Neun Wünsche für Archie -  Helen Rutter

Neun Wünsche für Archie (eBook)

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-206-4 (ISBN)
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Archie hat es nicht leicht. Am liebsten würde er einfach den ganzen Tag mit seiner besten Freundin Maus verbringen. Aber Archie hat ein Geheimnis, das er nicht mal Maus erzählen kann. Denn seit sein Vater ausgezogen ist, geht es seiner Mutter überhaupt nicht gut. Sie verlässt kaum noch das Bett, sodass sich Archie um alles kümmern muss. Doch als Archie eines Tages einen Fahrradunfall hat, steht da plötzlich Lucas Bailey, sein absoluter Lieblingsfußballspieler, und schenkt ihm neun Wünsche. Ein Fußballer als Glücksfee? Das kann doch nur ein Traum sein! Oder etwa nicht? Schnell muss Archie feststellen, dass die Sache mit dem Wünschen nicht so einfach ist. Und eigentlich hat er auch nur einen einzigen Wunsch: Seine Mutter soll endlich wieder glücklich werden.

Helen Rutter lebt in der Nähe von Sheffield und arbeitete zunächst als Schauspielerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Ihr Buch ?Ich heiße Billy Plimpton? ist eines der erfolgreichsten Kinderbuch-Debüts Großbritanniens von 2021 und wurde u. a. für die Carnegie Medal, den Blue Peter Book Award und den Costa Book Award nominiert.

Helen Rutter lebt in der Nähe von Sheffield und arbeitete zunächst als Schauspielerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Ihr Buch ›Ich heiße Billy Plimpton‹ ist eines der erfolgreichsten Kinderbuch-Debüts Großbritanniens von 2021 und wurde u. a. für die Carnegie Medal, den Blue Peter Book Award und den Costa Book Award nominiert.

Eins


Man muss immer an seine Träume glauben.

– Lucas Bailey, Star-Stürmer der Valley Rovers

Ich habe letzte Nacht geträumt, dass ich von einem Riesenhamster gefressen werde.

– Archie Crumb

Früher wollte meine Mum ständig, dass ich mir etwas wünschte. Bei den üblichen Anlässen – wenn ich am Geburtstag die Kerzen auf meinem Kuchen auspustete, wenn ich eine Wimper fand oder einen Regenbogen sah – und bei einer Million anderer Gelegenheiten, die sie sich ausdachte.

Wenn wir etwas genau gleichzeitig sagten:

»Wünsch dir was!«

Wenn wir eine Feder oder irgendeinen Vogel sahen – und wenn es auch nur eine langweilige, einbeinige Taube war:

»Wünsch dir was, Archie!«

Selbst bei wirklich widerlichen Anlässen:

»Igitt, Mum, da ist eins deiner Haare in meinem Spiegelei!«

»Wünsch dir was, Archie. Schnell!«

»Äh … Ich wünschte, es wäre kein Haar in meinem Spiegelei!«

Wenn wir unter einer Brücke durchgingen, wenn ein Zug vorbeifuhr, wenn ich mir den Ellbogen stieß, wenn der Wind mir Blätter ins Gesicht wehte oder wenn Schnee fiel. Meiner Mum zufolge war all das einen Wunsch wert.

»Was du dir nicht wünschst, kann auch nicht wahr werden, oder?«

Bei so vielen Wünschen weiß man irgendwann gar nicht mehr, was man sich wünschen soll. Am Anfang war es noch einfach. Ich wollte Millionär werden, fliegen können, coole Turnschuhe haben oder eben noch mehr Wünsche. Keiner dieser Wünsche ging in Erfüllung – ich glaube, das tun sie nie. Meine jedenfalls nicht.

Ich heiße Archie Crumb, und ich bin ein ziemlich unbrauchbarer Mensch. Denn ich gehöre zu den Kindern, die nichts können, und ich meine wirklich, GAR NICHTS. Alle Menschen haben Schwächen, aber die meisten Leute haben zumindest irgendeine Stärke. Wer schlecht in Mathe ist, ist vielleicht ziemlich gut in Kunst. Und die Kinder, die im Unterricht nicht mitkommen, können zum Beispiel sehr schnell rennen oder sehr hoch springen oder schießen beim Fußball alle Tore.

