Der Leuchtturm auf den Hummerklippen -  James Krüss

Der Leuchtturm auf den Hummerklippen (eBook)

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
240 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-200-2 (ISBN)
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Wenn die Möwe Alexandra ihren Freund, den Leuchtturmwärter Johann, besucht, ist eine Sache sicher: Ob Spaßgedicht oder fantastische Geschichte - nichts lieben die beiden mehr als das gegenseitige Erzählen und Zuhören. Eines Tages entdeckt Alexandra am Horizont ein kleines Ruderboot, in dem Tante Julie und der Poltergeist Hans im Netz auf dem Weg zu den Hummerklippen sind. Doch der Weg ist noch weit, und der listige Wassermann Markus Marre lauert schon an der nächsten Welle. Zum Glück lässt er sich leicht mit einer spannenden Geschichte ablenken, und Alexandra und Johann sind wahre Meister im Erzählen ...

James Krüss, geboren am 31. Mai 1926 auf Helgoland, ist einer der berühmtesten und einfallsreichsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und ist u. a. Träger des Deutschen Jugendbuchpreises und des Hans-Christian-Andersen-Preises.

Die Geschichte vom Poltergeist von Helgoland


Die Poltergeister sind eine weitverzweigte Familie. Sie stammen von den Inseln der Südsee, wo es bekanntlich feurige Berge, sogenannte Vulkane, gibt, in deren Innerem es ununterbrochen poltert. Hier werden sie geboren. Aber leider werden von diesen Zwergen mit den grünen Gesichtern und den roten Nasen viel zu viele geboren. So gibt es für eine große Zahl von Geistern oft nichts zu tun, da alle Polterplätze belegt sind. Deshalb wandern manche von ihnen aus. Sie schleichen sich nachts heimlich auf ein fremdes Schiff und fahren damit in die Welt hinaus. Einer dieser Auswanderer schlich sich einmal auf ein Frachtschiff, das von der Südsee nach der Insel Helgoland in der Nordsee fuhr.

Als die Lange Anna (so hieß das Schiff) die Südsee verließ, hockte der Poltergeist unten im Laderaum zwischen Bergen haariger Kokosnüsse. Der Platz hier unten war ihm aus zweierlei Gründen angenehm: Erstens konnte er, wenn er Hunger hatte, das weiße Fruchtfleisch der Nüsse kauen, und zweitens ließ es sich im Laderaum vorzüglich poltern. Aber in der ersten Zeit der Reise verhielt sich der Poltergeist noch still. Die Lange Anna umschiffte Hinterindien und Vorderindien und legte in Singapur und Colombo an, ohne dass die Seeleute auf den blinden Passagier aufmerksam geworden wären.

Aber kaum dampfte das Schiff an Aden vorbei ins Rote Meer hinein, da fing es allnächtlich merkwürdig zu rumpumpeln an. Wenn die Seeleute sich gerade müde hingelegt hatten, um zu schlafen, begann im Laderaum plötzlich ein höllischer Lärm. Es war, als ob sich unter dem Schiff eine Schar von Hammerhaien tummele und fortwährend an die Bordwand hämmere. Die Schiffer fuhren aus ihren Hängematten auf, horchten, woher der Lärm kommen mochte, und stürzten dann zum Laderaum. Aber kaum öffneten sie die Luke, da wurde es still. Kein Laut drang aus der Finsternis da unten zu ihnen herauf. Das Schiff glitt ruhig unter den tropischen Sternen dahin, und gleichmäßig wie eine Uhr tackerte der Motor. So legten sich die Seeleute wieder in ihre Hängematten. Aber kaum hatten sie sich in ihre Decken gehüllt, als das Gepolter und Gepumpel von Neuem anfing. Mehrere Nächte lang wurden sie so aus ihrem Schlaf gescheucht, und sie wurden unruhig und verstört. Nur der Kapitän ließ sich nicht beirren. Er ahnte, dass es ein Poltergeist war. Aber er sagte der Mannschaft nichts. Denn Matrosen sind abergläubisch. Wenn sie wissen, dass ein Geist auf dem Schiff haust, verlassen sie das Schiff im nächsten Hafen und kommen nie zurück.

