WEIL. (eBook)

Ein beklemmender Psychothriller für Jugendliche über Gewalt, Ohnmacht und Angst

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
128 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93674-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

WEIL. -  Martin Muser
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Eigentlich fängt alles ganz harmlos an: Fünf Jugendliche fahren in ein Haus auf dem Land, um dort fürs Abi zu lernen. Auf dem Weg nehmen sie einen jungen Anhalter mit, der ihnen schon bald auf die Nerven geht. Kurzerhand lassen sie ihn an der nächsten Tankstelle stehen, seine Tasche werfen sie später einfach aus dem Fenster. Ein verhängnisvoller Fehler. Denn am nächsten Morgen steht der Anhalter plötzlich vor ihrer Tür - in Begleitung zweier junger Männer. Sie dringen ins Haus ein und fangen an, die Jugendlichen zu tyrannisieren. Ein perfides Spiel um Macht, Gewalt und Angst beginnt ...   

Martin Muser ist freier Autor, Dramaturg und Dozent und lebt in Berlin. Neben Drehbüchern für das deutsche Fernsehen schreibt er besonders gerne Kinderbücher. Bei Carlsen erschien 2018 sein hochgelobtes Debüt »Kannawoniwasein - Manchmal muss man einfach verduften«, für das er mehrere Auszeichnungen bekam.

Martin Muser ist freier Autor, Dramaturg und Dozent und lebt in Berlin. Neben Drehbüchern für das deutsche Fernsehen schreibt er besonders gerne Kinderbücher. Bei Carlsen erschien 2018 sein hochgelobtes Debüt »Kannawoniwasein - Manchmal muss man einfach verduften«, für das er mehrere Auszeichnungen bekam.

Esther schreckte hoch. Ein dumpfes Wummern hatte sie geweckt. Sie nahm die Ohrstöpsel heraus und schaute sich blinzelnd um. Zwischen den Vorhängen drückte die Morgensonne einen flachen Lichtkeil ins Zimmer. Knut lag schlafend neben ihr. Erneut hörte sie das Wummern. Es kam von unten. Jemand hämmerte mit Nachdruck gegen die Tür. Esther sprang aus dem Bett und sah auf ihr Handy: kurz vor sieben. Wer war das? Hanika, der sich wieder von irgendwas gestört fühlte? Esther streifte schnell ihr T-Shirt über. Jetzt wurde auch Knut wach und hob verschlafen den Kopf. »Wassnlos?«, nuschelte er.

Wieder wummerte es gegen die Tür. »Da ist jemand.«

Esther schlüpfte in ihre Jeans und lief die Treppe runter. Unten saß Manuel schon wach auf der Couch. »Weißt du, wer das ist?«

»Keine Ahnung.« Esther ging zur Tür und öffnete sie.

Überrascht blieb sie stehen.

Vor der Tür stand der Anhalter.

»Hallo.«

Die junge Boehme, das Miststück. Kaum war sie da, ging es schon wieder los. Günther Hanika trat hinter den Zaun und schaute grimmig zum Nachbarhaus rüber. In der Nacht hatte er wieder einen Migräne-Schub gehabt. Trotz Schmerzmittel hatte er wach gelegen und war erst am frühen Morgen eingeschlafen – bis der Lärm ihn weckte. Hanika hasste allen von Menschen gemachten Lärm. Um ihm zu entgehen, war er von der Stadt aufs Land gezogen. Und über mehrere Jahre war Rehberg eine Oase der Ruhe für ihn gewesen. Bis die Boehmes das Grundstück neben seinem gekauft hatten.

Am Anfang hatten sie furchtbar nett getan, ihm Kuchen gebracht und auf gute Nachbarschaft gemacht. Ein Orchestermusiker, wie schön! Oboe? Ein wundervolles Instrument! Und später waren sie dann voller Mitgefühl gewesen. Wie schlimm es für Hanika sein müsse, nicht mehr spielen zu können. Fokale Dystonie … Migräne … wie bedauerlich.

Aber schon bei der Renovierung ging es los. Die schwarzarbeitenden Handwerker, die die Boehmes engagiert hatten, scherten sich nicht um Ruhezeiten. Dann wollte Boehme die Birke in Hanikas Garten beschneiden, weil sie das Grundstück angeblich zu sehr verschatte. Und schließlich behauptete seine Frau, dass in Hanikas Garten Ambrosia wüchse, gegen das sie hochgradig allergisch sei, und hatte ihm das Umweltamt auf den Hals gehetzt. Dazu kam der permanente Lärm, den die Boehmes veranstalteten, sobald sie auf dem Grundstück waren.

