White Bird - Wie ein Vogel (eBook)

(Autor)

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2023
288 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-27681-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

White Bird - Wie ein Vogel - R.J. Palacio
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Die Geschichte einer wunderbaren Rettung - nach 'Wunder' endlich ein neuer Roman der Bestseller-Autorin R.J. Palacio. 2023 im Kino!
Sara verlebt eine glückliche Kindheit im Frankreich der 30er-Jahre - bis die Nazis ihr Land besetzen. Eines kalten Tages im April 1943 muss das jüdische Mädchen vor den heranrückenden deutschen Soldaten fliehen und wird dabei von ihren Eltern getrennt. Ihr Mitschüler Julien, den Sara bisher stets wegen seiner Behinderung gehänselt hat, findet sie. Allen Gefahren zum Trotz, verstecken er und seine Familie Sara viele Monate lang. Doch die Handlanger der deutschen Besatzer kommen ihnen auf die Spur ... Eindrucksvoll erzählt R.J. Palacio eine Geschichte von Krieg und Liebe, vor allem aber von der Kraft der Menschlichkeit in düsteren Zeiten.

R.J. Palacio, 1963 in New York geboren, war 20 Jahre lang Grafikdesignerin, bevor ihr mit ihrem Debüt der Durchbruch als Schriftstellerin gelang: Wunder erschien 2013 bei Hanser, wurde in über 55 Sprachen übersetzt, erfolgreich verfilmt und 2014 von der Jugendjury mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Es folgten Jeder Tag ein Wunder (2015), Wunder - Julian, Christopher und Charlotte erzählen sowie das Bilderbuch Wir sind alle ein Wunder (beide 2017). 2023 erscheinen Roman, Graphic Novel und Verfilmung von White Bird - Wie ein Vogel. R.J. Palacio lebt in New York.

Gegenwart


»Julian, keine Handyspiele mehr. Mach deine Hausaufgaben.«

Julians Blick blieb starr auf das Display seines Smartphones gerichtet. »Ich mache Hausaufgaben«, erwiderte er. »Ich spreche für mein Schulprojekt mit Grandmère. Über FaceTime.«

Julians Mutter hob eine Augenbraue. Ihr Sohn rief seine Großmutter nur selten an, und von einem Schulprojekt hörte sie zum ersten Mal. Kurz kam ihr in den Sinn, nachzuschauen, ob Julian ihr bloß etwas vormachte. Aber dann hörte sie, wie es am anderen Ende der Leitung klingelte, also verließ sie den Raum und schloss die Tür.

Das Telefon klingelte weiter, und Julian wollte schon wieder auflegen und ein neues Handyspiel starten, als er schließlich doch noch eine vertraute Stimme hörte.

»Allô? Allô?«

Ein Gesicht schob sich ins Display. Es war tatsächlich Grandmère. Julians Großmutter schien sich kaum zu verändern, während sie älter wurde. Für sie war es eine Frage des Stolzes: Leuchtender Lippenstift und elegante Kleidung verrieten der Welt, dass man weiterhin mit ihr zu rechnen hatte. Ebenso wie ihre Angewohnheit, unumwunden zu sagen, was sie dachte. Sie war eine Frau mit festen Überzeugungen.

»Hey, Grandmère«, erwiderte Julian.

»Allô?«, ertönte als Antwort. »Allô? Julian, bist das du?«

Natürlich wusste sie, dass es nur Julian sein konnte — niemand sonst nannte sie Grandmère. Für den Rest der Welt war sie Madame Albans oder Sara. Frustriert tippte sie auf dem Display herum, da sie ihren Enkel offenbar hören, aber nicht sehen konnte. Obwohl sie sich so sehr bemühte, schien die Technik immer neue Wege zu finden, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. Manchmal beendete das unabsichtliche Drücken einer Taste plötzlich ihre Gespräche. Oder es hörte sich an, als käme ihre Stimme aus der Tiefe eines Brunnens. Wirklich überraschend war das natürlich nicht, wenn der Anrufer, wie Julian, in New York City lebte. Schließlich lag ein ganzer Ozean zwischen seinem Zuhause und ihrer Wohnung in Paris.

»Grandmère, du musst direkt ins Telefon schauen!«, erklärte ihr Julian. »Und setz deine Brille auf!«

Pflichtschuldig gehorchte sie und wurde mit dem Anblick der schönen braunen Augen ihres Enkels belohnt. Zumindest mit einem davon. Der Junge musste sich dringend die Haare schneiden lassen: Julians Pony hing ihm bis über die Augenbrauen und verdeckte sein hübsches junges Gesicht. Wären sie im selben Raum gewesen, hätte sie womöglich die Hand ausgestreckt und die Haare hinter sein Ohr gestrichen. Womöglich hätte sie ihn sogar für ein rasches Nachschneiden mit zu Marcel, ihrem Friseur, genommen. Doch da so viele Kilometer zwischen ihnen lagen, entschied sie, den Mopp auf seinem Kopf zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte sie sich lieber darauf, dass ihr Enkel sie überhaupt anrief — eine seltene Freude.

»Ah! Da bist du ja«, sagte sie gut gelaunt. »Jetzt kann ich dich sehen. Allô, mon cher. Wie geht es dir? Wie ist es auf deiner neuen Schule?«

In dieser Frage schwang einiges mit. Julian hatte erst vor Kurzem die Schule gewechselt, und die Gründe dafür sprachen nicht gerade für ihn. Die Idee war, ihm die Chance auf einen echten Neuanfang zu geben. Ob das wirklich funktionieren würde, lag allerdings zum großen Teil in Julians eigenen Händen, und das wussten sie beide.