Als die Lange Anna durch den Sueskanal ins Mittelmeer dampfte, zeigte das Barometer plötzlich auf Sturm und fiel, so tief es fallen konnte. Die Schiffer wunderten sich darüber, denn die Sonne schien vom blauen Himmel, und nirgendwo zeigte sich ein Wölkchen. Aber vorsichtig, wie Seeleute sind, achteten sie auf die Warnung und gingen in Syrakus auf der Insel Sizilien vor Anker, um hier den Sturm abzuwarten.

Darauf hatte der Poltergeist nur gewartet. Denn er war es gewesen, der das Barometer hatte fallen lassen. Diese Geister haben einen besonderen Pfiff. Wenn sie den ertönen lassen, werden alle Vögel in der Nähe unruhig, und alle Barometer fallen. Durch diesen Trick fiel auch das Barometer auf der Langen Anna, und das Schiff legte sich in den Hafen.

Als es Nacht wurde, verließ der Poltergeist das Schiff durch ein offenes Bullauge, sprang auf die Mole und hüpfte durch die verdunkelten Straßen und Gassen der Stadt Syrakus. Der bedauernswerte Zwerg war während der langen Reise oft seekrank gewesen, und nur das nächtliche Poltern und die Verwirrung der Seeleute hatten ihn ein bisschen aufgemuntert. Nun hatte er nach langer Zeit zum ersten Mal wieder festen Boden unter den Füßen, und er überlegte ernstlich, ob es ratsam sei, in Syrakus zu bleiben. Plötzlich, als er an einem großen Gebäude vorbeischlenderte, durch dessen offene Tür ein Lichtstrahl auf die Straße fiel, hörte er Stimmen. Er blieb lauschend stehen.

Innen fragte jemand: »Willst du, Lelina Gattina, die Gattin des Salvatore Mizzonini sein und ihm in Treue dienen?«

»Ja!«, hauchte eine Frauenstimme.

Hier scheint eine Hochzeit vor sich zu gehen. Es muss eine Kirche sein, dachte der Poltergeist. Da will ich mal ein bisschen Stimmung hineinbringen!

Er schlich sich ins Innere der Kirche und kletterte, ohne auf die Hochzeitsgesellschaft zu achten, hinauf auf die Empore zur Orgel. Die Gäste unten in der Kirche wollten gerade anfangen einen Choral zu singen, als die Orgelpfeifen plötzlich merkwürdig zu heulen und zu jaulen begannen. Es war die reinste Katzenmusik. Der Poltergeist fuhrwerkte auf den Orgeltasten herum wie ein Schmied auf seinem Amboss. Die Pfeifen kreischten und gellten und pfiffen und maunzten, als sei die Hölle los. Der Poltergeist war überzeugt, dass die Hochzeitsgesellschaft jetzt erschrocken und verwirrt sein würde. Aber ganz im Gegenteil: Die Leute unten im Kirchenschiff schienen diese Musik sehr hübsch zu finden. Denn sie jaulten und greinten mit, als sei der Poltergeist ein bezahlter Organist.

Seltsam, dachte der Zwerg an der Orgel. Und dann sagte er zu sich selbst: »Hier muss ich andere Saiten aufziehen!«

Er klappte den Deckel der Orgel wieder zu und sah sich nach neuen Schandtaten um. Da entdeckte er eine Schnur am Boden und bemerkte zugleich drei alte eiserne Notenständer. Kurz entschlossen band er sie zusammen, nahm die Schnur in die Hand und zog die scheppernden Eisengestelle über die Empore, auf der merkwürdigerweise noch mehr Orgeln standen. Es machte fürchterlichen Krach. Das ganze Kirchenschiff dröhnte und hallte, polterte und schepperte davon. Aber wenn der Poltergeist glaubte, damit die Gäste erschrecken zu können, so irrte er sich abermals. Sie sangen da unten greinend weiter, als ob das Scheppern dazugehöre. Da verlor der Poltergeist alle Lust am Krachmachen und schlich wieder nach unten, um sich die merkwürdige Hochzeitsgesellschaft aus der Nähe anzusehen.

Als er die Treppe hinunterhüpfte, verließen die Gäste gerade die Kirche. Einige von ihnen entdeckten den Poltergeist, liefen fröhlich auf ihn zu und drückten ihm die Hände. »Sie haben reizend gespielt!«, sagte man. »Es war eine sehr stimmungsvolle Hochzeit! Recht herzlichen Dank!«

»O bitte, bitte!«, antwortete der Poltergeist. »Ich habe getan, was ich konnte.« Er war sehr enttäuscht. Denn die Poltergeister wollen den Menschen keine Freude machen, sondern sie ärgern. Im Übrigen waren die Gäste, die er für Menschen gehalten hatte, in Wirklichkeit Katzen. Und der große Raum war kein Kirchenschiff, sondern ein Lager für Musikinstrumente, besonders für Orgeln und Klaviere.

