Skandar und das Geheimnis des Ersten Reiters (eBook)

Einhörner, Helden und Magie | Internationale Fantasy-Erfolgsreihe für Jugendliche

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
496 Seiten
SchneiderBuch (Verlag)
978-3-505-15104-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Skandar und das Geheimnis des Ersten Reiters - A. F. Steadman
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A. F. Steadman hat 2019 ihren Abschluss in Creative Writing an der Cambridge Universität mit Auszeichnung bestanden. Bevor sie sich dem Schreiben gewidmet hat, hat sie im Rechtswesen gearbeitet, aber dann festgestellt, dass da nicht annähernd genug Magie im Spiel ist. Sie mag Bücher, Singen, Katzen, Magie und Freundlichkeit. 'Skandar und der Zorn der Einhörner' ist ihr Debüt.

KENNA

EIN KLOPFEN AN DER TÜR

Am Abend der Sommersonnenwende saß Kenna Smith am Strand und sah zu, wie die Sonne im Meer versank. Während nach und nach die Lichter von Margate hinter ihr aufflammten, zog sie Skandars Brief aus der Tasche, musterte düster den Umschlag und steckte ihn dann wieder weg – ungeöffnet. Sie trug ihn schon seit drei Tagen mit sich herum. Sie wollte ihn ja lesen. Wirklich. Sie vermisste ihren Bruder so sehr, dass sie manchmal kurz vorm Einschlafen noch mal Luft holte, um ihm im Dunkeln etwas zuzuflüstern. Einen Witz. Eine Sorge. Ein Geheimnis. Und dann fiel ihr wieder ein, dass sein Bett leer war. Dass es schon seit fast einem Jahr leer war. Dass er in einem Baumhaus auf der Insel schlief und tagsüber mit seinem Einhorn Elementarmagie trainierte.

Genau das war das Problem an den Briefen. Sie erinnerten Kenna daran, dass sie niemals ein Einhorn bekommen würde. Vor zwei Jahren war sie durch die Einhornprüfung gefallen, die darüber entschied, wer ein Reiter wurde und wer nicht. Nun würde sie nie eine Bindung mit einem Einhorn eingehen und nie auf der Insel leben. Und seit Kenna Skandar vor einigen Wochen besucht und sein Einhorn Schlitzohr kennengelernt hatte, fiel es ihr immer schwerer, die Briefe ihres Bruders zu lesen.

Ständig sah sie vor sich, wie harmonisch Skandar und Schlitzohr zusammen waren, wie jeder die Bewegungen des anderen spiegelte, als wären sie aus ein und derselben Seele geschnitzt. Wie sich die Muskeln im Nacken des schwarzen Einhorns spannten und wie die Funken auf seinen Flügeln wie Sternenstaub glitzerten. Sie sah die tiefe Liebe in Skandars Augen, wenn er Schlitzohr betrachtete. Die beiden hatten ein Band, das stärker war als das Band zwischen Bruder und Schwester. Ein Band, das Magie entfachte.

Kenna klopfte sich den Sand von den Füßen und zog die Schuhe ihrer Schuluniform wieder an. Vorhin waren ihre Freunde hier gewesen – ihre neuen Freunde, die sich nichts aus Einhörnern machten. Als sie von Skandars Abschlussturnier zurückgekommen war, hatte sie es so sattgehabt, von allen wegen der Insel gelöchert zu werden, dass sie missmutig verkündet hatte, die Insel sei nur eine miese Version des Festlands und die Einhörner nichts anderes als überdimensionierte Pferde mit zerzausten Flügeln. Die meisten hatten ihr nicht geglaubt – aber diejenigen, die schon immer etwas gegen Einhörner gehabt hatten, hatten an ihren Lippen gehangen.

In der Pause hatten sie sich um Kenna geschart und sich kaputtgelacht, als sie ihnen erzählt hatte, dass die Reiter löchrige alte Jacken tragen und auf Bäumen leben mussten. Und Kenna hatte die leise Hoffnung verspürt, dass sie vielleicht doch hierher aufs Festland gehörte. Dass sie ein anderes Leben führen konnte. Dieses Jahr hatte sie sich sogar geweigert, mit ihrem Vater den Chaos-Pokal zu schauen, das weltberühmte Einhornrennen. Sie hatte sein enttäuschtes Gesicht absichtlich übersehen, als sie ihn allein vor dem Fernseher hatte sitzen lassen. Kenna hatte den Gedanken, wie enttäuscht ihre Mutter von ihr gewesen wäre, weit weggeschoben, und war mit ihren neuen Freunden durch das verlassene Stadtzentrum geschlendert.