»Es ist okay. Es gefällt mir«, sagte er. »Ich meine, ich vermisse die Beecher Prep und das alles. Aber ich habe immer noch ein ziemlich schlechtes Gewissen wegen … na ja, du weißt schon …« Für einen Moment wandte er den Blick ab, als versuche er, die richtigen Worte zu finden. Vielleicht verlor er sich aber auch in einer Erinnerung.

»Wegen ein paar von den Sachen, die ich gemacht habe«, sagte er schließlich.

Seine Großmutter spürte, wie ihr das Herz aufging. Sie hatte von ihrem Sohn und dessen Frau so einiges über das katastrophale fünfte Schuljahr ihres Enkels erfahren — aber beide neigten dazu, die Schuld bei anderen zu suchen. Sie hatten behauptet, es hätte gewisse Vorfälle gegeben — alles nur Missverständnisse im Grunde. Die Schule hätte mehrere Schüler mit einem blauen Auge davonkommen lassen, nur Julian nicht. Erst bei einem Familienurlaub in Paris hatten sich alle Details gezeigt. Julian erzählte seiner Großmutter nämlich eine andere Geschichte als die, die seine Eltern zum Besten gegeben hatten — eine, in der Julian keineswegs das Opfer, sondern eher ein aktiver Teilnehmer gewesen war. Sein Bedauern beeindruckte seine Großmutter. Und es gab ihr die Hoffnung, dass ihr Enkel die Möglichkeit zum Neuanfang wirklich für sich nutzen würde.

Julian stützte die Ellbogen auf den Tisch, legte sein Gesicht in eine Hand und seufzte. »Manchmal wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Oder alles noch mal anders machen, weißt du?«

Grandmère nickte. Am liebsten hätte sie ihn durchs Telefon umarmt. Denn natürlich kannte sie dieses Gefühl nur allzu gut.

»O ja, mon cher«, sagte sie. »Bei uns allen gibt es etwas im Leben, das wir bedauern. Denk einfach immer daran: Nicht unsere Fehler bestimmen, wer wir sind, sondern was wir tun, wenn wir aus ihnen gelernt haben. D’accord

Julian schüttelte sich die Haare aus den Augen, und seine Großmutter bemerkte, dass kurz Erleichterung über sein Gesicht huschte.

»Okay, Grandmère. Danke«, sagte er. »Wegen der Schule rufe ich dich übrigens auch an. Ich muss ein Projekt für unseren Sozialkundeunterricht machen. Ich soll einen Aufsatz über jemanden schreiben, den ich kenne, und ich möchte, dass es bei diesem Aufsatz um dich geht.«

»Um mich? Ich fühle mich geschmeichelt«, erwiderte Grandmère. So oft schienen junge Leute einfach davon auszugehen, dass ältere Menschen nicht nur außer Mode waren, sondern auch völlig aus der Zeit gefallen. »Dabei«, hatte sie mehr als einmal zu Julian gesagt, »haben wir in Wirklichkeit lange genug gelebt, um zu wissen: Alles, was eure Generation für etwas Neues hält, ist bloß eine aufgewärmte Version von etwas, das wir schon oft gesehen haben.«

Doch nun sagte ihr Enkel etwas noch Überraschenderes: »Ich möchte deine Geschichte erzählen — als du ein junges Mädchen warst, während des Krieges.«

»Hmm, ich verstehe«, sagte Grandmère leise.

Julian sprach rasch weiter, da er ihr Zögern bemerkte. »Ich möchte über dich und Tourteau schreiben, Grandmère«, sagte er. »Ich weiß, du hast mir die Geschichte schon erzählt, als ich dich letztes Mal besucht habe. Aber diesmal würde ich sie gerne aufnehmen. Und ich dachte, du könntest mir vielleicht noch mehr Einzelheiten verraten.«

»Hmm …«, sagte Grandmère erneut. Sie versuchte, zu einer Entscheidung zu gelangen. Julian hatte natürlich recht. Sie hatte lange damit gewartet, ihm die ganze Geschichte ihrer Vergangenheit zu erzählen — bis er alt genug gewesen war, um sie zu hören. Bei seinem letzten Besuch in Paris war der richtige Moment endlich gekommen. Und doch — so wichtig es ihr auch erschienen war, ihrem Enkel von ihrer Vergangenheit zu berichten, alles hatte sie ihm dann doch nicht anvertraut. Einige Erinnerungen hatte sie nicht preisgegeben, hatte sie für sich behalten.

Ist er schon bereit, all das zu hören?, fragte sie sich. Und bin ich bereit, all das mit ihm zu teilen?

»Oh, Julian«, sagte sie und versuchte sich darüber klarzuwerden, wie sie ihre komplizierten Gefühle erklären sollte. Dass ausgerechnet ihr die Worte fehlten, fühlte sich merkwürdig an. »Das ist eine sehr schöne Idee«, sagte sie schließlich, »aber … es fällt mir schwer, über diese Dinge zu...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2023
Co-Autor Erica S. Perl
Übersetzer André Mumot
Sprache deutsch
Original-Titel White Bird
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte All Age • Anne Frank • Behinderung • Bestseller • Der Junge im gestreiften Pyjama • Die Bücherdiebin • Dunkelnacht • Familie • Film • Flucht • Freunde • Freundschaftsgeschichte • gillian anderson • Helen Mirren • Historische Geschichte • Hoffnung • Holocaust • John Boyne • Judenverfolgung • Jüdisch • Julia Roberts • Kinderbuch • Kinofilm • Kirsten Boie • Krieg • Liebesgeschichte • Markus Zusak • Mobbing • Nationalsozialismus • New York Times • Olivia Ross • Tagebuch der Anne Frank • Widerstand • Wunder • Wunder Film • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-446-27681-5 / 3446276815
ISBN-13 978-3-446-27681-9 / 9783446276819
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