The Witches of Silent Creek 1: Unendliche Macht (eBook)
500 Seiten
Impress (Verlag)
978-3-646-60889-2 (ISBN)
Ayla Dade wurde 1994 geboren und lebt in einer Hafenstadt im Norden Deutschlands. Neben dem Jura-Studium entdeckte sie das Schreiben für sich und veröffentlichte bereits erfolgreiche Liebesromane, unter anderem die bekannte Winter-Dreams-Reihe. Ihr Herz schlägt für authentische, mitreißende Geschichten und dramatische Plottwists. Wenn sie nicht gerade neue Welten erschafft, widmet sie sich ihrer Liebe zum Gesang, Hund und Pferd und dem Sport.
Ayla Dade wurde 1994 geboren und lebt in einer Hafenstadt im Norden Deutschlands. Neben dem Jura-Studium entdeckte sie das Schreiben für sich und veröffentlichte bereits erfolgreiche Liebesromane, unter anderem die bekannte Winter-Dreams-Reihe. Ihr Herz schlägt für authentische, mitreißende Geschichten und dramatische Plottwists. Wenn sie nicht gerade neue Welten erschafft, widmet sie sich ihrer Liebe zum Gesang, Hund und Pferd und dem Sport.
HELENA
Heute
Meine Finger schmerzten. Mit aller Kraft umklammerte ich das rostige Geländer des wackligen Stegs, der mich auf das schottische Festland führen sollte. Hinter mir schnalzte jemand mit der Zunge.
»Wird das heute noch was?«
»Gleich«, presste ich hervor, wobei es mich große Mühe kostete, nicht zu würgen. Meine Augen huschten zur Gischt, die in sanften Wellen gegen den Kai schwappte. Ich stöhnte.
»Mach schon, Mädchen«, rief eine weibliche Stimme. Sie klang genervt. »Es ist sechs Uhr. Ich brauche meinen Kaffee, verdammt!«
Ich schloss die Augen. Zitternder Atem entwich mir. Meine Hände bebten, als ich sie vom Geländer löste, um einen Schritt vorzugehen. Der Wind wehte mir die übergroße Cordjacke um die nackten Knie. Ich hätte mir denken müssen, dass mich in Schottland keine Sommerhitze erwarten würde.
»Die hat sie nicht mehr alle«, murmelte die Person hinter mir. Gerade dachte ich noch, dass sie wütend klang, doch plötzlich spürte ich, wie mein Arm zur Seite gerissen wurde. Mein schützender, rettender, überlebenssichernder Arm!
Das rostige Geländer bohrte sich unangenehm in meinen Rücken. Ich keuchte. Mein Körper reagierte, als mein Verstand ihm vorschrieb, die Augen zu öffnen. Die Panik verschluckte den Schrei, der sich einen Weg aus meiner Kehle bahnte.
Vor mir erstreckte sich die Nordsee. Ein graues, verschlingendes Monster. Es war Furcht einflößend. So schlimm, dass ich nicht denken konnte, nicht atmen, nicht einmal leben. In dieser Sekunde existierte bloß das Meer, nur das Wasser, das mich in einen anderen Moment katapultierte. Einen Moment, der dafür gesorgt hatte, dass ich heute hier stand.
»Hey.« Eine angenehm klingende weibliche Stimme drang durch den Nebel zu mir durch. »Es ist alles gut. Sieh mich an, okay? Hier.«
Das Geräusch von schnippenden Fingern erklang. Ich blinzelte, aber momentan waren meine Augen wie eine schlecht fokussierende Kamera. Es dauerte, bis mein Sichtfeld sich schärfte und ich die Frau vor mir erblickte. Kurze schwarze Haare umrahmten ihr spitzes Gesicht. Sie hatte Augen so hell wie der Himmel, in dem frische Wolken tanzten. Sie lächelte, und das war schön, denn das Meer war es nicht.
»Ist es das Wasser?«
Ich nickte. Sie auch. Wir waren uns einig. Wunderbar.
»Schließ die Augen und nimm meine Hand. Ich führe dich.«
Ich kannte sie nicht, aber meine Möglichkeiten waren begrenzt. Also vertraute ich ihr. Alles drehte sich, obwohl ich bloß schwarze Pünktchen vor meinen Augen sah. Aber ich erkannte den Strudel, schwarz in schwarz, ein riesengroßes, düsteres Chaos. Nach schrecklichen Sekunden mit schrecklichen Gedanken darüber, wie das hier ausgehen könnte, spürte ich festen Boden unter den Füßen.
