Grenzlandpferde Salka (eBook)

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2022 | 1. Auflage
80 Seiten
Papierfresserchens MTM-Verlag
978-3-96074-568-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grenzlandpferde Salka -  Jeannette Runge
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Begonnen hatte alles mit der Flucht übers Meer in ein noch fremdes Land. Die beiden Mädchen Inèz und Anthéa treffen nachts im Stall durch Zufall aufeinander, wo die neue Stute Salka keine Ruhe findet. Obwohl Anthéa und Inèz grundverschieden sind, lässt sie die gemeinsame Liebe zu den Pferden dicke Freunde werden. Inèz ist ein Flüchtlingskind und darf nicht im Land bleiben. Außerdem wird sie von den Behörden gesucht. Anthéa hingegen hat sich die Schule zum Feind gemacht. Ihr droht der Rauswurf. Muss Anthéa sich entscheiden, einen neuen Weg zu gehen? Inèz überzeugt mit der Kunst, sich mit den Pferden verständigen zu können. Um nicht im Kinderheim zu landen, bekommt die junge Roma unerwartet Hilfe von der Tierärztin Lotta von Almen. Und dann ist da noch der unerwartete Einbruch des Jungen Fabiu, der bislang noch mit niemandem gesprochen hat ...

Jeannette Runge, Jg.1967, aufgewachsen im Schwarzwald, durch den sie viel mit Pferden unterwegs war. Ihr zweites Zuhause waren die Bücherei und der Buchladen um die Ecke. Seit 1988 wohnhaft in Dänemark am Meer. Mutter von vier erwachsenen Söhnen. Nach dem Studium der Bibliothekswissenschaften und der Kunsterziehung in Kopenhagen und Roskilde arbeitete sie als Dokumentalistin und Übersetzerin. Später unterrichtete sie Jugendliche und Geschäftsleute in den Fremdsprachen Deutsch und Französisch.

Jeannette Runge, Jg.1967, aufgewachsen im Schwarzwald, durch den sie viel mit Pferden unterwegs war. Ihr zweites Zuhause waren die Bücherei und der Buchladen um die Ecke. Seit 1988 wohnhaft in Dänemark am Meer. Mutter von vier erwachsenen Söhnen. Nach dem Studium der Bibliothekswissenschaften und der Kunsterziehung in Kopenhagen und Roskilde arbeitete sie als Dokumentalistin und Übersetzerin. Später unterrichtete sie Jugendliche und Geschäftsleute in den Fremdsprachen Deutsch und Französisch.

*

Heading North


Heading North. Das klang nach einer starken Bereitschaft, etwas durchzusetzen. Ihre Englischlehrerin hatte den Ausdruck gerne benutzt, da sie jede freie Minute in einem Kanu irgendwo im Norden zubrachte. Inèz nahm sich vor, die beiden Wörter mehrfach am Tag vor sich herzusagen. Ab sofort.

Auf Gleis 2 waren kaum Menschen, die Stoßzeiten hatten noch nicht begonnen. Eine ältere Frau, die vom Einkaufen zu kommen schien, hatte sich auf eine der Wartebänke gesetzt. Vor sich standen drei schwer aussehende, bis obenhin gefüllte Plastiktüten mit Nahrungsmitteln. Sie sah erschöpft aus und tat Inèz leid. Irgendwie erinnerte die Frau sie an ihre Mutter und sie merkte, wie ihr Tränen in die Augen klettern wollten.

Sie gab sich einen Ruck. Sie musste an etwas anderes denken. Es galt ihrer Zukunft. Ihrem Leben. Ja, sie würde es schaffen, bis zur Grenze zu gelangen, ohne von besonders vielen Menschen gesehen zu werden. Mit dem Kapuzenpulli, ihren Jeans und den Laufschuhen glich sie ohnehin jedem anderen Teenager. Ihre langen, dunkelbraunen Haare hatte sie zu einem Pferdezopf geflochten. So stand sie, angelehnt am unbemannten, bis auf Weiteres geschlossenen Kiosk auf Gleis 2, als der Zug einfuhr. Er hatte nur einen kurzen Stopp und würde sie ohne Zwischenhalt rund hundert Kilometer weiter gen Norden bringen.

In den vordersten Abteilen war das Mitbringen von Fahrrädern erlaubt und die Toiletten waren geräumig. Kurzerhand hatte sie sich dort eingeschlossen und es sich neben dem Waschbecken auf ihrer Sporttasche bequem gemacht. Es würde schon keiner kommen, dachte sie, während sie die SIM-Karte ihres Handys die Toilette hinabspülte. Irgendwo in ihrer Sporttasche müsste sich noch eine Prepaidkarte befinden. Sie würde sich später darum kümmern. Jetzt galt es erst mal, die Gedanken zu sortieren. Was, wie und wo?

