Und du wirst lächelnd sterben (eBook)

Der abgründige Thriller der SPIEGEL-Bestsellerautorin Monika Feth lässt einen atemlos zurück

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
496 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-20758-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und du wirst lächelnd sterben -  Monika Feth
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meine hände werden deine haut erglühen lassen, meine zunge wird deine lippen verbrennen, meine liebe wird dich töten, und du wirst lächelnd sterben
Ivy ist auf der Flucht. Vor wem oder warum, daran erinnert sie sich nicht. Sie kennt nur ihren Vornamen. Ohne Geld, Handy und Papiere, ausgehungert und mit fremdem Blut an den Kleidern findet sie Unterschlupf in der Pension eines kleinen Orts. Als sie allmählich anfängt, sich zu erinnern, weiß sie, dass sie auch hier nicht sicher ist. Sie taucht in einem Ferienort am Meer unter und findet Arbeit im Bistro eines Strandhotels. Doch in den Nächten wird sie immer wieder von Albträumen heimgesucht - was hat sie gesehen? Und wieso will sie auf gar keinen Fall zur Polizei gehen?

Ein unter die Haut gehender fulminanter Thriller mit einer starken Heldin - von der SPIEGEL-Bestsellerautorin der »Erdbeerpflücker«-Reihe

Monika Feth wurde 1951 in Hagen geboren, arbeitete nach ihrem literaturwissenschaftlichen Studium zunächst als Journalistin und begann dann, Bücher zu verfassen. Heute lebt sie in der Nähe von Köln, wo sie vielfach ausgezeichnete Bücher für Leser aller Altersgruppen schreibt. Der sensationelle Erfolg der »Erdbeerpflücker«-Thriller machte sie weit über die Grenzen des Jugendbuchs hinaus bekannt. Ihre Bücher wurden in mehr als 24 Sprachen übersetzt.

1.


Sie wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs war. Sie wusste erst recht nicht, wohin. Etwas trieb sie voran, immer und immer weiter.

Straßen. Häuser. Felder. Wiesen. Ab und zu ein Wald.

Längst befand sich ihr Körper im Ausnahmezustand. Jeder einzelne Muskel schmerzte, kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. Der Hunger war kaum noch spürbar, aber der Durst brachte sie fast um.

In einem kleinen Ort, dessen Häuser still im gleißenden Sonnenlicht standen, stieß sie auf einen Brunnen. Mitten auf dem leeren Marktplatz warf sie sich über seinen Rand und trank wie eine Verdurstende. Sie benetzte ihr Gesicht mit dem erfrischenden Wasser und kühlte sich die Handgelenke. Wie gut das tat …

Kein Mensch war zu sehen. Verlassen lagen die Geschäfte da. Sie drehte sich um sich selbst, um sich zu orientieren, doch nichts von dem, was sie erblickte, schien ihr vertraut. Dünn schlug die Uhr im Rathausturm.

Eins. Zwei. Drei.

Ein Sommernachmittag. Das war die einzige Gewissheit, die sie besaß. Es war drei Uhr an einem heißen Sommernachmittag, und sie befand sich auf dem Marktplatz eines Ortes, in dem sie offenbar noch nie gewesen war. Sicherlich stand der Name auf einem Ortsschild, an dem sie vorbeigekommen sein musste, doch sie hatte ihn entweder nicht wahrgenommen oder wieder vergessen.

Sie hätte sich gern auf dem Brunnenrand niedergelassen, eine Hand ins Wasser getaucht und sich ausgeruht. Doch da traten plötzlich Menschen ins Bild, vier Mädchen, die schwatzend und lachend mit ihren Handys beschäftigt waren.

Sofort setzte sie sich wieder in Bewegung. Sie wich den Mädchen aus, um jede Berührung mit ihnen zu vermeiden, nahm aus den Augenwinkeln einen Mann wahr, dessen Gestalt so dunkel war wie sein Schatten. Schmeckte die Panik, die schon seit einer geraumen Weile in ihr gelauert hatte, auf der Zunge.

Geduckt verließ sie den Marktplatz und floh.

Vor was?

Vor wem?

Warum?

Wie konnte man eine solche Angst haben, ohne ihre Ursache zu kennen?

Sie hatte den kleinen Ort längst wieder verlassen, als ihr einfiel, dass sie ein weiteres Mal nicht auf seinen Namen geachtet hatte.

