Holly im Himmel (eBook)

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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61320-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Holly im Himmel -  Micha Lewinsky,  Lawrence Grimm
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Als Holly in den Himmel kommt, ist ihr Leben noch lange nicht zu Ende. Im Jenseits ist ganz schön was los. Mitten im Gewimmel von Menschen und Tieren trifft sie auf Frida, die schon seit 100 Jahren hier ist und sich auskennt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Engelschule. Denn als Engel darf man, wie Frida verrät, zur Erde zurückreisen. Holly will unbedingt nachsehen, wie es ihrer Familie geht. Doch seit Bortel den Himmel regiert, ist die Schule geschlossen und der Draht zur Erde gekappt.

Micha Lewinsky, geboren 1972 in Kassel, ist Drehbuchautor und Filmregisseur, u. a. von ?Der Freund? (Schweizer Filmpreis), ?Die Standesbeamtin? und ?Moskau einfach!?. Für Kinder hat er das Buch ?Holly im Himmel? geschrieben. Zurzeit arbeitet Micha Lewinsky an einem neuen Kinofilm.

Micha Lewinsky, geboren 1972 in Kassel, ist Drehbuchautor und Filmregisseur, u. a. von ›Der Freund‹ (Schweizer Filmpreis) ›Die Standesbeamtin‹ und ›Moskau einfach!‹. Für Kinder hat er die ›Ohrewürm‹ erfunden und produziert, Kinderlieder-Alben, die es in so gut wie jedes Schweizer Kinderzimmer geschafft haben. Zurzeit arbeitet Micha Lewinsky an einem neuen Kinofilm. Er lebt mit seinen beiden Kindern in Zürich.Lawrence Grimm, 1978 geboren in Zürich, ist ein australisch-deutsch-schweizerischer Künstler und Cartoonist. Seine Cartoonreihe ›Teatime for a Universe‹ wächst stetig und wird regelmäßig in Ausstellungen gezeigt.

Die Pancakes auf dem Tisch waren goldgelb. Ein hoher Stapel von warmen, duftenden, dicken Pfannkuchen. Der Ahornsirup tropf‌te über die Ränder und bildete auf dem Tellerboden einen glänzenden, süßen See. Uwe war furchtbar stolz auf sein Werk.

»Na, riecht das lecker?«, fragte er aufgeregt.

Es roch unglaublich fantastisch.

»Geht so«, sagte Holly. Sie versuchte nicht hinzuschauen. Dann war es leichter.

Uwe hob mit zwei Gabeln den obersten Pancake vom Stapel. Er schimmerte in der Morgensonne, die durchs Fenster in die Küche schien. Holly hielt die Hand über ihren Teller, damit Uwe den Pancake nicht drauf‌legen konnte. Enttäuscht wandte er sich an Timi.

»Willst du?«

Timi sah den dampfenden Pancake. Er hätte ihn Uwe am liebsten aus der Hand gerissen. Doch dann sah Timi seine Schwester und die drohende Falte zwischen ihren Augenbrauen. Er schüttelte stumm den Kopf und hielt auch seine Hand über den Teller.

Astrid verstand gar nichts mehr. »Ich dachte, das ist dein Lieblingsessen.«

Timi presste die Lippen zusammen.

»Wir mögen das nicht. Jedenfalls nicht zum Frühstück«, erklärte Holly.

»Genau, wir mögen das erst später«, murmelte Timi.

»Nein, auch nicht später. Gar nicht«, sagte Holly. »Das ist nämlich süß. Und Süßes gibt Löcher.«

Astrid sah Holly verständnislos an. Nicht weil das, was Holly sagte, falsch war, aber weil es das Gegenteil von dem war, was Holly normalerweise sagte. Es war eigentlich fast eher das, was Astrid sonst selber sagte. Dass man vom Zucker Löcher in den Zähnen kriegt. Das war ja korrekt, streng wissenschaftlich betrachtet. Aber jetzt, aus Hollys Mund, klang es doch irgendwie falsch.

»Ihr mögt also nichts Süßes?«, fragte Uwe.

»Jedenfalls nicht zum Frühstück«, sagte Holly.

»Und nicht von dir«, murmelte Timi.

Uwe dachte einen Moment darüber nach. Dann ging er ohne ein weiteres Wort zum Küchenschrank und nahm die Blechdose mit den Backsachen hervor. Nicht nur Mehl war da drin. Auch Zuckerstreusel und Marzipan. Holly kannte diese Dose gut. Manchmal, wenn Astrid im Keller war, nahm sie sie raus und schaute, ob etwas Neues drin war. Und falls es süß aussah, schaute Holly, ob es auch süß schmeckte. Und manchmal schaute sie, ob die süßen Sachen ganz unten in der Dose noch immer gut waren.