Hanika sah, wie Esther drüben in der Tür mit jemandem sprach. Einem jungen Mann. Schon gestern Nachmittag hatte er beobachtet, wie sie mit ihrer Clique angefahren kam und sich eingerichtet hatte. Es sah nach einem längeren Aufenthalt aus und Hanika hatte sich auf das Schlimmste eingestellt. Aber dass der Lärm jetzt schon morgens in aller Herrgottsfrühe losging, war sogar für die junge Boehme ungewöhnlich.

Telemann kam schwanzwedelnd angelaufen. Auf Hanikas Handzeichen hin machte der Bracken-Mischling sofort Platz. Hanika warf ihm ein getrocknetes Hühnerherz zu, das Telemann aus der Luft schnappte. Früher hatte die junge Boehme immer mit Telemann spielen wollen. Hanika kannte sie ja von klein auf. Unfreiwillig war er über die Jahre Zeuge gewesen, wie die verwöhnte Blage herangewachsen war. Wie sie mit Horden von schreienden Gleichaltrigen Kindergeburtstage, Halloween und Übernachtungspartys gefeiert hatte. Behütet von Weißwein trinkenden Eltern, die sich einen Dreck darum scherten, wenn ihre Brut durch seine Beete trampelte und sein Haus mit matschigen Pflaumen bewarf. Später wurden aus den pausbäckigen Quälgeistern kreischende und grell geschminkte Teenager, die hier ihre Drogen- und Partyexzesse feierten, in seine Hecke kotzten und ihm mit ihrer abscheulichen Musik die Nachtruhe raubten.

Das alles hatte Hanika ertragen. Nur einmal hatte er die Polizei gerufen, die sich zwei Stunden Zeit gelassen hatte, bis sie kam und tatenlos wieder gefahren war, weil sich die Halbwüchsigen drüben zwischenzeitlich selbst ins Koma gekifft und gesoffen hatten.

Hanika kniff die Augen zusammen. Der Schmerz in seinem Kopf fing erneut an zu pochen. Irgendwas kam ihm seltsam vor. Der junge Mann stand immer noch vor dem Haus und redete. Es wirkte nicht so, als gehöre er zu der Boehme-Clique. Hanika reckte den Hals. Was er sah, versprach interessant zu werden.

Manuel war Esther zur Tür gefolgt und schaute verwundert auf den Anhalter. Er hatte immer noch exakt die gleichen Sachen an wie gestern und grinste schief.

»Erkennt ihr mich wieder?«

»Was … was willst du hier?«, fragte Esther, halb verlegen, halb verärgert.

»Meine Tasche«, sagte der Anhalter und wiederholte dann noch mal, als hätte er sich unklar ausgedrückt: »Ich will meine Tasche.«

Esther warf einen schnellen Blick zu Manuel. »Die … haben wir nicht …«

»Aber sie war im Bus«, sagte der Anhalter.

Manuel fragte sich, woher der Anhalter ihre Adresse hatte. War er etwa die ganze Nacht gelaufen? Oder mit jemand anderem getrampt?

Esther wurde die Sache zunehmend peinlich.

»Ja«, sprang Manuel ihr bei, »aber da ist sie nicht mehr.«

»Wo ist sie dann?« Der Anhalter ließ nicht locker.

Hinter Esther und Manuel tauchte nun auch Knut auf.

»Ey«, sagte er, »du hast doch gehört, wir haben deine Tasche nicht …«

»Aber ich brauche sie«, sagte der Anhalter. »Sie gehört mir.«

Knut trat neben Esther und ging selbst auf Angriff. »Weißt du eigentlich, wie viel Uhr es ist? Du kannst uns hier nicht einfach so überfallen!«

»Doch, das können wir.« Als hätten sie auf das Stichwort gewartet, traten wie aus dem Nichts zwei Männer von links und rechts neben den Anhalter. Sie mussten schon die ganze Zeit im Schatten der Hauswand neben der Tür gewartet haben.

»Wo ist die Tasche?«, sagte der eine und baute sich drohend vor Esther und Knut auf.

»Fehler, Fehler, Fehler«, rief Liam hinter ihm, wie jemand, der sich über eine gelungene Überraschung freut.

»Hey, was soll das?« Esthers Stimme klang schrill.

Manuel wusste nicht, was er tun oder sagen sollte.