An diesem Tag hatte Kenna verpasst, wie Nina Kazama Chaos-Kommodora geworden war – die erste Festländerin in der Geschichte, die den Chaos-Pokal gewann. Allen hatte Kenna vorgespielt, es wäre ihr egal. Abends jedoch hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und sich hundertmal im Internet angesehen, wie Nina und ihr Einhorn Irrblitz durch den Zielbogen galoppierten. Und ihr war klar geworden, dass sie nicht wirklich zu ihren neuen Freunden gehörte. Sondern nur so tat, als ob.

Bei ihrem Wohnblock am Sonnenhang angekommen, gab Kenna den Code für den Haupteingang ein und musste dabei an die Baumhäuser auf der Insel denken. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Skandar und seinen Freunden im Adlernest zu leben und unten im Stall ein Einhorn wie Schlitzohr zu haben. Selbst nach zwei Jahren wünschte sich Kenna immer noch mehr als alles andere auf der Welt ein Einhorn.

»Kenna?«

»Hi, Dad«, rief sie und zog die Tür von Wohnung 207 hinter sich zu.

Ihr Vater war bereits für seine Nachtschicht in der Tankstelle gekleidet. Kenna war erleichtert – an manchen Tagen musste sie ihn erst überreden, zur Arbeit zu gehen, und an anderen Tagen war es schier unmöglich. Aber heute war ein guter Tag – einer von denen, die Kenna in ihren Briefen an Skandar schilderte, und nicht einer der schlechten, die sie für sich behielt.

Sie quetschten sich im Flur aneinander vorbei – ein routinierter Ablauf. Kenna hängte ihre Jacke an den Haken hinter seinem Kopf, während er seine Schlüssel in die Vordertasche seines Hemds fallen ließ.

»Hast du in den Briefkasten geschaut?«, fragte Dad.

Eigentlich wollte er wissen, ob ein Brief von Skandar gekommen war.

»Ja, hab ich. War nichts da«, flunkerte Kenna.

»Hm. Na, dann kommt bestimmt bald was.« Dad gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Gute Nacht, mein Schatz. Wir sehen uns morgen früh.«

Skandars Brief brannte in ihrer Tasche, als sie sich in ihr Zimmer verdrückte. Kenna wusste, dass sie ihn Dad hätte zeigen sollen, aber sie schaffte es nicht – nicht heute. Nicht am Abend der Sommersonnenwende. Heute hatten Dreizehnjährige im ganzen Land ihre Einhornprüfung abgelegt und hofften darauf, dass es um Mitternacht fünfmal an ihre Tür klopfte – und sie als Einhornreiter auf die Insel berufen wurden. Wenn sie Dad von dem Brief erzählte, würde er ganz bestimmt nur davon reden, wie Skandar letztes Jahr um diese Zeit auf die Insel gerufen worden war.

Denn eigentlich wollte Dad von nichts anderem als von Skandar und Schlitzohr sprechen. Kenna hatte das Gefühl, dass alles, was sie betraf – ihre Eins im Mathetest, ihre neuen Freunde, ihre bitteren Tränen vorm Einschlafen –, nicht der Rede wert war. Obwohl sie zugeben musste, dass es herrlich war, Dad so glücklich zu sehen. Die meiste Zeit ihrer Kindheit hatte er kaum gelächelt. Kenna war hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und seinen.

Aber sie verheimlichte ihrem Vater noch etwas anderes. Sie war überzeugt, dass hinter Skandars ungewöhnlicher Reise auf die Insel mehr steckte, als er eingestanden hatte. Sie hatte jedes Buch in der Bibliothek, jede Website und jedes Forum nach Belegen durchforstet, ob es so begabte Kinder gab, dass sie keine Einhornprüfung ablegen mussten.