Vor Erleichterung wimmerte ich. Gierig füllte ich meine Lungen mit der salzigen Luft. Ich öffnete die Augen, um der Frau zu danken, doch … sie war verschwunden.
Ich drehte mich im Kreis und suchte die Hafenpromenade ab. Seefahrer luden Kisten in ihre Fischerboote, bereiteten sich auf den Tag vor; hinter einem Zeitungswagen wedelte ein Mann mit blaugrau gestreifter Mütze und Regenjacke mit dem neusten Newspaper. »Die First Ministerin verkündet!«, rief er. »Kein stationiertes Militär in den Städten Aberdeenshires!«
Ich hatte über die Vorkommnisse in Aberdeenshire gelesen – vor allem rund um Silent Creek. Seit einiger Zeit verschwanden Menschen spurlos. Schon länger wurde über eigentümliche »Unfälle« berichtet, die genauen Ursachen der Tode meist unklar, doch das Verschwinden von Personen war neu.
Ein Zurren gesellte sich zur Hafenluft, als der Besitzer eines Fischimbisses seine Markise ausrollte. Neuankömmlinge der Fähre orientierten sich oder hetzten über den Hafen, doch egal, wo ich hinsah … die fremde Frau war fort.
»Eh, Henne!«, rief eine Stimme neben mir. Sie klang entnervt.
Ich wandte mich um und erkannte ein Crewmitglied der Fähre an seiner dunkelblauen Uniform. »Meinst du mich?« Es sah so aus, denn er trug meinen schweren Überseekoffer über die ungleichmäßig gesetzten Asphaltsteine. Ein rechteckiger Kasten, der alle Habseligkeiten enthielt, die mir noch geblieben waren. Mich verwirrte bloß, weshalb er mich mit einem Hühnchen verglich, bis mir einfiel, dass es der schottische Slang für »Mädchen« war.
Mit dem Kinn deutete er auf den Koffer in seinen Händen. »Haste auf dem Schiff vergessen.« Die Zigarette in seinem Mundwinkel wackelte bedrohlich. »Ist schwer, das Teil.«
Er wollte ihn absetzen, doch ich riss protestierend die Arme in die Höhe. »Nicht!«
Furchen gruben sich in seine Stirn, ehe er die schütteren Brauen zusammenzog. »Hä?«
»Nicht … absetzen.« Hastig streckte ich die Hände aus und nahm ihm den Koffer ab. »Tut mir leid. Ich … ja. Danke.«
Perplex musterte er mich. Schließlich nahm er seine Zigarette zwischen die Finger, verpestete die Luft mit ihrem giftigen Qualm und kehrte um. Ich lauschte dem tiefen Schallsignal eines ankernden Schiffs, während mein Blick zur angrenzenden Straße schweifte, um die Gegend nach einem gelben Haus abzusuchen. Ich sollte Nathaniel dort treffen. Er hatte gemeint, er mied den Hafen. Zu viele Leute. Nun, in dieser Hinsicht ähnelten wir uns schon mal.
Nach einer Weile fand ich den Weg, den er mir geschildert hatte. Eine aufsteigende, schmale Straße, die in einem Rundbogen verlief und zum Fähranleger führte. Die hohen Sohlen meiner Knöchel-Docs klangen dumpf auf dem Asphalt. Außer mir befand sich niemand in dieser Nebenstraße, doch in der Ferne vernahm ich den hellen Klang einer Glocke, die zum Betreten der Fähre aufrief. Ein rotgoldener Farbverlauf warf seine Pinselstriche an den Horizont, als die Sonne ihren Aufgang ankündigte.
Silent Creek war ein sonderbarer Ort. Alles schien still. Ich vernahm das Rascheln der Blätter, die sich in der seichten Frühlingsbrise wiegten, und den Singsang vereinzelter Vögel, der anders klang, als ich ihn von zu Hause kannte. Eine leise, melancholische Melodie. Sie begleitete mich, bis ich den vereinbarten Treffpunkt erreichte und wartete.