Bis jetzt hatte keiner bemerkt, dass Holly sich um diese Dose liebevoll kümmerte. Sie tat es einfach so. Weil sie im Haushalt gerne mithalf. Es war eigentlich fast ein bisschen Hollys Dose, fand Holly. Doch jetzt griff Uwe danach. Er öffnete den Deckel, nahm die Tüte mit dem Hagelzucker heraus und warf eine ganze Handvoll über die Pancakes.

»Wollt ihr immer noch nichts davon?«, fragte er.

Die Hagelzuckerkörner auf den klebrigen Pancakes in der Morgensonne. Das war verlockend. Aber Holly schüttelte tapfer den Kopf.

»Schade«, sagte Uwe. Dann nahm er das Gläschen mit den süßen Perlen aus der Dose. Und kippte die Perlen über die Pancakes. Sie waren lila und rosa und blieben auf dem matt glänzenden Ahornsirup zwischen den Hagelzuckerkörnern haften.

Astrid kicherte. Was gab es denn da zu kichern?

»Immer noch keine Lust?«, fragte Uwe.

Timi sah blass aus. Fast ein bisschen ungesund. Doch als er sah, dass Holly den Kopf schüttelte, tat er es auch.

Und jetzt fing Uwe erst richtig an. Er streute Schokostreusel über die Perlen. Und Puderzucker. Er legte Marzipanherzen dazwischen. Und Smarties. Als er endlich fertig war, konnte man die Pancakes unter all den bunten, süßen Verzierungen kaum noch erkennen. Holly hatte noch nie in ihrem ganzen Leben etwas gesehen, das so lecker aussah.

»Und ihr seid ganz sicher, dass ihr nichts davon mögt?«, fragte Uwe scheinheilig. Timi seufzte schwer. Er sah flehend zu seiner Schwester. Aber Holly blieb hart.

»Na gut.« Uwe wandte sich an Astrid. »Und du?«

»Unbedingt«, sagte Astrid. Aus ihrem Kichern war ein Lachen geworden. Sie lachte richtig laut. Und dann taten sie es. Sie taten es wirklich. Uwe und Astrid verschlangen vor den Augen der Kinder die Pancakes. Ihre Mundwinkel glänzten vom Sirup. Der Zucker knirschte zwischen ihren Zähnen. Und sie lachten mit vollem Mund. Wie sie lachten.

Das war der Moment, als Timi anfing zu weinen.

 

Als Timi sich wieder beruhigt hatte, fuhren sie los. Uwe drehte die Musik auf und klopf‌te mit den Fingern den Takt aufs Lenkrad. Astrid hatte das Fenster geöffnet und ließ sich den kühlen Fahrtwind ins Gesicht wehen. Die Kinder saßen hinten.

»Ich hab Hunger«, sagte Timi.

»Es gibt gleich was«, beruhigte ihn Holly. »Papa bringt was mit.«

»Und wenn er es vergisst?«

»Der vergisst das schon nicht. Ganz sicher.«

Aber ganz sicher war sie auch nicht. Bei Papa konnte man nie ganz sicher sein.

Uwe drehte die Musik vorne noch lauter, und Astrid begann zu singen. Holly wusste nicht, wann sie ihre Mutter das letzte Mal hatte singen hören. Sie hatte eine tolle Stimme. Früher war sie sogar einmal Sängerin gewesen, aber dann hatte sie mit dem Singen aufgehört. Weil Singen und Muttersein nicht so gut zusammenpassen. Und natürlich gefiel es Holly, dass sie sich für das Muttersein entschieden hatte. Aber das Singen gefiel Holly auch. Und es gefiel ihr auch wieder nicht. Weil sie ja neben Uwe sang. Oder sogar wegen Uwe. Und da kam es Holly vor, als würde ihre Mutter sich gerade wieder ein bisschen mehr für das Singen und gegen das Muttersein entscheiden. Holly hätte am liebsten mitgesungen und ihr gleichzeitig den Mund zugehalten, so schön war es. Und so schrecklich.

 

Der Park war voller Leute an diesem Sonntag. Es war zu warm, um in der Stadt zu bleiben. Aber nicht warm genug, um schwimmen zu gehen. Also gingen alle in den Park. Ein paar größere Jungs spielten Fußball. Zwei Männer mit langen Haaren warfen ein Frisbee hin und her. Beim Hügel neben dem Spielplatz briet eine große, laute Familie ihr Mittagessen auf einem Gartengrill. Am Himmel flatterten Papierdrachen. Und ein kleiner Hund rannte kläffend im Kreis rum und versuchte seinen eigenen Schwanz zu schnappen.

