Fallen Kingdom 1: Gestohlenes Erbe (eBook)
384 Seiten
Impress (Verlag)
978-3-646-60912-7 (ISBN)
Dana Müller-Braun wurde Silvester '89 in Bad Soden im Taunus geboren. Geschichten erfunden hat sie schon immer - mit 14 Jahren fing sie schließlich an ihre Fantasie in Worte zu fassen. Als das Schreiben immer mehr zur Leidenschaft wurde, begann sie Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren. Wenn sie mal nicht schreibt, baut sie Möbel aus alten Bohlen, spielt Gitarre oder verbringt Zeit mit Freunden und ihrem Hund.
Dana Müller-Braun wurde Silvester '89 in Bad Soden im Taunus geboren. Geschichten erfunden hat sie schon immer – mit 14 Jahren fing sie schließlich an ihre Fantasie in Worte zu fassen. Als das Schreiben immer mehr zur Leidenschaft wurde, begann sie Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren. Wenn sie mal nicht schreibt, baut sie Möbel aus alten Bohlen, spielt Gitarre oder verbringt Zeit mit Freunden und ihrem Hund.
KAPITEL 1
Die Buchstaben vor mir auf der Seite verschwimmen. Sie sirren in meinen Ohren, bevor sie sich zu einem Satz zusammenfügen. In einer Sprache, die nur wir Heroe verstehen.
»Sagt, was seht Ihr?«
Abt Rejan ist der Einzige, der mich mit der majestätischen Anrede anspricht. Und er weiß genauso gut wie ich, dass es sich nicht ziemt. Dass ich, obwohl ich die Erstgeborene des Fürsten bin, keinen Adelstitel trage – tragen darf – und deshalb geduzt werde. Doch in dem dunklen Studierzimmer seines Ordens sind wir unbeobachtet. Da sind lediglich die gigantisch hohen Regale voller Bücher, die wenigen Fackeln und Kerzen, die den Raum in ein geheimnisvolles Licht tauchen, und der alte Schreibtisch, an dem ich sitze.
Ich schlucke schwer und beginne mich zu konzentrieren. Wenn ich nach meinem Verstand gehen würde, wären das hier nur seltsam aneinandergereihte Worte, die keinen Sinn ergeben. Aber mein Geist kann sie lesen. Sie erfassen und verstehen. Heute stammen sie aus dem 134. Buch der Apokryphen, das ich für ihn übersetze. Schriften über die Unterwelt und die Lichtwelt. Ihre Geschichte, die ausschließlich Wesen mit dämonischem Blut entschlüsseln können. Ich weiß nicht, was der Abt und die Fürsten darin zu finden hoffen. Doch es muss etwas sehr Wichtiges sein, denn neben mir werden auch all die anderen Heroen dazu gezwungen, die Apokryphen zu lesen.
Kurz schließe ich die Augen und fahre die Zeilen vor meinem inneren Auge noch einmal entlang.
»Du, der du geboren bist, um Heil zu bringen«, flüstere ich, um meine Kraft nicht abzulenken, »bist erwählt zu schützen, was die Sünden zu zerbersten drohen.«
Ich stocke, als die nächsten Zeilen in meinem Geist erscheinen, und öffne die Augen. Nun kann ich sie auch deutlich vor mir geschrieben sehen. Als Erste geboren, als Zweite gesühnt. Verbunden durch Seelen, den Schmerz nicht gespürt. Der Tod wird dich suchen, doch findet er dich nicht. Denn dein ist die Herrschaft, versunken in Licht.
Schmerz flammt in meinem Kopf auf.
»Heroe«, brummt der Abt ungeduldig. Aber etwas in mir hindert mich daran, ihm diese Worte zu nennen. Als hätten sie die Kontrolle über meinen Körper. Als würden sie sich materialisieren und mit ihren verheißungsvollen Händen meine Kehle zudrücken.
»Ich kann nicht«, bringe ich hervor und keuche vor Schmerz.