*

hab dir meine liebe gezeigt

und es vergeigt

hast meine gefühle ignoriert

mich kaltlächelnd abserviert

grausamer engel

Verärgert klappte Marvin Rauschenbach den Laptop zu, als er Schritte hörte, die sich auf dem Flur näherten. Doch dann entfernten sie sich in Richtung Fahrstuhl und er klappte den Laptop wieder auf.

Man durfte ihm jederzeit über die Schulter sehen, jedoch nicht bei dem hier.

im schatten deiner flügel so kalt

eis im herzen

überall schmerzen

lieben oder hassen

nichts dazwischen

ist es so schwer

sich lieben zu lassen

hab mich verlorn auf dem weg zu dir

bin nicht angekommen und nicht mehr hier

schweb irgendwo

im gottverfluchten nirgendwo

Rap-Songs zu schreiben half ihm, seine Emotionen zu drosseln. Nicht auszurasten. Auf dem Boden zu bleiben. Es war auf eine seltsame Art wie Boxen. Innerliches Auspowern nannte er es für sich.

Nach dem Boxtraining war er schweißgebadet und fühlte sich topfit. Nach der Arbeit an einem Songtext war es ähnlich, nur dass die in seinem Kopf stattfand und ihm nicht die Nase brechen konnte.

Das Texten und das Boxen, beides brauchte er so nötig wie die Luft zum Atmen.

dreh dich nicht um

renn um dein leben

ich schwör

ich werd dir nie vergeben

Im wahren Leben hatte er es nicht immer so mit Reden. Häufig fehlte ihm die Lust, überhaupt den Mund aufzumachen. Lieber ließ er Taten sprechen. Es wurde zu viel geredet auf dieser Welt. Das vergeudete bloß Energie, ohne irgendwohin zu führen.

Bei der Arbeit an seinen Songs dagegen badete, schwelgte er geradezu in Worten. Stülpte sein Innerstes nach außen, ohne Vorsicht, ohne Reue. Ohne auf irgendwen oder irgendwas Rücksicht zu nehmen. Nicht mal auf sich selbst.

Das war ungeheuer wohltuend. Befreiend. Klärend.

bin dein verdammter GOTT

verfall mir

keinem sonst

Dieser Text trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Und doch war es nötig, ihn zu schreiben. Er musste sich beruhigen, denn ihm war danach, auf die Straße zu stürmen und die Windschutzscheiben sämtlicher Fahrzeuge zu zertrümmern, die ihm in die Quere kamen.

Das Bedürfnis, wild um sich zu schlagen und mit seiner Dienstwaffe loszuballern, überfiel ihn nicht zum ersten Mal. Und nicht zum ersten Mal machte er sich klar, dass ihm das nichts bringen würde. Es würde ihn lediglich seinen Job kosten.

meine hände werden

deine haut erglühen lassen

meine zunge wird

deine lippen verbrennen

meine liebe wird

dich töten

und du

wirst

lächelnd

sterben

Seinen Job brauchte er so dringend wie das Boxen und das Schreiben.

Und die Jungs. Denen er alles anvertrauen konnte.

Fast alles.

Mit denen er eine verschworene Gemeinschaft bildete, seit sie in diesem Präsidium gelandet waren. Sie hatten das gleiche Alter, was ihm, als sie ihren Dienst angetreten hatten, wie ein Zeichen erschienen war.

Seite an Seite sorgten sie dafür, dass die Welt von den größten Arschlöchern befreit wurde. Und halbwegs sauber blieb. Halbwegs, denn die Schweine, die sie hinter Gitter gebracht hatten, wuchsen so schnell wieder nach, wie sie aus dem Verkehr gezogen wurden.

Für Ordnung zu sorgen, war eine Sisyphusarbeit, selbst in einer überschaubaren Stadt wie dieser. Sie konnten nur ihr Bestes geben, Tag für Tag. Und hoffen, dass es nicht schlimmer wurde.

Mit Mitte zwanzig waren sie zu jung für Anpassung und Kompromisse. Sie hatten nicht vor, sich jemals verbiegen zu lassen, das hatten sie sich geschworen.

Wieder näherten sich Schritte. Diesmal wurde die Tür aufgestoßen. Es war Alan, der mit dem Smartphone am Ohr zu seinem Schreibtisch ging und hektisch in irgendwelchen Unterlagen blätterte.