Sogar Felix Ratton aus meiner Klasse, der kein einziges Wort richtig schreibt, kann einen Rasenmäher auseinandernehmen und wieder zusammenbauen. Davon wussten wir nichts, bis er auf dem Schulfest einen Preis gewann. Der Preis bestand darin, dass er einen Tag lang Lehrer sein durfte (was für mich ehrlich gesagt eher nach einer Strafe als nach einem Preis klingt!). Alle gingen davon aus, dass Felix ein miserabler Lehrer sein würde, aber es wurde der beste Tag überhaupt! Felix erzählte uns, dass er sechs Rasenmäher habe, die er in Müllcontainern gefunden und zu Hause wieder repariert hatte. Offenbar ist er immer auf der Suche nach kaputten Rasenmähern. Und er kann an ihrem Geräusch sogar die Marke erkennen. Bis zu dem Tag, an dem er unser Lehrer wurde, wusste keiner von seiner Rasenmäher-Leidenschaft, und wir waren ziemlich beeindruckt.

Am Tag nach Felix’ Unterricht habe ich versucht, Dads nagelneuen Rasenmäher auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen, um zu sehen, ob das vielleicht auch mein verborgenes Talent sein könnte. Am Ende saß ich völlig verschwitzt inmitten von Metallteilen und Schrauben und hatte keine Ahnung, was wohin gehörte. Dad und seine neue Frau Julie waren megasauer. Rasenmäher bauen ist also definitiv nicht mein geheimes Talent.

Lehrer sagen immer, dass jeder irgendwas gut kann, aber was mich angeht, verliere ich langsam die Hoffnung. Ich habe absolut keine besonderen Fähigkeiten und bin in jedem Fach schlecht. Ich kann das Einmaleins nicht, meine Rechtschreibung ist grauenvoll, meine Handschrift ist das reinste Gekrakel, und als ich meiner Mum das letzte Mal ein Bild gemalt habe, dachte sie, es sei eine Teekanne, obwohl es eigentlich ein Schiff sein sollte. (Wieso um alles in der Welt hätte ich eine Teekanne malen sollen?!) Ich kann nicht geradeaus laufen, ohne zu stolpern, geschweige denn einen Ball richtig kicken. Und sogar bei Computerspielen bin ich eine Niete.

Das bin also ich: Archie Crumb, ein ziemlich unbrauchbarer Mensch. Und bisher hat kein Wunsch etwas daran geändert.

Seit einer Weile sagt Mum aber auch nicht mehr dauernd, dass ich mir etwas wünschen soll. Die meiste Zeit liegt sie im Bett und schläft – oder tut jedenfalls so. Früher, als ich klein war, habe ich mich auch manchmal schlafend gestellt. Der Trick dabei ist, ganz langsam zu atmen. Mum atmet immer zu schnell, wenn sie nur so tut, deshalb weiß ich, dass sie nicht wirklich schläft.

Ich bin mir nicht sicher, warum sie das macht. Vielleicht ist sie zu müde, um zu reden. Für mich ist das in Ordnung. Wenn ich von der Schule nach Hause komme und sie wieder im Bett liegt, mache ich mir Ravioli aus der Dose und sortiere meine Fußballsticker-Sammlung. Manchmal nehme ich meine Ravioli auch mit ins Bett, mache es mir mit meinen Aufklebern gemütlich und schreibe Listen, welche Sticker ich schon habe und welche ich noch brauche. Ich liebe die roten, glänzenden Päckchen und kenne alle Zahlen und Fakten zu den einzelnen Spielern.

Auf der Rückseite der Päckchen stehen motivierende Sprüche. So ähnliche Sprüche wie auf den Bildern, die Julie und Dad in ihrem neuen Wohnzimmer aufgehängt haben und auf denen LEBE LACHE LIEBE steht – nur besser. Ich liebe diese Zitate – vor allem die von Lucas Bailey, meinem absoluten Lieblingsfußballer – und versuche immer, die Ratschläge zu befolgen. Manchmal klappt es aber auch nicht. Ich meine, wie soll man seine Träume verfolgen, wenn man nicht einmal weiß, welche Träume man hat? Ich habe keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen will, und frage mich immer, wieso andere Kinder das schon zu wissen scheinen. Wir sind doch erst elf! Aber irgendwie steht es für alle anderen schon fest: Maus will Anwältin werden, Martha will Hundefriseurin werden, Kiran Schlittschuhläuferin, und die meisten Jungs wollen Fußballspieler werden.