Unter einem großen Baum ganz hinten im Park breitete Astrid die Wolldecke aus. Timi setzte sich sofort drauf. Holly sah sich nervös um. Sie hatte ihren Vater noch nirgends gesehen.

»Wer will Federball spielen?«, fragte Uwe.

Holly schüttelte den Kopf. Sie legte sich neben Timi auf die Decke und nahm die große Zeitung, die Uwe mitgebracht hatte. Hinter der Zeitung konnte sie sich verstecken und unbemerkt weiter nach ihrem Vater Ausschau halten.

»Wollt ihr nicht ein bisschen spielen?«, fragte Astrid.

Aber Holly wollte nicht. »Wir lesen.«

Timi nickte.

»Was lest ihr denn Wichtiges?«

»Buchstaben«, sagte Timi.

Astrid wollte sonst immer, dass sie lesen. Aber jetzt fand sie, im Park müsse gespielt werden. Sie nahm die Federballschläger und ging zu Uwe, der gerade versuchte, in der Wiese einen Kopfstand zu machen.

»Ich will gar nicht lesen«, flüsterte Timi, als Astrid weit genug weg war.

»Du kannst dir ja die Bilder anschauen.«

»Die hab ich schon.«

Timi blätterte die Zeitung jetzt so schnell durch, dass kein Mensch etwas hätte lesen können. Nicht einmal der Weltmeister im Schnelllesen. Das Schnellblättern war lustig, sodass Holly es auch versuchte. Das Zeitungspapier raschelte und riss. Sie lachten und bemerkten dabei gar nicht, dass ein blasser, schwitzender Mann mit verschmierten Brillengläsern schnaufend in ihre Richtung kam. Er trug eine gefütterte Jacke, die viel zu warm war für diesen Tag, und eine Jutetasche, die viel zu voll war.

»Papa!«, rief Holly begeistert, als sie ihn dann doch sah. Sie sprang auf und umarmte ihn stürmisch. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«

»Hast du etwas zu essen mitgebracht?«, fragte Timi aufgeregt. »Ich hab solchen Hunger!«

Paul stellte erschöpft die schwere Tüte ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Timi kletterte an ihm hoch und Holly auch. Sodass Paul ins Gras kippte und auf dem Rücken liegen blieb. Erst als Astrid zu ihnen kam, stand er wieder auf.

»Was machst du denn hier?«, fragte sie.

»Er ist ganz zufällig gekommen«, sagte Holly rasch.

»Zufällig?«

»Ist doch egal«, sagte Holly. »Jetzt begrüßt euch mal richtig.«

Ihre Eltern gaben sich zwei kurze, kleine Küsschen auf die Wangen. Sie sahen dabei nicht ganz so zufrieden aus, wie Holly sich das vorgestellt hatte.

»Uwe, das ist Paul. Paul, das ist Uwe«, sagte Astrid.

Uwe zupf‌te nervös am Federballschläger herum, als wäre es eine Gitarre. Holly hätte ihn am liebsten an der Hand genommen und zum nächsten Bahnhof gebracht. Oder sonst wohin. Einfach weg.

»Das freut mich, dich endlich mal kennenzulernen«, sagte Uwe höf‌lich.

»Na ja«, antwortete Paul. Und dann sagte niemand mehr was.

»Bist du sicher, dass das eine gute Idee war?«, flüsterte Timi.

»Jetzt warte«, sagte Holly leise. Und dann wieder laut: »Papa hat etwas zu essen mitgebracht. Selbst gekocht!«

Astrid war nun wirklich erstaunt. »Seit wann kochst du denn?«

»Na ja«, sagte Paul schon wieder. »Ich dachte, ich versuch’s mal. Man kann sich ja entwickeln.« Und dazu lächelte er so unbeholfen, dass seine Brille ein bisschen nach oben rutschte.

»Sachen gibt’s«, sagte Astrid. Und jetzt lächelte sie auch. Sie lächelten beide. Holly hätte hüpfen und springen können vor Freude. Alles würde gut werden.

Paul nahm eine blasse...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2022
Illustrationen Lawrence Grimm
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Bösewicht • Diktator • Dysfunktionale Familie • Elternliebe • Engel • Erzählendes Kinderbuch • Familie • Freundschaft • Für Kinder ab 8 Jahren • Himmel • Humor • Illustrationen • illustriert • Jugendbücher • Kinderbuch • Kinderbücher • Kindsein • Leben nach dem Tod • Lebensziele • Paradies • Tod • Tod eines Kindes • tragikomisch • Trauer • Träume • Trennung • Weihnachten • Welt mit eigenen Regeln
ISBN-10 3-257-61320-2 / 3257613202
ISBN-13 978-3-257-61320-9 / 9783257613209
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