Panda Kingdom - Düsterer Drachenberg (eBook)
256 Seiten
SchneiderBuch (Verlag)
978-3-505-15112-5 (ISBN)
Erin Hunters Begeisterung für wilde Tiere regt sie immer wieder zum Schreiben an. Mit großem Respekt für die Natur und noch größerem Vergnügen erfindet sie die fantastische Welt der Tiere in ihren Büchern. Erin Hunter ist bekannt für die Bestsellerreihen »Warrior Cats«, »Seekers«, »Survivor Dogs« und »Bravelands«.
Prolog
Als Schneesturm über den Bergkamm trat und vor ihr das Schneefeld mit dem Gähnenden Schlund auftauchte, durchfuhr sie ein Kribbeln und ihr sträubte sich das Fell: da die vertrauten Schneewehen, die vereinzelten Bäume, schwarz und widerständig, selbst hier noch im Herzen des Weißkammgebirges. Da auch die Felsen, auf denen sie mit ihren Wurfgeschwistern geübt und sich spielerisch auf das Erwachsensein vorbereitet hatte. Und hinter den Felsen dann der Schlund, in dem ihre Mutter in den Tod gestürzt war.
Das alles schien schon lange her zu sein.
Heute waren die Bedingungen für den Sprung ideal. Trotz der Kälte ging bloß ein leichter Wind und der wolkenlose Himmel glich einer blassblauen Steppe.
Schneesturm blickte zurück und wartete auf ihren Bruder. Sie waren nur noch zu zweit und bald schon würde sie auch Frost den Rücken kehren müssen. So war es nun mal bei den Schneeleoparden. Nach dem Sprung über den Gähnenden Schlund würden sie auf der Fährte der Schneekatze ihrer Wege gehen. Und nur die Schneekatze würde wissen, ob sie sich je wiedersehen würden.
Frost kommt schon zurecht. Und sie selbst würde es auch schaffen. Seit Winters Tod waren sie ja ohnehin auf sich allein gestellt gewesen, hatten ihre Beute selbst jagen und ihr Territorium gegen ausgewachsene Leoparden verteidigen müssen. Schneesturm leckte sich die Pfote und putzte sich das verstümmelte Ohr, und bei der Berührung des tauben Narbengewebes verspürte sie einen seltsamen Stolz. Gestöber, der alte Schneeleopard, hatte wohl gedacht, ein paar schutzlose verwaiste Jungen könnte man leicht aus ihrer Höhle vertreiben – aber da hatte er sich getäuscht.
Als Frost zu ihr aufschloss, schmiegte sich Schneesturm einen Moment an ihn.
»Bist du bereit?«, fragte er.
»Na klar«, antwortete sie.
Frost nickte. »Ich auch.«
Doch keiner von beiden rührte sich.
»Was wohl Schauer und Geist jetzt machen?«, fragte Frost.
Schneesturm seufzte. »Ich hoffe, sie müssen nicht frieren und haben genügend zu fressen. Und sind zusammen.« Mit ihrer Pranke scharrte sie im Schnee und dachte mit Sorge an Schauers schwache Lunge und an Geists schwanzlosen, schwerfälligen Körper. Nicht zum ersten Mal plagte Schneesturm das schlechte Gewissen.
»Ich vermisse sie«, sagte Frost bloß. »Hoffentlich wissen sie … « Weiter sprach er nicht, aber Schneesturm wusste ohnehin, was er sagen wollte.
Hoffentlich wissen sie, dass wir ihnen nicht die Schuld an Mutters Tod geben.
Das wünschte sich Schneesturm auch, aber sie glaubte es nicht, denn kurz bevor Geist gegangen war, hatte sie ihm noch vorgeworfen, für alles verantwortlich zu sein. Überhaupt hatte sie furchtbare Dinge gesagt. Und jetzt würde er wohl nie erfahren, dass sie inzwischen ganz anders darüber dachte …
»Wen haben wir denn hier?«, war plötzlich eine Stimme zu hören. »Traut ihr euch auch mal wieder her?«
Schneesturm wirbelte herum. Vor ihr baumelten zwei lange, flauschige Schwänze aus einem kahlen Baum. Stöhnend verdrehte sie die Augen: Flink und Graupel, die Jungen von Eiskalt, lagen nebeneinander auf knorrigen Ästen und beobachteten sie mit zuckenden Schwänzen.