Bei mir besteht nicht die geringste Chance, dass ich jemals Fußballer werde, also bleibe ich lieber bei meinen Aufklebern. Ich besitze einen RIESIGEN Stapel von Stickern, die ich doppelt habe, wahrscheinlich den größten von allen in der Schule. Manche Kinder machen die dümmsten Tauschgeschäfte, zum Beispiel fünfzig doppelte Aufkleber für einen glänzenden, aber ich liebe meine doppelten. Und erst recht meine zweiundfünfzig Lucasse, die ich in einem eigenen Stapel aufbewahre. Lucas Bailey ist einfach klasse. In der letzten Saison hat er fünfunddreißig Tore geschossen und war damit bester Torschütze der Liga. Er ist hier in der Gegend aufgewachsen und früher sogar auf meine Schule gegangen. Überall in den Fluren hängen Bilder von ihm, und am Empfang ist ein großer Schaukasten mit Zeitungsausschnitten und Interviews.

Manchmal spreche ich mit dem Sticker-Lucas. Ich weiß, es klingt bescheuert, und um ehrlich zu sein, finde ich es selbst verrückt – aber ich mache es trotzdem. Wenn Aufkleber kleine Ohren hätten und hören könnten, dann wüsste Sticker-Lucas unfassbar viel über mich. Er wüsste, dass Maus meine beste Freundin ist und dass sie besser Fußball spielt als alle anderen Mädchen der Schule und auch als die meisten Jungs. Wir üben immer in ihrem Garten Elfmeter, und sie hat noch NIE einen verschossen. Sie ist unglaublich gut.

Sticker-Lucas wüsste, dass die B-B-Gang schrecklich ist und über JEDEN gemeine Dinge sagt. Er wüsste, dass ich heute geschummelt und bei Marthas Mathe-Test gespickt habe. Er wüsste auch, dass ich deswegen dann so ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich alle Antworten durchgestrichen und null von zwanzig Punkten bekommen habe.

Er wüsste, dass die Neun meine Glückszahl ist, weil es seine Trikot-Nummer ist, und dass ich manchmal im Kopf Dinge neunmal wiederhole, damit sie wahr werden, oder neunmal auf den Tisch klopfe, damit es mir Glück bringt. Und er wäre der einzige Mensch auf der Welt, der wüsste, dass Mum diese Woche nur einmal aus dem Bett aufgestanden ist.

Irgendwann wird es ihr wieder besser gehen, das hat sie mir versprochen. Sie sagt, sie braucht bloß Zeit. Ich weiß, dass sie sich Mühe gibt. Letztes Ostern hat sie für uns einen Urlaub in Scarborough gebucht, und wir haben uns wochenlang auf die Spielautomaten und das Meer gefreut. Doch eine Woche vor unserer Abreise blieb sie wieder im Bett. Länger und länger. Ich wusste sofort, dass der Urlaub gestrichen war. Am Tag bevor wir in den Zug steigen sollten, weinte sie und entschuldigte sich tausendmal. Am Ende musste ich sie trösten, obwohl ich selbst schrecklich enttäuscht war.

So ist das manchmal mit meiner Mutter: Sie stiehlt alle Gefühle, sodass für mich keine mehr übrig sind. Zu meinem letzten Geburtstag wollten wir eine richtige Übernachtungsparty mit Popcorn und einem Filmabend machen. Wir hatten das Haus aufgeräumt und alles vorbereitet. Aber an dem Tag, als ich die Einladungen mit in die Schule nehmen wollte, wurde sie unsicher und sagte, sie sei nicht bereit, das ganze Haus voller Leute zu haben. Also gab es für mich anstelle der geplanten Party ein Abendessen bei Maus.

Mum findet immer einen Grund, warum sie zu keiner Schultheater-Aufführung, keinem Sporttag und keinem Elternabend gehen kann. So ist es nun mal, und sie kann ja auch nichts dafür, oder? Sie will ja gar nicht so sein. Aber warum bin ich dann manchmal so wütend auf sie?

Ich darf auch niemandem sagen, dass sie im Bett bleibt. Sie meint, dann würden sich alle Sorgen machen und sich einmischen, und das sei das Letzte, was sie gebrauchen...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Übersetzer Silke Jellinghaus
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte ab 10 • Berührend • Depression • Freundschaft • Fußball • Kinderbuch • Scheidung • Schicksal • Träume • Wunsch
ISBN-10 3-03792-206-0 / 3037922060
ISBN-13 978-3-03792-206-4 / 9783037922064
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