Dieses Erlebnis nahm dem Poltergeist allen Mut, länger in Syrakus zu bleiben.

»Wenn man mein Poltern für Musik hält, verliert das Poltern seinen Sinn«, sagte er. Dann hüpfte er zur Mole zurück, schlich sich durch das Bullauge wieder auf das Schiff und legte sich zwischen den Kokosnüssen schlafen.

Am nächsten Morgen stach die Lange Anna wieder in See, denn das Barometer zeigte auf gutes Wetter. Die Schiffer waren erstaunt, dass kein Sturm gekommen war. Aber der Kapitän, der die Pfiffe der Poltergeister kannte, dachte sich seinen Teil. Man fuhr durch die Meerenge von Gibraltar zwischen Afrika und Spanien hindurch, nahm Kurs nach Norden und fuhr entlang der spanischen, portugiesischen und französischen Küste weiter. Im Golf von Biskaya fing es an stürmisch zu werden, und von da an beruhigte sich das Meer überhaupt nicht wieder. Das Schiff schlingerte und schaukelte ununterbrochen, und der Poltergeist lag blass und seekrank zwischen rollenden haarigen Kokosnüssen und hatte nicht die geringste Lust mehr, des Nachts zu poltern. Um sich bei Kräften zu halten, brach er manchmal eine Kokosnuss auf, trank die Milch und kaute missmutig ein wenig weißes Fruchtfleisch. Vergnügen machte ihm die Reise nicht mehr.

Erst auf der Höhe von Bremen beruhigte sich das Wetter einigermaßen. Der Poltergeist rappelte sich müde auf und fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen wieder etwas wohler. Als das Schiff gar nicht mehr weit von Helgoland entfernt war, bekam er sogar seine gute Laune wieder und rumpumpelte in der Nacht gehörig mit den Kokosnüssen. Am nächsten Morgen fühlte er sich frisch wie ein Fisch im Wasser und schlich sich sogar in die Kajüte des Kapitäns, um wieder einmal das Barometer durch seinen Pfiff durcheinanderzubringen. Vergnügt und mit gekreuzten Beinen hockte er gerade auf dem kleinen Schreibtisch in der Kapitänskajüte, schüttete Tinte in ein halb volles Bierglas und spießte einen Federhalter in einen roten Apfel. Da spürte er plötzlich, wie jemand ihn von hinten packte und am Kragen seines grünen Palmfaser-Pullovers in die Höhe hob. Es war der Kapitän. Der Poltergeist hatte leider vergessen die Tür zu schließen, als er in die Kajüte geschlichen war. So hatte er den Kapitän nicht kommen hören. Und so war er nun durch seine eigene Unvorsichtigkeit gefangen.

»Ich hab es mir schon gedacht«, sagte der Kapitän. »Ein Poltergeist aus der Südsee!«

Der Zwerg, der in der kräftigen Faust des Seemannes zappelte, versuchte hängend eine Art Verbeugung zu machen und sagte: »Guten Tag! Sehr erfreut!«

»Ganz meinerseits!«, erwiderte der Kapitän. Dann setzte er den Poltergeist in eine große Seemannstruhe in der Ecke des Zimmers und sagte: »Ich werde dich meinen beiden Töchtern als Spielzeug mitbringen.« Und – bums – schlug er über dem Kleinen den Deckel der Truhe zu.

»Ich habe gar nichts dagegen, Ihren Töchtern mitgebracht zu werden!«, rief der eingesperrte Poltergeist. »Aber ich fürchte, dass ich auf Helgoland nicht lebendig ankommen werde. Ich kriege hier drinnen...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Reihe/Serie Die Hummerklippen
Illustrationen Maja Bohn
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Buch für die ganze Familie • Geschichten • Helgoland • illustriert • Insel • Kinderbuch • Kindergedichte • Klassiker • Maja Bohn • Meer • Nordsee • Seefahrt • Vorlesebuch • Vorlesegeschichten • Vorlesen
ISBN-10 3-03792-200-1 / 3037922001
ISBN-13 978-3-03792-200-2 / 9783037922002
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