Die Minuten verflogen. Andere hätten gedacht, ich stünde allein vor dem verwaisten Lädchen mit rot-weißer Markise, in dessen Schaufenster zurückgebliebene Apothekergläschen Staub ansetzten. Aber ich wusste es besser. Ich wurde beobachtet. Nur wenige Minuten nachdem ich den Treffpunkt erreicht hatte, war er mir aufgefallen. Die Ärmel seines grauen Wollpullovers schmiegten sich um seine Ellbogen, schwarze Linien zierten die sehnigen Unterarme. Der Kontrast zwischen Tinte und blasser Haut war so enorm, dass er mich beinahe blendete. Der Typ hockte auf einem Baum auf der anderen Straßenseite und gaffte mich an.
Ich versuchte, eine nüchterne Maske zu wahren. Er sollte nicht denken, mich einschüchtern zu können. Obwohl er genau das tat. Mit jeder Minute, die verging, fühlte ich mich unwohler. Ich dachte an Jack the Ripper und wurde nervös. Die Lust, an meinem ersten Tag in dieser Stadt von einem gestörten Serienkiller angegriffen zu werden, hielt sich in Grenzen.
Feuchtigkeit bildete sich auf meinen Handflächen. Der Ledergriff des rustikalen Überseekoffers meines Vaters drohte mir zu entgleiten, weshalb ich meine Hände um das schmale Wildlederstück zu Fäusten ballte. Unter der Last spürte ich meine Muskeln brennen. Doch etwas in mir sträubte sich, den Koffer abzustellen; etwas in mir wollte sich nicht eingestehen, dass mein Aufenthalt in Silent Creek endgültig war.
Ich nahm den Koffer in eine Hand, kramte aus meiner Jacke den kleinen Stein, den ich immer bei mir trug, und strich beruhigend über seine Kerben. In all den Jahren, nachdem Finlay ihn mir geschenkt hatte, war er immer bei mir gewesen. Mein Anker. Ein Schutzbringer. Er gab mir das Gefühl von Sicherheit. Von Wärme. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Obwohl ich es längst war.
Immer wieder wanderte mein Blick zu der hohen Eiche, die hinter dem Ziegelhäuschen auf der anderen Straßenseite in die Höhe ragte. Auf einem breiten Ast, halb verborgen zwischen dem dichten grünen Blätterwuchs, saß der blasse Typ und ließ mich nicht aus den Augen. Seinen Rücken hatte er gegen den breiten Baumstamm gelehnt, ein Bein angezogen, das andere lässig in der Luft baumelnd. Der Schnürsenkel eines seiner schwarzen Chucks hatte sich aus der Schleife gelöst.
Wir lieferten uns ein bitteres Blickduell, aber er sah nicht weg. Es schien ihn nicht zu interessieren, dass ich ihn bemerkt hatte. Sein wild abstehendes rabenschwarzes Haar verteilte sich auf der braunen Rinde, während er seine Unterlippe geistesabwesend zwischen Daumen und Zeigefinger knetete.
»Helena?«
Ich zuckte zusammen. Der Ledergriff entglitt mir, woraufhin der Koffer mit einem dumpfen Aufprall auf den Asphalt traf. Hastig bückte ich mich, um ihn wieder an mich zu drücken, ehe ich in das wettergegerbte Gesicht eines alten Mannes blickte. Tränensäcke prangten unter seinen wässrigen grauen Augen, ein deutlich hervortretendes Merkmal seiner dünnen Pergamenthaut.
»Nathaniel?«
Er nickte. In seinem Gesicht regte sich nichts. Die blassen Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Ich musterte ihn genauer. Unter seinem schäbigen Pullunder trug er ein faltiges vergilbtes Hemd, das vielleicht einmal weiß gewesen war. Seine steife Jeanshose wirkte verwaschen und eine zu große Armbanduhr baumelte an seinem dürren Handgelenk. Die Zeiger lagen auf den falschen Zahlen. Sie bewegten sich nicht.
Mein Großvater machte einen...
Erscheint lt. Verlag | 22.10.2022 |
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Reihe/Serie | The Witches of Silent Creek | The Witches of Silent Creek |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | dark academia • Fantasy Highlight • Fantasy Liebesromane • Fantasy Liebesromane Erwachsene • fantasy romance deutsch • Hexen Fantasy • hexen liebesromane • impress ebooks • impressfantasy • Romantasy Bücher • romantische Fantasy Bücher • Urban Fantasy • Urban Fantasy Bücher |
ISBN-10 | 3-646-60889-7 / 3646608897 |
ISBN-13 | 978-3-646-60889-2 / 9783646608892 |
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