Lua und Caelum 1: Zwischen Himmelglanz und Höllenfeuer (eBook)
400 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65509-5 (ISBN)
Tine Bätcke wurde 1971 in Braunschweig geboren und absolvierte ein Lehramtsstudium in Braunschweig und Köln. Wenn sie nicht gerade dabei ist, der Sonne in dieser Welt hinterherzureisen, lebt sie mit den letzten Familienmitgliedern, die noch nicht flügge geworden sind, in einem winzigen Dorf in der 'Toskana Südostniedersachsens' mit ganz viel Blick auf freies Feld und ganz viel Ruhe - die perfekte Umgebung, um den Geschichten im Kopf genügend Raum zum Wachsen zu geben.
2 Lua
Meine Welt zerbrach. Sie zerbrach in eine Million winzige Scherben, die ganz sicher niemals wieder jemand zusammenfügen konnte. Ohne weiter auf die Umgebung zu achten, legte ich den Kopf auf die blutverschmierte Brust meiner Mutter und hielt sie fest, nicht fähig, sie gehen zu lassen. Meine Tränen mischten sich mit ihrem Blut und hinterließen helle Sprenkel in dem tiefroten See, der sie umgab. Vielleicht konnte ich so lange weinen, bis ich in diesem See ertrank.
Der Klang von Schritten und ein weiterer Schub dieser gigantischen Präsenz holte mich zurück in die Realität. Der Hohedämon betrat erneut die Bühne. Gut so, ich war bereit, meiner Mom zu folgen. Fast fühlte ich so etwas wie Erleichterung. Wenn ich jetzt starb, musste ich den Schmerz des Verlustes nicht länger ertragen.
»Sie ist tot. Du solltest lieber gehen.«
Eine dunkle, warme Stimme. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit hätte ich sie gemocht, sehr sogar. Jetzt und hier beschwor sie kalte Wut in mir herauf.
»Wann ich gehe, bestimme ich selbst«, entfuhr es mir knurrend.
»Da wäre ich mir nicht so sicher.«
Mit diesen Worten griff er nach meinem Arm und zog mich von meiner Mom weg. Der Anflug von Erleichterung wich augenblicklich der Panik. Nein, bitte! Ich wollte sie weiter festhalten, wollte beim Sterben ebenso wenig allein sein wie sie. Ich brauchte sie, ich schaffte das hier nicht ohne sie. Obwohl ich ahnte, dass es nichts bringen würde, wehrte ich mich. Ich schrie, ich tobte und schlug wie verrückt um mich. Während die Tränen weiter ungehindert über meine Wangen strömten, versuchte ich mit aller Verzweiflung, mich aus seinem Griff zu befreien. Aber vergebens. Seine Präsenz hatte nicht getäuscht. Er besaß eine schier grenzenlose Kraft und er hatte gewonnen.
Ich gab den Kampf auf und mit meinem Widerstand erlosch auch mein Lebenswille. Fest von ihm umklammert und unfähig, mich weiter zu wehren, starrte ich auf meine Mom. Als ich sah, was dann geschah, war ich froh, dass ich bald keine Gelegenheit mehr haben würde, mich daran zu erinnern.
Aus meiner toten Mutter stieg Rauch auf. Eine immer größer werdende Rauchsäule erhob sich Richtung Himmel, während sie selbst sich aufzulösen schien und vor meinen Augen langsam verschwand. Bevor es jedoch endgültig so weit war, drehte der Dämon mich in seinem starken Griff von ihrem Anblick weg und zog meinen Kopf eng an seine Brust.
»Du solltest nicht hingucken.«
Und hier, in der festen Umarmung des mächtigsten Wesens, das mir je begegnet war, hatte ich das absurde Gefühl, dass nur seine Arme mich davor bewahrten, mich genauso aufzulösen wie meine Mutter. Ich wusste nicht, wie lange wir so beisammenstanden, aber als er seinen Griff plötzlich lockerte, wusste ich, dass es zu kurz gewesen war. Loslassen war nicht gut. Seine Umklammerung war vermutlich das Einzige gewesen, was mich noch auf den Beinen gehalten hatte. Und er hatte wirklich gut gerochen ...