»Ihr könnt nicht?«, hakt Rejan nach und durchbohrt mich mit seinen glasigen grünen Augen, als ich hinaufschaue. »Ihr könnt nicht oder Ihr wollt nicht? Sprechen die Worte wieder mit Euch, Navien?«
Meine Lider zucken. Rejan benutzt immer dann meinen Namen, wenn er etwas will. Wenn er Vertrauen in mir auslösen will, um an Informationen zu kommen. Und sonst erzielt er damit auch genau diese Wirkung. Nur heute nicht. Diese Apokryphe hat mehr Macht über mich als die Vertrautheit, die Rejan in mir hervorruft. Und das muss schon etwas heißen, denn seit ich fünf Jahre alt bin, sitze ich hier jeden Tag mit ihm zusammen und übersetze Texte, von denen es Tausende gibt und die er nicht imstande ist zu verstehen. Der Abt war jedoch stets gut darin, mir ab und zu kleine Geschenke mitzubringen. Süße Speisen oder Puppen, die ich sonst nicht haben durfte. Und wenn ich nicht gehorcht habe, dann hat er … Bilder und Schmerzen zucken durch mich hindurch, die ich sofort verdränge.
»Ich kann diese Passage nicht lesen. Als würde sie sich vor mir verschließen«, lüge ich und verziehe entschuldigend den Mund, während Rejan mich immer noch mit Argusaugen beobachtet. Ich spüre es. Er glaubt mir nicht. Aber ich habe längst keine Angst mehr vor seinen Bestrafungen.
»Wir machen morgen weiter«, sagt er dann mit einer Handbewegung, als würde er mich wie ein Insekt verscheuchen. Er ist enttäuscht. Ich habe versagt, und schon habe ich meinen Wert für ihn verloren.
Mein Herz pocht laut und schwer, als ich aufstehe, mich verbeuge und das Studienzimmer verlasse. Selbst als ich die langen steinernen Gänge des Ordens entlanggehe, kann ich kaum atmen. Um mich zu beruhigen, zähle ich die kunstvoll verzierten Säulen, die den Weg zum Schloss säumen, und erst als ich auf dem riesigen grasbewachsenen Platz vor dem Palast ankomme, hole ich tief Luft. Obwohl das Kloster direkt an das Schloss angrenzt, stütze ich meine Hände auf die Oberschenkel und keuche. Was war das? Und warum wollten die Worte nicht vom Abt gehört werden? Schon vorher gab es Apokryphen, die mit mir gesprochen haben oder mir beim Lesen Schmerzen verursacht haben, als wollten sie nicht, dass ich sie ausspreche. Aber das hier war besonders. Als hätten sie mich lieber an ihnen ersticken lassen, als dass ich sie offenbare. Davon habe ich noch nie gehört.
Aber ich weiß schon sehr lange, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Heroen eine begabte Leserin bin. Spätestens, als ich Kampfeinheiten ausfallen lassen sollte, um zu lesen, war es mir klar. Keine anderen Heroen hier im Fürstentum der Wahrheit werden so oft zum Lesen zitiert wie ich.
»Navien!«, ertönt eine vertraute Stimme.
Ich blinzle, um meine Sicht zu schärfen. »Marec«, gebe ich dann hauchend von mir und sehe hinauf zu dem Heroer des Dukes, dem Bruder des Fürsten. Marec ist nicht viel älter als ich, obwohl er genau genommen mein Onkel ist. Ich denke, dass die Fürstenmutter nicht geplant hatte, noch einmal zwei Kinder zu bekommen, nachdem sie bereits Nath als Erstgeborenen zur Welt gebracht hatte und nach ihm den heutigen Fürsten. Aber es ist ein Gesetz der Natur, dass immer zwei Kinder geboren werden.
»Ist alles in Ordnung? Hat Rejan es wieder übertrieben?« Er legt mir eine Hand auf die Schulter und mustert mich. Seine blauen Augen lösen Vertrauen und Vorsicht aus, was einen Krieg in mir bewirkt. Sollte ich ihm von den Worten erzählen? Nein. Denn ich, als Erstgeborene, als Dämon, als Heroe, weiß besser als jeder Adelige, dass wir den Zweitgeborenen verpflichtet sind. Nicht einfach nur so – nein, es ist viel mehr. Wir sind mental und emotional mit ihnen verbunden. Und ich würde niemals ein Geheimnis vor meiner kleinen Schwester haben. Aviell. Sie ist mehr für mich als lediglich ein Geschwisterteil. Mehr als nur die Zweitgeborene, die als erste Frau den Thron erbt und in ferner Zukunft Fürstin des Reichs der Wahrheit sein wird. Sie ist der andere Teil meiner Seele.
Die Fürsten und Äbte nennen es die Erbsünde. Für mich ist es einfach der Lauf der Dinge. Mein Schicksal als Erstgeborene.
