leeren Ständen herum und kickten sich gegenseitig den Ball zu. Nur Frau Capek, die Obstverkäuferin, war noch da. Sie packte immer erst zusammen, wenn es dunkel wurde. Im Sommer schenkte sie den Kindern Maiskolben. Die meisten Jungen und Mädchen, die sich hier herumtrieben, waren arm und nahmen jedes Essen an, das sie geschenkt bekamen. Manchmal waren es ein paar Scheiben Wurst vom Metzger, alte Brötchen vom Bäcker oder – und das war das Beste von allem – Cremeschnitten oder rosa Waffeln von der Konditorei in der Taborstraße. Die Wiener Torten waren die besten der Welt.

Leo kickte den Ball wieder hoch in die Luft, und zwei ihrer Freunde sprangen ihm nach, aber dieses Mal stoppte Fritz ihn mit dem Kopf. Er begann auf dem Kopfsteinpflaster über den Platz zu dribbeln. Gerade wollte er den Ball mit einem harten Schuss über den Stand von Frau Capek hinwegbefördern, als er einen Polizisten auf sie zukommen sah. Das konnte Ärger geben, wenn er sie beim Fußballspielen erwischte. Ballspiele waren auf dem Marktplatz verboten, auch wenn es die einzige freie Fläche in der Nachbarschaft war.

Der Polizist warf den Jungen einen strengen Blick zu. Schnell wie der Blitz ließ Fritz den Ball unter dem Stand verschwinden und Frau Capek stülpte eine Kiste darüber. Sie legte den Zeigefinger auf den Mund. Pssst. Der Polizist sah die Jungen misstrauisch an, als er vorbeiging, aber die machten die unschuldigsten Gesichter der Welt. Dann war er weg.

Als Fritz den Ball wieder herausholte und sich bei Frau Capek bedankte, hörten sie in der Ferne einen Alarm. Tra-ra, tra-ra! Die Feuerwehr rückte aus!

Fritz und Leo hatten sofort denselben Gedanken. Ehe ihre Freunde begriffen, was los war, waren die beiden schon in Richtung des Lärms losgelaufen. Sie rannten bis zum Ende der Standreihe und bogen dann in die Leopoldsgasse ab.

»Fritz! Wart’ auf mich! Fritz!«

Fritz drehte sich um und sah seinen kleinen Bruder Kurt. Kurt hatte keine Chance, sie einzuholen: Fritz und seine Freunde waren vierzehn Jahre alt, Kurt gerade eben acht. Er hatte eine eigene Bande gleichaltriger Kinder, aber oft schlossen sie sich den älteren Jungen an, die sie unter ihre Fittiche nahmen.

Fritz wartete ungeduldig. Als Kurt ihn endlich eingeholt hatte, waren Leo und die anderen schon fast außer Sichtweite.

»Mama sagt, du sollst heimkommen«, sagte Kurt. »Es gibt Abendessen.«

Fritz wollte noch nicht nach Hause. Er wollte weiter, den Feuerwehrwagen sehen. Er stand am Gehsteigrand und überlegte, ob er die Straße überqueren und seinen Freunden hinterherlaufen sollte oder umkehren und mit Kurt heimgehen.

Auf der Straße war viel Verkehr, Lastwagen waren unterwegs und die schweren Karren der Kohlenhändler und Brauereien. Dann sah er, dass Herr Löwy, ihr Nachbar, auf der gegenüberliegenden Seite stand und die Fahrbahn überqueren wollte. Herr Löwy hatte als Soldat im Krieg sein Augenlicht verloren. Nun stand er am Bordstein, horchte auf den donnernden Verkehr und tastete mit seinem Gehstock über den Boden.

Fritz schlängelte sich zwischen den Fahrzeugen durch auf die andere Straßenseite und nahm Herrn Löwy bei der Hand.

»Ich bin’s, der Fritz«, sagte er. »Ich helf Ihnen.«

»Der Junge von Gustav?«, fragte der alte Mann. »Wie geht es deinem Vater?«

»Es geht ihm gut, danke, Herr Löwy. Da ist eine Lücke! Beeilen Sie sich.«

Fritz führte Herrn Löwy über die Straße, und dieser setzte seinen Weg fort, mit dem Gehstock über die Pflastersteine tastend.

Als Fritz zu Kurt zurückkehrte, starrte dieser auf den Boden. »Was ist das?«, fragte er und zeigte auf das Pflaster.

Fritz schaute hinunter und sah, dass jemand auf jede freie Stelle Parolen gepinselt hatte – auf den Gehweg, die Straße, sogar an die Hauswände. Überall stand in weißer Farbe derselbe Aufruf:

SAGT JA!

JA FÜR ÖSTERREICH!

JA ZUR FREIHEIT!

Fritz wusste, was es damit auf sich hatte. Diese Parolen waren einer Gründe, warum sich ihre Mutter in letzter Zeit solche Sorgen machte, wenn sie noch nach Einbruch der Dunkelheit draußen spielten. Sie warben für die große Abstimmung, die in ein paar Tagen stattfinden sollte.