Wieder auf mich allein gestellt, nahm mein Gehirn seinen ordnungsgemäßen Dienst langsam wieder auf. Es sollte mir definitiv egal sein, wie er roch, er war ein Hohedämon und ganz gewiss nicht irgendeiner. Ich hatte keine Ahnung, was er mit mir vorhatte, aber was auch immer es war, ich wollte, dass es schnell vorbeiging. Mit einer hastigen Handbewegung wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
»Es wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, das hier endlich zu beenden. Ich wäre dann so weit«, versuchte ich, die Sache zu beschleunigen. Sein Blick war so abfällig, als sei ich ein Hundeschiss unter seinem Schuh.
»Wenn ich das gewollt hätte, wärst du längst tot«, belehrte er mich. »Du bist ein Nichts, ein Wurm, den ich jederzeit mit meinem kleinen Finger zerquetschen könnte. Dazu brauche ich ganz bestimmt nicht auf deine Erlaubnis zu warten.«
Ich sah zu ihm hoch und reckte trotzig das Kinn. Er schien die besondere Begabung zu haben, den Widerstand in mir auch in der ausweglosesten Situation noch zu wecken.
»Ich bin kein verdammter Wurm!«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er mich von oben herab, aufgrund unserer verschiedenen Körpergrößen zugegebenermaßen von sehr weit oben.
»Stimmt. Wenn ich es mir genau überlege, bist du nicht mal ein Wurm, höchstens ein Würmchen.« Er spie mir dieses Wort entgegen, als wäre es das Widerlichste, was in seinem Wortschatz existierte.
»Bin ich nicht. Ich habe gekämpft, und zwar verdammt gut!« Kaum hatte ich das ausgesprochen, schlug ich mir innerlich mit der Hand gegen die Stirn. Dass mein Gehirn wieder normal funktionierte, hatte ich wohl falsch eingeschätzt. Stritt ich mich hier gerade wirklich mit diesem Inbegriff der Macht?!
»Deine Definition von ›gut‹ weist durchaus einige Abweichungen zu meiner auf. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass du eine Chance gegen die hattest?«
Ehrlich gesagt zweifelte ich sogar ziemlich stark daran, aber das würde ich ihm ganz sicher nicht sagen.
»Ich habe zwei von ihnen getötet. Den Dritten hätte ich locker ebenfalls geschafft.«
Er lachte gehässig auf. Dann beugte er sich zu mir herunter und sagte leise und bedrohlich: »Der Dritte hätte dich schon geschnappt, als du dich umgedreht hast, wenn ich ihn nicht davon überzeugt hätte, es sein zu lassen.«
Ich starrte ihn an. Langsam wich meine Wut der Verwirrung. Stimmte das, was er sagte? Hatte er tatsächlich den dritten Dämon getötet? Einen seiner eigenen Art? Was, um alles in der Welt, hatte ihn dazu bewogen, mir zu helfen? Ich fand absolut keine plausible Erklärung dafür, aber was auch immer der Grund war, es konnte nichts Gutes für mich bedeuten.
»Was willst du von mir?«
Ein äußerst genüssliches Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. »Keine Ahnung. Muss ich mir noch überlegen.«
»Hör zu, ich weiß, was du bist, und ich weiß, dass ihr nichts ohne Gegenleistung tut. Aber ich habe weder nach deiner Hilfe gefragt noch habe ich sie gebraucht, also wird es keine Gegenleistung geben.«
»Ach, und was bin ich?«, fragte er, während sich seine Augenbrauen belustigt hoben.
Ich schüttelte innerlich den Kopf über meine Dummheit. Noch nie hatte ich auch nur irgendjemandem verraten, dass ich Dämonen erkennen konnte. Es ausgerechnet ihm gegenüber zu tun, war vermutlich nicht die schlaueste Idee des Tages gewesen. Aber aus dieser Nummer kam ich jetzt wohl nicht mehr raus.
»Ein Hohedämon.«
Ihm entwich ein Schnauben. »Und woher weißt du so genau, wie ich mit Gegenleistungen umgehe?«
»Erfahrungswerte.«
»Könnte es sein, dass die Erfahrungswerte eines Würmchens sehr begrenzt sind?« In seinen Worten hatte eindeutig eine ordentliche Portion Arroganz und Belustigung gelegen.