»Hey, Alter.« Marvin zwang sich zu einem Grinsen. »Hummeln im Hintern?«

Doch Alan antwortete nicht. Er schnappte sich seine Tasche, deutete auf seine Armbanduhr und eilte, weiter telefonierend, wieder hinaus.

*

Erst nachdem sie den Wald betreten hatte, atmete sie auf. Hier fühlte sie sich geschützt und vor neugierigen Blicken verborgen. Der weiche Boden gab sanft unter ihren Schritten nach. Sonnenlicht träufelte durch das Blätterdach der Laubbäume. Das Grün der Tannennadeln glitzerte wie Smaragd.

Ausruhen. Nur für einen kostbaren Moment. Kurz die Augen schließen, die vor Erschöpfung brannten.

Sie ließ sich auf einem der üppigen Mooskissen nieder, die überall dazu aufzufordern schienen, lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm einer mächtigen Tanne und legte den Kopf zurück.

Auch hier war sie nicht sicher, doch sie konnte nicht mehr.

Nur ausruhen, dachte sie. Nicht einschlafen. Nur ausruhen.

Das bunte Licht flirrte ihr vor den Augen. Sie betrachtete die Blätter, die sich im Windhauch bewegten. Wenn ich ein Vogel wär, dachte sie, würd ich ihn spüren da oben, den Wind.

Wenn sie ein Vogel wär, könnte sie mehr als das. Sie könnte einfach wegfliegen und alles hinter sich lassen. Alles.

Was immer das sein mochte.

Als sie aufwachte, hatte sie Mühe, sich zurechtzufinden. Ihr Kopf war leer. Da war keine Information, die sie abrufen konnte, kein einziger noch so winziger Hinweis auf ihre Lage. Als hätte jemand oder etwas die Festplatte ihres Gehirns gelöscht.

Am liebsten hätte sie sich auf dem angenehm kühlen Moos ausgestreckt und wär wieder eingeschlafen. Aber vielleicht schlief sie ja noch. Steckte in einem Traum fest, der so realistisch war, dass sie ihn für die Wirklichkeit hielt.

War das möglich?

Konnte man in einem Traum darüber nachdenken, ob man träumte?

Ihr Magen schmerzte. Sie legte die Hände darauf, um ihn zu besänftigen. Doch das half nicht. Schwankend vor Müdigkeit kam sie auf die Füße und klopfte sich ein paar trockene Blätter vom Rock. Sie musste weiter, durfte keine Zeit verlieren, wenn sie auch den Grund dafür nicht kannte.

Sie wusste nur eines: Sie musste weg. Bloß weg von hier.

Am Rand einer Lichtung entdeckte sie Walderdbeeren und lachte vor Freude. Es war ein Lachen, das sie nicht kannte, hoch, schrill, laut. Es scheuchte ein paar Vögel auf, die schimpfend davonflogen. Erschrocken hielt sie sich den Mund zu und sah sich um.

Das einzige Lebewesen, das sie erblickte, war ein rotbraunes Eichhörnchen, das sie mit großen Augen anstarrte, bevor es davonflitzte und den Stamm eines Baums hinaufhuschte.

Die Erdbeeren waren klein und unscheinbar, aber sie schmeckten herrlich süß, und es gab unzählige davon. Sie verschlang sie gierig.

Bis ihr Blick auf ihre Finger fiel, rot vom Saft der Früchte.

ROT

Alles drehte sich vor ihren Augen. Lautlos sank sie zu Boden. Dorthin, wo nichts mehr sie erreichte.

Als sie wieder zu sich kam, hatte sie den Eindruck, es seien Stunden vergangen, doch das konnte nicht sein – das Licht hatte sich nicht verändert. Sie rappelte sich auf und taumelte weiter.

Über Stock und über Steine …

Irgendwo in ihrem Kopf hörte sie Fetzen einer leisen Melodie, die etwas in ihr anklingen ließen.

…...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2023 • ab 14 • All Age • Amnesie • Der Erdbeerpflücker • eBooks • Friedrich Glauser Nominierung • Jette • Jette-Thriller • Jugendbuch • Jugendbücher • Jugendthriller • Kinderkrimi • Mel Wallis de Vries • #metoo • metoo • Neuerscheinung • Ostsee • Polizeigewalt • Psychothriller • Pubertät • Spannung • Spiegel-Bestsellerautorin • Thriller Neuerscheinung 2023 • Trauma • Young Adult
ISBN-10 3-641-20758-4 / 3641207584
ISBN-13 978-3-641-20758-8 / 9783641207588
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