Der Mann stand dicht vor ihnen. Er war Mitte zwanzig, höchstens. Hager. Sein Mund hatte etwas Spöttisches, die Augen waren wie Kieselsteine.

»Genug jetzt«, sagte er. »Mein Bruder will seine Tasche zurück. Also?«

Manuel versuchte zu beschwichtigen. »Ganz ruhig. Wir haben es doch schon gesagt, wir haben die Tasche nicht mehr.«

»Sie haben die Tasche nicht mehr«, echote der andere Mann. Er war groß und massig. Der Babyspeck in seinem Gesicht gab ihm etwas Rosiges. Er schaute zu dem Hageren und zog die Augenbrauen hoch. »Warum denn nicht?«

»Ja, genau. Warum nicht?« Der Bruder des Anhalters machte einen weiteren Schritt vor.

»Stopp!«, protestierte Knut. »Schön draußen bleiben!«

Er versuchte die Tür zuzudrücken, aber der Rosige hielt dagegen und stellte seinen Fuß dazwischen. Er trug Zehenschuhe und der Fuß sah aus wie der eines riesigen Frosches.

»Stopp!«, imitierte er Knut und drängte ihn weiter zurück.

»Das ist Hausfriedensbruch! Raus hier, oder ich rufe die Polizei!«

Manuel konnte jetzt die Panik in Esthers Stimme hören.

Der Hagere drehte sich zu dem Anhalter um, der die ganze Zeit vor der Tür stehen geblieben war. »Liam, hast du gehört? Die wollen die Polizei rufen.«

Der Anhalter nickte langsam. Er sah so aus, als würde die ganze Situation ihn überfordern. »Ich will aber meine Tasche.«

»Aber die geben sie uns nicht«, sagte der Hagere. »Was sollen wir machen?«

Inzwischen waren auch Selin und Philipp von dem Lärm geweckt worden und runtergekommen. Sie schauten irritiert auf die Männer im Flur. Manuel versuchte Boden gutzumachen und wandte sich erneut an den Hageren. »Wir haben die Tasche wirklich nicht. Aber wir können sie holen.«

Der Rosige schaute den Hageren an und lächelte zufrieden. »Na, bitte, Henk. Sie können die Tasche holen.«

Der, den sie Henk nannten, hatte Esther und Knut einfach beiseitegeschoben und war an ihnen vorbei ins Haus gegangen. Sein Kumpel mit dem Babyface und der Anhalter kamen hinterher. Philipp hatte überlegt, ob er sie daran hindern sollte. Schließlich war er mit den anderen in der Überzahl.

Und auch Esther protestierte: »Hey. Niemand hat gesagt, dass ihr reinkommen sollt.«

Aber es klang lahm.

Henk drängte sie ins Wohnzimmer. Sein Kumpel hatte einen langen Schraubenschlüssel aus seinem Hosenbund gezogen.

»Können wir jetzt vielleicht mal vernünftig miteinander reden«, hörte Philipp sich selbst sagen.

Manuel hielt das ebenfalls für das Beste. »Wir haben ja gesagt, wir holen die Tasche.«

»Dann lasst mal hören, wie und wo ihr das machen wollt«, sagte Henk. »Nett habt ihr es hier.« Er schaute sich im Wohnzimmer um.

Die Anwesenheit der drei im Haus fühlte sich wie eine Verletzung an. Der Anhalter glotzte Selin an, die nur das T-Shirt trug, in dem sie geschlafen hatte. Liam. Der Name passte irgendwie gar nicht richtig zu ihm. Babyface ließ sich auf die Couch fallen, auf der noch das Bettzeug von Manuel lag.

Knut räusperte sich. »Wir müssten mit dem Bus fahren. Die Tasche … sie liegt an der Straße.«

»An der Straße …« Henk ging weiter durch den Raum. Er betrachtete die Lehrbücher, die auf dem Tisch lagen, und blätterte in dem Collegeblock daneben. Er überflog ein paar Seiten, die Esther mit ihrer geschwungenen Handschrift gefüllt hatte, klappte den Block wieder zu und wandte sich...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Das Böse • Empfehlung Unterricht • Ethik • Funny Games • Gruppendynamik • Jugendbuch Gewalt • Kammerspiel • Philosophie • psychischer Missbrauch • Psychothriller für junge Erwachsene • Spannung Jugendliche • Terror • Thriller Jugendliche ab 14 • Zivilcourage
ISBN-10 3-646-93674-6 / 3646936746
ISBN-13 978-3-646-93674-2 / 9783646936742
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