Doch sie hatte nichts gefunden. Jedes Kind, das vor der Sommersonnenwende dreizehn Jahre alt wurde, musste die Einhornprüfung durchlaufen. So stand es im Abkommen zwischen Festland und Insel. So lautete das Gesetz. Aber aus irgendeinem Grund war bei Skandar eine Ausnahme gemacht worden. Kenna schämte sich für die missgünstigen Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Immer war sie die Stärkere, Schnellere, Klügere gewesen. Sie hatte Skandar quasi großgezogen – da hätte sie es ja wohl wissen müssen, wenn er außergewöhnlich war. Und so sehr sie ihn auch liebte – das war er nicht. Er hatte immer ihre Unterstützung gebraucht. Das alles konnte also nur bedeuten, dass Skandar ihr etwas verheimlichte.

Es war spät. Fast Mitternacht. Kenna kroch unter die Bettdecke und legte Skandars Brief behutsam auf den Nachttisch. Morgen würde sie ihn lesen. Vielleicht. Sie starrte an die Decke und nahm sich vor, schnell einzuschlafen und nicht bis Mitternacht wach zu bleiben. Es wäre das dritte Mal, dass sie den Tageswechsel der Sommersonnenwende ohne ein Klopfen an der Tür und ohne den Ruf der Insel erleben würde. Sie versuchte, sich nicht ihr eigenes Einhorn vorzustellen, wie sie es ihr Leben lang an diesem Tag getan hatte: die Farbe seines Fells und seiner Flügel und sein Element.

Klopf. Klopf.

Kenna setzte sich kerzengerade im Bett auf. Hatte Dad seinen Schlüssel vergessen? Nein, er hatte ihn in die Tasche gesteckt.

Klopf. Klopf.

Sie träumte nicht. Sie war eindeutig wach.

Auf Zehenspitzen schlich sie zur Wohnungstür. Dort zögerte sie. Wenn es noch einmal klopfte, würde sie aufmachen. Sonst würde sie vernünftig sein. Und wieder ins Bett gehen.

KLOPF.

Mit hämmerndem Herzen riss Kenna die Tür von Wohnung 207 auf und stand einem blassen, ganz in schwarz gekleideten Mann mit grünen Augen gegenüber.

Sein Blick huschte umher und richtete sich dann mit verstörender Intensität auf Kenna. Seine Wangenknochen wirkten im grellen Licht des Treppenhauses gefährlich scharf, und seine Zunge blitzte sonderbar silbrig, als er den Mund zum Sprechen öffnete.

»Dorian Manning.« Er streckte seine sehnige Hand aus.

Kenna ergriff sie nicht.

»Präsident der Brutkammer und Leiter des Silberzirkels.« Er räusperte sich gewichtig und rümpfte die Nase, als erwartete er, dass sie etwas sagte – mit dieser Miene erinnerte er Kenna an eine Kanalratte.

»Okay …« Beim Gedanken an die Brutkammer klopfte Kennas Herz wie wild, aber es gelang ihr, ruhig zu bleiben. Sie strich eine braune Haarsträhne hinter das Ohr. »Und warum sind Sie hier?«

»Ich bin gekommen, um dir einen Handel vorzuschlagen«, erklärte er großspurig.

Kenna begann die Tür vor seiner Nase zu schließen. Dieser Typ musste irgendein verrückter Einhorn-Fanatiker sein. Es war reiner Zufall, dass er genau um Mitternacht der Sommersonnenwende bei ihr geklopft hatte. Die Enttäuschung gesellte sich zu den vielen anderen Enttäuschungen, die sie...

Erscheint lt. Verlag 27.6.2023
Reihe/Serie Skandar
Skandar
Skandar
Übersetzer Maren Illinger
Sprache deutsch
Original-Titel Skandar and the Phantom Rider
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Albtraum • Alptraum Einhörner • Der goldene Kompass • Einhorn • Einhörner • Einhornrennen • Eragon • fantastisches Kinderbuch • Fantasy • Fantasy Abenteuer • Fantasy für Kinder • Freundschaft • Harry Potter • Held • Horror • Horror Einhörner • Kinderbuch ab 11 • kinderbücher 4. klasse • Kinderbücher ab 10 • Magie • Mythologie • PEGASUS • Percy Jackson • Pferdebuch für Kinder • Reiter • Rick Riordan • Skandar Band 2
ISBN-10 3-505-15104-1 / 3505151041
ISBN-13 978-3-505-15104-0 / 9783505151040
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