Ich schloss die Augen und atmete durch. Wir diskutierten hier jetzt bereits eine ganze Weile, und langsam, aber sicher gingen mir sowohl Argumente als auch die Kraft aus, zumal ich nicht die geringste Ahnung hatte, wohin diese Diskussion überhaupt führen sollte. Abgesehen davon schien er unerklärlicherweise kein Interesse daran zu haben, mich umzubringen. Vielleicht war ich ihm zu unbedeutend – an einem Wurm machte man sich ja nicht gerne die Hände schmutzig. Erschöpft versuchte ich, die Sache zu Ende zu bringen.
»Hör zu, wenn du mich sowieso nicht umbringen willst, dann gehe ich jetzt. Da meine Mom sich gerade vor meinen Augen in Rauch aufgelöst hat, wäre ich jetzt gerne ein bisschen allein, um –«
Um meine Wunden zu lecken, um zu weinen, bis die Wohnung geflutet war, um in die Erinnerungskiste zu gucken. Nein, Letzteres ganz bestimmt noch nicht. Mühsam kämpfte ich die erneut aufsteigenden Tränen nieder. Ich ahnte, dass ich kurz vor einem Totalzusammenbruch stand, aber den konnte ich mir in seiner Gegenwart nicht leisten.
»Wo gehst du hin?«
Ich seufzte. »Nach Hause.« Ich schnappte mir mein Messer, das auf dem Boden lag, und warf einen letzten Blick auf die Stelle, an der meine Mom gestorben war. Außer einem dunklen Fleck war dort nichts mehr zu sehen. Nicht einmal Asche. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mit der Hand über die Stelle zu fahren. Als würde ich dort doch noch etwas von ihr finden. Als könnte ich sie dort noch einmal berühren, noch einmal ihre Stimme hören. Ich schluckte hart und rang den Drang nieder, mich hinzuknien. Stattdessen wandte ich mich um und ging.
»Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist.«
Wie bitte?! Meine Trauer verwandelte sich augenblicklich in Ärger. Mit einem wütenden Funkeln in den Augen drehte ich mich langsam zu ihm um.
»Und ich denke nicht, dass meine Ideen ausgerechnet von dir bewertet werden dürfen.«
Ich war eindeutig lebensmüde. Wieso sonst meinte ich, dass ich diesem mächtigen Wesen ständig die Stirn bieten musste? Meine Mom hatte mir in Endlosschleife eingeschärft, dass Dämonen hinterhältig, reizbar und unberechenbar waren. Und gefährlich. Unendlich gefährlich. Warum machte ich mich also nicht einfach schnell und unauffällig aus dem Staub? Stattdessen ließ ich mich immer wieder von ihm provozieren, obwohl mir klar war, dass jede patzige Antwort zu einem spontanen Sinneswandel und damit zu einem Kampf führen konnte. Und den würde ich hundertprozentig nicht gewinnen.
Vielleicht hatte ich ja einen Schock. Vielleicht aber auch einfach einen Knall. Auf jeden Fall hatte ich aus völlig irrationalen und unerfindlichen Gründen keine Angst mehr vor ihm. Ich wollte ihn nicht länger in meiner Nähe haben, ganz sicher nicht. Aber meine innere Stimme flüsterte mir leise zu, dass er mich nicht umbringen würde, zumindest nicht, wenn ich ihn nicht weiterhin dazu ermutigte.
Abgesehen davon hatte ich das Gefühl, dass seine Präsenz deutlich schwächer geworden war. Konnte er sie...
Erscheint lt. Verlag | 24.6.2022 |
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Reihe/Serie | Lua und Caelum | Lua und Caelum |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Apokalypse • Badboy Buch • Dämonen • Engel • Fantasy Bücher • Große Liebe • Halbengel • Himmel • Jugendbuch für Mädchen • Liebesroman • LoomLight • Love Story • Magie • romance books • Romantasy Bücher • Romantik Buch • Teufel • Unterwelt • Verbotene Liebe |
ISBN-10 | 3-522-65509-5 / 3522655095 |
ISBN-13 | 978-3-522-65509-5 / 9783522655095 |
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