Ein leichtes Grinsen huschte über ihr Gesicht. Zum Glück hatte sie an ihre Mundharmonika gedacht. Egal, was geschehen würde, ihre Mundharmonika würde ihr beistehen und Mut machen. So war es in ihrem bisherigen Leben schon immer gewesen. Jedes Mal, wenn im Flüchtlingsheim damals Probleme anstanden oder die Menschen dort sich nicht einigen konnten und laut wurden, hatte sie angefangen, zu spielen, und es hatte geholfen. Sie erinnerte sich schmerzhaft an die Blicke ihrer Eltern, die sie aufmunternd und voller Liebe dabei anschauten. Seltsam überlegen hatte sie sich damals gefühlt. Auch später, als ihnen eine Wohnung zugeteilt worden war und sie endlich gehofft hatten, für immer im Land bleiben zu dürfen. Am ersten Abend schon hatte sie für die ganze Familie gespielt und sie hatten getanzt. Wie gut hatte sich ihr Leben angefühlt, sicher und geborgen. Nicht so wie damals, im Heimatland. Als man hinter ihnen hergespuckt hatte, sie beschimpft und nie in Ruhe gelassen hatte. Immer waren sie unterwegs und im Aufbruch gewesen.

Sie schob abrupt die Gedanken beiseite und stellte sich vor, wie es in dem Land auf der anderen Seite des Meeres wohl aussehen würde.

Als der Zug sein Tempo zu verringern begann, erhob sie sich. Ihr war schwindelig, denn sie hatte seit heute früh nichts mehr gegessen. Doch für einen Schokoriegel, von denen sie immer einige bei sich hatte, war keine Zeit. Sie würde sich beeilen müssen, aus dem Zug zu springen, um dann den nächsten zu bekommen.

Bei Ankunft am Bahnhof, der nur zwei Gleise zu haben schien, sah sie den Zug Richtung Norden schon zur Abfahrt bereitstehen. Es waren nur einige Schritte und beim Anpfiff des Schaffners schlug die Zugtür hinter ihr zu. Ihr Herz pochte wie wild und gleichzeitig fühlte sie sich gut. Diesmal begnügte sie sich, im Gang auszuharren. Sie hatte Zeit genug, zwischen den Gepäckablagen einen gut getarnten Unterschlupf zu finden.

Es wurde indes kälter, sie fröstelte. Für einen Monat wie den Mai war es deutlich kälter als gewohnt. Ihren Schlafsack hatte sie jetzt schon um sich gelegt. Denn eine Erkältung genau jetzt bei ihrem Abenteuer hätte ihr gerade noch gefehlt.

„Hier noch jemand zugestiegen? Die Fahrkarten bitte.“ Aufgeschreckt packte sie eilig ihr Hab und Gut und erklomm schnellen Schrittes die Gepäckablage, legte alles zurecht und atmete durch. Die Zeit verging so langsam wie damals beim Grenzübergang, als ihr Vater sie fest an der Hand gehalten hatte. Ihre Hand fühlte sich jetzt genauso klebrig an wie die ihres Vaters damals. Der Zugschaffner hatte sie wohl schon längst passiert, dennoch blieb sie liegen und wartete auf die Ansage der Endstation.

Endlich, nach gefühlten Stunden, krächzte der Lautsprecher des Großraumwagens: „Fährhafen, der Zug endet hier. Alle Fahrgäste werden gebeten, auszusteigen.“

Langsam, doch entschlossen verließ sie über zwei Stufen hinweg den Zug, den Blick starr auf den Fährhafen gerichtet. Sie wollte sich keine Zeit für Zweifel lassen und dennoch bemerkte sie, wie die pure Angst in ihr aufstieg. Wäre es nicht doch besser, wieder umzukehren? Ihre Familie war bestimmt außer sich vor Sorge. Das stand so fest wie in Stein gemeißelt. Ihre Brust schmerzte vor Liebe zu ihrer Familie und Sorge um sie. Würden sie ohne sie klarkommen können? Bislang hatten sie sich immer so fest auf sie verlassen können. Wie konnte sie es nur wagen? Vielleicht war es eben jener Satz, der ihr genau jetzt die Antwort gab. Manchmal galt es, Muster zu durchbrechen.

Das war ihre Aufgabe. Sich freimachen von festgefahrenen Dingen, die keine langlebigen Lösungen ergaben. Sie war es leid, immer einen Schritt nach vorne und wieder drei zurückmachen zu müssen. Sie atmete durch und fasste den Entschluss, zu neuen Ufern aufzubrechen. Jetzt und hier und mit ihrem eigenen Leben.