»Komisch, ich habe euch hier nicht mehr gesehen, seit …«, Graupel tat, als müsste er überlegen. »Ach ja … seit einer von euch Wunderlingen den Sprung versucht hat.«
»Ist wohl nicht so gut gelaufen, was?«, fragte Flink.
»Wollt ihr eurer Mutter am Grund des Schlunds jetzt etwa Gesellschaft leisten?«, höhnte Graupel.
Da preschte Schneesturm los. Jagte durch den Schnee schnurstracks auf den Baum mit den beiden Leoparden zu. Im Nu waren Eiskalts Jungen auf den Pfoten, legten ängstlich die Ohren an. Flink kletterte auf einen höheren Ast, und Graupel konnte gerade noch den Schwanz einziehen, bevor Schneesturm mit der Pranke danach hieb.
»Starke Worte für zwei Kleine, die den Sprung noch nicht einmal gewagt haben«, sagte Frost seelenruhig und schlenderte hinter seiner Schwester her.
»Die müssen ja auch gar nicht über den Schlund springen«, fauchte Schneesturm und lief im Kreis um den Baum herum. »Unsere Mutter ist zwar tot, aber wenigstens haben wir gelernt, für uns selbst zu sorgen. Diese beiden werden in Eiskalts Höhle leben, bis ihnen die Zähne ausfallen!«
Graupel knurrte. Doch als Schneesturm in Lauerstellung ging, als wollte sie jeden Moment in den Baum hochspringen, wurde aus dem Knurren ein Jaulen, und Graupel flüchtete ebenfalls auf den Ast weiter oben, wo er mit seiner Schwester um den Platz rangelte.
Schneesturm richtete sich entspannt auf.
»Komm«, sagte sie zu Frost. »Als erwachsene Leoparden legen wir uns nicht mehr mit Jungen an.«
Damit wandte sie sich ab und trabte mit Frost durch den Schnee. Sollten Graupel und Flink ruhig fauchen. Eigentlich hatte sie die beiden mit dem Spruch bloß ärgern wollen, aber im Grunde stimmte es ja. Auf der anderen Seite des Gähnenden Schlunds wären sie ein für alle Mal erwachsen, da konnten Eiskalts Jungen sagen, was sie wollten.
Als sie sich der Abbruchkante näherten, bekam Schneesturm Herzklopfen. Erinnerungen stiegen in ihr auf, schreckliche, aber auch schöne: An Winter, wie sie sich mit Eiskalt angelegt hatte, um ihre Jungen zu schützen, und wie sie von dem vereisten Vorsprung abgestürzt war. An Geist, wie er unversehrt aus dem Schlund geklettert war, und an die schlimmen Dinge, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Schneesturm atmete einmal tief durch und hob den Kopf. Jetzt durfte sie sich von den Erinnerungen nicht niederdrücken lassen.
Obwohl es ein strahlend heller Tag war und kein Lüftchen ging, lag der Grund des Gähnenden Schlunds im Schatten. Keine Spur von Winters Gebeinen – natürlich nicht, sie mussten längst unter Schnee begraben sein, dennoch riskierte Schneesturm einen Blick. Danach konzentrierte sie sich auf die Felssäule in der Mitte der Schlucht. Heute wirkte sie viel näher als damals, als sie noch ein Junges gewesen war. In dem Moment fasste sie Mut. Sie würde es schaffen.
»Nur zu«, sagte Frost und zuckte belustigt mit den Ohren. »Du willst doch immer die Erste sein.«
Schneesturm leckte ihrem Bruder über die Stirn. »Wir sehen uns drüben.«
Sie nahm Anlauf und sprang. Mitten im Flug machte ihr Herz einen solchen Satz, dass sie es selbst in den Pfoten noch spürte, doch dann landete sie auch schon auf der verschneiten Säule. Ohne Verschnaufpause setzte sie zum neuerlichen Sprung an und flog durch die Luft. Mit den Vorderpfoten kam sie hart auf dem gegenüberliegenden Rand des Schlunds auf, warf sich nach vorne und rannte ein Stückchen über die flache Schneedecke, bevor sie umkehrte, um nach ihrem Bruder zu sehen.