Seit ich klein war, wurde ich dazu erzogen, die wenigen dämonischen Fähigkeiten, die ich nutzen darf, gegen Aviells Feinde zu richten. Ich kann die anderen Heroen in meinem Kopf hören, andere Heroen erspüren und manchmal Absichten von Menschen erahnen. Mehr weiß ich nicht über meine Kräfte.
Aber ich wurde zusätzlich auf menschliche Art im Kampf ausgebildet, um Aviell mit meinem Leben zu schützen. Und genau das würde ich jederzeit tun. Dazu mussten sie mich nicht erziehen. Aviell ist die Liebe meines Lebens. Auch wenn andere meinen, das könnte nur jemand sein, den man fleischlich liebt. Ich sehe das anders. Sie ist alles für mich.
Ich räuspere mich, um mich erneut auf mein Gegenüber zu konzentrieren. »Nein«, sage ich schließlich, denn es war nicht Rejan, der mich in diesen Zustand versetzt hat, sondern die Stimmen der Apokryphe.
Marec nickt, wirkt allerdings nicht überzeugt. »Aviell ist mal wieder der Hysterie verfallen«, redet er dann weiter.
Ich schließe kurz die Augen und suche in mir nach ihrem Gemütszustand, bekomme ihn jedoch nicht zu greifen.
»Bist du deshalb hier?«, erwidere ich und straffe die Schultern.
»Nein«, gibt er zu und kommt einen Schritt näher.
Sofort prickelt mein Körper. Wenn es nach Aviell ginge, würde ich Marec heiraten. Aber da ist nicht nur diese Anziehung, die mich unruhig werden lässt. Da ist vor allem Misstrauen. Und die unumstößliche Tatsache, dass er mein Onkel ist. Obgleich die Fürsten der Meinung sind, wir hätten keine Familie.
»Wir konnten dich hören«, raunt er verschwörerisch.
Verdammt. Ich beiße mir auf die Wange und suche nach einer Erklärung.
»Was konntet ihr hören?«, frage ich fast beiläufig, während mein Körper sich immer mehr anspannt, ich jedoch über die Wiesen und unzähligen bunten Blumen im Schlosspark sehe.
»Es war nicht sehr logisch und es waren auch keine Worte. Eher das Gefühl, etwas zurückhalten zu müssen.«
Ich nicke, weil ich nicht in der Lage bin zu sprechen. Da sich die Heroen gegenseitig in Gedanken hören können, sind wir in der Lage, uns zu warnen, sollte es zu Angriffen auf das Königshaus kommen. Aber ich übe mich schon seit Jahren heimlich darin, nicht alles von mir preiszugeben.
Im Studienzimmer des Abtes war ich nur anscheinend zu abgelenkt, zu bedroht, um mich darauf zu konzentrieren, meinen Geist vor den anderen Heroen zu verschließen. Und so, wie ich Nath kenne, den Heroer des Fürsten, hat er ihm längst mitgeteilt, dass von mir ein Gefühl des Zurückhaltens ausgegangen ist. Und das erklärt auch, warum Aviell wütend ist. Wahrscheinlich hat der Fürst nach mir schicken lassen. Und noch wahrscheinlicher ist, dass er mir morgen bei der Lesestunde Nath zur Seite stellen wird, damit er meine Gedanken mitliest. Verflucht sei er.
Mein Blick wandert über die riesige Grünanlage bis hin zum majestätischen Schloss. Die Gärten des Palastes wurden nach den Vorstellungen der Fürstengattin errichtet. Ihr Geschmack ist makellos. Alles hier sieht friedlich und sonnig aus. Die vielen bunten Blumen, die akkuraten Sträucher und Wege. Die Krönung des Ganzen ist allerdings ein...
Erscheint lt. Verlag | 24.3.2023 |
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Reihe/Serie | Fallen Kingdom | Fallen Kingdom |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Aktion Kulturpass • Booktok • Dämonen Fantasy • dämonen liebesromane deutsch • dark Fantasy romance • Dark Fantasy Romance Deutsch • enemies to lovers bücher • fantasy bücher dämonen • Fantasy Highlight • Fantasy Liebesromane Erwachsene • fantasy romance deutsch • Große Gefühle • High Fantasy Bücher • high fantasy romance • high fantasy romance bücher • impress ebooks • impressfantasy • new adult fantasy liebesromane für erwachsene • Reverse harem fantasy • Romance Romantasy Fantasy • Romantasy Bücher • romantische Fantasy Bücher • TikTok |
ISBN-10 | 3-646-60912-5 / 3646609125 |
ISBN-13 | 978-3-646-60912-7 / 9783646609127 |
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