Die breite, hölzerne Treppe, die das Verbindungsglied für die Landgänger zu den Fährschiffen darstellte, wirkte lang gezogen und unwirklich. Bis auf einige ältere Menschen, deren Sprache sie nicht verstand, befand sie sich auf dem langen Korridor, der schon parallel zum Schiffsbauch verlief. Am Automaten war es ein Leichtes gewesen, ein Kinderticket auszudrucken. Und bei der Kontrolle am Eingang für die Landgänger lächelte der nette Herr lediglich und wünschte eine gute Überfahrt. Beim Einatmen von Meeresluft, Motoröl und Möwenkacke ließ sie sich zusammen mit den anderen Passagieren mit in den Bauch der großen Fähre nehmen. Sie war tatsächlich unterwegs. Auf zu neuen Ufern.

Neben dem Tax-Free Markt roch es nach Würstchen und Frittüre. Ihr Magen machte sich sogleich bemerkbar, doch nahm sie die Treppe hoch zum Sonnendeck, denn es war immer noch hell. Bis zum Sonnenuntergang würde es noch dauern. Also Zeit genug, um sich an Land bei Helligkeit eine Bleibe zu suchen. Im Dunkeln wäre das nahezu hoffnungslos. Auf Deck angekommen, ergatterte sie einen freien Stuhl. Den Müsliriegel inhalierte sie geradezu, so hungrig war sie. Fast sehnsüchtig schaute sie den Kindern an Bord zu, wie sie mit Brot die Möwen fütterten. Zum einen hätte sie selbst gerne von dem Brot gehabt, zum anderen wäre sie wie die Kinder hier auch gerne zusammen mit ihrer Familie gewesen. Laut vor sich hin sagte sie jedoch: „Denk dran, nach vorne zu schauen. So, wie du es gelernt hast. Schon immer gelernt hast. Die Vergangenheit kann dir nicht helfen. Hilf’ dir selbst, schau hoch und weit!“ Mit diesen Worten öffnete sie noch einen Müsliriegel, den sie gierig verschlang, und lächelte dabei einem kleinen Mädchen zu, dem eine Möwe aus der Hand fraß.

„Schau, Melinda, dort siehst du schon Land, bald sind wir da und es wird nicht mehr weit ins Ferienhaus sein. Bestimmt können wir morgen schon im Meer baden! Das wird zwar nicht warm, dafür aber umso frischer. Komm!“ Die Mutter des Mädchens hatte es auf den Arm genommen und mit dem Finger in Richtung Land gezeigt. Auch Inèz stand jetzt auf und ging zur Reling. Tatsächlich. Ihr neues Land war in Sicht und sie verspürte ein prickelndes, neu vernommenes Gefühl in sich sprießen. Ihr war unheimlich und gleichzeitig fühlte sie sich wach, so, als ob sie beim Turnwettkampf zum ersten Mal die neu erlernte und schwierigste Übung am Barren vorzuzeigen hatte.

Die Autos hatten schon begonnen, von Bord zu fahren. In zwei langen Warteschlangen standen sie und fädelten sich im Schneckentempo durch die Schleuse an den Zöllnern vorbei. Nur wenigen wurde herausgewunken und gebeten, Kofferraum und andere Stauräume zu öffnen.

Inèz ließ sich mit den anderen Landgängern in Richtung Rampe und Ausgang führen, lächelte in sich hinein, als die beiden Polizisten mit Hund gerade eine ganze Familie bat, ihr Gepäck zu öffnen. Auf diese Weise gelangte ihr die Einreise in ihr neues Land so unauffällig, wie es auch nur glücken konnte.

Sie schaute sich im Fährhafen um und überlegte fieberhaft, wie sie sich am schnellsten und für sie am besten von hier aus dem Staub machen konnte, bevor sie durch ihren leicht unentschlossenen Anschein womöglich auch noch auffiel. Da entdeckte sie kaum 100 Meter vor sich das Zeichen, das auf einen Fahrradweg hindeutete, der ins Innere des Landes führen musste. Bevor die Sonne unterging, musste sie es schaffen, ein Schlaflager für die Nacht ausfindig gemacht zu haben. Die Geräusche der einreisenden Fahrzeuge fielen mit den zügigen Schritten von Inèz immer mehr in den Hintergrund.

Bald schon tat sich viel Grün um sie herum auf, die Erde roch lehmig und fast ein wenig fett. Es wurde...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Bilderbücher
Schlagworte Abschiebung • Expat-Familie • Flucht • Flüchtlingsfamilie • Gefühle • Horsemanship • Pferdeflüstern • Roma • Rumänien • Sinti
ISBN-10 3-96074-568-0 / 3960745680
ISBN-13 978-3-96074-568-6 / 9783960745686
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