Von hier aus wirkte Frost auf der anderen Seite sehr klein, die Übungsfelsen und die verkrüppelten Bäume sogar winzig.
Frost drückte sich mit dem Hinterteil an den Boden und zuckte mit dem Schwanz. Schneesturm grub die Krallen in den Schnee.
Los, Frost. Du schaffst das.
Er sprang. Es war ein guter, kraftvoller Sprung und Frost landete mit einer Pfotenlänge Spiel auf der Säule. Doch dann geriet er ein wenig ins Schlittern, hielt aber nicht inne, sondern stieß sich mit letzter Kraft ab.
Schneesturm war gleich klar, dass es nicht reichen würde. Sie hastete zur Abbruchkante, sah seinen verzagten Blick und die fallende Flugkurve. In einem verzweifelten Versuch, die gegenüberliegende Seite zu erreichen, fuhr Frost die Krallen aus. Und es gelang ihm tatsächlich, sich im Fels festzukrallen, während er mit dem Körper dagegenprallte. Scharrend und kratzend versuchte er sich hochzuziehen. Eine seiner Krallen splitterte. Blitzschnell beugte sich Schneesturm vor und packte ihren Bruder am Genick.
Ihre Zähne schlossen sich um sein Nackenfell, sie spannte die Muskeln an, suchte Halt im Schnee, damit sie nicht beide in die Tiefe stürzten und an den Felsen zerschellten. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung schob sie sich rückwärts. Frost gelang es, erst eine Pfote und dann eine weitere über die Felskante zu setzen, da fielen sie hintenüber und rollten in einem wirren Knäuel aus Fell und Krallen durch den Schnee.
Von einer Schneewehe wurden sie aufgehalten, lagen keuchend ineinander verkeilt da, stumm vor Schreck.
Von der anderen Seite des Schlunds ertönte ein Jaulen. »Sie haben’s geschafft!«
Schneesturm hob den Kopf und schaute zu Flink und Graupel hinüber. Flink peitschte aufgeregt mit dem Schwanz, bis Graupel ihr aufs Ohr schlug.
»Mit Müh und Not«, spottete er so laut, dass Schneesturm und Frost es hören mussten. »Gut, dass sie ihm noch ein letztes Mal den Schwanz gerettet hat!«
Flink kicherte.
»Apropos Schwanz, ich glaube, du sitzt gerade auf meinem«, miaute Frost.
Schneesturm rappelte sich auf und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie mitgenommen sie war.
»Wir haben’s geschafft«, sagte sie. »Jetzt sind wir erwachsen.«
»Stimmt«, erwiderte Frost. »Das heißt wohl auch, dass …«
Der Schnee unter ihnen geriet ins Wanken. Im ersten Augenblick glaubte Schneesturm, ihre Pfoten würden noch von dem Schock zittern. Doch dann gab es einen neuerlichen Ruck und ein dumpfes Grollen war zu vernehmen. Irgendwann war es so laut, als würde ein Geschöpf von der Größe des ganzen Gebirges brüllen. Frost stupste sie an, und stolpernd wichen sie weiter vom Schlund zurück. Im selben Moment kam eine ganze Ladung Schnee ins Rutschen und fiel in die...
Erscheint lt. Verlag | 25.4.2023 |
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Reihe/Serie | Panda Kingdom | Panda Kingdom |
Übersetzer | Petra Knese |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Bamboo Kingdom - Journey to the Dragon Mountain |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Abenteuergeschichte Kinder • Bestseller • Bravelands • Fantasybuch • Fantasy Kinderbuch • Fantasy Kinderbücher • Geschwister • Identität finden • Intrige • Kinderbuch 10 Jahre • Kinderbücher Tiere • Pandas • Prophezeiung • Seekers • Stark sein • Survivor Dogs • Tiere • Tier-Fantasy • Umweltschutz • Warrior Cats |
ISBN-10 | 3-505-15112-2 / 3505151122 |
ISBN-13 | 978-3-505-15112-5 / 9783505151125 |
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