»Es geht um Hitler«, sagte Fritz. »Wir werden ihm zeigen, wer hier das Sagen hat.«

Den Namen Hitler hatte Kurt schon gehört. Auch wenn er nicht wirklich verstand, wer Hitler war, wusste er, er war gefährlich. Ein kalter Schauer rieselte ihm den Rücken hinunter.

Fritz wiederum wusste, dass von allen Gefahren auf der Welt Adolf Hitler die schlimmste war. Österreich war das Nachbarland von Deutschland, wo Menschen an die Macht gekommen waren, die sich Nationalsozialisten, oder kurz »Nazis«, nannten. Adolf Hitler war ihr Anführer.

Die Nazis waren sehr wütend und wollten alles und jeden kontrollieren. Hitler und sein Gefolge trugen Uniformen wie Soldaten. Sie liebten den Krieg und hassten alle Menschen, die anders waren als sie selbst: Fremde, Menschen mit anderer Hautfarbe, fahrende Völker, homosexuelle Menschen, alle, die andere Vorstellungen davon hatten, wie eine Gesellschaft funktionieren sollte, und überhaupt alle, die sie nicht für »wahre Deutsche« hielten. Weil die Nazis in Deutschland regierten, entschieden sie, wer kein »wahrer Deutscher« war. Und das war im Grunde jeder, den sie nicht mochten. Das ergab zwar keinen Sinn, aber das war den Nazis egal. Deutschland sollte groß und mächtig sein, und sie wollten, dass es wie in alten Zeiten war – das heißt so, wie sie sich diese alten Zeiten vorstellten. Sogar moderne Künstler, die in neuen Stilrichtungen malten, wurden »entartet« genannt, und ihre Werke wurden verboten.

Vor allem aber hassten die Nazis jüdische Menschen. Juden gibt es bereits seit vielen Tausend Jahren, und ihre Religion hat einige Ähnlichkeiten mit dem christlichen Glauben. Aber ihre Vorstellungen von Gott unterscheiden sich von denen der Christen, und sie haben ihre eigenen Traditionen und Feiertage. Viele Menschen misstrauen jedem, der anders ist als sie selbst, und die Nazis waren besonders misstrauisch gegenüber allem, was anders war. Sie hielten jeden, der nach ihrer eigenen Definition kein »echter Deutscher« war, für eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft in Deutschland. Und was jüdische Menschen betraf: Die Nazis glaubten – ohne jede Begründung –, dass sie die Ursache allen Übels auf der Welt waren.

Adolf Hitler reichte es nicht, in Deutschland zu regieren. Er wollte auch in Österreich an die Macht. Österreicher sprechen deutsch, die beiden Länder haben viel gemeinsam, und Hitler war in Österreich geboren worden – also fand er, dass ihm das Land ebenfalls zustehe. Er hatte den Anschluss an das Deutsche Reich gefordert, aber der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg lehnte das ab. Am kommenden Sonntag sollte eine große Abstimmung stattfinden, die beweisen sollte, dass das österreichische Volk unabhängig bleiben wollte. Darum ging es in den Parolen auf dem Bürgersteig – Ja zu Österreich! Ja zur Freiheit! Hitler war darüber sehr wütend. So wütend, dass er vielleicht sogar seine Soldaten zur Eroberung Österreichs schicken würde.

In der Gegend rund um den Karmelitermarkt lebten Hunderte jüdische Familien, darunter auch Fritz und Kurt und ihre Familie, die Kleinmanns. Der Gedanke, dass die deutschen Nationalsozialisten an die Macht kommen könnten, jagte der jüdischen Bevölkerung große Angst ein.

Noch beängstigender war, dass es auch in Wien Menschen gab, die die Nationalsozialisten mochten und wollten, dass Hitler hierherkam.

Fritz und Kurt drehten sich um und wollten nach Hause gehen.

»He, Fritz!«

Das war Leo, und bei ihm war Hans, ein gemeinsamer Freund. Leo hielt ein süßes Sahneteilchen in der Hand und beide Jungen hatten einen verschmierten Mund.

»Der Bäcker Anker hat uns Kuchen geschenkt!«, sagte Leo. »Ich habe dir einen aufgehoben. Aber die Feuerwehr haben wir aus den Augen verloren.«

Das Sahneteilchen hatte schon bessere Zeiten gesehen und war ein bisschen zerdrückt, aber immer noch lecker. Fritz brach es in der Mitte...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2024
Illustrationen Ziggy Greene
Übersetzer Birgit Franz
Sprache deutsch
Original-Titel FRITZ AND KURT: A retelling of The Boy Who Followed his Father into Auschwitz
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2024 • ab 12 • Als Hitler das rosa Kaninchen stahl • Antisemitismus • Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte • Der Junge im gestreiften Pyjama • eBooks • Faschismus • Geschichte • Holocaust • Judenverfolgung • Jugendbuch • Jugendbücher • Konzentrationslager • KZ Auschwitz • mit Unterrichtsmaterial • Nationalsozialismus • nazis in österreich • Neuerscheinung • Österreich • Schullektüre • Shoah • Wien • Young Adult • Zusatzmaterial
ISBN-10 3-641-30236-6 / 3641302366
ISBN-13 978-3-641-30236-8 / 9783641302368
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 13,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich